KarlEduard Haas Reformierte Theologie in Erlangen Neu herausgegeben, bearbeitet und ergänzt von Matthias Freudenberg © Verlag Peter Athmann Nürnberg 2000 Inhaltsverzeichnis Hilfe Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Zur Startseite Hilfe Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers lesen 1. Die Vorgeschichte des Lehrstuhls für Reformierte Theologie lesen 1.1. Einleitung lesen 1.2. Johann Christian Gottlob Ludwig Krafft (1818-1845) lesen lesen 1.3. Isaak Rust (1830-1833) lesen lesen 1.4. Die Kämpfe um den Lehrstuhl für Reformierte Theologie und seine Gründung (1845-1847) lesen lesen 2. Die Geschichte des Lehrstuhls für Reformierte Theologie seit 1847 lesen 3. Die Professoren am Lehrstuhl für Reformierte Theologie lesen 3.1. Johann Heinrich August Ebrard (1847-1853) lesen lesen 3.2. Johann Jakob Herzog (1854-1877) lesen lesen 3.3. Anton Emil Friedrich Sieffert (1878-1889) lesen lesen 3.4. Johann Martin Usteri (1889-1890) lesen lesen 3.5. Ernst Friedrich Karl Müller (1892-1935) lesen lesen 3.6. Paul Sprenger (1935-1945) lesen lesen 3.7. Jan Remmers Weerda (1949-1963) lesen lesen 3.8. Joachim Berthold Staedtke (1965-1979) lesen lesen 3.9. Alasdair Iain Campbell Heron (seit 1981) lesen 4. Alasdair Heron:Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie im Kontext der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern lesen 4.1. Das Profil der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern lesen 4.2. Zur Geschichte der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern lesen http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas100.htm(1 von 2) [15.05.2002 10:16:18] 4.3.Die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern lesen 4.4. Zur Entwicklung der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern im 20. Jahrhundert lesen 5. Matthias Freudenberg:Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie um die Jahrtausendwende lesen 6. Anhang lesen 6.1. Erlaß des Königs Ludwig I. von Bayern vom 14. Juli 1847 lesen 6.2.Ernst Friedrich Karl Müller:Lebenslauf im Goldenen Buch der Universität (1903) lesen 6.3. Joachim Staedtke:Rede anläßlich der Eingliederung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in die Fakultät am 16. Januar 1970 lesen 6.4. Matthias Freudenberg:Katholischer König und reformierter Lehrstuhl. Vor 150 Jahren Gründung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in Erlangen lesen 6.5. Matthias Freudenberg:Bibliographie zur Geschichte des Lehrstuhls und zu seinen Inhabern lesen 6.6.Matthias Freudenberg:Biographisches Nachwort zu Karl Eduard Haas (1913-1991) lesen lesen http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas100.htm(2 von 2) [15.05.2002 10:16:18] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe Vorwort des Herausgebers Reformierte Theologie an der Universität Erlangen zu lehren, ist ein Unternehmen, das sich keineswegs von selbst versteht. Es bedurfte an der gemäß den Gründungsstatuten konfessionell lutherischen Fakultät erheblicher Anstrengungen seitens der Reformierten, um über 100 Jahre nach Gründung der Universität (1743) im Jahr 1847 einen ordentlichen Lehrstuhl für Reformierte Theologie zu etablieren. Freilich verblieb dieser Lehrstuhl bis 1970 außerhalb der Theologischen Fakultät und war als Sonderlehrstuhl dem Universitätsrektor direkt unterstellt. Immerhin wurde durch diese universitäts- und kirchenrechtlich bemerkenswerte Konstruktion gewährleistet, daß bereits im 19. Jahrhundert reformierte Theologen innerhalb Deutschlands in ihrer Konfession ausgebildet werden konnten. So ist der Erlanger Lehrstuhl für Reformierte Theologie der Vorreiter für die weiteren reformierten Lehrstühle in Göttingen (Gründung 1921) und Münster (Gründung 1925) gewesen. Es ist dem früheren Erlanger Pfarrer und bedeutenden Chronisten der Ev.-ref.Kirche in Bayern Karl Eduard Haas zu verdanken, die Geschichte des Erlanger Lehrstuhls für Reformierte Theologie im Zusammenhang dargestellt zu haben. Zwei Auflagen (1961 und erweitert 1987) mit dem Titel "Der Lehrstuhl für reformierte Theologie zu Erlangen" konnte er zu Lebzeiten als Privatdruck herstellen lassen. Um der Bedeutung dieses sowohl durch seine Geschichte als auch durch das Renommee seiner Inhaber illustren Lehrstuhls willen schien es angebracht, die inzwischen vergriffenen und im Druckbild unzulänglichen Hefte durch eine überarbeitete und ergänzte Fassung im Buchformat zu ersetzen. Diese Überlegung verbindet sich mit einem seit mehreren Jahren erfreulicherweise zu verzeichnenden Neuaufbruch in der Erforschung der Geschichte des reformierten Protestantismus im deutschsprachigen Raum, in die sich der hier vorgelegte Band einreihen möchte. Mit Zustimmung von Frau Gisela Haas, der Ehefrau von Karl Eduard Haas, sind behutsame stilistische Änderungen, kleinere Ergänzungen, die Korrektur offensichtlicher Irrtümer und - wo es sinnvoll erschien - der Beleg von Quellen in den Anmerkungen vorgenommen worden. Der individuelle sprachliche Duktus von Haas' Manuskript ist indes um der Authentizität seines Werkes willen nicht grundlegend verändert worden. Um dem Interesse an der neueren Entwicklung des Lehrstuhls und seiner Verbindung mit der Ev.-ref.Kirche in Bayern Rechnung zu tragen, sind folgende Abschnitte angefügt worden: ein Kapitel "Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie im Kontext der Ev.-ref.Kirche in Bayern" von Alasdair Heron sowie vom Herausgeber einige Hinweise zur gegenwärtigen Situation des Lehrstuhls, ein Anhang mit Dokumenten, eine Bibliographie und ein biographisches Nachwort zu Karl Eduard Haas. Fotographien u.a.aus dem Besitz des Lehrstuhls und der Ev.-ref.Gemeinde Erlangen ergänzen den Band. Allen voran danke ich Frau Gisela Haas für das freundliche Einverständnis, das Werk ihres vor 10 Jahren verstorbenen Ehemannes 40 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung neu herauszugeben. Die Synode der Ev.-ref.Kirche in Bayern hat sich bereiterklärt, die Neuedition mit einem Druckkostenzuschuß zu fördern. Für die Vermittlung dieses Zuschusses danke ich Präses Hartmut http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(1 von 9) [15.05.2002 10:16:25] Wenzel.Ferner danke ich Doris Thal für die Durchsicht der Druckvorlage. Ich freue mich, daß sich der Nürnberger Verlag Peter Athmann bereitfand, das Werk in sein Verlagsprogramm aufzunehmen, die Druckvorlage zu erstellen und den Druck vornehmen zu lassen. Erlangen, im Herbst 2000 Matthias Freudenberg 1. Kapitel Die Vorgeschichte des Lehrstuhls für Reformierte Theologie 1.1. Einleitung Nicht immer gab es an der Erlanger Universität einen reformierten Theologieprofessor. Die 1743 gegründete Hochschule besaß eine Theologische Fakultät mit anfangs drei Lehrstühlen. Diese war aber verfassungsmäßig lutherischen Bekenntnisses und sollte der Heranbildung der Pfarrer im Fürstentum Bayreuth, später auch Ansbach, dienen. Die wenigen reformierten Gemeinden in den markgräflichen Landen, die zum größten Teil französisch-reformiert waren, konnten im 18. Jahrhundert nicht mit einer besonderen Berücksichtigung ihres Konfessionsstandes an der Theologischen Fakultät rechnen. Sie waren genötigt, sich ihre Pfarrer aus den westdeutschen Ländern oder der Schweiz zu besorgen. Unter den reformierten Pfarrern, die Erlangen im 18. Jahrhundert hatte, waren Männer, die wissenschaftlich auf der Höhe ihrer Zeit standen, der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus. Dozieren aber durften sie nicht. Allerdings haben sie mehrmals als Prüfungskommission fungiert und jungen Kandidaten das Pfarramts-Examen abgenommen. Schon die ersten Pfarrer der beiden reformierten Gemeinden waren sehr gelehrte Männer. So brachte der Hugenottenpfarrer St. Esprit Tholozan (um 1642-1700) von der Heimat den Titel "Professor" mit. Und der erste deutsch-reformierte Pfarrer Jakob Daniel Humbert war Gymnasialdirektor in Heidelberg. Mit der Übernahme der fränkischen Lande durch das neue Königreich Bayern 1806 bzw. 1810 entstand eine völlig neue Situation. Einmal war der bis dahin fast ganz katholische Staat Bayern genötigt, auch für die geistliche Betreuung der evangelischen Landeskirchen, die er bekommen hatte, zu sorgen. Zum anderen war zum rechtsrheinischen Bayern auch die Rheinpfalz dazugekommen, in der es von der bisherigen Kurpfalz her neben Lutheranern eine namhafte reformierte Kirche gab. Diese hatte ihre Universität in der einstigen pfälzischen Residenz Heidelberg verloren, da die rechtsrheinische Pfalz zum Großherzogtum Baden geschlagen worden war. Für den reformierten Pfarrernachwuchs der Pfalz hatte nun die königliche Regierung in München zu sorgen. Es kam hierfür nur die einzige evangelische Landesuniversität in Erlangen in Frage. Die königliche Regierung kam den Wünschen der Pfalz mit einem Beschluß vom 3. Juli 1816 nach, demzufolge ein durch das Aufrücken des lutherischen Professors Gottlieb Philipp Christian Kaiser in eine ordentliche Professur frei gewordener außerordentlicher Lehrstuhl mit einem Lehrer der reformierten Kirche besetzt werden sollte. Dieser sollte die Pflicht haben, Dogmatik und Pastoralwissenschaft abwechselnd mit Homiletik, Pädagogik und Katechetik zu lehren und praktische Übungen in diesen Fächern zu veranstalten. Dieser Beschluß scheint sich mit dem Wunsch der deutsch-reformierten Gemeinde in Erlangen getroffen zu haben, für ihren Pfarrer Johann Philipp Karbach, den Schwiegersohn des Hofrats und Professors der Medizin Friedrich Heinrich Loschge, eine Gehaltsaufbesserung dadurch zu erreichen, daß ihm eine außerordentliche Professur zugleich übertragen würde. Die Sache hatte sich aber zu lange hingezogen. Karbach, Rationalist und außerordentlich beliebter http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(2 von 9) [15.05.2002 10:16:25] Prediger,den der Jurist Christian Friedrich von Glück als einen für Erlangen ganz unentbehrlichen Mann bezeichnete, hatte bereits einem Ruf an die reformierte Gemeinde Mannheim Folge geleistet, als die Berufung zum außerordentlichen Professor kam, und wollte nicht mehr zurück. Der Beschluß von 1816, den vakanten außerordentlichen Lehrstuhl mit einem reformierten Theologen zu besetzen, konnte erst verwirklicht werden, als sich der Nachfolger Karbachs im deutsch-reformierten Pfarramt Pfarramt Johann Christian Gottlob Ludwig Krafft als geeignet erwies. So erhielt Krafft am 6. Dezember 1818 die Berufung auf den außerordentlichen Lehrstuhl der Theologie und wurde damit Erlangens erster reformierter Theologieprofessor. Freilich war der Lehrstuhl, den er bis zu seinem Tode 1845 einnahm, kein ausgesprochen reformierter, sondern der außerordentliche, der zur lutherischen Fakultät zählte, jedoch außerhalb der Fakultät damals stand. Darum gehört Krafft strenggenommen nicht in die Reihe der Inhaber des erst nach seinem Tode 1847 gegründeten reformierten Lehrstuhls, sondern in dessen Vorgeschichte. Aber als Vorläufer der späteren reformierten Professoren und überhaupt als erster reformierter Theologieprofessor in Erlangen kann Krafft bei der Betrachtung der Geschichte des reformierten Lehrstuhls nicht übergangen werden, zumal die Ära Krafft für Erlangen von großer Bedeutung geworden ist. Es war schon etwas Großes für die Reformierten, daß es endlich einen reformierten Theologieprofessor gab, wiewohl es als ein Kuriosum gewertet werden muß, daß Kraffts Ernennung ausgerechnet in demselben Jahr 1818 erfolgte, in dem in der pfälzischen Kirche, für die doch die reformierte Professur gedacht war, die Union eingeführt worden war. Reformierte Theologie wurde in Erlangen schon fast 30 Jahre vor der Gründung des reformierten Lehrstuhls gelehrt. Hier muß auch des für wenige Jahre von 1830 bis 1833 neben Krafft wirkenden Isaak Rust gedacht werden. Dieser zählt zwar nicht direkt zu der Linie, die von Krafft zu Ebrard und damit zum reformierten Lehrstuhl führt. Aber als reformierter Theologieprofessor, der einen lutherischen Lehrstuhl einnahm, muß er hier auch Berücksichtigung finden, zumal nach seinem Weggang sogar erwogen wurde, seine Professur zu einem ständigen französisch-reformierten Lehrstuhl zu erheben, woraus freilich nichts wurde. 1.2. Johann Christian Gottlob Ludwig Krafft (1818-1845) Johann Christian Gottlob Ludwig Krafft wurde am 12. Dezember 1784 in Duisburg geboren. Sein Vater war Elias Christoph Krafft, Prediger in Duisburg, ein Sohn des in Marburg verstorbenen Professors der Theologie Johann Wilhelm Krafft. Seine Mutter Johanna Ulrike war die Tochter des Professors der Medizin und praktischen Arztes Johann Gottlob Leidenfrost in Duisburg. Schon 1798 verlor er seinen Vater, und es kam bei den schweren Kriegszeiten viel Not über das Haus. Von Hause aus im pietistischen Geist aufgewachsen, lernte der junge Krafft an der reformierten Hochschule in Duisburg, an der er Theologie studierte, den Geist des Rationalismus kennen. Wenn auch diese Richtung seinen scharf denkenden Geist mit Vorurteilen gegen Gottes Wort und Offenbarung erfüllte, so ließ doch das Beispiel vom rheinischen Pietismus geprägter Menschen ihn nie dazu kommen, in den Gedankengängen des Vernunftglaubens zu verharren. Noch zwischen Rationalismus und Orthodoxie schwankend legte er 1806 sein 1. Examen ab, ging dann nach Frankfurt am Main, wo er von 1806 bis 1808 lebte. Er erhielt 1808 eine Pfarrstelle in der kleinen reformierten Diasporagemeinde Weeze bei Kleve, wo er 1811 Katharine Wilhelmine Neumann, die Tochter des Konsistorialpräsidenten Peter Neumann, heiratete. In den ersten Jahren hatte er noch hinsichtlich der großen Tatsachen des Evangeliums mit Zweifeln zu kämpfen, die die rechte Freudigkeit http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(3 von 9) [15.05.2002 10:16:25] zuseinem Predigerberuf nicht aufkommen lassen wollten. Seinem fleißigen Bibelstudium ist es aber zu verdanken, daß es ihm immer mehr wie Schuppen von den Augen fiel. Als die deutsch-reformierte Pfarrstelle in Erlangen nach dem Weggang Karbachs verwaist war, empfahl der reformierte Pfarrer Spieß in Frankfurt dem Erlanger Presbyterium den Pfarrer Krafft als einen "Mann von sehr wissenschaftlichem Geiste, vielen, auch gelegentlich gelehrten Kenntnissen und unablässigem Forschungstrieb, zugleich ein guter Prediger, dessen Charakter und Wandel vortrefflich genannt werden muß". Auf die Wahl der Gemeinde und die Bestätigung durch das königliche Generalkreiskommissariat hin kam Krafft im Sommer 1817 nach Erlangen als deutsch-reformierter Pfarrer Pfarrer und bezog das alte Pfarrhaus in der Spitalstraße 11 (jetzt Goethestraße 46, mit Gedenktafel), das ihn bis zu seinem Lebensende beherbergte. In Erlangen wurde er zu seinem Befremden gleich mit den Praktiken der königlich-protestantischen Staatskirche konfrontiert, der die reformierten Gemeinden im neuen Königreich Bayern gegen ihren Willen einverleibt wurden und diese so ihrer kirchlichen Eigenständigkeit beraubt waren. Sein reformiertes Bewußtsein ließ durchs Presbyterium einen allerdings unwirksamen Einspruch gegen seine Installation durch den lutherischen Dekan erheben. Weltlicherseits verpflichtete ihn der Polizeidirektor von Ausin, der selbst reformiertes Gemeindeglied war. Krafft, der in den folgenden Jahren in seiner Gemeinde für das Wiedergewinnen des durch den Rationalismus verlorengegangenen reformierten Bewußtseins zu kämpfen hatte, war bestrebt, die Freiheit der Gemeinde von allem staatlichen und kirchenbehördlichen Zwang wieder zu erreichen. Er setzte sich gegen Übergriffe des neuen Kirchenregimes energisch und nicht ohne Erfolg zur Wehr, wie er 1818 dem lutherischen Dekan Friedrich Wilhelm Philipp von Ammon schrieb: "Solches läßt sich meine Gemeinde nicht bieten." Dieser Dekan stellte sich als eingefleischter Rationalist mit vielen Feindseligkeiten gegen Krafft. Krafft machte selbst noch eine Entwicklung durch. Zur Zeit seines Amtsantritts hatte er den Stand eines bibelgläubigen Supranaturalismus errungen und freute sich, in der Universitätsstadt bessere Gelegenheit zu bekommen, seine schon begonnene Dogmatik, eine Arbeit, die er als seine Lebensaufgabe ansah, zu schreiben. Die letzte Entwicklung, die Krisis seiner "Bekehrung" zu einem erweckten, gläubigen Christen, datiert er selbst auf das Frühjahr 1821. Von da an war er nach seinen eigenen Worten ein wirklich bekehrter Christ. Von ihm sollte eine große geistliche Bewegung ausgehen. Man hat in Erlangen offenbar schnell Kraffts geistige Fähigkeiten und theologisches Wissen erkannt. Damit hängt wohl seine Ehrenpromotion am 31. Oktober 1817 zusammen. Auf Verlangen reichte er eine Dissertation ein überDe servo et libero arbitrio in doctrina christiana de gratia et operationibus gratiae accuratius definiendo(1818), also über das Hauptthema der Reformation. Die Dissertation fand bei der Theologischen Fakultät gute Aufnahme. Der akademische Senat gab ihr anheim, Krafft zum außerordentlichen Professor vorzuschlagen. Die Fakultät zögerte nicht damit, zumal sie den Wünschen des Oberkonsistoriums entgegenkommen wollte. In der Anmerkung zu diesem Posten befindet sich folgende Begründung: Ernannt zum Lehrer der reformierten Theologie war der vor zwei Jahren nach Mannheim abgegangene reformierte Pfarrer Karbach, dessen Stelle der Pfarrer Krafft erhalten hat, "welcher durch wissenschaftliche Bildung und besondere Neigung in noch viel vollkommenerem Grade zum akademischen Lehrer geeignet ist. Wir bitten daher, den Pfarrer Dr. J. Chr. G.L.Krafft zum a.o.[sc. außerordentlichen] Professor der Theologie mit demselben Auftrage allergnädigst zu ernennen und ihm auf dieselbe Weise, wie es für Karbach beschlossen war, ein Gehalt von 400 fl dergestalt zu bewilligen, daß derselbe 200 fl aus der Universitätskasse und 200 fl aus der allgemeinen Unterstützungsanstalt für Protestantische Geistliche vom 1. Oktober 1818 an beziehe."Die Ernennung zum außerordentlichen Professor erfolgte dann am 6. Dezember 1818. Ein eigentliches Reskript hierüber erfolgte nicht. Dieser Mangel wurde erst 1834 entdeckt, als das Ministerium vom Universitätssenat die Rückgabe des Reskripts forderte, das dieser aber nie erhalten hatte. Die Bedeutung Kraffts wurde viele Jahre lang nicht erkannt, weder in seiner Gemeinde noch an der Universität. Der Einzug des Neuen, das mit ihm gekommen war, ging nicht ohne Widerspruch der Vertreter des Alten ab. Krafft hatte große Schwierigkeiten und Kämpfe zu bestehen und, wie er sagte, lange "die Schmach Christi allein zu tragen". Alle Neuerungen des von der Sache des Reiches Gottes durchdrungenen Pfarrers weckten den Argwohn des lutherischen Dekans von Ammon, der einige der http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(4 von 9) [15.05.2002 10:16:25] deutsch-reformierten Presbyter auf seine Seite zu ziehen verstand. Er selbst wohnte bei dem reformierten Presbyter Delarue zur Miete, und dieser wurde ein erbitterter Feind Kraffts. Man versuchte, Krafft mit Schimpfworten wie "Mystizismus" und "Sektierertum" abzuqualifizieren. Erst nach schweren Auseinandersetzungen im Presbyterium, bei denen Krafft übel mitgespielt wurde, schieden die Presbyter aus, die sich vom Dekan gegen ihren Pfarrer hatten mißbrauchen lassen. Das 1825 umgestaltete Presbyterium stand nun treu zu seinem Pfarrer. Aber auch später gab es Kämpfe zu bestehen, die häufig durch mutige Worte in Predigt und Unterricht verursacht wurden, so z.B.die Klage der Freimaurerloge gegen Äußerungen in der Christenlehre oder 1842 die Klage des Armenpflegschaftsrates, da sich Krafft in der Kinderlehre gegen die Abhaltung eines Armenmaskenballs gewandt hatte, weil dieser viel weniger Nutzen als Unglück bringe. Dessen ungeachtet aber hatte der deutsch-reformierte Pfarrer und Professor als Prediger und auch als Seelsorger schon lange großes Ansehen erworben. Aller Widerstand gegen ihn mußte sich seltsam ausnehmen gegenüber dem ungeheueren Zulauf zu seiner Kanzel. Wer heute die ruhigen und lehrhaften, meist langen und trockenen Predigten Kraffts liest, wird sich kaum den gewaltigen Eindruck vorstellen können, den sie damals machten. Die Gründe dafür mögen in dem Überdruß an den dürren rationalistischen Predigten auf den lutherischen und reformierten Kanzeln und dem Hunger nach dem biblischen Wort wie auch in der Persönlichkeit Kraffts gelegen haben, bei dem man das Gefühl der Nähe Gottes hatte. So erklärt sich die eigentümliche Zugkraft seiner Predigten, die nicht bloß seine Gemeinde, die ja nur etwa 300 Glieder zählte, sondern ziemlich alles, was in Erlangen ein lebendiges Christentum suchte, vor allem auch zahlreiche Professoren, Sonntag für Sonntag in der überfüllten Kirche am Bohlenplatz zusammenführte. Hier konnte man u.a.den Mineralogen Karl von Raumer, den Orientalisten Johann Arnold Kanne, den Naturwissenschaftler Gotthelf Heinrich Schubert, den Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling und den Rektor Ludwig Döderlein mit Lehrern und Schülern des Gymnasiums sehen. An der Universität dauerte es einige Jahre, bis Krafft von den Studenten angenommen wurde. Zunächst wollte man von ihm nichts wissen. Zu einem Durchbruch kam es 1823, als die Vorlesung über Pastoraltheologie Begeisterung auslöste, und 1825, als das Kolleg über Missionsgeschichte das bestbesuchte des Semesters wurde. An der lutherischen Fakultät lehrten in Kraffts ersten Jahren die Professoren Paul Joachim Siegmund Vogel, Leonhard Johann Bertholdt, Gottlieb Philipp Christian Kaiser und der außerordentliche Professor Johann Bernhard Lippert. Bis auf den positiv stehenden Kaiser waren sie Rationalisten und Krafft nicht sehr zugetan. Mit Krafft aber war einer der bedeutendsten Vertreter der Erweckungsbewegung und neben August Neander und August Tholuck einer der wenigen wissenschaftlichen Theologen, die sie selbst hervorgebracht hat, auf einen, wenn auch nur außerordentlichen, Universitätskatheder gekommen. Er war nach den Worten von Ernst Friedrich Karl Müller eine ganz schlichte Natur und keineswegs ein vielseitiger Gelehrter. Umfangreiche Bücher, außer einem JahrgangPredigten über freie Texte(1845), hat er nicht hinterlassen. Die Geschichte der strengen theologischen Wissenschaft verzeichnet seinen Namen kaum. Desto mehr weiß die Geschichte des christlichen Lebens von ihm zu sagen. Von Theodor Kolde wird er als eine der eigenartigsten Theologengestalten genannt, die Erlangen je gehabt hat.Imponierendes hatte er weder in seiner äußeren Erscheinung noch in seinem Auftreten oder in seiner Vortragsweise. Wir besitzen nur einen Schattenriß aus der Zeit der Erfindung der Fotographie, der ihn in der damals üblichen Tracht zeigt. Wie von seiner Kanzel, so gingen auch auf dem Lehrkatheder von seiner Persönlichkeit entscheidende Wirkungen aus. Kraffts Leidenschaft war das Wort Gottes. Der Bibel fühlte er sich ausschließlich verpflichtet und nahm sie als Grundlage aller theologischen Arbeit ernst. Als bewußter Schrifttheologe hielt er seine Dogmatikvorlesung anhand von Schriftbeweisen. Er soll ein fast druckfertiges Manuskript seiner Dogmatik hinterlassen haben. Das einzig erhaltene WerkChronologie und Harmonie der Evangelienwurde 1848 von seinem Schwiegersohn August Burger herausgegeben. Krafft versuchte, mit den Mitteln der Philologie den biblischen Text zu erschließen, während er die schon damals bekannten Ansätze der Textkritik noch nicht aufnahm. Alles zielt bei ihm auf Person und Werk Jesu, wobei die Erfahrung des Glaubens ein starkes Motiv ist. Seine Vorlesungen mögen oft Predigten geglichen haben. Sein Schwiegersohn Karl Goebel schreibt: "Er war ein Schrifttheologe im vollsten Sinne des Wortes, Schriftforschung, Schriftauslegung, Schriftverteidigung war ihm Lebensaufgabe, in der Schrift gegründete Theologen zu bilden, sein Ziel."Außer Dogmatik las er vor großem Auditorium Pastoraltheologie und http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(5 von 9) [15.05.2002 10:16:25] neutestamentlicheExegese. Seine Worttheologie war Erfahrungstheologie, geprägt von der mit der Romantik verbundenen Neuentdeckung des Gefühls. Kraffts größte Wirksamkeit ging vom Jahr 1824 in ihrer vollen Blüte über ein Jahrzehnt, bis neben ihm weitere Dozenten, darunter seine Schüler, in Erlangen auftraten: Gottlieb Christoph Adolf von Harleß, Johann Wilhelm Friedrich Höfling, Johann Heinrich August Ebrard und Heinrich Ferdinand Friedrich Schmid. Der lutherische Gelehrte Johannes Christian Konrad von Hofmann, der bedeutendste Vertreter der Erlanger Theologie des 19. Jahrhunderts, war Schüler Kraffts. Dieser bezeugte wiederholt öffentlich und privat, daß Krafft sein geistlicher Vater gewesen sei, dem er nächst Gott das Beste verdanke, was ein Mensch dem andern geben könne: "Die Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesu Christi". Diesem "Gottesmann" Krafft verdanke er seine Bekehrung. Man wird nicht fehlgehen, in der spezifisch heilsgeschichtlichen Konzeption von Hofmanns WerkWeissagung und ErfüllungGrundzüge der reformierten Bundestheologie zu entdecken. Es gibt weitere Zeugnisse bedeutender Persönlichkeiten über die Person Kraffts. Der Jurist Julius Stahl sagte in seiner Rede vor der Generalsynode zu Berlin 1846, in der er Krafft mit Spener, Wilberforce und Harms zusammenstellte: "Der Mann, der in meinem Vaterland (sc. Bayern) die Kirche auferbaute, der apostolischste Mann, der mir in meinem Leben begegnete, der Pfarrer Krafft, war ein strenger Bekenner des reformierten Lehrbegriffs. Ob er den Heidelberger Katechismus in der Tasche herumgetragen (...), das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß er einen Frühling aufblühen machte im ganzen Lande, dessen Früchte für die Ewigkeit reifen werden." Noch näher charakterisiert ihn Stahl in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 5. Februar 1846: "In Erlangen wirkte damals der Pfarrer Krafft, ein Mann, wie er sich in unserer Zeit und zu allen Zeiten selten findet. Ohne besondere geistige Gaben und wissenschaftliche Auszeichnung, namentlich ohne große Beweglichkeit und Gewandtheit der Gedanken, aber von großer Stärke und Energie des Willens, von schlichtem Glauben an das Wort Gottes und von einer völligen, sein ganzes Wesen verklärenden Hingebung in dasselbe, ja Identifizierung mit demselben -ein wahrhaft apostolischer Charakter -, wurde er für die protestantische Landeskirche Bayerns jener Sauerteig des Evangeliums, der den ganzen Teig durchsäuert." Der berühmte Naturwissenschaftler Schubert, ein Freund Kraffts, schreibt: "Man konnte mit Krafft nie allein sein - immer war ein anderer bei ihm, dessen Nähe man fühlte. Dieser Mann lebte in einem Gebete ohne Unterlaß, er wandelte und stand, redete und schwieg unausgesetzt vor dem Angesicht seines Gottes."Krafft war, wie der lutherische Professor Gottfried Thomasius in seiner Gedächtnisrede ihm nachrühmt, ein treuer Zeuge der göttlichen Wahrheit, nicht bloß durch Wort und Rede, sondern durch seine ganze Persönlichkeit. Gesinnung und Wort durchdrangen sich lebendig in ihm. Die äußere Bezeugung war nur der treue und wahrhafte Ausdruck des Innern: "Es lag ein Ernst über seine Persönlichkeit ausgebreitet, dem man es wohl anmerkte, daß er aus einem in Gott verborgenen Leben stammte, gepaart mit jener stillen und sicheren Ruhe, die ihres Weges und Zieles gewiß ist. Dabei tiefe Gottesfurcht und die Liebe, die nicht das Ihre sucht, Entschiedenheit des Charakters, Gewissenhaftigkeit im Kleinen und aufopfernde Treue im Amt. Seine persönliche Erscheinung war eine stille Predigt von der Kraft Gottes, die in ihm wohnte." Von namhaften Schülern haben wir anschauliche Berichte über Kraffts Vorlesungen. So schreibt der bekannte Homerforscher Carl F. von Nägelsbach: "Im Herbst 1824 warb Freund Rückert Zuhörer für ein Kollegium über Liturgik und Pastorale bei Krafft. Er brachte eine ziemliche Zahl zusammen, welche dieses Kollegium hören wollten, aber nicht geneigt waren, dasselbe regelmäßig zu besuchen. Aber wie ward uns, als Krafft in der schlichtesten Weise, wie vor Konfirmanden, aber mit der Hoheit und Würde eines Zeugen Christi, die Grundwahrheiten des Heils und insbesondere die Gnade Gottes und die Liebe des Heilandes im Versöhnungstode erklärte? Kurz, von Stund an war ich ein Christ und verstand das Evangelium. Wie mir ging es auch sehr vielen anderen. Nun dachte niemand mehr an eine mutwillige Kollegienversäumnis. Nun weiß ich zwar von Liturgik oder dem Pastorale, das Krafft vortrug, wenig oder nichts mehr. Etwas aber weiß ich, daß durch jene Vorlesungen die Schar der jüngeren Bekenner des Evangeliums gewonnen worden ist, welche anfangs wie vereinzelte Missionare, später im Bewußtsein des guten Rechts beigetragen haben, den Glauben an Christus, Gottes Sohn, in der Landeskirche wieder herrschend zu machen. Wir verstanden auch damals die Predigten von Krafft, in die wir auch nichttheologische Freunde mitnahmen."In ähnlicher Weise berichtet der später streng lutherische Wilhelm Löhe, der als Student auch auf Kraffts Kanzel stand und hernach auch sein Vikar werden sollte, http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(6 von 9) [15.05.2002 10:16:25] wasnur durch eine Erkrankung Löhes verhindert wurde. Löhe schrieb im Jahre 1836 einmal: "Ich verdanke, menschlich zu reden, mein geistliches Leben einem reformierten Lehrer, Professor Krafft." In einem Brief an seine Schwester Dorothea Schröder vom 14. November 1827 schreibt Löhe: "Gestern wollte ich nach meinem Versprechen zu Herrn Prof. Krafft gehen, um Hs. wegen mit ihm ernstlich zu reden. Nachmittags 3 Uhr las er sein erstes Kollegium über Dogmatik; nach dem Kolleg wollte ich ihm gleich in sein Haus nachfolgen. Aber ich konnt's nicht tun. Er kam und sein Kolleg begann: 'Geheiliget werde dein Name.'Gleich vornherein sprach er mit tiefer Rührung über die Wichtigkeit dieses Kollegiums für ihn und tat die Gründe dar, warum er's lese. Die Zeit, welche voll ungöttlichen Treibens ist, der Hinblick auf uns, einst Lehrer und Bewahrer der göttlichen Geheimnisse, und die Wichtigkeit unseres Amts, die Aufgabe selbst: den Grund des Glaubens in wissenschaftlichem Vortrag darzustellen; endlich seine Person (hier füllten sich seine Augen mit Tränen), nicht wert aller Barmherzigkeit und Treue. Nachdem er über das Vorbemerkte gesprochen hatte und zu diesem Letzten kam, begann er in Tränen überzufließen - bat, ihm nun als einem Freunde zu erlauben, von sich selbst zu reden. Du hast ihn selbst einmal gesehen und denMannan ihm gefunden. Diesen Mann denke Dir nun von innerem Gefühl so übermannt, daß er das Haupt auf dem Katheder beugen mußte und laut einige Sekunden schluchzte. Welch eine Einleitung in ein Kollegium! So hat wohl noch keiner gelesen: sein ehrwürdig Haupt, seine salbungsreichen Vorträge, seine Mannheit, seine Kämpfe gegen außen, seinheiligesLeben - alle diese Erinnerungen waren mir Einleitung genug. Nun aber diese Tränen und unter Tränen diesedemütigsten Selbstbekenntnisseüber die äußere und innere Führung seines Geistes zu diesem Stand, auf dem er jetzt steht und der von vielen so sehr gelästert wird, die Beschreibung von seiner Entfremdung vom wahren Leben in Gott und Christo, sein Glaubenskampf, der ja keinem erspart wird, seine Seligkeit nun, der Friede, von dem niemand wisse, außer wer ihn empfangen habe, sein Gebet: 'Herr, du hast mich erlöset, du treuer Gott!',sein 'Amen' unter Freudentränen, wie ich's nie gehört. Das war ein Kollegium, nach dem ich ihm nicht heimfolgen mochte. Wir gingen alle aus dem Auditorium, keiner konnte den anderen fragen: Was meinst du? Nach einem solchen Kampfe und solchen Erfahrungen im geistlichen Leben muß man Dogmatik lesen. Diese anderen glaubenslosen Professoren - ich habe keinen Begriff mehr, wie die noch Dogmatik lesen können. Wer so geführt worden ist, den will ich hören, der redet, was er erfahren hat und so am gewissesten weiß." Neben seiner akademischen und pfarramtlichen Tätigkeit ist weiter eine Reihe von Aktivitäten zu nennen, die Früchte seiner geistlichen Haltung waren. Krafft war der erste deutsche Professor, der über Missionswissenschaft las (Wintersemester 1825/26).Der Sinn für die Äußere Mission entstand in Erlangen durch ihn schon seit 1818. Er hielt in seiner Gemeinde regelmäßig Missionsstunden, noch ehe dieses Werk der Kirche offiziell diesen Namen erhielt. Dem um Krafft gesammelten Kreis gleichgesinnter Kollegen und Freunde entstammte ein "Hilfsverein für die Heidenmission", 1834 auch ein "Allgemeiner Verein zur Bekehrung der Heiden". Die Basler Missionsblätter ließ Krafft gebunden mit einem von seiner Hand geschriebenen Laufzettel zirkulieren. Sie wurden nicht nur in der Gemeinde, sondern in den Professorenfamilien, bei Rektor Döderlein usw. gelesen. Innere Mission trieb Krafft lange, ehe dieser Name aufkam. Eine Erziehungsanstalt für verwahrloste Töchter entstand durch ihn, aus der später das Puckenhofer Rettungshaus hervorging. Auch wurde in seinem Pfarrhaus schon in der Mitte der 30er Jahre ein kleiner Anfang einer Kleinkinderschule bzw. Sonntagsschule gemacht unter Mitwirkung seiner Tochter Sophie, der Anfang eines Kindergottesdienstes in Erlangen. Für die Verbreitung der Bibel setzte sich Krafft in einem privaten Bibelverein tatkräftig ein zusammen mit dem Nürnberger Kaufmann Neumann, in dem er mit namhaften Männern zusammenarbeitete und in dem der Philosoph Schelling eine Zeit lang das Präsidium führte. Von Kraffts Tätigkeit im Religions- und Konfirmandenunterricht gab die methodische Bearbeitung und Erläuterung des Heidelberger Katechismus Zeugnis, die einer seiner Schüler, Pfarrer Johann Peter Kindler/Nürnberg, unter Benutzung handschriftlicher Bemerkungen Kraffts später herausgab (1846). Vom Seelsorger Krafft wurden in EbrardsKirchenbuchmehrere Gebete abgedruckt. Schon genannt wurden einige der namhaften Vertreter der Wissenschaften, die zu seinen Freunden und regelmäßigen Zuhörern gehörten. Diese scheuten sich nicht, den Weg ins Pfarrhaus zu Bibelbesprechungen zu nehmen. Es ist klar, daß von ihnen weitere geistliche Wirkungen auf die akademische Jugend ausgingen. Im Krafft-Goebelschen Familienalbum wurde ein Blatt aufbewahrtZum http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(7 von 9) [15.05.2002 10:16:25] Gedenktage25jähriger geistlicher Amtsführung Herrn Professor D. Krafft in Liebe und Verehrung dargebracht,unterzeichnet u.a.von den Fakultätskollegen Höfling, Ebrard, Drechsler, Schmid, Schöberlein, Harleß, sowie von Scheurl, Heinrich Thiersch, dem Mediziner Leupold und dem Philosophen Heyder. 1837 hatte Krafft den Dr. theol. h.c.verliehen bekommen. Von vielen aus besonderen Anlässen gehaltenen Predigten sei noch die überDie ächte, die christliche Freiheitgenannt, die Krafft am 25. August 1843 anläßlich des 100jährigen Jubiläums der Universität und des gleichzeitigen Geburtstags des Königs auf der Kanzel der Neustädter Kirche hielt, wohin man sich in einem Festzug begeben hatte. Man hat Krafft den Regenerator der protestantischen Kirche genannt. Dieses anerkennende Urteil wird man differenziert sehen müssen. Es gehört nämlich zu den Merkwürdigkeiten der Geschichte, daß die nachhaltigen Wirkungen der Erweckung durch Krafft wohl sehr stark im Luthertum Bayerns weitergingen, nicht so sehr aber in seiner eigenen deutsch-reformierten Gemeinde und deren fränkischen Schwestergemeinden. Die von Krafft ausgehende Erweckungsbewegung brachte den scharfen Konfessionalismus in der lutherischen Kirche, besonders bei den jungen Pfarrern, der um 1840 losbrach, mit hervor. Ausgerechnet Löhe, der einst seinen Lehrer so verehrt hatte, bei ihm gepredigt hatte und den dieser als Vikar annehmen wollte, entwickelte sich zum strengen Konfessionalisten, der zusammen mit Pfarrer Wucherer und anderen den "Zweiherrndienst" beim Abendmahl in der von ihnen nun derart abgelehnten quasi-unierten protestantischen Kirche Bayerns bekämpften, daß sie aus dieser ihrer Kirche sogar austreten wollten. Es kam unter anderem zu schlimmen Vorgängen in den Kolonistengemeinden der südbayerischen Moorgebiete, besonders im Donaumoos in der Pfarrei Untermaxfeld, die der alternde Krafft mit größter Bestürzung und Trauer erleben mußte. Die aus diesen feindseligen Gegensätzen heraus 1848 erfolgte Gründung der reformierten Gemeinde Marienheim am Rand des Donaumooses hat er nicht mehr erlebt. In Erlangen selbst hat Krafft wohl mehr die Schicht der Intellektuellen erfaßt als das Gros der reformierten Gemeinden, bei denen in der Folgezeit wenig tiefgehende Wirkungen zu beobachten waren. Das lag wohl weniger an den Pfarrern, die Kraffts Schüler im Konfirmandenunterricht und im Studium gewesen und von daher geprägt waren: Karl Goebel als sein deutsch-reformierter Nachfolger, Johann Jakob Wilhelm Renaud und Johann Friedrich Birkner von der französisch-reformierten Gemeinde sowie Ebrard. Besonders hervorzuheben ist Kindler, von dem als reformierter Pfarrer in Nürnberg (1823-1855) ähnliche ähnliche geistliche Wirkungen auf die vom Rationalismus bestimmte Bevölkerung ausgingen. Die kleine Marthakirche war alsbald zu klein für die Menge der Predigthörer, die zumeist aus den lutherischen Gemeinden stammten. Die reformierte Gemeinde selbst zählte damals nur etwa 100 Glieder. Schwere Zeiten und viel Leid hatte Krafft in seiner Familie erfahren. Seine Frau erkrankte 1828. Sie konnte sich nicht mehr erholen und verstarb am 12. November 1833 nach langem Siechtum. Ein halbes Jahr später mußte er am 16. Juni 1834 seinen ältesten Sohn, einen 19jährigen Theologiestudenten, neben der Gattin begraben. Kaum vier Jahre später starb sein jüngstes Kind, Marie Therese, 10 Jahre alt. Zwei Töchter, Johanna Elise und Sophie Marie Viktoria, verheirateten sich, erstere mit Pfarrer August Burger in Fürth, dem späteren Oberkonsistorialrat in München, letztere mit dem Pfarrer und späteren Posener Konsistorialrat Karl Goebel, der Kraffts Nachfolger im Erlanger deutsch-reformierten Pfarramt wurde. Kraffts jüngster Sohn Karl Georg war als Hauslehrer bei dem bayerischen Gesandten in Rom angestellt, trat nach seines Vaters Tod noch 1845 zur römischen Kirche über und starb 1898 als Benefiziat in Neuburg a.d.Donau. Krafft selbst krankte seit 1835 an Unterleibsschwäche. Die vielen seelischen Erschütterungen, veranlaßt durch Leid in der Familie, und die ihn mehr, als er sich merken ließ, kränkenden Angriffe auf ihn und seine Kirche zehrten an seiner Lebenskraft. Seine leidende Gesundheit war auch mit der Grund, warum das Oberkonsistorium in München nach dem Ableben des reformierten Oberkonsistorialrats Philipp Casimir Heintz davon absah, Krafft in seine Mitte zu berufen. Die Unterleibsschwäche trat 1845 mit neuer Wucht auf, und schließlich stellte sich Wassersucht ein. Krafft hatte für das Sommersemester eine Vorlesung über die letzten Dinge angekündigt. Als sein Schwiegersohn Burger ihn auf sein Ende vorbereitete, antwortete er: "Wenn der Herr mich ausspannen will, so ist es mir recht!" Im Glauben an den Erlöser und die von ihm erworbene Gnade entschlief er am 15. Mai 1845 im Alter von erst 60 Jahren. Groß war in allen Kreisen Erlangens, besonders in der Theologischen Fakultät, aber auch in der ganzen bayerischen protestantischen Kirche der Schmerz über http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(8 von 9) [15.05.2002 10:16:25] seinenTod. Studenten und Kollegen schuldeten ihm Dank, nicht zuletzt aber seine Gemeinde. Der Pfarrer der französisch-reformierten Gemeinde Renaud sprach am Grabe: "Einen eifrigeren Diener Christi und einen gewissenhafteren Haushalter über Gottes Geheimnisse habe ich bis zur Stunde noch nicht kennengelernt (...)." Das Grab Kraffts auf dem Reformierten Friedhof trägt eine schlichte eiserne Tafel. Am früheren deutsch-reformierten Pfarrhaus in der Goethestraße 46 wurde 1918 eine Gedenktafel angebracht mit der Inschrift: "In diesem Hause wohnte und starb Christian Krafft, Pfarrer der deutsch-reformierten Gemeinde, Gemeinde, Professor und Doktor der Theologie (1817-1845), bekannt als gesegnetes Werkzeug der Erneuerung christlichen Lebens in der protestantischen Kirche." http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas101.htm(9 von 9) [15.05.2002 10:16:25] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 1.3. Isaak Rust (1830-1833) Isaak Isaak Rust wurde am 14. Oktober 1796 in Mußbach bei Neustadt a.d.Weinstraße als Sohn des Landwirts Karl Rust und seiner Frau Anna Maria, geb. Schönig geboren. In armen Verhältnissen aufwachsend bereitete sich der hochbegabte junge Mann zunächst für den Volksschuldienst vor, wurde Schulgehilfe, dann Schreiber bei einem Advokaten, erwarb sich aber durch angestrengte Privatstudien die nötigen Gymnasialkenntnisse und wurde 1815 in Heidelberg immatrikuliert, wo er Philosophie und Theologie bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Carl Daub, Heinrich Eberhard Gottlob Paulus und anderen studierte und schon 1816 eine Preisaufgabe der Theologischen Fakultät löste. Er machte schon 1817 das 1. Examen mit der Note "sehr gut", wurde Vikar in Haßloch, dann 1818 Lehrer am Progymnasium in Speyer und hielt ein Semester lang am Lyzeum philosophische Vorlesungen. Durch eine AbhandlungDe absoluti revelationeerwarb er sich 1818 in Heidelberg den philosophischen Doktortitel. Durch Krankheit genötigt, gab er 1820 seine Schulstelle auf und wurde Pfarrer in Ungstein. Er hat 1818 Dorothea Henriette Sophia, geb. Quans geheiratet. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor. In Ungstein gab er 1825 sein BuchPhilosophie und Christenthum oder Wissen und Glaubenheraus, durch das sein Name weiten Kreisen bekannt wurde. In diesem Buch führt er einen Kampf "für Licht und Wahrheit, für Freiheit des Geistes und eindringende Forschung (...) gegen die Ausgeburten eines erkrankten Gefühls und die Unternehmungen der Lichtscheuen" und zeigt sich als ausgesprochener Rationalist Hegelscher Prägung. Gewiß sieht er im vulgären Rationalismus wie im überspannten Supranaturalismus Einseitigkeiten. Er versucht, die wahre Einheit zwischen Philosophie und Christentum darzutun als das notwendige Ergebnis des auf Grund der Gottesoffenbarung sich entwickelnden Geistes: "Das Gefühl ist die heidnische, der Verstand die jüdische und die Vernunft die christliche Intelligenz." Philosophie und Christentum, "die erhabensten Erscheinungen des Geistes", sind nicht zu trennen, obwohl sie ihre Individualität behalten, so "daß das, was die Philosophie rein im Reiche des Geistes erstrebt, von dem Christentum im Reiche der Sittlichkeit errungen wird". Rust folgte 1827 dem durch Vermittlung des reformierten Oberkonsistorialrats Heintz in München ergangenen Ruf an die französisch-reformierte Gemeinde in Erlangen als Pfarrer und Nachfolger von Francois Ebrard. Kaum in Erlangen angekommen, strebte er auch schon einen theologischen Lehrkatheder an und verursachte bis zur völligen Erfüllung seiner ehrgeizigen Wünsche an der Universität viel Aufregung. Im Oktober 1827 wurde er Lizentiat und im März 1828 Doktor der Theologie mit einer DissertationDe nonnullis, quae in theologia nostrae aetatis dogmatica desiderantur,in der er u.a. Schleiermachers Religionsbegriff bekämpfte, der die Religion ihrer Würde beraube, das Wesen der christlichen Religion korrumpiere und die Würde des Menschen vermindere. Bei der Disputation über diese Dissertation kam es zu einem Zwischenfall. Der Stadtpfarrer der Altstadt und Privatdozent Johann Christian Gottlieb Ackermann, ein Gesinnungsgenosse Kraffts, gebrauchte bei seiner Opposition gegen Rust so scharfe Ausdrücke, daß der Dekan eingreifen und die Disputation abgebrochen enden mußte. Die Allgemeine Kirchenzeitung vermutete ein Komplott "des Verbandes frömmelnder und übergläubiger Kopfhänger", was nicht zuletzt auch gegen Krafft gemünzt gewesen sein dürfte: "Die trübselige Partei http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(1 von 8) [15.05.2002 10:16:31] ahnte,was ihr bevorstand, darum sollte dem gefürchteten Verteidiger der Denk- und Lehrfreiheit gleich anfangs ein Genickfang versetzt werden." Die Parteien standen sich scharf gegenüber. Rust, der auch sonst in Aufsätzen und Predigten gegen den "Afterevangelismus" anging, hatte nun die Möglichkeit, seinen hegelianisch gefärbten Rationalismus auch in Vorlesungen zu vertreten. Die Promotionen Rusts waren eine problematische Prozedur. Es ist interessant, daß man sich bei der Verleihung der akademischen Grade an ihn über die Situation der Fakultät in einer Art hinwegsetzte, die wohl selten sonst vorgekommen ist. Bei der Erwerbung der Lizentiatur leistete der reformierte Rust den vorgeschriebenen Eid auf die symbolischen Bücher der lutherischen Kirche mit dem Zusatz "quatenus symbolicis normis obtemperat synodus Caesareo-lutreana", dies ist die 1818 zu Kaiserslautern festgesetzte pfälzische Unionsformel, die nur "die beiden Konfessionen gemeinschaftlichen symbolischen Bücher mit Ausnahme der darin enthaltenen, unter beiden Konfessionen bisher streitig gewesenen Punkte" als Norm anerkannte. Das zweite Mal, bei der Erwerbung des Doktortitels, verlangte er den Zusatz "quatenus cum scriptura sancta et doctrina ecclesiae reformatae consentiunt" - eine Verpflichtung, wie sie bei den Symbolen der lutherischen Kirche ungewöhnlich war. Daß die Fakultät, wenn auch nicht ohne Widerspruch, darauf einging, erklärt sich wohl nur daraus, daß sie in dem "wegen seiner philosophisch-theologischen Spekulation so hochgeschätzten D. Rust" einen geschickten Bekämpfer des "Mystizismus" sah, unter welchem Begriff man damals das evangeliumsgemäße, gläubige Christentum eines Krafft verstand. Man war, Kaiser ausgenommen, damals eigentlich nicht lutherisch und nicht reformiert, sondern stand in der Einheitsreligion des Rationalismus einander nahe. Lediglich der Minister Schenk scheint sich daran gestoßen zu haben, als er davon erfuhr, und erklärte, daß "eine solche Eidesleistung mit sich selbst und mit den Statuten der Theologischen Fakultät nicht übereinstimmend erscheine". Es fiel der Fakultät nicht leicht, sich gegen den Vorwurf zu rechtfertigen. Schon nach halbjähriger Dozententätigkeit bewarb sich Rust beim König um eine Professur für "spekulative Theologie". Das allerdings erregte nun auch in der Theologischen Fakultät Widerspruch. Kaiser nahm gegen seine sich zustimmend äußernden Fakultätskollegen in einem Gutachten Stellung, ebenso Vogel: Eine spekulative Theologie könne nur der Philosophischen Fakultät angehören, nicht der Theologischen, die ihre Lehre nicht aus der Spekulation, sondern aus der Heiligen Schrift zu schöpfen hat, und es sei auf einer so wichtigen Stelle ein Mann erforderlich, der "als Exeget, Historiker und Philosoph gleichmäßig bewährt wäre und die Dogmen nicht a priori konstruieren und nach einer Zeitphilosophie modifizieren würde". Rust sei aber der Hegelschen Philosophie zugetan, außerdem gehöre er, der früher Pfarrer in der unierten Kirche gewesen sei, jetzt der separierten reformierten Gemeinde an und habe dementsprechende Eidesverpflichtungen auf sich genommen. Gegen Rusts Beförderung zum zweiten Professor der reformierten Theologie neben Krafft wende er sich nicht, sondern gegen "Herrn Rusts ephemerische philosophische Ansichten, welche er bei seiner übrigen philosophischen Bildung vielleicht bald verläßt", und gegen die Errichtung eines Lehrstuhls für eine Wissenschaft, die gar nicht existiert und nie existieren kann, ohne in der Dogmatik zu sein. Nach dem Kirchenrecht und nach den Erlanger Universitätsstatuten sei immer noch am Unterschied der Konfession bei den theologischen Lehrämtern festzuhalten. Aus Mangel an Mitteln wurde Rusts Gesuch zunächst abgewiesen. Allerdings muß er hohe Gönner gehabt haben. Am 24. Februar 1830 wurde er zum außerordentlichen Professor ohne Nominalfach und am 6. Mai 1831 sogar zum ordentlichen Professor extra facultatem ernannt. Rust, noch nicht zufrieden, verlangte jetzt auch die Aufnahme in den Senat, und als ihm das verweigert wurde, da ein nicht der Fakultät angehöriger Professor auch nicht dem Senat angehören könne, beschwerte er sich beim Ministerium. Der Nachweis von seiten der Fakultät, daß sein Anspruch völlig unberechtigt und die Voraussetzung für seinen Eintritt in den Senat und die Zugehörigkeit zur Fakultät für ihn ausgeschlossen sei, da es in den Statuten "professores in theologica facultate ad unum omnes Augustanae confessioni addicti sunto" heiße, machte in München keinen Eindruck. Es wurde einfach befohlen, daß der Eintritt in den akademischen Senat Rust nicht zu verwehren sei. Dazu kam es freilich erst, als Rust dank seiner Zähigkeit noch mehr erreicht hatte. Unter dem 6. Oktober 1832 wurde ihm eine für ihn neu errichtete fünfte ordentliche Professur in der Theologischen Fakultät mit dem Lehrauftrag für Dogmatik, Moral und Apologetik des Christentums übertragen. Ohne irgendwelche Rücksicht auf die Statuten wurde der reformierte Professor zugleich zum Mitglied der lutherischen Fakultät ernannt. Das war ein einzig http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(2 von 8) [15.05.2002 10:16:31] dastehenderFall für Erlangen, und es hätte damals nicht viel daran gefehlt, daß unter Abänderung ihres Konfessionsstatuts die Fakultät uniert geworden wäre. Rust war ein Mann von großer Begabung und rhetorischer Gewandtheit, "der es sein Lebenlang verstand, sich zur Geltung zu bringen" , als Prediger und Dozent großen Zulauf hatte und dessen theologische Disputierübungen, die er in seinem Pfarrhaus veranstaltete, viele Studenten anzogen. Er vollzog aber nun in der kurzen Zeit seines Wirkens in Erlangen einen überraschenden und radikalen Umschwung seiner philosophisch-theologischen Haltung, weg vom Hegelianismus hin zu einer positiven Theologie. Zu diesem erstaunlichen Umschwung mögen mehrere Faktoren beigetragen haben, so der Einfluß seiner Fakultätskollegen Johann Georg Veit Engelhardt, Johann Georg Benedikt Winer, Hermann Olshausen, Gottlieb Philipp Christian Kaiser und auch Krafft, der wohl zuerst auf ihn wie ein rotes Tuch gewirkt haben muß. Dann war es aber auch die revolutionäre Bewegung in der Pfalz, die beim Hambacher Fest im Mai 1832 offen zutage trat. Rust fühlte sich getrieben, in seiner SchriftStimmen der Reformation und der Reformatoren an die Fürsten und Völker dieser Zeitden "frechen Geist der Verneinung" zu bekämpfen, "der in der zügellosesten Gestalt in das Staatsgebiet eindringe". Er lieferte nach einer "historisch-philosophischen Einleitung" eine Blütenlese aus den Aussagen der Reformatoren über den Staat, die Regierenden, die Gehorchenden und die Revolution. Er konnte jetzt schreiben: "Das Meiste, was sich im Anfange des 19. Jahrhunderts unter dem ehrwürdigen Namen des Rationalismus geltend machte, ist in der Tat nichts weiter als ein mehr oder minder verschleiertes Erzeugnis jenes Geistes (der Revolution und Verneinung), ein Kind desselben, das er mehr oder minder incognito die Reise durch die Welt machen lassen wollte. Im Ganzen dieselbe Verweltlichung, derselbe Gegensatz gegen das wahrhaft göttliche Leben und Wirken, dieselbe aufgebende, wegwerfende, zerstörende Tendenz."Das war ein auffallender Bruch mit der bisher verfolgten Linie. Dieser war wohl auch schon längere Zeit vorbereitet gewesen durch die Nähe des zu gleicher Zeit 1828 als Privatdozent nach Erlangen berufenen Philosophen Ludwig Feuerbach, ebenfalls ein Schüler Hegels, der durch seinen Radikalismus den in Erlangen nie sehr geschätzten Hegelianismus völlig um sein Ansehen brachte. Außerdem prägte ihn sein Studium der Reformatoren. Schon 1827 hatte Rust zusammen mit Friedrich Wilhelm Lomler, Ernst Zimmermann und anderen die Herausgabe der ReiheGeist aus Luthers Schriften oder Concordanz der Ansichten und Urteile des großen Reformators(Bde. 1-4 [1827-1831]) begonnen. Nun wandte sich Rust mit Eifer der rechtgläubigen Theologie zu. Es zeichnet ihn aus, daß er bei seinem nicht geringen Ehrgeiz und Geltungstrieb die Wandlung so ehrlich vollzog. Rusts theologischer Neubeginn wurde 1832 durch sein großes WerkStimmen der Reformation und der Reformatoren an die Fürsten und Völker dieser Zeitbekannt. Mit großem kirchen- und dogmengeschichtlichem Wissen zeigte er, daß die Staatstheorien der Revolution von 1830 und des Hambacher Fests 1832 in schneidendem Widerspruch zu den Aussagen aller Reformatoren stehen, und entwirft ein großes und grundsätzliches Programm in zehn Punkten, in denen er unter anderem betont: "Nur durch die Religion kann die heillose Lage gewandelt werden. Religion ist es, was unserer Zeit in ihren Wirren und in ihrem Elende noth tut." Nun war seines Bleibens in Erlangen nicht mehr lange. Diese Schrift von 1832 scheint die Aufmerksamkeit König Ludwigs I. noch mehr als bisher auf ihn gelenkt zu haben. So wurde Rust unter dem 17. August 1833 als zweiter geistlicher Konsistorialrat nach Speyer berufen, um den in der pfälzischen Kirche ausgebrochenen Wirren entgegenzutreten. Die Fakultät, der der erfolgreiche Professor bei der Mittelmäßigkeit der eigenen Theologie unangenehm sein mußte, war wohl froh, den Konkurrenten loszuwerden, nachdem man schon Intrigen gegen ihn ins Werk gesetzt hatte. Die Union der pfälzischen Kirche war 1818 auf ausgesprochen rationalistischer Basis zustande gekommen. Das Oberkonsistorium und die bayerische Staatsregierung suchten nun die pfälzische Kirche wieder auf positivere Grundlagen zu stellen. Darüber aber entstand ein langjähriger Streit. Nur zur Information sei die Schilderung erwähnt, die Pfarrer Frantz, ein Gegner Rusts und einer der Vorkämpfer des Rationalismus in der Pfalz, in seiner ZeitschriftDie Morgenröte(Januar 1846) von dem traurigen Zustand des kirchlichen Lebens gab: Unwürdige Geistliche gab es nicht wenige. Diese wurden aber von der Kirchenleitung nicht zur Rechenschaft gezogen. Tiefere theologische Bildung war nicht häufig zu finden. Im allgemeinen herrschte viel Seichtigkeit. Jede tiefere christliche Regung wurde als Mystizismus und Heuchelei gebrandmarkt. Der Kirchenbesuch war besonders in den Städten schlecht, nirgends herrschte reges kirchliches Leben. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(3 von 8) [15.05.2002 10:16:31] Der1823 gegründete Bibelverein fand keinen Eingang, die Mission war nicht einmal dem Namen nach bekannt. Rust erhielt die schwierige Aufgabe, hier Wandel zu schaffen. Das Konsistorium wurde durch positiv stehende Männer besetzt. Rust bekannte sich nun zur positiven Union. Nachdem er sich gewandelt hatte, wandte er sich mit aller Schärfe gegen seine früheren Gesinnungsgenossen, wobei er manchem ehrlichen Rationalisten Unrecht tat, wenn er ihnen Abfall vorwarf und sagte, sie seien dem Irrtum ganz und gar und auf die sündhafteste Weise verfallen. Die heftige Sprache, der Mangel an gewinnender Freundlichkeit, der bürokratische Stil, so z.B.die Einforderung der Karfreitagspredigten 1834 und die Veröffentlichung der kritischen Beurteilungen 1835, lösten viel Protest aus. Die Pfalz geriet in von Jahr zu Jahr zunehmende Unruhe. In der Abgeordnetenkammer wurde er als Mann von "jesuitisch-pietistisch-mystisch-theokratischer Tendenz" beschuldigt. Allerdings konnte Rust in den dreizehn Jahren, die er in Speyer war - seit 1842 als erster geistlicher Konsistorialrat und Pfarrer -manches zum Segen der Pfälzer Kirche wirken, besonders als jüngere Kandidaten nachkamen, die auf der Universität nicht mehr im rationalistischen, sondern positiven Geist ausgebildet waren. Aber es entstand immer wieder neue Unruhe. So erregte der Entwurf eines positiven Katechismus die liberale Partei. Ein von Rust aus älteren Pfälzer Agenden zusammengestellter Entwurf eines Kirchenbuchs fiel mit großer Stimmenmehrheit durch. Schließlich brachte 1838 der Apostolikumsstreit neue heftigste Erschütterungen für die junge Unionskirche, da ja viele Pfarrer bei der Taufe entgegen der Kirchenordnung das Apostolische Glaubensbekenntnis, das sie nicht mehr bejahten, einfach wegließen und Rust dagegen einschritt. Allmählich gab es so viel Aufruhr, daß Rust 1847 an das Oberkonsistorium nach München versetzt werden mußte. Dort wurde er Nachfolger des verstorbenen reformierten Oberkonsistorialrats Carl Heinrich Fuchs. Trotzdem gab es keine Ruhe. Schließlich half auch die zeitweilige Versetzung Rusts in den Ruhestand nichts mehr. Im stürmischen Revolutionsjahr 1848 mußte der pfälzischen Kirche ihre Forderung auf Lostrennung vom Oberkonsistorium gewährt werden. Sie wurde mit ihrem Konsistorium nun direkt dem Staatsministerium des Innern unterstellt. Der quieszierte Rust blieb Hofprediger in München - die Gemahlin König Max II. war eine protestantische Hohenzollerin - und wurde 1850 Ministerialrat im neuen Kultusministerium und Referent für die pfälzischen Kirchenangelegenheiten. Von da aus hatte er nun doch wieder, wenn auch nicht mehr in dem Maß wie früher, Einfluß auf die Pfälzer Geschehnisse, was besonders Ebrard in seiner Speyerer Zeit, die der Rusts ähnelte, unliebsam zu spüren bekam. Ebrards Arbeit in Speyer wäre aber ohne Rusts Vorarbeit nicht denkbar gewesen. Rust hatte - freilich glücklos - die pfälzische Union, die im rationalistischen Geist geschlossen dastand, auf ein positives Fundament im Sinne der Reformation Luthers zu stellen versucht. Als Ebrard 1861 infolge des Gesangbuchstreits in Speyer in den Ruhestand versetzt wurde, ging auch Rust in Ruhe. Er starb schon am 14. Dezember 1862 nach kurzer Krankheit in München. Als Zeichen der Zufriedenheit des Königs hatte er den Verdienstorden der bayerischen Krone und den Michaelsorden erhalten. Nach Rusts Weggang aus Erlangen hat man in München allen Ernstes daran gedacht, seine Professur mit der Stelle des französisch-reformierten Pfarrers dauernd zu verbinden. Professor Karl Heinrich Sack in Bonn sollte dafür gewonnen werden. Das scheiterte angeblich nur daran, daß das französisch-reformierte Presbyterium Presbyterium seine Bewerbung verlangte, die dieser ablehnte und dann auch erklärte, lieber in Bonn bleiben zu wollen. Inzwischen hatte das Presbyterium Pfarrer Renaud gewählt, der aber die Professur nicht erhielt. Wenn der Plan Münchens durchgegangen wäre, hätte die Fakultät ihren streng lutherischen Charakter verloren und wäre uniert geworden. Das wäre damals vielleicht möglich gewesen, da das lutherische Bewußtsein noch nicht so stark war. Ein Jahrzehnt später war nach Kraffts Tod 1845 die Lage anders, nachdem sich die konfessionellen Gegensätze stark entwickelt hatten. 1.4. Die Kämpfe um den Lehrstuhl für Reformierte Theologie und seine Gründung (1845-1847) http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(4 von 8) [15.05.2002 10:16:31] Dieaußerordentliche Professur, die Krafft bekleidet hatte, war nicht reformiert, sondern nur ihr Inhaber war reformiert gewesen. Da Kraffts Nachfolger Heinrich Ferdinand Friedrich Schmid wieder ein Lutheraner gewesen ist, war für die Bedürfnisse der unierten Pfalz wieder nicht mehr gesorgt. Die lutherischen Professoren in Erlangen genügten dafür nicht, aber auch einen reformierten Professor, wie Krafft es gewesen war, wollte man in der Pfalz nicht haben. Krafft hatte nie Unionsneigungen gehabt und hatte sogar lutherische Studenten, die sich zu ihm hielten, nicht zum Abendmahl zugelassen, was damals kirchenrechtlich nicht möglich war. Das war nicht im Sinn der pfälzischen Kirche. Die Generalsynode von Speyer 1845 sprach den dringenden Wunsch aus, es möchte in Erlangen ein theologischer Lehrstuhl errichtet werden, "der die Doktrinen der pfälzischen Kirche zu vertreten habe". Das Oberkonsistorium, in dem nacheinander die zwei ursprünglich reformierten geistlichen Räte Fuchs und Rust saßen, stimmte dem zu. Da die pfälzischen Theologen wie die Lutheraner verpflichtet waren, in Erlangen ihre Studien zu absolvieren, war der Wunsch, nun auch für die besonderen Bedürfnisse der Pfälzer zu sorgen, nicht unberechtigt. Oberkonsistorialrat Fuchs sprach sich besonders dahin aus, daß der Pfalz mit einem reformierten Professor nicht gedient sei, da es dort keine reformierte Kirche mehr gebe. Das Oberkonsistorium in München stellte sich ganz auf die Seite der Pfalz, indem es feststellte, daß das "durch den Fortschritt der Zeit hervorgerufene Erfordernis" die Besetzung der fraglichen Professur mit einem unierten Geistlichen sei. Es beantragte am 11. Oktober 1845 die Berufung eines solchen als Extraordinarius. Als das Ministerium die Aufforderung zu Personalvorschlägen für den zu errichtenden unierten Lehrstuhl ergehen ließ, antwortete am 13. Januar 1846 die Fakultät durch Professor Gottfried Thomasius entgegenkommend. Sie verneinte allerdings die prinzipielle Frage, ob im Interesse der Wissenschaft die Errichtung eines Lehrstuhls für unierte Theologen wünschenswert sei. Es müßte dagegen protestiert werden, "wenn die Intention wäre, als sollte damit eine Vervollständigung oder Ergänzung der Lehrkräfte und der Lehrweise an hiesiger theologischer Fakultät erzielt oder gar einem Bedürfnis für die diesseitige evangelisch-lutherische Kirche abgeholfen werden". Da dies aber nicht beabsichtigt sei und es sich nur um die Befriedigung der pfälzischen Bedürfnisse handle, erkläre sich die Fakultät für die Zulässigkeit des Antrags im Sinne des Oberkonsistoriums, allerdings unter der Voraussetzung, "daß die Stellung eines solchen Dozenten nicht die eines Mitglieds der hiesigen theologischen Fakultät sein oder je werden könnte". Ob ein Gelehrter sich finden werde, "der die Dogmatik und Exegese der vereinigten Kirche", wie das Oberkonsistorium glaube, zu vertreten imstande wäre, und ob das genüge, bliebe zweifelhaft. Auch hege man die Befürchtung, daß die der lutherischen Kirche angehörenden Studierenden für eine Anschauungsweise gewonnen würden, die sie dem lebendigen Interesse an dem Bekenntnis der eigenen Kirche entfremden könnte. Doch wolle man sich nicht gegen den Antrag stellen. Unmittelbar danach traten hemmende Umstände auf, die die Angelegenheit sehr verzögerten und in eine andere Richtung leiteten. Das pfälzische Konsistorium war mit dem Auftrag des Oberkonsistoriums, einen außerordentlichen Lehrstuhl zu begründen, nicht zufrieden. Es verlangte "vorderhand die Anstellung einesordentlichenProfessors ihrer (sc. der pfälzischen) Konfession", damit deren Vertretung "einigermaßen genügend" erscheine, und zwar in der Weise, daß der unierte Professor Mitglied der Fakultät und des Senats sein könne. Das eignete sich die kirchliche Oberbehörde in München an und beantragte am 7. Januar 1846 die "Ergänzung" der Universität durch einen Ordinarius "für Dogmatik und Exegese der unierten protestantischen Kirche", oder wenn dies zur Zeit nicht möglich wäre, die Anstellung eines Extraordinarius mit der Anwartschaft auf das nächste in der Theologischen Fakultät sich erledigende Ordinariat. Das war natürlich eine brisante Angelegenheit, denn die Fakultät schloß nun nicht ohne Grund, daß seitens der kirchlichen Behörde nicht nur eine, lediglich den Bedürfnissen der Pfalz entgegenkommende Lehrkraft, sondern eine allmähliche Umgestaltung der Fakultät angestrebt würde. Sie legte energischen Protest ein: Schließlich sei sie statutenmäßig lutherisch. Durch die Mitgliedschaft eines unierten Professors würde sie selbst zu einer unierten Fakultät. Das bedeute eine Verletzung ihres Grundgesetzes, und ohne dieses würde sie konfessionslos. Ehe dies geschehen dürfe, müßte der König ihre Statuten aufheben. Die Union der Fakultät würde auch der Anfang der Union in der Landeskirche sein. Die Tatsache, daß einmal unter Nichtbeachtung der Statuten für kurze Zeit ein unierter Professor, nämlich Rust, der Fakultät angehört habe, könne das Recht selber nicht aufheben, zumal "die Konfession im Bewußtsein der Zeit wieder eine ganz andere Bedeutung gewonnen habe als damals". Wolle man auf http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(5 von 8) [15.05.2002 10:16:31] andererGrundlage neben der Fakultät einen unierten Professor ernennen, so werde man dagegen nicht demonstrieren, hielte es aber für das Richtigere, die Pfälzer von der Verpflichtung, in Erlangen zu studieren, zu befreien. Dem Schreiben der Fakultät, abgefaßt von Thomasius, schloß sich der Senat in einem ausführlichen Begleitbrief des Prorektors Adolph Ernst Theodor Laspeyres an den König Ludwig I. als den Rektor magnificentissimus und Schirmherrn der lutherischen Kirche in allen Punkten an (8. März 1846): "Wir sind mit unserer theologischen Fakultät der Überzeugung, daß die Ernennung eines o. [sc. ordentlichen] Professors für die unierte Theologie den in fortdauernder Gültigkeit bestehenden Statuten gedachter Fakultät zuwiderlaufen würde. Wir teilen mit ihr die Ansicht, daß eine solche Ernennung nicht bloß höchst bedenkliche Folgen für die Integrität und den Bestand der luth. Kirche herbeiführen würde, indem in einer solchen Ernennung tatsächlich der Anfang einer Unierung auch der diesseitigen luth. Kirche läge; wir nehmen wie sie an, daß diese Störungen und Gefahren, wenn auch in geringerem Grade, doch noch immer bedeutend genug, selbst alsdann eintreten würden, wenn auch der anzustellende Professor der unierten Theologie nicht Sitz und Stimme in der Fakultät erhielte, ja, wenn selbst nur ein a.o.[sc. außerordentlicher] Professor angestellt würde." Es wird als Ausweg vorgeschlagen, den unierten Studenten zu gewähren, daß sie zwei oder drei Semester an einer anderen Universität studieren dürfen, wo sie Gelegenheit hätten, sich in der Theologie der unierten Kirche auszubilden. Auch an das Oberkonsistorium, dem der Schutz der lutherischen Fakultät obliege, richtete die Fakultät eine Vorstellung und wies u.a.auf die schweren Zerwürfnisse hin, die die Berufung eines unierten ordentlichen Professors für Fakultät und Landeskirche herbeiführen müsse. "Denn es liegt", heißt es am 17. März 1846, "im Wesen der unierten Theologie, daß sie gerade das, was die bestimmte und unterscheidende Eigentümlichkeit sowohl der lutherischen wie der reformierten Konfession ausmacht, negieren muß, um für sich selbst eine Berechtigung zu gewinnen; nur auf der Negation dieser Eigentümlichkeit kann sie sich erbauen wollen." "An der preußischen Landeskirche und ihren damaligen Zuständen steht uns ein warnendes Beispiel vor Augen, wohin die Unionsmacherei führt." "Die Anstellung eines unierten Dozenten", so urteilte man jetzt, nachdem man von den weitergehenden Absichten des pfälzischen Konsistoriums Kunde hatte, "dürfte aber der erste Schritt sein, dieselben Zustände auch in der diesseitigen Kirche anzubahnen". Das Oberkonsistorium nahm diese Auslassungen sehr übel. Man sah in dem Ausdruck "lutherische Kirche" das "Merkmal des Partikularismus". Nur der Oberkonsistorialrat Faber, der freilich auch die "starre Orthodoxie" der Erlanger Theologen verwarf, erkannte an, daß die Fakultät mit Recht sich als eine lutherische bezeichne, als solche überall angesehen werde und ihr lutherischer Charakter auch vom Staat gewährleistet worden sei. Die an das Ministerium gerichtete Antwort des Oberkonsistoriums vom 18. Mai 1846 auf die Vorstellung der Universität war scharf. Aber angesichts der Statuten der Fakultät wollte man sich jetzt mit einem außerhalb der Fakultät stehenden Professor "für die Studierenden aus der vereinigten Kirche" zufriedengeben, d.h.,mit einem solchen, "der der unierten Kirche angehörte, nach seinen früheren Verhältnissen oder nach seiner jetzigen Richtung dem Bekenntnisse der reformierten Kirche zugetan wäre". In der wachsenden Sorge vor der "Unionsmacherei" hatte die Fakultät schon vor dem Schreiben an das Oberkonsistorium beschlossen, sich in einer Immediateingabe an den König zu wenden (12. März 1846): "Wir glauben nur dann wegen des Skandalums, welches sich ergeben würde, wenn wir unseren beschworenen Pflichten gemäß aus einer gewaltsam unierten Fakultät als lutherische Theologen austreten müßten, außer Verantwortung zu sein, wenn wir uns an Ew. Majestät zuvor unmittelbar selbst gewendet haben, und wir sind überzeugt, daß, wenn wir dies getan haben, nichts mehr zu befürchten sei." Der König wird daran erinnert, daß er wiederholt ausgesprochen habe, er sei "wie dem Unglauben so der Bekenntnislosigkeit in der Kirche abhold". Es wird auf die traurige Lage der Dinge in Preußen hingewiesen und die bestimmte Zuversicht ausgesprochen, S. Majestät wolle nicht "das Band der Konfessionen auflösen und subjektiver Willkür auf dem Gebiete der protestantischen Kirche seines Landes Tür und Tor öffnen". Deshalb möge er dem Antrage des Oberkonsistoriums die Genehmigung versagen und in der Weise, wie Fakultät und Senat es vorgeschlagen hätten, die Bedürfnisse der unierten Kirche der Rheinpfalz befriedigen. Das Schriftstück wurde von den Professoren Thomasius, Kaiser, Höfling und Hofmann persönlich unterschrieben. In München bewirkte die Haltung der Erlanger Theologen, daß die Sache wieder ins Stocken kam und man lange Zeit nichts hörte. Das Oberkonsistorium mußte seine Anträge am 23. Januar 1847 und dann am http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(6 von 8) [15.05.2002 10:16:31] 2.Juni 1847 erneuern. Es befand sich in einer schwierigen Lage. Denn von der Pfalz her wurde es immer wieder scharf attackiert, und von Erlangen her hatte es den Argwohn der Unionsmacherei zu erleiden. Daß die Errichtung eines Lehrstuhls für die Pfalz sich so lange hinzog, lag wohl mit daran, daß es nicht leicht war, den geeigneten Professor dafür zu finden. Ein Kandidat Paul Eduard Dallaeus wurde genannt. Der wegen seiner stark rationalistischen Haltung gegen Rust einst in Ruhe versetzte Pfälzer Pfarrer Frantz bewarb sich darum. Schließlich richtete sich das Augenmerk auf den früheren Erlanger Privatdozenten und außerordentlichen Professor Ebrard in Zürich. Diesen hatte Krafft schon als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Und Rust kannte ihn schon von Erlangen her. Wahrscheinlich wurde von Speyer aus Ebrard dem Ministerium als Professor "für die vereinigten Protestanten der Pfalz" vorgeschlagen. Er mag, obgleich reformiert, vielleicht auch wegen seiner positiven theologischen Stellung zur Union als geeignet erschienen sein. In den Akten des Oberkonsistoriums findet sich u.a.ein Schreiben Rusts an das Ministerium des Innern vom 28. Juni 1847, in dem er die Anstellung Ebrards befürwortet. Wie er sich "durch seine wissenschaftlichen Leistungen, sein Lehrtalent und seine fromme, christliche Richtung auszeichnet, so verdient er auch rücksichtlich seiner politischen Gesinnung alle Anerkennung. Er ist uns seit längerer Zeit persönlich und genau bekannt, und wir nehmen keinen Anstand zu versichern, daß er dem monarchischen Prinzipe mit Aufrichtigkeit zugetan ist und daß er, ein geborener Bayer, nie an der wärmsten Anhänglichkeit in Beziehung auf Thron und Verfassung es fehlen lassen würde". Es folgt eine Würdigung seiner theologischen Leistung und seiner Schriften. Eine politische Auskunft über ihn aus der Schweiz einzuholen, hat man Bedenken. Rust schließt mit dem Wunsch, daß der Lehrstuhl bald mit einem in jeder Hinsicht so empfehlenswerten Individuum, wie dem der reformierten Kirche angehörigen Ebrard, allergnädigst besetzt werde. Das Oberkonsistorium war also mit der Berufung Ebrards einverstanden, doch beantragte der Präsident Roth persönlich, "bei der beabsichtigten Anstellung den Anlaß oder Zweck derselben für die unierte Kirche der Pfalz" ganz unerwähnt zu lassen, wie dies auch früher bei der Anstellung Kraffts geschehen war. Darauf ging das Ministerium allerdings nicht ein. Nun endlich kam es zur Gründung des reformierten Lehrstuhls. Der königliche Erlaß lautet : Koenigreich Bayern Ministerium des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten Seine Seine Majestaet der König haben allergnädigst zu beschließen geruht: 1. daß, insolange Allerhöchstdieselben nicht anders verfügen, an der k[öniglichen] Universität Erlangen ein ordentlicher Professor der Theologie extra facultatem, reformirten Glaubens-Bekenntnißes, mit besonderer Rücksichtnahme auf die vereinigten Protestanten der Pfalz angestellt [werde], und zum Behufe der Besetzung dieses Lehrstuhls, 2. mit dem dermaligen reformirten Professor der Theologie zu Zürich, Dr. Ebrard, Unterhandlungen einzuleiten seyen, wobei demselben ein Jahresgehalt von 1100 fl in Geld, wovon nach erreichter definitiven Dienstes Eigenschaft 600 fl den Standes- und 500 fl den Dienstgehalt bilden, mit einem dem Dienstesgehalte zuzurechnenden Naturalbezuge von 2 Schäffel Weizen und 9 Schäffel Roggen im Geldanschlage zu 100 fl anzubieten sind. Dieses wird dem Senate der k[öniglichen] Universität Erlangen unter Rückgabe der Beilage des Berichtes vom 3. März v[ergangenen] J[ahre]s mit dem Auftrage eröffnet, nunmehr wegen Einleitung der angeordneten Unterhandlungen mit Professor Ebrardungesäumtdas Weitere um so mehr zu verfügen und von dem Ergebnisse Anzeige zu erstatten, als hierdurch der Vollzug des bereits erwähnten Allerhöchsten Befehls bedingt ist. München, den 14 ten Julius 1847 Der 14. Juli 1847 wurde das Gründungsdatum für den Lehrstuhl. Es wurde damit eine neue ordentliche Professur für Reformierte Theologie geschaffen. Ebrard sagte zu und wurde am 12. September 1847 mit dem Lehramt in Erlangen betraut. Dabei passierte das auffällige Versehen, daß das Oberkonsistorium in seiner an das Konsistorium in Speyer gerichteten Mitteilung vom 17. Juli 1847 über die neu errichtete Professur die in Erlangen für sehr wichtig gehaltene ausdrückliche Bezeichnung "reformirten http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(7 von 8) [15.05.2002 10:16:31] Bekenntnisses"wegfallen ließ. Das wurde eine Quelle des Wirrsals bis in die neuere Zeit, indem man in der Pfalz daraus später das Recht ableitete, auf die alte Forderung zurückzukommen, die fragliche Professur mit einem unierten Theologen zu besetzen. In der Tat ist es auffallend, daß man statt eines unierten Lehrstuhls, wie man erwartet hatte, für die unierte Pfalz eine reformierte Professur errichtet hat, was wohl dem Sträuben der Fakultät gegen einen unierten Theologen zuzuschreiben ist. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas102.htm(8 von 8) [15.05.2002 10:16:31] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 2. Kapitel Die Geschichte des Lehrstuhls für Reformierte Theologie seit 1847 Mit der Berufung Ebrards am 12. September 1847 begann die Geschichte des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in Erlangen. Laut Gründungsurkunde war und ist er eine ordentliche Professur, die aber lange Zeit "extra facultatem" stehen mußte, also außerhalb der Theologischen Fakultät, weil diese laut ihrer Verfassung von 1743 lutherischer Konfession ist und deren Status nicht verändert werden durfte. Dieser extra-facultatem-Status war ein Unikum, das es so an keiner anderen deutschen Universität gab. Diese Sonderstellung hatte der Lehrstuhl über 123 Jahre bis 1970. Das bedeutete, daß der jeweilige Lehrstuhlinhaber eigentlich eine ganze Fakultät zu vertreten hatte und die Freiheit besaß, jede theologische Disziplin zu lehren, was so universale Männer wie Ebrard und Müller auch leisten konnten. Es kam bald zu Bemühungen, die Position des Lehrstuhls zu verstärken, indem Ebrard am 13. Mai 1852 die Bildung einer weiteren und engeren Fakultät, das Speyerer Konsistorium am 7. September 1852 gar die Errichtung einer kleinen reformiert-unierten Fakultät beantragte. Das lehnten jedoch die Theologische Fakultät und der Senat als den Rechten der Universität widersprechend ab. Nach Ebrards Versetzung als Konsistorialrat nach Speyer am 28. Februar 1853 wurde bei der Frage der Wiederbesetzung seiner Stelle die Forderung erneuert, jährlich eine Ehrenpromotion vorzunehmen. Alle diese Anträge wurden zurückgewiesen, ebenso der des pfälzischen Konsistoriums vom Herbst 1855, neben dem ordentlichen Professor für Reformierte Theologie - seit 1853 war das Johann Jakob Herzog -einen außerordentlichen Professor in der Person des deutsch-reformierten Pfarrers Karl Goebel, Kraffts Schwiegersohn, zu ernennen. Dazu sollten die durch den Tod des außerordentlichen Professors von Ammon flüssig gewordenen Mittel verwendet werden. Doch es blieb bei diesem einen Lehrstuhl. Der Professor für Reformierte Theologie war durch seine extra-facultatem-Stellung einer Reihe von Einschränkungen unterworfen. Er konnte nicht an den Fakultätssitzungen und an Sitzungen wichtiger Ausschüsse teilnehmen und auch nicht Dekan der Theologischen Fakultät werden. Wohl gehörte er dem Großen Senat an und konnte Prorektor der Universität werden. Zwei der Professoren, nämlich Sieffert und Müller, bekleideten einmal dieses hohe Amt für je ein Jahr. Da der König bis 1918 nominell der Rektor magnificentissimus war, entsprach dieses Amt der Stellung der späteren Magnifizenz bzw. des Präsidenten. Daß diese Stellung unbefriedigend blieb, geht aus den Bemühungen Müllers hervor. In der Zeit vom 19. Juli 1913 bis 3. August 1914 versuchte er, durch Eingaben eine Eingliederung des Lehrstuhls in die Fakultät zu erreichen. Die Zeit war aber dafür noch lange nicht reif, und der Versuch mußte scheitern. Einen kleinen Erfolg hatte er doch, denn es wurde "die Mitbeteiligung des ordentlichen Professors der ref. Theologie am Promotionswesen sowie die Zulassung zur Wahl in den http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(1 von 7) [15.05.2002 10:16:37] Disziplinarausschuß,in die Honorarienkommission, in die Bibliotheks- und Lesezimmerkommission" erwirkt. Das waren kleine Trostbrocken, mit denen sich Müller zufriedengeben mußte. Er hielt aber grundsätzlich seinen Anspruch aufrecht: "Mit diesen beiden Hauptpunkten will ich mich, wie gesagt, für meine Person zunächst zufriedengeben. Aber um der von mir vertretenen Professur willen halte ich es für meine Pflicht, nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß eine grundsätzlich befriedigende Stellung des ordentlichen Professors der reformierten Theologie nur durch seine Aufnahme in die Fakultät herbeigeführt werden kann. Es soll in alle Zukunft nicht gesagt werden dürfen, daß der gegenwärtige Inhaber dieser Professur deren innerlich berechtigte Ansprüche grundsätzlich preisgegeben habe (...)". So blieb es bei dem extra-facultatem-Status noch lange Zeit bis Ende 1969. Bislang zählt der Lehrstuhl für Reformierte Theologie neun Professoren: Johann Heinrich August Ebrard, Johann Jakob Herzog, Anton Emil Friedrich Sieffert, Johann Martin Usteri, Ernst Friedrich Karl Müller, Paul Sprenger, Jan Remmers Weerda, Joachim Berthold Staedtke und Alasdair Iain Campbell Heron. Unter diesen waren zwei Schweizer (Herzog und Usteri), zwei Nordwestdeutsche (Weerda und Staedtke), ein Erlanger hugenottischer Abkunft (Ebrard), ein Anhaltiner (Müller), ein Ostpreuße (Sieffert), ein Rheinländer (Sprenger) und ein Schotte (Heron). Zwei von den Deutschen kamen auf dem Umweg über die Schweiz nach Erlangen (Ebrard und Staedtke). Zu diesen Professoren zählten bedeutende Gelehrte, von denen über den Bereich ihres Lehrstuhls hinaus auch unierte und zahlreiche lutherische Theologen profitierten. Mehrere Generationen pfälzischer Pfarrer wurden in Erlangen trotz der reformierten Prägung der Theologie bis 1945 ausgebildet. Einige der Professoren starben früh: Usteri 42jährig nach nur einem halben Jahr Tätigkeit 1890, Sprenger 46jährig 1945, Weerda 57jährig 1963 und Staedtke 53jährig 1979. Ein sehr wichtiges Kapitel war und ist das der Lehrstuhlbesetzungen. Es beinhaltet einerseits die Regelung der Kompetenzen, andererseits die seit 1945 immer wieder aufgetretenen Gefährdungen des Lehrstuhls. Für die Besetzung des Lehrstuhls kamen in der Zeit des Königreichs Bayern drei Instanzen in Frage: dem bestallenden Staatsministerium gegenüber als begutachtende und nominierende Gremien das Oberkonsistorium in München, das Konsistorium in Speyer und die Theologische Fakultät in Erlangen. Die kleinen reformierten Gemeinden rechts des Rheins waren weder bei der Gründung des Lehrstuhls beteiligt, noch wurden sie später gefragt. Als sie sich aber 1856 endlich wieder einen Zusammenschluß in Form einer Synode und eines Moderamens erkämpft hatten, konnten sie die Möglichkeit versuchen, eine Beeinflussung vorzunehmen. Sie taten das auch einerseits eingedenk der Ämterlehre Calvins, nach der die theologischen Lehrer zu den unumgänglichen Amtsträgern der Kirche gehören, und andererseits aus existenziellem Interesse. Dabei ging es der Synode um die baldige Wiederbesetzung bei einer Vakanz, aber auch darum, daß ein rechter VertreterreformierterLehre ernannt wurde, wofür man in der Pfalz begreiflicherweise nicht das nötige Interesse aufbrachte. So hat die reformierte Synode von 1877 nach der Quieszierung Herzogs auf einen Antrag ihres Präses Ebrard hin eine Eingabe an das Staatsministerium gerichtet, da die Wiederbesetzung länger anstand, bis der Landtag die nötigen Mittel bewilligte, und da man befürchtete, es könnte ein unierter pfälzischer Theologe berufen werden. Man wollte einen reformierten Professor und bat das Ministerium: "Hochdasselbe wolle diese für die ref. Kirche Bayerns so wichtige Stelle mit einem dem Bekenntnis der ref. Kirche treuen Theologen besetzen." Ebrard erinnert, daß der Name bisher "Professur für Reformierte Theologie mit besonderer Berücksichtigung der unierten Kirche der Pfalz" hieß und meint, es wäre falsch, "Professur für unierte Theologen mit Berücksichtigung der reformierten Gemeinden" zu sagen. Weiter heißt es in den Synodalakten: "In unseren Gemeinden sind dogmatische und religiöse Streitigkeiten unerhört und haben dieselben immer im religiösen Frieden gelebt. Sie sind unberührt von pietistischem Wesen, aber sie verlangen von ihren Pastoren, daß streng nach der Bibel gepredigt wird." Nach Siefferts Weggang 1889 stellte die Synode unter Präses Philipp Emil Haenchen den Antrag, daß bei der Wiederbesetzung künftig auch die Wünsche des Moderamens gehört werden möchten, da es ja einreformierterProfessor sein muß, der auch bei der Berufung außerbayerischer reformierter Pfarrer in unseren Gemeinden durch ein Kolloquium tätig sein muß. Auch bestehe die Gefahr, daß bei den kirchlichen Parteiverhältnissen der Pfalz jemand Professor wird, der der Reformerrichtung angehört. Das Oberkonsistorium antwortete, daß sich laut der Verfassung das Oberkonsistorium München bzw., soweit die Pfalz in Betracht kommt, das Konsistorium Speyer bei der http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(2 von 7) [15.05.2002 10:16:37] Besetzungvon theologischen Lehrstühlen gutachtlich äußern dürften und diese Befugnis nicht auf Synoden oder auf das Moderamen ausgedehnt werde. Gleichwohl bat die Synode 1890 nach dem schnellen Tod Usteris wieder, daß ein gläubiger reformierter Gelehrter, nicht ein liberaler, in die Professur berufen werde. Das Oberkonsistorium (Adolf Stählin) antwortete diesmal: "Bei der Wiederbesetzung des leider so bald wieder erledigten Lehrstuhls für ref. Theologie in Erlangen werden wir in unserem Gutachten die kirchlichen Interessen der ref. Gemeinden ebenso vertreten, als wir es bei der Berufung des Professors Usteri getan haben." Das klang schon anders. Damals blieb der Lehrstuhl für zwei Jahre vakant bis zur Berufung Müllers 1892. Wie schon früher einmal 1889, wurde 1895 von der Synode beantragt, daß der Professor für Reformierte Theologie der Synode als ordentliches Mitglied angehören solle. Die Professoren Herzog, Sieffert und auch Müller hatten nur als Gäste ohne Stimmrecht an den Synoden teilgenommen. Dies wurde 1897 durch eine Entschließung des Staatsministeriums genehmigt. Die Synode begrüßte Müller als ordentliches Mitglied in ihren Reihen. Seitdem konnte der Professor für Reformierte Theologie auch zum Präses der Synode gewählt werden, welches Amt Müller 29 Jahre lang von 1906 bis 1935 innegehabt hat. Nach Aufhören des Staatskirchentums wurde in den reformierten Kirchenordnungen von 1919, 1956 und 1972 fest verankert, daß der Professor für Reformierte Theologie der reformierten Synode als ordentliches Mitglied angehört. Die Professur steht seit Müller in enger Beziehung zur Ev.-ref. Kirche in Bayern. Nach 1945 begann für den Lehrstuhl die Geschichte seiner Gefährdung. Schon nach Müllers Tod 1935 drohte die Gefahr, daß er eingezogen und die Theologiestudenten der Pfalz an die Fakultät in Heidelberg verwiesen würden. Nun hatte der Landeskirchenrat in Speyer im Sommer 1934 doch noch von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch gemacht und für die Wiederbesetzung drei Kandidaten nominiert: Alfred de Quervain, Wilhelm Niesel und Hermann Klugkist Hesse, alle aus Elberfeld. Diese gehörten aber sämtlich der Bekennenden Kirche an und waren nicht NS-Parteigenossen.Angeblich bestanden bei ihnen auch Bedenken didaktischer Art. So nominierte der pfälzische Landeskirchenrat, der auf der Seite der Deutschen Christen stand, auf Vorschlag des kommissarischen reformierten Mitgliedes des Geistlichen Ministeriums in Berlin, Otto Weber, außerdem noch Paul Sprenger. Dieser, der einst Schüler Müllers war, gehörte der NSDAP an. Der Präses des Bundes ev.-ref.Kirchen, Pastor Theodor Kamlah/Göttingen, unternahm unternahm mehrfache und schließlich erfolgreiche Schritte in Berlin, um die Berufung Sprengers voranzubringen. Zehn Jahre später brachte 1945 nach dem Tod Sprengers die gänzlich veränderte politische Situation mit der Abtrennung der Pfalz vom rechtsrheinischen Bayern für den Lehrstuhl die ernste Existenzfrage, und zwar dann mit jeder Vakanz neu. Die "Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche der Pfalz" bedurfte nun des Lehrstuhls in Erlangen nicht mehr. Für ihren Theologennachwuchs lag Heidelberg und die neu gegründete Universität Mainz näher. Für das kleiner gewordene Bayern mit seinen damals acht reformierten Gemeinden konnte ein Lehrstuhl für Reformierte Theologie als Luxus angesehen werden, zumal ein über die lutherischen Grenzen hinausgehendes Interesse in der Erlanger Fakultät damals nicht vorhanden war. Nach Sprengers Tod 1945 hatte der Lehrstuhl eine längere Vakanz von vier Jahren. Es bestand die Gefahr, daß er eingezogen würde, nachdem die pfälzische Kirche auch ihr Desinteresse bekundete. Es sei doch bekannt, daß man in der Pfalz uniert und nicht reformiert ist, soll gesagt worden sein. Es gereicht umgekehrt der Ev.-Luth.Kirche in Bayern zur Ehre, daß sie sich nicht mit dem Odium, die reformierte Professur aufgegeben zu haben, belastet hat. Vielmehr soll Landesbischof Hans Meiser zur Frage, ob der Lehrstuhl aufgehoben werden soll, gesagt haben: "Das tun wir nicht!" Da man in Bayern damals auf den Wiederanschluß der Rheinpfalz hoffte, wurde der Lehrstuhl 1949 schließlich doch wieder besetzt. Man scheint in reformierten Kreisen Deutschlands Karl Barth dafür ins Auge gefaßt zu haben. Doch dieser gewichtige Mann mußte der Fakultät unerwünscht sein. Und de Quervain, der zu Gastvorlesungen hier war, konnte sich nicht entschließen, die Schweiz in Richtung Erlangen zu verlassen. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(3 von 7) [15.05.2002 10:16:37] Schließlichwurde Jan Remmers Weerda berufen. Während der vierjährigen Vakanz 1945-1949 war der Pfarrer der reformierten Gemeinde Kirchenrat Friedrich Jung mit der Leitung des Seminars für Reformierte Theologie betraut und hielt für die Studenten Übungen ab. Nach dem Tode Weerdas 1963 konnten derartige politische Gesichtspunkte keine Rolle mehr spielen. Damals drohte noch zu seinen Lebzeiten ein Angriff auf das Promotions- und Habilitationsrecht des Lehrstuhls für Reformierte Theologie und damit auf das Fortbestehen der Professur im Zuge einer neuen Fakultätsordnung unter dem Dekan Wilhelm Maurer. Man wollte den Lehrstuhl offenbar für ein anderes Fach kassieren. Hier empörte sich der Altphilologe Otto Seel, der selbst reformiertes Gemeindeglied war, und schritt mit einer scharfen Demarche ein. Allerdings war die Position des Lehrstuhls sehr geschwächt, da sich die Hoffnung auf Wiedergewinnung der Rheinpfalz und damit eine engere Verbindung zur dortigen Landeskirche nicht erfüllt hatte und somit dem Lehrstuhl für Reformierte Theologie die Studenten fehlten. Auch der für das akademische Reformiertentum maßgebliche Weber in Göttingen dachte damals daran, daß man den Erlanger Lehrstuhl eingehen lassen sollte. Wider Erwarten wurden die Befürchtungen durch einen 1964/65 erfolgten Stimmungsumschwung in der Fakultät zerstreut, die nun ihrerseits starke Bemühungen unternahm, den Lehrstuhl nicht nur wiederzubesetzen, sondern ihn sogar zu unterstützen. Man wollte nach Aussagen des Neutestamentlers Gerhard Friedrich vermeiden, daß sich eine Tragödie wie bei Weerda wiederhole. Auch setzte sich Präses Robert Klein sehr für die Wiederbesetzung ein. So kam es zu einer Reihe von Probevorlesungen: Es stellten sich vor der Schweizer Andreas Lindt, der Rheinländer J.F.Gerhard Goeters, der aus Ungarn stammende Niederländer Attila Szekeres und schließlich der Ostfriese Joachim Staedtke. Dessen Vortrag über Bullinger gefiel so gut, daß die Wahl auf ihn traf. Von Anfang an begegnete dem neu Ernannten Wohlwollen, Hilfsbereitschaft und Kollegialität von seiten der Fakultätskollegen. Er erhielt sogar als erster in der Geschichte des Lehrstuhls die Erlaubnis, an den Fakultätssitzungen als Gast teilzunehmen, und hatte das Mitspracherecht bei der Planung der Lehrveranstaltungen. Damit war ein erster Schritt zur Eingliederung des Lehrstuhls in die Fakultät getan. Schon 1968 kam es diesbezüglich zu weiteren grundsätzlichen Änderungen. Einmal hatte sich schon vor den Berufungsverhandlungen das Moderamen der Ev.-ref.Kirche in Bayern und besonders Präses Klein mit Nachdruck eingeschaltet, um beim Kultusministerium die Liquidierung des Lehrstuhls zu verhindern, und so wurde erstmals außer der pfälzischen Kirche, die sich übrigens wieder mehr interessiert zeigte, auch der bayerische reformierte Präses beteiligt. Wenige Jahre später kam es 1968/69 zu zu einem rechtsgültigen Briefwechsel zwischen Kultusminister und Moderamen, aufgrund dessen u.a.die staatsrechtliche Regelung getroffen wurde, vor der Ernennung eines reformierten Theologieprofessors das Gutachten der Ev.-ref.Kirche in Bayern einzuholen. Das Jahr 1968 leitete noch weitere Verbesserungen für den Lehrstuhl ein, und zwar zunächst in Form eines Kuriosums. Im Zuge der Demokratisierung an den Hochschulen wurde ein Theologiestudent als Vertreter der Fachschaft in die Fakultätssitzungen berufen. Dieser war nun ausgerechnet ein Reformierter. Auf diese Weise durfte ein reformierter Student als volles Mitglied, der Professor für Reformierte Theologie aber nur als Gast an den Fakultätssitzungen teilnehmen. Die Fakultät nahm infolgedessen den Professor für Reformierte Theologie als Zweitmitglied auf. Schon im folgenden Jahr 1969 kam die Verfügung, daß aufgrund eines neuen Hochschulgesetzes Zweitmitglieder in Fachbereichen kein Stimmrecht haben dürfen, so daß wohl der Student, nicht aber der Professor mitstimmen durfte. Diese Schwierigkeiten setzten nun endlich den Prozeß zur Eingliederung des Lehrstuhls in die Fakultät http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(4 von 7) [15.05.2002 10:16:37] inGang. Die Universität Erlangen-Nürnberg richtete auf Vorschlag der Fakultät einen diesbezüglichen Antrag an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Dieses wandte sich an den lutherischen Landeskirchenrat um eine Stellungnahme und dieser wiederum an das Moderamen der Ev.-ref.Kirche in Bayern, wobei er seine Zustimmung bekundete. Bei künftigen Berufungsverhandlungen sollte zuerst das Moderamen gutachtlich gehört werden und dann der Landeskirchenrat. Oberkirchenrat Riedel, der Stellvertreter des Landesbischofs, schrieb am 16. September 1969: "Im übrigen würden wir Wert darauf legen, daß der Lehrstuhl auch künftig als 'Lehrstuhl für Reformierte Theologie' bezeichnet wird, damit nicht bei einer Führung unter einer anderen Disziplin Einsparungen vorgenommen werden. Die Beibehaltung der Bezeichnung wäre auch eine Sicherung für den Lehrstuhl selbst." Selbstverständlich begrüßte das Moderamen diese Vorschläge. So kam es am 10. Dezember 1969 zur Mitteilung des Kultusministeriums an den lutherischen Landeskirchenrat über die verfügte organisatorische Veränderung, daß bei künftigen Berufungen auf den Lehrstuhl für Reformierte Theologie zunächst dem Moderamen der Ev.-ref.Kirche und dann dem Landeskirchenrat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden solle. Die Bezeichnung "Lehrstuhl für Reformierte Theologie" wurde beibehalten. Der Wortlaut der Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10. Dezember 1969 lautet: Betreff: Eingliederung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in die Theologische Fakultät Entsprechend dem Antrag der Universität und der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg wird unter Abänderung des Königlichen Reskripts vom 14. Juli 1847 der an der Universität Erlangen-Nürnberg bestehende Lehrstuhl für Reformierte Theologie unter Beibehaltung seiner Benennung mit Wirkung vom 1. Januar 1970 in die Theologische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg eingegliedert. Diese Entscheidung ergeht im Einvernehmen mit dem Ev.-Luth. Landeskirchenrat in München, dem Moderamen der Ev.-ref.Kirche in Bayern und dem Protestantischen Landeskirchenrat der Pfalz. I.A.gez. Dr. Freiherr v. Stralenheim, Ministerialdirektor Nun ist also der Lehrstuhl nach 123 Jahren nicht mehr extra facultatem, sondernintra facultatem. Diese neue Stellung festigte natürlich die Position des Professors für Reformierte Theologie und erweiterte seinen Wirkungskreis. In einer Feier der Fakultät am 16. Januar 1970 referierte Staedtke über die Geschichte des Lehrstuhls und seine Bedeutung für die Gegenwart. Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie zählt nunmehr als dritter Lehrstuhl im Institut für Systematische Theologie. Seit Staedtke kann der reformierte Professor nun über seinen speziellen Lehrauftrag hinaus die ganze Breite des nichtlutherischen Protestantismus vertreten und neue von der Kirchengeschichte und der gegenwärtigen Theologie her gegebene Fragestellungen und Aufgaben in diesen Auftrag einbringen. Kraft einer durch das Hochschulgesetz von 1974 gegebenen Regelung wird der Professor für Reformierte Theologie auch an der Ausbildung und Prüfung der Lehramtskandidaten für den Religionsunterricht an den Berufs- und Realschulen sowie an den Gymnasien beteiligt. Der Professor für Reformierte Theologie kann auch das Dekanat übernehmen, und 1971/72 war Staedtke als erster Reformierter Dekan der Fakultät. Erstmals wurde dem Lehrstuhl für Reformierte Theologie auch eine Assistentenstelle zugeordnet. Diese war nacheinander von Susi Hausammann (bis 1971), Dietrich Blaufuß (1971-1978), Bernhard Schneider (1979-1982), Alan Torrance (1982-1983), Gotthelf Wiedermann (1984-1988), Robert Redman (1988-1991) und Matthias Freudenberg (seit 1992) besetzt. Konnte am Zustandekommen der Eingliederung des Lehrstuhls noch nicht die Leuenberger Konkordie von 1972 maßgebend gewesen sein, so hat sie in der Folgezeit das gute interkonfessionelle Verhältnis in der Fakultät gefördert. Hatte der damalige Studentenpfarrer dem Professor für Reformierte Theologie Weerda bei einer Freizeit der Evangelischen Studentengemeinde, zu der er zu einem Vortrag gebeten war, bei der Abendmahlsfeier noch die Teilnahme verweigert und sollte später Staedtke bei einem Gottesdienst der Evangelischen Studentengemeinde in der Neustädter Kirche das Predigen nur von unten, aber nicht von der Kanzel vom Dekan genehmigt werden, so ist heute bei den Universitätsgottesdiensten nicht nur die Predigt auf der Neustädter Kanzel, sondern auch die Austeilung des Abendmahls eine http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(5 von 7) [15.05.2002 10:16:37] Selbstverständlichkeitgeworden. Waren nun aber mit der Eingliederung am 1. Januar 1970 alle Wünsche befriedigt bzw. alle Gefahren beseitigt? Im Laufe der 70er Jahre alarmierten Einsparungsmaßnahmen des Freistaates Bayern aufs neue insofern, als für die Fakultät, die zu diesem Zeitpunkt zwei Systematische Lehrstühle hatte, nun der dritte, Reformierte Lehrstuhl als überflüssig und einsparwürdig gel-ten konnte. Die Gefahr der Liquidierung betraf die sog. "kleinen Fächer". Das Gerücht davon hat Staedtke so erschreckt, daß er sagte: "Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich nicht in die Integration eingewilligt." Um den Lehrstuhl für Reformierte Theologie zur Geltung zu bringen, veranstaltete Staedtke im Juli 1977 eine Jubiläumsfeier anläßlich des 130jährigen Bestehens mit Vorträgen von Jürgen Moltmann/Tübingen zum Thema "Theologie und Menschenrechte" und Gottfried W. Locher/Bern zum Thema "Exil als Zeugnis". Bei der Feierstunde am 14. Juli 1977, an der die ganze Fakultät, die reformierte Pfarrerschaft und die Erlanger Öffentlichkeit teilnahmen, sprachen sich Universitätspräsident Fiebinger und Dekan Peter Poscharsky in ihren Grußworten für die Erhaltung des "kleinen Faches" Reformierte Theologie aus. Pfarrer Haas referierte über die Geschichte des Lehrstuhls. Eine interessante Ausstellung mit ca. 60 Exponaten führte die Geschichte und Bedeutung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie vor Augen. Ferner wurden ein Faltblatt und ein Ausstellungskatalog erstellt. Nach Staedtkes Tod am 7. Dezember 1979 trafen viele Kondolenzschreiben ein, von denen hier nur das des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zitiert sei: "Zum Tod ihres langjährigen Präses speche ich der Evangelisch-Reformierten Kirche in Bayern mein herzliches Beileid und die Anteilnahme der Staatsregierung aus. Allzu früh ist das Amt verwaist, das Staedtke mit so viel Umsicht geleitet hat. Der Verlust wiegt um so schwerer, als er zugleich den Abschied von einem Gelehrten bedeutet, der für seine theologischen Forschungen und Schriften das Ansehen der Fachwelt auch außerhalb Deutschlands genoß. Ich wünsche der Evangelisch-Reformierten Kirche einen würdigen Nachfolger." Die Fakultät bemühte sich nun sehr um die Wiederbesetzung und besorgte für die 1 1/2jährige Vakanz Vertretungen aus dem Ausland. So konnten Ernst Saxer/Zürich-Dübendorf für das Sommersemester 1980, Josef Smolik/Prag für das Wintersemester 1980/81 und Elémér Koczis/Debrecen für für das Sommersemester 1981 gewonnen werden. Damit manifestierte sich die Öffnung der Fakultät zur ausländischen reformierten Theologie hin und führte dann zur Wiederbesetzung mit dem Schotten Alasdair Heron im Herbst 1981. Die Gefahrensituation hat sich für den Lehrstuhl seit 1970 zunächst verringert. Dies zeigt auch ein Schreiben des Oberkirchenrats Glaser, Vertreter des Landesbischofs der Ev.-Luth.Kirche in Bayern, in dem er 1986 Heron bat, in Erlangen zu bleiben, als dieser einen Ruf nach Austin/Texas erhalten hat. Welche Anerkennung Heron von lutherischer Seite schon bekommen hatte, zeigt u.a.seine Mitbeteiligung in der Prüfungskommission der Ev.-Luth.Kirche in Bayern und bei den Universitätsgottesdiensten in der Neustädter Kirche. Ihre starke Verbundenheit mit dem Lehrstuhl bekundete die Ev.-ref.Kirche in Bayern u.a.dadurch, daß sie 1987 ein Einfamilienhaus in Buckenhof für die reformierten Theologieprofessoren ankaufte, das Heron als erster bezog. Das Reformierte Seminar besteht seit seiner Gründung durch Sieffert im Jahr 1886. Lange Zeit hatte es sein Unterkommen in einem kleinen Raum im 1. Stock des Kollegienhauses, sehr einfach eingerichtet mit einem langen Tisch, ein paar Stühlen und einem nicht übermäßig bestückten Bücherregal. In dem 1958 erbauten Seminargebäude in der Kochstraße 6 hat es nun ein geräumiges Domizil mit großem Arbeitsraum sowie Zimmern für den Professor, den Assistenten und die Schreibkraft. Ein bestimmter Etat trägt zum Bücherbestand bei. Die Ev.-ref.Kirche in Bayern hat dazu anfangs auch mit einer Geldspende beigetragen. Hier tauchte ein Problem auf. Durch das am 1. Oktober 1974 erlassene bayerische Hochschulgesetz erfolgte eine Zentralisierung, derzufolge die Seminarbibliotheken der Universitätsbibliothek eingegliedert wurden und so keine Eigenständigkeit mehr besitzen. So gibt es nominell auch kein Seminar für Reformierte Theologie mehr. Tatsächlich besteht es natürlich weiter, und für Heron konnte nicht nur eine Halbtagsstelle einer Sekretärin gewonnen, sondern 1987 auch ein Computer als erster in der Fakultät für die Bearbeitung von Texten angeschafft werden. Zur Unterstützung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie hat die Ev.-ref.Kirche in Bayern 1967 ein kleines Theologenkonvikt gegründet. Das geschah auch in Erinnerung an das private Konvikt Müllers, der http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(6 von 7) [15.05.2002 10:16:37] diesesin seiner Wohnung Marquardsenstraße 10 fünfzehn Jahre lang hatte. Das Calvinhaus konnte nach seinem Tod 1935 nicht mehr gehalten werden. Die Erinnerung daran war in der reformierten Gemeinde geblieben, und so kam es, daß Frau Frieda Herold ihr sog. Falkeisenhaus am Schloßplatz 1 der Gemeinde mit der Auflage vererbte, es "für studentische Zwecke" zu verwenden. Da das alte Haus dafür nicht verwendbar war, gelang 1966 durch Verwendung von Präses Klein der Ankauf durch das Staatsministerium des Innern und dadurch ein Haustausch, aufgrund dessen die bisherige Pfarrwohnung am Bahnhofsplatz 3, die dadurch frei wurde, zur Errichtung des Konvikts "Calvinhaus" verwendet werden konnte. Die Ev.-ref.Kirche richtete 1967 darin zunächst 7, dann 11 Studentenzimmer mit Aufenthaltsraum, Küche und Sanitärräumen ein. Im Herbst 1967 wurde es in einer kleinen Feier, zu der u.a.Rektor, Dekan und Präses erschienen waren, eingeweiht. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas103.htm(7 von 7) [15.05.2002 10:16:37] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 3. Kapitel Die Professoren am Lehrstuhl für Reformierte Theologie 3.1. Johann Heinrich August Ebrard (1847-1853) Es Es war Kraffts Wunsch schon vor 1845 gewesen, daß sein Schüler Ebrard, den er einst getauft hatte, sein Nachfolger auf dem außerordentlichen Lehrstuhl würde. Nun sollte die Verwirklichung dieses Wunsches in besserer Weise kommen. Ebrard kam aus der Schweiz mit großer Freude und übernahm in seiner Vaterstadt als erster und als einziger gebürtiger Bayer auf diesem Lehrstuhl die Professur für Reformierte Theologie. Johann Heinrich August Ebrard wurde geboren am 18. Januar 1818 in Erlangen im französisch-reformierten Pfarrhaus Bahnhofsplatz 3, an dem eine Gedenktafel von ihm zeugt. Er war einziger Sohn des französisch-reformierten Pfarrers Francois Elie Ebrard, der von 1801 bis 1812 französisch-reformierter Pfarrer Pfarrer in Schwabach war und die reformierten Gemeinden während der preußischen Zeit als Konsistorialrat in Ansbach vertreten sollte. Seine Mutter war Guillemette Dorothée Catherine, geb. Hohlé. Ebrard entstammte einer französischen Réfugiésfamilie, deren Herkunft er als Geschlecht Ebrard du Gasquet aus Ardailliers in den Cevennen/Languedoc auf westgotische Ursprünge zurückführte. Seine Schul- und Studienzeit, über die er in Band 1 seiner Lebensführungenausführlich berichtet, verlebte er in Erlangen. Früh schon verlor er 1826 seinen Vater. Bald zeigte sich eine ganz außergewöhnliche Begabung und Regsamkeit, die Gabe schneller Auffassung und der Drang, in alle Gebiete menschlichen Wissens einzudringen und sie zu umfassen. Schon mit 7 Jahren erging er sich in poetischen Versuchen. Als Gymnasiast beschäftigte er sich neben seinem Schulpensum mit Astronomie, Physik, Mathematik, Mineralogie und Philosophie. Rektor Döderlein war von großem Einfluß auf ihn, ebenso Harleß und Hofmann im Religionsunterricht, und dann vor allem der Pfarrer der deutsch-reformierten Nachbargemeinde Krafft. Diese Einflüsse sowie die Tradition des Elternhauses, in dem er sich schon als Gymnasiast mit Calvin, der Confessio Helvetica posterior und Endemanns Dogmatik beschäftigte und sich schon einen erheblichen Schatz an theologischem und reformiert geprägtem Wissen verschaffte, führten ihn im Herbst 1835 zum theologischen Studium bei Olshausen, Höfling, Krafft, Hofmann und Harleß. Mit Eifer trieb er daneben unter Friedrich Rückerts Anleitung orientalistische Studien, und die Lebendigkeit seines Geistes richtete sich auf die Elemente zahlreicher Wissenschaften und Künste. Er gab sich ferner mit Überzeugung und Begeisterung einem fröhlichen Studentenleben in der 1836 von ihm mitbegründeten christlichen Verbindung Uttenruthia hin, http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(1 von 7) [15.05.2002 10:16:46] fürdie er 1861 zum Verfasser ihrer Geschichte wurde. In diesem Kreis fand sein offener Sinn für Freundschaft und Natur reiche Nahrung, und begeistert hat er noch später die ausgedehnten Wanderungen durch die fränkische Heimat beschrieben. Ein Jahr brachte er 1838/39 in Berlin zu, wo ihn besonders der Philosoph Heinrich Steffens anzog. Er hörte u.a.August Neander, August Twesten, Philipp Konrad Marheineke, David Friedrich Strauß, Friedrich Adolf Trendelenburg und Carl Ritter, während er an Ernst Wilhelm Hengstenberg keinen Gefallen fand. Im Herbst 1839 bestand er in Ansbach das 1. Examen mit Auszeichnung und übernahm dann eine Hauslehrerstelle im Pfarrhaus Friedrichsdorf im Taunus, wo er damals noch gut erhaltene hugenottische Tradition erlebte. Kraffts Einfluß war es hauptsächlich, der den hochbegabten und reich gebildeten Jüngling dazu bestimmte, sich für die akademische Laufbahn zu entscheiden und zuzurüsten. Die merkwürdigen Verhältnisse an der Erlanger Universität veranlaßten ihn, der 1841 zum Dr. phil. promoviert wurde, sich zunächst an der Philosophischen Fakultät zu habilitieren. Er begann im Sommer 1842 Vorlesungen zu halten, und zwar über das Verhältnis von Philosophie und Theologie und über Kohelet. Unter seinen Zuhörern hatte er die später bedeutenden Lutheraner Adolf Stählin und Christoph Ernst Luthardt. Am Ende dieses Sommers unterzog er sich dem 2. Examen, ließ sich, um Krafft im Pfarramt unterstützen zu können, ordinieren und trat mit Beginn des Winters als Lic. theol. und Privatdozent in die Theologische Fakultät über, wo er im Jahr darauf eine Repetentenstelle erhielt. Die Vielseitigkeit seiner Interessen hielt schon den werdenden Dozenten nicht an den Grenzen eines bestimmten Faches fest. Er las über Altes und Neues Testament, aber auch über schweizerische Reformationsgeschichte. Mit einem Schlag wurde Ebrard in weiten Kreisen bekannt und berühmt, als er 1842 sein umfangreiches BuchWissenschaftliche Kritik der evangelischen Geschichte. Ein Compendium der gesamten Evangelienkritikherausgab. Dieses Werk stellte ihn in die erste Reihe der Kämpfer gegen David Friedrich Strauß, welcher mit seinem epochemachendenDas Leben Jesudie Geschichtlichkeit der Evangelienberichte in Zweifel gezogen und diese als Mythenbildungen gewertet hatte. Das energische Verteidigen der historischen Grundlagen des Christentums und leidenschaftliche Auftreten gegen Strauß brachte Ebrard 1844 den Ruf als außerordentlicher Professor der Theologie nach Zürich ein, wohin er nach längerem Schwanken - er hatte zunächst sogar eine Absage erteilt - übersiedelte. Zuvor hatte er, von Krafft getraut, Luise v. Loewenich, eine Tochter aus der angesehenen reformierten Fabrikantenfamilie vor dem Nürnberger Tor, geheiratet. Mit ihr, die seine Arbeiten und Kämpfe begleitete, hatte er drei Söhne. In Zürich fand Ebrard bei den aristokratisch-pietistischen Kreisen freundliche Aufnahme. Dort waren die Grundlagen des positiv-biblischen Christentums durch die radikale Richtung, die Strauß ohne Erfolg nach Zürich zu bringen versucht hatte, sehr erschüttert worden. Man begrüßte in Ebrard den Kämpfer wider die auflösenden Tendenzen. Ebrard ergriff mit Freude die Aufgabe, wie er selbst schreibt: "In die theologischen Kämpfe ging ich frisch hinein." Als Organ dieser Kämpfe gründete er in Gemeinschaft mit Johann Peter Lange eine WochenschriftDie Zukunft der Kirche,die sich in Gegensatz zu der die junghegelsche Richtung vertretenden Kirche der Gegenwart Alois Emanuel Biedermanns stellte. Ebrards akademische Kollegs, in denen er außer biblischer Exegese auch Enzyklopädie und Kirchenrecht las, wirkten nicht zuletzt durch die Frische seines Wesens. Ferner nahm er Anteil an dem reichen kirchlichen Leben der Schweiz, besonders verfolgte er mit zustimmendem Interesse die Waadtländische Separation. In diese Zeit fällt als verdienstvolles Werk die Herausgabe desReformirten Kirchenbuchs(1847), einer Sammlung der im 16. und 17. Jahrhundert in reformierten Kirchen gebräuchlichen Gebete und Formulare, die in der Zeit der drohenden Auflösung eine dankbare Unterstützung für das reformiert-kirchliche Bewußtsein Bewußtsein bedeutete. Bei den reformierten Gemeinden Bayerns hat dieses Kirchenbuch durch landesherrliche Genehmigung Eingang gefunden und ist in zweiter, von Gerhard Goebel bearbeiteter Auflage bis nach dem zweiten Weltkrieg in Gebrauch gewesen. In Zürich waren Ebrard viele Gegner erwachsen, deren Zahl noch stieg, als er sich theologisch mit Schärfe gegen seinen Kollegen Alexander Schweizer wandte, der seit 1846 entschieden liberal lehrte. Als Ergebnis dieses dogmatischen Streits gab er, allerdings erst 1848/49 von Erlangen aus, zwei Schriften heraus und wandte sich auch später in seinerDogmatikheftig gegen ihn. Da der nationale Erziehungsrat, in dem radikale Mitglieder saßen, nichts für eine Beförderung Ebrards tat, nachdem dieser einen Ruf nach Wien abgelehnt hatte, strebte er von Zürich weg. In liberalen Kreisen hat man es nicht bedauert, als er im http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(2 von 7) [15.05.2002 10:16:46] Herbst1847 nach nur dreijähriger Tätigkeit Zürich wieder verließ, um dem Ruf auf den endlich gegründeten Erlanger Lehrstuhl zu folgen. In Erlangen scheinen sich Ebrards vielseitige Fähigkeiten zu besonderer Blüte entfaltet zu haben. Müller schreibt: "Mit erstaunlicher Lebhaftigkeit widmete er sich seinen große Kreise von Studenten anziehenden Vorlesungen, in deren Mittelpunkt jetzt die Dogmatik tritt, in denen er aber auch altes und neues Testament behandelt [sic!], treibt private theologische Studien auf verschiedenen Gebieten (...), nimmt thätigen Anteil an den Bewegungen des kirchlichen und politischen Lebens, an lokalen Aufgaben der Inneren Mission und Armenpflege, besucht kirchliche Versammlungen in nah und fern (...), sendet hier und dorthin eine polemische Broschüre". Er gründete 1851 zusammen mit Superintendent Ball/Radevormwald und Pastor Treviranus/Bremen dieReformierte Kirchenzeitungund leitete das Blatt bis 1853 als sein erster Schriftleiter, der für die weithin vergessene reformierte Sache kämpfte. Dabei war er alles andere als ein weltverschlossener Gelehrter. Er fand Zeit zu größeren Reisen, wie 1850 zur Londoner Allianzversammlung, die er sehr anschaulich schildert, zu geistig anregendem Verkehr, zu allerlei körperlichen Übungen, zu Musik und poetischen Arbeiten und reicher schriftstellerischer Tätigkeit. In der Erlanger Zeit entstanden u.a.die zweite umgearbeitete Auflage zurEvangelienkritik(3. Aufl. 1868), dieKommentare zum Hebräerbrief(1850) und zurOffenbarung Johannis(1853), eine zweibändigeDogmatik(1851/52) sowie dieVorlesungen über praktische Theologie(1854). Mit großem Eifer setzte sich Ebrard für die Geschicke der bayerischen reformierten Gemeinden ein. Es war die Zeit, in der der neue lutherische Konfessionalismus unter Löhe und seinen Freunden gegen die Vereinigung der Reformierten und Lutheraner, wie sie in der protestantischen Kirche in Bayern gegeben war, Sturm lief. Demgegenüber waren die Reformierten, seit 1810 den lutherischen Dekanen und Konsistorien unterstellt, ziemlich rechtlos und führten nun einen jahrelangen Kampf um die Genehmigung einer Synode im Sinne reformierter Kirchenordnung. Ebrard war es, der zusammen mit den beiden Pfarrern der französisch-reformierten und deutsch-reformierten Gemeinden Renaud und Goebel sich an einem Herbsttag 1852, ohne erst nach damaliger Vorschrift um Genehmigung von oben angehalten zu haben, als "Moderamen für die reformierten Angelegenheiten" konstituierte.Das Oberkonsistorium ging darauf ein und vertrat die Sache nach oben. Das führte dann allerdings erst nach noch längeren Auseinandersetzungen 1856 zur Bildung der reformierten Synode, als Ebrard längst in der Pfalz war. Aber die Sache in Gang zu bringen, hatte er damals kräftig betrieben, und es zeigte sich, daß seine Stärke auf kirchenpolitischem Gebiet die Stärkung des Reformiertentums war. Eine neue Periode in Ebrards Leben begann, als er völlig unverhofft am 16. März 1853 zum Konsistorialrat und Hauptprediger nach Speyer berufen wurde. Diese Versetzung eines Universitätsprofessors war damals nichts Ungewöhnliches. Er mußte sich ohne Protest in den Abschied von seiner Lehrtätigkeit fügen, die er privatim an einzelnen Schülern des Speyerer Lyzeums fortsetzen konnte. Resignierend äußerte er: "Nun hatte meine jugendliche und glückliche Zeit ein Ende." Die Berufung nach Speyer war vom Ministerium in ehrenvolle Form gekleidet worden, aber wohl auf Wunsch von Kollegen erfolgt, denen der gar zu selbständige Mann unbequem geworden war. Ebrard schreibt selbst: "Meine Ernennung zum Konsistorialrat in Speyer war (wie ich nachher aus sicherer Quelle erfuhr) von der streng lutherischen Partei des Ostrheinischen Bayern in München angeregt und vorangebracht worden. Man wollte mich von Erlangen weg haben. Nur freilich nicht darum, damit die Pfälzer Union auf einen sicheren Grund gestellt werde. Wir haben es hier mit einer allgemeinen Erscheinung zu tun. Als Isaak August Dorner 1843 einen Ruf nach Königsberg erhielt, schrieb ihm Hans Larsen Martensen von Kopenhagen: 'Es ist Grundaufgabe der jetzigen Zeit, auf eine tiefere und innigere Union der Schwesterkirchen hinzuarbeiten, was doch wohl aber darauf hinausgehen muß, daß die reformirte Kirche rücksichtlich der Lehre in die lutherische aufgenommen und aufgehoben wird.'Was Martensen so offen aussprach, das ist die Anschauung aller Lutheraner geblieben und nach Kräften in die Praxis übergeführt worden: Lutheranisierung der Union. Zehn Jahre nach jenem Briefe Martensens schien die Zeit gekommen, wo auch die unierte Kirche der Pfalz sich in Angriff nehmen lasse."Nun hatte man mit Ebrards Wegberufung den unbequemen Mann aus Bayern entfernt, ohne zu bedenken, daß der so Abgeschobene sich auch in der Pfalz als Reformierter erweisen würde. Die Schwierigkeiten der rationalistisch bestimmten pfälzischen Kirche, die wir schon aus Rusts http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(3 von 7) [15.05.2002 10:16:46] Wirkenkennengelernt haben, hatten sich mit dem Umsturzjahr 1848, wo sie sich unter Lossagung vom Münchener Oberkonsistorium selbständig gemacht und ihre Presbyterialordnung zugunsten einer demokratischen Verfassung liquidiert hatte, nicht verringert. Für Ebrard brach eine Zeit harter Arbeit und schwerer Kämpfe an. An und für sich vermochte er sich in die pfälzische Kirche, deren Gottesdienste reformiertes Gepräge trugen und deren Unionsurkunde unter Anerkennung der Heiligen Schrift und der allgemein evangelischen Grundlehren die partikulare Prädestination einerseits und die lutherische Realpräsenz andererseits ablehnte, theologisch einzufinden. Er wurde bald die Triebkraft des gesamten Konsistoriums, das eine Reihe wichtiger Aufgaben in Angriff nahm, um die pfälzische Kirche aus dem Rationalismus herauszuführen und auf andere Grundlagen zu stellen. Zu allererst sollte der Unionskatechismus durch einen besseren ersetzt werden, in dem Heidelberger Katechimus und Luthers Kleiner Katechismus zusammengearbeitet wurden. Wie wichtig das war, spricht Ebrard aus: "Das dringendste Bedürfnis war das nach einem besseren Katechismus." In welchem Geiste der bisherige von 1818 abgefaßt war, zeigt die Frage: "Gibt es denn noch höhere geistige Wesen als die Menschen? - Unsere Vernunft läßt uns vermuten, daß bei dem großen Abstand zwischen Gott und den Menschen noch höhere geistige Wesen als die letzteren existieren werden, und die Heiligen Schriften bestätigen es. Sie nennen diese Wesen Engel und unterscheiden gute und böse." Das zweite war die Wiederbeschaffung einer Bekenntnisgrundlage, für die die Confessio Augustana variata von 1540 als Konsensusbekenntnis gegen den Widerstand einer lutherisch gerichteten Gruppe, die die Union im konföderativen Sinn gedeutet wissen wollte, durchgesetzt wurde. Das dritte war die Schaffung einer besseren Kirchenverfassung anstelle der demokratischen von 1848 durch Wiederaufnahme reformierter Elemente. Diese Verbesserungen gingen, wenn auch nicht ohne Widerspruch der Oppositionsgruppen, doch durch und wurden von der Generalsynode akzeptiert. Sehr viel schwieriger wurde der Streit um das Gesangbuch. Das 1823 in der Pfalz eingeführte Gesangbuch gehörte zu den dürftigsten Leistungen seiner Zeit. Wie man außer den für unseren Geschmack unerträglichen Liedprodukten auch die reformatorischen Kernlieder verdorben hatte, zeigt das Beispiel des Abendlieds Paul Gerhards, wo es nun hieß: "Nun ruhen alle Wälder, Vieh, Menschen, Städt und Felder, es schläft die halbe Welt." So wurde die Formulierung "ganze Welt" ersetzt, weil man der Vernunfterkenntnis Ausdruck geben wollte, daß die Erde rund sei und darum nur halb im Schatten liege. Der Beschluß der Generalsynode, ein neues Gesangbuch herzustellen, entsprach einem großen Bedürfnis. Ebrard stellte 1856 einen Entwurf für ein neues Gesangbuch her. Gegen diesen lief aber die Opposition Sturm. Es entwickelte sich ein jahrelanger aufreibender Kampf, in dem anfangs die Generalsynode auf der Seite des Speyerer Konsistoriums stand und auch von München her Rückhalt gegeben wurde. Leider machte das Konsistorium, in dem Ebrard saß, durch ungeduldiges Drängen und Unterschätzung der Widerstandskräfte bei der liberalen Opposition Fehler, die die Pfalz in einen wahren Aufruhr versetzten und schließlich König Max II., der in seinem Land Frieden haben wollte, und das Staatsministerium zum Nachgeben in diesen und anderen Dingen zwangen. Der Hauptleidtragende in den jahrelangen verwickelten Auseinandersetzungen war Ebrard. Am 10. Februar 1861 hielt er eine Predigt über das Malzeichen des Tieres (Off 13,16), das er auf der Stirn der gegen den Glauben stürmenden aufgewiegelten Volksmassen zu erkennen glaubte. Als das Gesangbuch, aber auch die Presbyterialordnung durch ministerielle Anordnung gefährdet und schließlich alle Errungenschaften -Gesangbuch, Katechismus und Kirchenordnung - durch eine neu berufene Generalsynode völlig beseitigt waren, war für Ebrard kein Bleiben mehr. Freiwillig bat er mit folgendem Abschiedsgesuch an den König am 3. April 1861 um seine Quieszierung: "Der Alleruntertänigste wird als Christ der Staatsgewalt und seinem Könige stets den passiven Gehorsam unverbrüchlich leisten. Dagegen sieht derselbe sich zu der ehrfurchtsvollen, aber bestimmten Erklärung veranlaßt, daß er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, fortan noch länger der Staatsgewalt, resp. Staatskirchengewalt, aktiv als vollziehendes Werkzeug eines Systems zu dienen, welches faktisch eine Unterdrückung der bekenntnistreuen Kirchenglieder und des Bekenntnisses selbst zugunsten einer lichtfreundlichen Partei involvirt. Derselbe stellt es daher dem weisen Ermessen Ew. Majestät anheim, zu erwägen, in welcher Weise er seinem freiwillig verlassenen Lebensberufe als akademischer Lehrer zurückgegeben werden könne. Sollte mutmaßlicher Weise eine sofortige Anstellung als Prof. ord. der Theologie nicht möglich sein, so bittet er Ew. Majestät ganz untertänigst, ihm den seinem Stand und Rang entsprechenden Quiescenzgehalt zugleich mit dem Charakter eines Prof. honor. der Theologie allergnädigst verleihen zu wollen."Ebrard erhielt seinen Abschied am 20. April 1861, wobei ihm nur die Hälfte seines Gehalts verblieb. Müller schreibt: "Dieser Ausgang gewinnt einen tragischen Zug: die edelsten und auch sachlich berechtigten Absichten und die http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(4 von 7) [15.05.2002 10:16:46] imponierendeFreiheit von jeder Menschenfurcht scheitern nicht bloß an mächtig-widerstrebenden Verhältnissen, sondern doch auch durch ein Übermaß ungeduldiger Willensenergie. Aber Ebrards persönlicher Charakter ging unangetastet aus diesen Kämpfen hervor. Über das Zerbrechen achtjähriger Arbeit der besten Manneskraft durfte er sich damit trösten: 'Gott sucht an den Haushaltern nicht Erfolge, sondern nur, daß sie treu erfunden werden'."Angesichts dieser menschlichen Katastrophe liegt es nahe, Parallelen zur Speyerer Zeit Rusts zu ziehen, der in derselben Stellung rund zwanzig Jahre früher auch beste Absicht mit großer Ungeduld paarte. Es ist interessant, daß Ebrard, der Rust viel verdankte, nach den Pfälzer Kämpfen ein bitteres Urteil über ihn fällt, weil sein Eingreifen vom Münchener Ministerium aus für Ebrard persönliche Treue vermissen ließ: "Der Mann, der das neue Gesangbuch und alles, was wir unter Gottes Segen seit 7 Jahren zustande gebracht, zu Fall gebracht hat, indem er, ohne es zu wollen, den Rechtsboden unter unseren Füßen wankend machte, war kein anderer als Ministerialrat Rust." Mit 43 Jahren emeritiert begab sich Ebrard in seine Heimat Erlangen zurück und "genoß in vollen Zügen das Glück, der leiblichen und geistigen Heimat zurückgegeben zu sein".Zwei Rufe nach Amerika und eine Anfrage nach Wien beantwortete er ablehnend. Als weitere Enttäuschung stellte sich für ihn die Unmöglichkeit ein, die frühere akademische Tätigkeit an der Universität wieder aufzunehmen. Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie war mit seinem Nachfolger Herzog besetzt. Angeblich verlangte die Fakultät von dem früheren Kollegen, daß er sich die venia docendi wiedererwerben solle, welchem Ansinnen Ebrard sich wohl mit Recht widersetzte. So hielt er zunächst im Presbyterialzimmer der französisch-reformierten Gemeinde Vorlesungen vor seinen Uttenreuthern. Es wurde ihm 1863 wieder gestattet, an der Universität als Emeritus theologische Vorlesungen zu halten, "ohne jedoch in den Lehrkörper aufgenommen zu werden". Eine Honorarprofessur hatte man ihm verweigert. An der Fakultät lehrten damals Gottfried Thomasius, Johannes Christian Konrad Hofmann und Franz Hermann Reinhold von Frank. Ebrard wohnte mit seiner Familie im Haus 204 (heute Hauptstraße 19) in der Nähe der französisch-reformierten Kirche. Aus dieser Zeit um 1864 sind sein politisches Interesse und seine Bemühungen für die Einigung Deutschlands zu nennen, die er mit den anderen Professoren Heinrich von Marquardsen, Rudolf von Raumer, Franz Makowiczka und Gustav Leopold Plitt anstrengte. Daß er da gelegentlich scharf gefochten hat, wird in seinem GedichtbüchleinSchleswig-Holstein.Sechsundvierzig Lieder wider den Dänen(1863), veröffentlicht unter dem Pseudonym Gottfried Flammberg, deutlich. Er erneuerte 1870 mit Plitt und einigen Erlanger Bürgern den 1866 gegründeten Verein für Felddiakonie, der in Verbandslehre für den Einsatz an der Front ausbildete. Diese Felddiakonen leisteten nach einem Bericht Ebrards unter großen Gefahren Beachtliches. In vorgerückten Jahren erhielt er im Juni 1875 durch die Wahl der französisch-reformierten Gemeinde ins Pfarramt als Nachfolger Hermann Adelbergs noch ein neues Betätigungsfeld. Nun zog er in das Pfarrhaus ein, in dem er einst geboren war und in dem er dann auch starb. Die letzten 13 Jahre seines Lebens diente er seiner Gemeinde mit großer Hingabe. Sie hatte in ihm, "dem weltbekannten Theologen und Schriftsteller, einen Prediger, der weite Kreise anzog, und (...) wohl den gelehrtesten Pfarrer, den es je gegeben hat, dem es doch nicht zu gering war, das Amt, welches den Abend seines Lebens noch verklärte, mit seelsorgerischer Hingebung zu führen".Lange konnte man sich in der Gemeinde noch des gütigen weißhaarigen "Herrn Konsistorialrats", welchen Titel er beibehielt, erinnern, wie er täglich seinen Spaziergang durch die Fluren um die Stadt herum machte. Er war sehr beliebt und galt als glänzender und geistsprühender Gesellschafter: "Wo der Herr Konsistorialrat saß, war die dichteste Gesellschaft." In seine Zeit fiel das 200jährige Jubiläum der französisch-reformierten Gemeinde 1886, dessen Feier Ebrard in festlichem Rahmen in der renovierten Kirche hielt. Ihre Geschichte hatte er in dem schönen Bändchen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth(1885) (1885) herausgegeben. Er war von 1876 bis 1885 Präses der reformierten Synode, für die er u.a.eine neue Heidelberger Katechismusausgabe herausgab. Da er der wenige Wochen vor seinem Ableben im Pfarrhaus tagenden Synode nicht mehr beiwohnen konnte, richtete er an sie das bewegende Abschiedsschreiben: "In Christo geliebte und geehrte Herren Consynodalen! Mein Herz drängt mich, Ihnen auszusprechen, wie tief es mich schmerzt, bei dieser letzten Synode meines Lebens nicht nur an unseren Beratungen kein Theil nehmen zu können, sondern Ihnen auch nicht einmal persönlich die Hand zum Gruße drücken zu können. Es sind recht dunkle Wege, die der Herr mich führt. Aber sie führen sicher zum Leben. Der Herr walte mit Seinem Geiste über Ihren Beratungen. Lassen Sie bei jedem Ihrer Beschlüsse das Ihr einziges http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(5 von 7) [15.05.2002 10:16:46] Zielsein, daß der Wahrheit die Ehre gegeben und die Ehre Gottes gefördert werde. Der Herr mit Ihnen. Amen! In treuer Liebe Ihr geringer Mitknecht August Ebrard." Am Jahresschluß 1887 hatte er zum letzten Mal die Kanzel bestiegen. Am 23. Juli 1888 starb er an chronischer Lungenentzündung und Herzlähmung im Alter von 70 Jahren und wurde drei Tage später unter großer Beteiligung der Gesamtbevölkerung der Stadt beerdigt. Den Anfang der Beerdigungsliturgie hielt Vikar Ditzen, den Schluß, da auf Wunsch der Familie eine Grabrede nicht gehalten wurde, Pfarrer Haenchen. Das Grab befindet sich auf der französisch-reformierten Hälfte des Friedhofs mit einem hochragenden Stein. Das Presbyterium ließ 1902 zum Gedächtnis an Ebrard eine schwarze Marmortafel über der Tür des Pfarrhauses anbringen: "Hier ist D. Dr. August Ebrard, vielseitiger Gelehrter und Schriftsteller, geboren 18. Januar 1818 und als Pfarrer der franz.-ref.Gemeinde am 23. Juli 1888 gestorben." Was beim Überblicken seines literarischen Werks in Erstaunen setzt, ist die ganz außerordentliche Produktivität. Es gab kaum ein Gebiet, auf dem Ebrard nichts zu sagen wußte. Über hundert Bücher hat er geschrieben, nicht gerechnet die zahlreichen Aufsätze in Zeitschriften. In der Theologie gibt es kein Gebiet, das er nicht betreten hätte. Umfangreiche Werke sind seine zweibändigeApologetik(1874/75), die zweibändige Christliche Dogmatik(1851/52, 2. Aufl. 1862), die 4 Bände Handbuch der christlichen Kirchen- und Dogmengeschichte (1865/66) und ein zweibändiges WerkDas Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte(1845/46).Er lieferte eine ganze Reihe von Kommentaren zu biblischen Büchern, einen Versuch einer Liturgik vom Standpunkte der reformirten Kirche (1843), einePraktische Theologie(1854), ließ eine große Anzahl seiner Predigten drucken und arbeitete an der zweiten Auflage derRealenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE)mit mehreren Beiträgen mit. Daneben aber betätigte er sich als Dichter und belletristischer Schriftsteller, der viele poetische Werke, Novellen, Dramen, Volksschriften unter dem Pseudonym Gottfried Flammberg, Christian Deutsch und Sigmund Sturm veröffentlichte. Zu nennen ist sein um das mittelalterliche Erlangen und die Reichsstadt Nürnberg spielender HeimatromanKurt Werner(1864), mit dem er sich wie mit anderen historischen Erzählungen ein heimatgeschichtliches Verdienst erworben hat. Ferner schrieb er die RomaneEiner ist euer Meister(1856),Die Kreuz-Eiche(1862),(1862),Der Feilenhauer (1866),Die Rose von Urach(1869),Der goldne Becher. Fünf Nürnberger Erzählungen(1871),Der Vogelsteller vom Eschlippthal(1871),Vom treuen Kunrat(1872),Donna Elsa(1873) und Hugenottengeschichten(1875). Einige Werke haben eine zweite Auflage erlebt. Viel Romantik durchzieht sie. Ebrard wollte mit ihnen "die Weckung geschichtlichen Sinnes" bezwecken, ein erzieherisches Motiv bei zugleich herausgestellter christlich-sittlicher Tendenzgebung. Das Pseudonym Gottfried Flammberg sollte die durch den Glauben gemilderte leidenschaftliche Natur des Verfassers bezeichnen. Wie vielseitig Ebrard war, nimmt man aber an noch ganz andersartigen Werken wahr, die er über Akustik (Systemder musikalischen Akustik[1866]), Farbentheorie (Untersuchungenüber das Wesen des Lichtes und der Farben[1873]) und Sprachforschungen (Handbuchder mittelgälischen Sprache[1870]) schrieb. Auch die Grundlagen eines Führers durch die fränkische SchweizundUntersuchungen über die Namen "Rednitz und Regnitz"stammen von ihm. Er schreibt auf dem Vorsatzblatt zurRose von Urach:"Ich begann die Vorstudien den 2. Juli 1868. Die Ausarbeitung begann ich den 3. September 1868, vollendete das erste Bändchen den 24. September, das zweite den 22. Oktober, das dritte den 8. November 1868." Und das bei einem Buch mit 36 Kapiteln und 605 Druckseiten! BeimTreuen Kunrat,einem Büchlein von immerhin 120 Seiten, heißt es: "Den 9. März 1872 den Gedanken gefaßt, ausgeführt 12. März bis 15. März 1872." Man kann sich Ebrard vorstellen, wie er zum Schreiben und Dichten oft auf den Kirchturm hinaufstieg, um im Türmerstübchen zu arbeiten. Ebrard hat übrigens auch eine ganze Reihe von Psalmen zu den bekannten Hugenottenmelodien neu gedichtet. Das alles macht staunen über die faszinierende Genialität und Vielseitigkeit, über die ungeheuere geistige Beweglichkeit dieses Mannes, die in der geistvollen Frische seiner Schriften zutage tritt. "Die http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(6 von 7) [15.05.2002 10:16:46] EbrardscheUniversalität ist von einer solchen Weite, wie sie einer späteren Zeit schlechterdings nicht mehr möglich sein wird", schreibt Paul Jacobs. Seine dogmengeschichtliche und religionsgeschichtliche Arbeitsleistung stellt bis heute eine wahre Fundgrube dar. Als Systematiker und Apologet sowie als Liturgiker nimmt er in der Theologie des 19. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein. Der Dr. theol. und phil. Ebrard war ein überaus selbständig arbeitender Theologe, der die Strömungen und theologischen Probleme seiner Zeit zwischen Hegel, Romantik und der beginnenden Vorherrschaft der Naturwissenschaften zu verarbeiten und zu beantworten suchte. Er ist ein durch und durch moderner Mensch gewesen, nicht in dem Sinn, als hätte er irgendeinen modernen Glauben an die Stelle des alten Evangeliums setzen wollen. Im Gegenteil: Er hat für das alte Evangelium gegen den Rationalismus in Theologie und Kirche, für die biblische Wunderwelt gegen die Strauß'sche Kritik des Lebens Jesu gekämpft. Aber er zog sich nicht einfach auf die Bibel zurück, sondern begab sich mitten in die Interessen der modernen Welt hinein, überall Anknüpfungen suchend und Verständnis für alle Probleme der Gegenwart beweisend. Was hier zur Bewunderung herausfordert, ist leider aber auch die Schwäche und Tragik Ebrards gewesen. Fragt man sich, was von seinen vielen Werken geblieben ist, womit er Schule gemacht, bahnbrechend gewirkt hat, so muß man erkennen, daß außer dem hohen Klang des Namens Ebrard nicht viel geblieben, ja daß er in der Theologie fast ganz vergessen, 'toter als tot' (Karl Barth) ist. Woran liegt das? Einmal wohl daran, daß es viele seiner Schriften an Gründlichkeit und Tiefgang fehlen lassen. Man sieht Ebrard als den gleichsam immer Schreibenden vor sich, der auf jede literarische Neuerscheinung sofort reagieren mußte und dies oft mit beißender, verletzender Kritik tat. Sein südfranzösisches Temperament ließ ihn oft übers Maß und Ziel hinausschießen. Wenn Jacobs schreibt, Ebrard sei von seiner Anlage her eine irenische Natur, der die Liebe in der Wahrheitsfrage bewußt voranstelle, so haben das die theologischen Gegner wohl nicht zu spüren bekommen. Daher war er in der theologischen Welt seiner Zeit der bestgehaßte Mann, den man bereitwillig in Vergessenheit geraten ließ. Zum anderen ist bei ihm unverkennbar ein starker, oft von Selbstlob durchsetzter Subjektivismus, der die Wissenschaft des Urteils wie auch der dargebotenen Materie in Frage stellen muß. Ebrard fühlte sich als reformierter Theologe, der es sich aber leistete, mit mancher dogmatischen Materie sehr eigenwillig, ja willkürlich umzugehen und der die Sache so darbot, wie er selbst sie für reformiert hielt. Er konnte sich wohl für reformierte Kirchenverfassung und Gottesdienstordnung einsetzen, hatte aber für reformierte Lehre vielfach kein Verständnis, wie er etwa die für die ganze Reformation so wichtige Prädestinationslehre in allen ihren Formen verwarf und energisch bekämpfte. Oft trat die nüchterne Forschung hinter den eigenen Empfindungen zurück. So kam es, daß er lange Zeit in der Theologie keine Würdigung gefunden hat. Diese Lücke füllt das von Paul Jacobs 1955 herausgegebene BuchWille und Wandlungaus. Jacobs zeigt auf, daß die beiden Hauptprobleme, mit denen Ebrard immer rang, das Problem des menschlichen Willens - daher seine Antipathie gegen die Prädestinationslehre - und das der Wiedergeburt zusammen mit seiner Sakramentslehre waren. Ist Ebrard als Theologe auch vergessen, so bleibt sein Ruf als Kirchenmann weit über Bayerns Grenzen hinaus, hat er doch in der damaligen Zeit das darniederliegende reformierte Bewußtsein wieder zu wecken verstanden. Wie die Gründung der Reformierten Kirchenzeitung 1851 geht die Gründung des Reformierten Bundes 1884 durch Friedrich Heinrich Brandes in Marburg ebenfalls auf Ebrards Betreiben zurück. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas104.htm(7 von 7) [15.05.2002 10:16:46] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 3.2. Johann Jakob Herzog (1854-1877) Johann Johann Jakob Herzog wurde am 12. September 1805 in Basel geboren. Er entstammte einer angesehenen Kaufmannsfamilie. Seine Eltern Johann Caspar Herzog und Gertrud, geb. Bienz verlor er schon in seiner Kindheit. Aber seine Verwandten sorgten für seine Erziehung. Das erst fünfjährige Waisenkind wurde zusammen mit seinem älteren Bruder einem Institut in Neustadt am Bieler See übergeben, erhielt später im Hause des auch als Pädagogen bekannten Naturforschers Christoph Bernoulli und schließlich im Baseler Pädagogium Unterricht. Wahrscheinlich trug der Einfluß eines Onkels und Pfarrers in Basel, der Herzog konfirmiert hatte und in sein Haus aufnahm, dazu bei, daß er sich für das theologische Studium entschloß. Gerade damals wurde an die Theologische Fakultät Basel Wilhelm Leberecht de Wette berufen, der trotz heftiger Anfeindung von pietistischer Seite bald einen großen wissenschaftlichen und persönlichen Einfluß auf die Studenten gewann und auch auf Herzog große Anziehungskraft ausübte. Herzog schloß sich im Sommer 1823 dem Zofingerverein an, der ältesten schweizerischen Studentenverbindung, die Vaterlandsliebe und staatsbürgerliche Erziehung im Verein mit Freundschaft und Wissenschaft auf ihre Fahne geschrieben hatte. Ihm verdankte er viel Anregung. Nach einem dreijährigen Studium ging Herzog mit seinem vertrauten Freund Abel Burkhardt zur Vollendung seiner Studien nach Berlin, wo damals Schleiermacher und Neander auf dem Höhepunkt ihrer Wirksamkeit standen. Er erhielt zuerst von Schleiermacher viele Anregungen, wandte sich aber dann, als das kirchliche Bewußtsein in ihm erstarkte, Neander zu, durch den in ihm das Interesse für kirchengeschichtliche Studien geweckt wurde. Nach einer Reise durch Böhmen über Wien, Venedig, Mailand zurück nach Basel, wo er sein 1. Examen ablegte, entschied er sich für die akademische Laufbahn. Seine Promotion zum Lizentiaten der Theologie geschah 1830 aufgrund einer exegetischen Arbeit über Röm 3,21-31.Er habilitierte sich an der Theologischen Fakultät und heiratete am 14. Januar 1834 seine Cousine Rosine Socin. Bei den damaligen politischen Verhältnissen in Basel bestand für Herzog keine Aussicht auf Beförderung. So folgte er im Oktober 1835 einem Ruf an die Akademie in Lausanne, wo er zunächst provisorisch und 1838 definitiv als Professor der Historischen Theologie angestellt wurde. Ein Jahr zuvor war auch der bedeutende Theologe Alexander Vinet, der "Schleiermacher des französischen Protestantismus", nach Lausanne gekommen und lehrte neben Herzog. Herzog bekam bald einen guten Einfluß auf die Studenten. Dabei kamen ihm seine französischen Sprachkenntnisse zugute. Er hielt Vorlesungen über Kirchengeschichte, Dogmengeschichte, Symbolik, Missionsgeschichte, das Leben der Reformatoren und Biblische Theologie. Daneben entwickelte er eine emsige literarische Tätigkeit und veröffentlichte eine Menge Ergebnisse seiner vielseitigen Spezialforschungen, so z.B.über die Reformatoren (Bemerkungenüber Zwinglis Lehre von der Vorsehung und Gnadenwahl[1839];Johann Calvin[1843]). Eingehende Studien widmete er der Geschichte seiner Heimat, nämlich der Basler Kirche und ihrem Reformator Oekolampad (OekolampadsEntwicklung zum Reformator[1846];Das Leben Oekolampadius' und die Reformation der Kirche zu Basel[1843]). Großes Interesse wandte er der waadtländischen Kirche zu und der Sekte des Darbysmus, der von England dorthin verpflanzt mit seinem starken und aller kirchlichen Organisation feindlichen Individualismus für die Kirche eine Gefahr http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(1 von 8) [15.05.2002 10:16:55] bedeutete(DiePlymouthbrüder oder Darby und seine Anhänger im Kanton Waadt, ihr Verhältnis zu den Dissidentengemeinden und zur Nationalkirche[1844]). Die damals in Zürich durch die Berufung von David Friedrich Strauß hervorgerufenen Kämpfe forderten auch Herzog zu einer kritischen Darlegung der pantheistischen Voraussetzung heraus, von denen Strauß'Das Leben Jesuausging (D.Strauß, explication et examen de sa critique philosophique et religieuse[1839]). Die so erfreuliche Laufbahn des jungen Professors erlitt eine erhebliche Störung und Wendung, als im Waadtland infolge des gewalttätigen Eingriffs der demokratischen Regierung in die Verhältnisse der nationalen Kirche ein schwerer Konflikt ausbrach. Ein Zeichen für die kirchlich-politische Umwälzung war u.a.,daß den Pfarrern zugemutet wurde, auf der Kanzel eine Regierungsproklamation zu verlesen, in der die Berechtigung der Revolution ausgesprochen wurde. Als Herzog 1846 in eine neu gebildete Kommission für die Prüfung und Ordination der Pfarrer berufen wurde, lehnte er das ab, weil seine Teilnahme eine Anerkennung kirchlicher Befugnisse des gegenwärtigen politischen Regimes durch ihn bedeutet hätte. Mit einer großen Zahl von Professoren und Pfarrern - es waren etwa 150 - erklärte er seine Demission und legte seine staatliche Professur nieder. Die Anhänglichkeit der Studenten zeigte sich bei dieser Gelegenheit, als sie ihm ein Ständchen brachten, das freilich vom Pöbel unterbrochen wurde. Ein Jahr lebte Herzog in Lausanne in privater Lehrtätigkeit in sehr eingeschränkten Verhältnissen, bis sich 1847 das Tor zu neuem Wirken auftat. August Tholuck in Halle hatte sich für ihn verwendet, und das brachte ihm neben einem gleichzeitigen Ruf nach Wien einen Lehrauftrag für Kirchengeschichte und Neutestamentliche Exegese an der Universität Halle ein, dem er auch Folge leistete. Von 1847 bis 1854 weilte er in Halle, wo er 1847 die theologische Doktorwürde von Berlin aus verliehen bekam. Enge Freundschaft verband ihn mit Tholuck und Julius Müller. In Lausanne hatte er infolge seines Kontakts zu zwei Studenten, die aus den Tälern der Waldenser stammten, die Anregung für eine eingehende Erforschung der Geschichte der Waldenserkirche empfangen. Auf Reisen nach Genf, Frankreich und Irland erforschte er die nur handschriftlich aufbewahrte reiche Literatur der Waldenser. Er konnte in einer großen SchriftDie romanischen Waldenser(1853) aufgrund von kritisch gesichtetem Quellenmaterial den Nachweis führen, daß die Waldenser entgegen früheren Annahmen nicht früher als erst im 12. Jahrhundert entstanden und erst durch die Berührung mit der Reformation zu einer evangelischen Bewegung geworden waren. Sodann erhielt er 1854 den Ruf auf den durch Ebrards Versetzung seit 1853 verwaisten Erlanger reformierten Lehrstuhl. Das führte den Gelehrten auf die letzte und weitaus längste Station auf seinem Wege. Von der Persönlichkeit Johann Jakob Herzogs haben sich in Erlangen nicht viele Spuren erhalten, obwohl er 23 Jahre lang die Professur innehatte und bis zu seinem Lebensende 1882 hier weilte. Erst mit 49 Jahren hierher gekommen, lebte er ganz seiner Wissenschaft und dem großen Werk, das er kurz vor seiner Berufung begonnen hatte. Seine Wohnung hatte er später im Haus Nürnberger Straße 36, das einst die Villa Abraham Marchands vor dem Nürnberger Tor war, welche dieser der französisch-reformierten Gemeinde Gemeinde vererbte. Nach Herzog wohnten andere Professoren wie z.B.Theodor Kolde in dem Haus, das 1960 dem Neuen Markt weichen mußte. Herzog nahm regen Anteil am reformierten Gemeindeleben. Als der in den frühen Ruhestand versetzte Konsistorialrat Ebrard von Speyer wieder nach Erlangen zurückkehrte, entstand zwischen beiden reformierten Professoren ein enger Konnex. Den reformierten Synoden wohnten beide häufig als Gäste bei. Es war sicher eine Bereicherung, daß neben dem stark, wenn auch nicht ausschließlich historisch arbeitenden Ordinarius Herzog der noch junge Emeritus Ebrard, nun als Privatmann lesend, systematische und andere Gebiete vertrat. Der Name Herzog ist unlöslich mit derRealenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE)verbunden, die er begründete und in der ersten Auflage ganz herausbringen konnte.Bereits Jahre zuvor war in theologischen Kreisen der Gedanke aufgetaucht, den Ertrag der reichen Arbeit, zu der die Theologie seit den ersten Dezennien des neuen Jahrhunderts angeregt war, in einem großen enzyklopädischen Werk zusammenzufassen. Man wollte den Umschwung in der Theologie, die den Rationalismus durch tiefere Würdigung des geschichtlichen Christentums und des kirchlichen Lebens mehr und mehr überwandt, deutlich machen. Vorbereitungen dazu waren schon getroffen worden, aber die Märzrevolution 1848 hatte sie zum Stillstand gebracht. Nach Wiederkehr der politischen Ruhe war Matthias Schneckenburger, der sich an die Spitze des Unternehmens gestellt hatte, gestorben. Tholuck, an den man zuerst dachte, empfahl Herzog. Dessen hohe wissenschaftliche Befähigung, die Reife seines http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(2 von 8) [15.05.2002 10:16:55] Urteilsund sein vielseitiges Wissen ließen gerade Herzog dazu befähigt erscheinen. Sieffert urteilt: "Die an Schleiermacher und Neander anknüpfende, der Union der beiden protestantischen Kirchen freundliche, offenbarungsgläubige Richtung, welche damals in der evangelischen Theologie entschieden die Führung hatte, war auch die seinige, und das nahe Verhältnis zu einem ihrer hervorragendsten Vertreter in Halle hatte ihn darin befestigen müssen."Die Entschiedenheit im Wesen Herzogs, aber auch seine Milde und Humanität sowie die Verbindung von Bescheidenheit und Energie, die jeder Redakteur für die Behandlung seiner Mitarbeiter braucht, waren ihm zu eigen. Der Band 1 war noch 1854 in Halle erschienen, mit dem 21. Band war die Realenzyklopädie 1866 fertig. Zwölf Jahre sind für ein so großes Werk keine lange Zeit. Herzog hat selbst nicht weniger als 529 zum Teil sehr umfangreiche Artikel geschrieben. Das Riesenwerk hat seinen Namen in weiten Kreisen der evangelischen Kirche und Theologie inner- und außerhalb Deutschlands bekannt gemacht. Daneben hatte Herzog noch die Kraft für Vorträge, Abhandlungen, Reden und Predigten. Hochbetagt begann er 1876 den ersten Band seiner Kirchengeschichte. Als er von einem Schlaganfall getroffen wurde, zog er sich 1877 vom Lehrstuhl zurück, um denAbriß der gesamten Kirchengeschichtevollenden zu können, der bei seinem Tode 1882 mit drei Bänden fertig vorlag. Diese wurde auch ins Schwedische übersetzt. Daneben begann er 1877 die Herausgabe der zweiten verbesserten Auflage der Realenzyklopädie, zuerst zusammen mit dem außerordentlichen Professor für Kirchengeschichte Gustav Leopold Plitt und dann mit Albert Hauck, der nach Herzogs Tod die Auflage vollendete und später die dritte Auflage des Werkes herausgab. Eine geplante Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts konnte Herzog nicht mehr schreiben. Nach einem Krankenlager von einigen Monaten starb er am 30. September 1882 im Alter von 77 Jahren. Bei der Trauerfeier in der Gottesackerkirche predigte Pfarrer Haenchen über Lk 10,20. Sieffert hielt den wissenschaftlichen Nachruf und Konsistorialrat Ebrard sprach das Gebet. Es wurde Herzog nachgerühmt, daß mit ihm ein Mann von seltener Geradheit des Charakters, Herzensgüte und Ehrenhaftigkeit dahingegangen sei. Sein Name bleibt mit der Geschichte der protestantischen Theologie verbunden. Das Grab Herzogs befindet sich fast unmittelbar beim Seiteneingang des Reformierten Friedhofs. Ein Sohn, Professor Wilhelm Herzog/München, hat 1914 für die deutsch-reformierte Gemeinde eine Stiftung "Herzogstiftung" errichtet, aus der u.a.Traubibeln für Brautpaare beschafft wurden. 3.3. Anton Emil Friedrich Sieffert (1878-1889) Anton Anton Emil Friedrich Sieffert war gebürtiger Ostpreuße und wurde am 24. Dezember 1843 in Königsberg geboren, wo sein Vater Friedrich Ludwig Sieffert als Universitätsprofessor, Konsistorialrat und Hofprediger an der deutsch-reformierten Burgkirchengemeinde Burgkirchengemeinde wirkte. Die Siefferts entstammten einer alten Elbinger Kaufmannsfamilie. Friedrich Sieffert hat seinem Vater von Erlangen aus eine Biographie gewidmet, in der er sein herzliches Verhältnis zu ihm schildert, das nicht zuletzt seinen Werdegang als Theologe bestimmte. Der Vater Ludwig Sieffert, ein Freund der Union, hatte sich mit einer Arbeit über Theodor von Mopsuestia habilitiert und war Professor für Alt- und Neutestamentliche Textkritik und auch Systematische Theologie geworden. Seine Forschungen über den Ursprung des ersten kanonischen Evangeliums waren ein zeitgemäßes Unternehmen und gingen in Einklang mit der damals von Bernhard Weiß bestimmten Richtung. In seiner Gemeinde hatte er energisch das positive Christentum gegen auflösende Strömungen zu verteidigen. Mit den Professoren Isaak August Dorner und Justus Ludwig Jacobi verband ihn enge Freundschaft. Leider hat ein frühes Augenleiden seine literarische Arbeit, allmählich aber auch seine Lehr- und Amtstätigkeit - er hatte im Konsistorium das Dezernat für die Angelegenheiten der reformierten http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(3 von 8) [15.05.2002 10:16:55] GemeindenOstpreußens - zum Erliegen gebracht. Seinem Sohn, der ihm als treuer Helfer zur Seite stand, diktierte er 1870/71 noch die Grundgedanken seiner Dogmatik. Es waren im elterlichen Haus der enge Umgang mit der Theologie und der Einfluß des Vaters, die Sieffert für seine Laufbahn vorbereiteten. Ab 1861 studierte er drei Semester Theologie in Königsberg, dann ein Jahr in Halle, ein Semester in Berlin und zuletzt wieder in Königsberg, wo er 1865 sein 1. Examen mit "recht gut" bestand. Sein Lehrer Dorner hatte großen Einfluß auf ihn. Schon als Quartaner und dann als Student war er Schüler von Bernhard Weiß. So führte ihn ein lebhaftes wissenschaftliches Interesse zum akademischen Beruf. Er promovierte 1867 zum Lizentiaten der Theologie mit einer Abhandlung über das Verhältnis Jesu zur messianischen Idee und habilitierte sich als Privatdozent für Neues Testament in Königsberg. Er siedelte 1871 an die Universität Bonn über und übernahm zugleich den Posten des Inspektors am dortigen Theologischen Stift. In Bonn entfaltete Sieffert, der 1873 außerordentlicher Professor geworden war, eine vielseitige Lehrtätigkeit.Durch sein liebenswürdiges humorvolles Wesen wurde er schnell am Rhein heimisch und unter den Studenten beliebt. Er las über neutestamentliche, aber auch über alttestamentliche und dogmengeschichtliche Themen, wobei seine in der Schule von Weiß gebildete Begabung zu Einzeluntersuchungen hervortrat (Vorträgeund Studien zur neutestamentlichen Zeitgeschichte[1876];Die Heilsbedeutung des Leidens und Sterbens Christi nach dem ersten Briefe des Petrus[1876]), und offenbarte auch eine systematische Neigung, die ihn auf reformationsgeschichtliches Gebiet führte. Im dritten Band derTheologischen Arbeiten aus dem rheinischen wissenschaftlichen Predigervereinerschien 1877 der AufsatzDer reformatorische Kirchenbegriff unter den Prinzipien des Protestantismus.Bezeichnenderweise sieht Sieffert darin als Charakteristikum neben der Rechtfertigung aus dem Glauben und der Heiligen Schrift noch den Kirchenbegriff der Reformatoren. Das dürfte für die damalige Epoche des theologischen Liberalismus eine wichtige Wiederentdeckung gewesen sein. Es ist nicht von ungefähr, daß ihm diese Entdeckung über dem Studium Calvins gekommen ist, dem er sich in dieser Zeit mit besonderer Intensität widmete. Er hat sich in dieser Zeit zu einem reformierten Theologen entwickelt, der nun auch mit innerer Berechtigung dem Ruf auf den durch Herzogs Quieszierung vakanten Erlanger Lehrstuhl folgen konnte. Seit 1878 war Sieffert ordentlicher Professor in Erlangen. Kurz zuvor am 20. September 1878 hatte er in Bonn die aus Schützen in Ostpreußen gebürtigen Wilhelmine Auguste Caroline Eggeling geheiratet, wobei der Pfarrer Ernst Dryander, späterer Oberhofprediger in Berlin, und der spätere Theologieprofessor Carl Budde Trauzeugen waren. Siefferts nahmen zunächst in der Spitalstraße 41 (jetzt Goethestraße 18) Wohnung, zogen aber später in die Sieglitzhoferstraße 38 (jetzt Hindenburgstraße) in ein selbstgebautes Haus. Siefferts Vorlesungen haben sich in Erlangen mehr der Dogmatik und Ethik zugewandt. Eine herzliche Freundschaft verband ihn mit seinem Vorgänger Herzog. Mit einer ganzen Reihe von Artikeln (Antichrist; Ethik; Herodes; Jakobus; Judasbrief; Landpfleger; Apostel Petrus; Pharisäer; Sadduzäer; Zeloten)hat er an der Herausgabe der zweiten und später auch der dritten Auflage der Realenzyklopädie mitgearbeitet. An Herzogs Sarg hielt Sieffert einen wissenschaftlichen Nachruf und hat ihm in der dritten Auflage der Realenzyklopädie einen Artikel gewidmet. An seinen wissenschaftlichen Beiträgen werden die allseitige gründliche Orientierung sowie ein ruhiges, unparteiisches, aber positiv aufbauendes Urteil gerühmt. In Erlangen entstand vor allem das literarische Hauptwerk Siefferts, die Neubearbeitung des Kritisch-exegetischen Handbuchs über den Brief an die Galater(1880) in dem großen Meyerschen Kommentarwerk zum Neuen Testament. Ein großes Verdienst hat Sieffert mit der Gründung des Reformierten Seminars, das 1886 durch ihn eingerichtet wurde. An der Theologischen Fakultät lehrten zu seiner Zeit neben ihm Neues Testament Theodor von Zahn, Altes Testament August Köhler, Kirchengeschichte Heinrich Schmidt, Systematische Theologie Franz Hermann Reinhold Frank und Praktische Theologie Gerhard von Zezschwitz bzw. nach dessen Tod ab 1886 Walter Caspari. Es war ein Zeichen für die Wertschätzung der Persönlichkeit des Professors für Reformierte Theologie, daß man ihn 1888 zum Prorektor der Universität wählte. Am 3. November 1888 trat er sein Amt an mit der ProrektoratsredeÜber den sozialen Gegensatz im Neuen Testament,in der er über das Verhältnis des Apostels Paulus zur Sozialgesetzgebung des Alten Testaments und zum Geist des römischen Rechts in Bezug auf das Privateigentum sprach. Er hatte damit http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(4 von 8) [15.05.2002 10:16:55] einhöchst aktuelles Thema zur Zeit der beginnenden evangelisch-sozialen Ära in der Kirche gewählt, um nachzuweisen, daß in der Bibel wohl eine Fülle sittlicher Ideen für soziale Theorie und Praxis, aber kein bestimmtes volkswirtschaftliches Programm enthalten sei. Das Rektoratsjahr brachte Sieffert viel Arbeit, da das im Bau befindliche neue Kollegienhaus sich seiner Vollendung näherte. Die Einweihungsfeier, die er noch vorbereitete, erlebte er nicht mehr in Erlangen, da er Ostern 1889 einem Ruf zurück nach Bonn folgte. In Erlangen waren ihm vier seiner sechs Kinder geboren worden, die von Konsistorialrat Ebrard in der französisch-reformierten Gemeinde getauft wurden. Obwohl eigentlich deutsch-reformiert, hatte sich Sieffert, vielleicht durch sein Interesse an Calvin bewogen, der französisch-reformierten Gemeinde angeschlossen. Eine Freundschaft verband ihn auch mit Ebrard, dessen Tod er 1888 erlebte und dessen Frau Patin eines seiner Kinder wurde. An den reformierten Synoden nahm Sieffert als Gast mehrmals teil. Er ist bisher der einzige Professor für Reformierte Theologie, der nicht bis zu seinem Lebensende in Erlangen blieb. In Bonn erhielt Sieffert den ordentlichen Lehrstuhl für Systematische Theologie und wurde Direktor des Systematischen Seminars. Er kam dort gleich mit den schweren Parteikämpfen in Berührung, die damals die Fakultät erschütterten. Während der 22 Jahre, die er in Bonn noch tätig war, entfaltete Sieffert eine reiche und vielseitige Tätigkeit. In Münster und ab 1894 beim Konsistorium in Koblenz war er ständiger Examinator bei den theologischen Prüfungen. Seit 1896 ordentliches Mitglied des rheinischen Konsistoriums, hatte er später ein regelmäßiges Dezernat in der Kirchenbehörde. Er erhielt den Titel Geheimer Konsistorialrat. Ferner war er im Vorstand des Comenius-Seminars in Bonn und des rheinischen Provinzialausschusses für Innere Mission. Einige Jahre war er Vorsitzender des wissenschaftlichen Predigervereins der Rheinprovinz und des Vorstands des Waisenhauses Godesheim bei Godesberg. Viermal verwaltete er das Dekanat der Theologischen Fakultät. Im Jahr 1899/1900 war er Rektor magnificus der Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität.Der Titel seiner Antrittsrede lautete:Das Recht im Neuen Testament.Aus seiner Bonner Zeit sind eine Reihe kleinerer Arbeiten exegetischen Inhalts, vor allem aber systematische Themen zu nennen:Die Entwicklungslinie der paulinischen Gesetzeslehre nach den vier Hauptbriefen des Apostels[1897];Die Heidenbekehrung im Alten Testament und im Judentum[1908];Krieg und Christentum[1904];Das sittlich Erlaubte im Christentum[1904]. Eine Arbeit, die aus Vorträgen bei einem Kurs für evangelische Volksschullehrer 1903 in Bonn hervorging, befaßte sich mit dem brennenden ProblemOffenbarung und heilige Schrift(1905). Lang urteilt darüber: "Nach Ablehnung der alten Inspirationslehre und einer beschränkten Anerkennung der außerbiblischen Offenbarung lehrt S[ieffert] die Offenbarung in der Schrift als eine Entwicklung menschlich-geschichtlichen Aufstiegs unter Leitung der göttlichen Heilspädagogik, gipfelnd in der vollendeten Selbstbekundung Gottes in Christus, verstehen."Das Buch ist reich an bedeutsamen Gedanken, tief, klar und modern für die damalige Zeit. In den dogmengeschichtlichen Studien Siefferts gewann mehr und mehr Calvin die beherrschende Stellung, so in der AbhandlungDie neuesten theologischen Forschungen über Buße und Glaube(1896). "Sehr häufig hielt S[ieffert] im Seminar Übungen über die Institutio", schreibt Lang. "Doch war er auch in den sonstigen Werken des Genfer Meisters wie kaum ein anderer deutscher Theologe zu Hause. Immer wieder stellte er Themata für Arbeiten aus Calvins Leben und Theologie, und aus seiner Schule gingen eine ganze Reihe trefflicher Lizentiatendissertationen über den Reformator und seine Zeitgenossen hervor, wie deren mehrere in den 'Elberfelder Calvinstudien' (herausg. von Bohatec 1909) vereinigt sind." Im Calvin-Jubiläumsjahr 1909 hielt er am 10. Juli eine ausgezeichnete FestredeJohann Calvins religiöse Entwicklung und sittliche Grundrichtungmit dem Problem von Calvins Bekehrung. Kurz vor seinem Tod trat er für die Errichtung des Reformationsdenkmals in Genf ein. Ein großer Familienkreis mit sechs Kindern scharte sich um Sieffert. Dieser erlag noch nicht 68jährig mitten in reger Tätigkeit am 30. Oktober 1911 einer schweren Lungen- und Rippenfellentzündung. Bei seinem Begräbnis, das sein Schwiegersohn Hans von Nasse hielt, wurde Dank von seiten der Theologischen Fakultät, der Kirchenleitung, des Provinzialausschusses für Innere Mission und des Reformierten Bundes bezeugt. Lang, einer seiner Schüler, schildert ihn als sorgsamen Beobachter und stillen Denker, dessen Entscheidungen in theologischen Fragen im Fundament biblischer und reformatorischer Wahrheit wurzelten, und als sehr belesenen und auf vielen entlegenen Gebieten gelehrten Mann, dessen innere Festigkeit und Nüchternheit gepaart war mit ungemeiner Liebenswürdigkeit und http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(5 von 8) [15.05.2002 10:16:55] selbstloserGüte, die nicht zuletzt auch seinen Studenten galt. "Sein Umgang erfreute und erfrischte zugleich durch einen feinen, nie verletzenden Humor." 3.4. Johann Martin Usteri (1889-1890) Johann Johann Martin Usteri wurde zum Nachfolger Siefferts berufen, starb aber nach nur halbjähriger Lehrtätigkeit. Er war ein begabter, feinsinniger Theologe, der sich in seiner Schweizer Heimat schon einen Namen gemacht hatte. Am 27. September 1889 war er aus der Schweiz kommend hier eingetroffen, am 4. Juni 1890 schon wurde er aus seinem Wirken durch den Tod herausgerissen. Usteri war Glied einer alten, hochangesehenen Züricher Kaufmannsfamilie. Im Jahre 1401 erhielten die Usteris in Zürich das Bürgerrecht. Ein Vorfahre, Paulus Usteri, schwang sich vom Spezereihändler zum reichen Kaufherrn in Wolle und Seide empor und erbaute 1684 den im Talacker am späteren Paradeplatz in Zürich gelegenen bis 1929 von seinen Nachkommen bewohnten Neuenhof. Dieser Linie der Usteri vom Neuenhof entstammte der Erlanger Professor als der siebte Johann Martin in ununterbrochener Reihenfolge. Sein Vater Johann Martin Usteri VI. vom Neuenhof (1812-1865) war Kaufmann, Stadtrat und Erziehungsrat, Präsident des Schirmvogteiamtes, Schulpfleger, Vizepräsident der Zentralkirchenpflege und Präsident des Hilfskomitees beim Brand von Glarus. Der Großvater, Johann Martin Usteri V. war Kaufmann, Kantonsrat, Suppleant am Obergericht und Schwiegersohn des berühmten Antistes Geßner. Seine Frau war eine Enkelin der berühmten Barbara Schultheß, der Freundin Johann Wolfgang von Goethes. Jener Usteri war wieder der Sohn von Johann Martin Usteri III. vom Neuenhof, der Kaufherr, Hauptmann, Zunftmeister und Obervogt zu Erlenbach war. Er fuhr 1804 in Geschäften nach Nordamerika, was wegen der durch die Französische Revolution entstandenen Wirtschaftskrise nötig war. Auf der Heimreise wäre er beinahe in Seeräubergefahr und Sturmesnot umgekommen. Dessen Vater Johann Martin Usteri II. war wegen eines Augenleidens von dem berühmten Augenarzt Johann Heinrich Jung-Stilling, allerdings ohne Erfolg, operiert worden. Die Usteris waren stiefverwandt mit Johann Kaspar Lavater. Einer Seitenlinie, den Usteris vom Talhaus, entstammte der Dichter Johann Martin Usteri. Über den Erlanger Professor Usteri heißt es in einem Lexikon: "Er beschäftigte sich eingehend mit Familiengeschichte."Schon als 22jähriger hat er 1870 ein WerkDas Geschlecht der Usteri in Zürich veröffentlicht. Geboren wurde Johann Martin Usteri VII. am 13. Juni 1848. Die pietistische Frömmigkeit des Elternhauses - der Vater gründete in Zürich einen Missionsverein - wirkte auf die innere Entwicklung des sehr vielseitig begabten Jungen, der im Gymnasium mit solcher Vehemenz Latein und Griechisch trieb, daß er gesundheitlichen Schaden davontrug. Die Bibel zog schon den Primarschüler an. Der frühe Tod des Vaters verursachte eine tiefe Erschütterung in dem 17jährigen und verstärkte seine ernste Lebensauffassung. Er studierte in Basel, wo die Professoren Steffensen (Philosophie) und Schultz großen Eindruck auf ihn machten, in Tübingen, wo große Auseinandersetzungen über die Vorlesungen von Johann Tobias Beck erwähnt werden, und in Zürich, wo Professor Held von Einfluß auf ihn gewesen war. Nach dem Konkordatsexamen 1871 wurde er ordiniert und Vikar in Andelfingen. Im Jahr 1873 wurde er Pfarrer in Oetwil am Züricher See. Er heiratete im selben Jahr Anna Luise Pestalozzi vom Lindenhof, die ebenfalls einem alten Züricher Geschlecht entstammte. Seiner Ehe entsprossen drei Söhne. Von Oetwil wurde er 1876 in die große und mehrere Bergschulen zählende Gemeinde Hinwil berufen, die die Pfarrfamilie freundlich empfing. Von dort aus betreute er einige Zeit als Seelsorger die Anstalt Ringwil. Oetwill und besonders Hinwil sind die Stationen, auf denen sich Usteri neben seiner anstrengenden Amtstätigkeit und ungeachtet seiner zarten Gesundheit mit großer Energie wissenschaftlich http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(6 von 8) [15.05.2002 10:16:55] weiterzubildenstrebte und wo seine Forscher- und auch seine literarische Tätigkeit begann. Als er aus Gesundheitsrücksichten von Hinwil 1883 nach Affoltern bei Höngg übersiedelte, gestattete ihm die Pastorisation der kleinen Gemeinde Affoltern die Mitarbeit an der Theologischen Fakultät Zürich, mit deren Senior Alexander Schweizer er schon längst in freundschaftlichen Beziehungen stand. Er begann mit der Auslegung des 1. Petrusbriefes. Sodann habilitierte er sich 1885 als Privatdozent für neutestamentliche Fächer und erhielt 1887 den Dr. theol. h.c. Nach von Schultheß-Rechberg studierte Usteri fleißig und war ein unermüdlicher Sammler von Kenntnissen. Er hielt an der wissenschaftlichen Maxime fest, seinen Befund immer aufs neue zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.Seit 1882 trat er mit literarischen Arbeiten an die Öffentlichkeit. Die erste betrafZwinglis Lehre von der Taufe.Sie erschien 1882 in den Theologischen Studien und Kritiken und fand ihre Fortsetzung in weiteren Beiträgen zur altreformatorischen Tauflehre in den zwei folgenden Jahrgängen dieser Zeitschrift:Darstellung der Tauflehre Zwinglis(1882) sowieCalvins Sakraments- und Tauflehre(1884). Ein Gruß an die Jubelfeiern der Reformatoren war die mehr populär gehaltene FestschriftUlrich Zwingli, ein Martin Luther ebenbürtiger Zeuge des evangelischen Glaubens(1883). In einem NachtragZwingli und Erasmus, eine Studie(1885) werden die Beziehungen Zwinglis zu Erasmus besprochen. Besonders wertvoll ist derInitia Zwingliibetitelte Aufsatz in denStudien und Kritiken (1885/86).Im Sinn der exakten Geschichtsforschung hat Usteri die geistige Entwicklung Zwinglis anhand von Randbemerkungen, die dieser seiner Lektüre beigefügt hatte, fast auf Jahr und Tag genau nachgewiesen und sich damit als scharfsinniger Forscher gezeigt. Fritz Blanke urteilt über die Arbeiten Usteris, daß sie selbständig, gründlich und in mehrfacher Hinsicht wegweisend waren: "Man kann heute noch vieles aus ihnen lernen, und das will etwas heißen! Der frühe Tod des hochbegabten Forschers war ein schwerer Verlust für die reformierte Kirchengeschichtsforschung." Mit Usteris Habilitation 1885 wandten sich seine Studien und literarischen Arbeiten dem Neuen Testament zu. Seine Probevorlesung Die Selbstbezeichnung Jesu als des Menschen Sohnund eine Untersuchung der Stellen des 1. Petrusbriefes, die von der Hadesfahrt handeln ("Hinabgefahren zur Hölle". Eine Wiedererwägung der Schriftstellen 1 Petr 3,18-22),erschienen erschienen 1886. Letzte war z.T.eine Auseinandersetzung mit Alexander Schweizer, der in jenem biblischen Abschnitt die Hadesfahrt nicht finden wollte. Usteris umfassendste und bedeutendste Schrift ist derWissenschaftliche und practische Commentar über den ersten Petrusbrief (1887). Charakteristisch für den Verfasser ist die Verbindung der Wissenschaft mit der Praxis, die sich in dem Buch gegenseitig befruchten. Dem wissenschaftlichen ersten Teil folgt für damalige Zeit außergewöhnlich modern ein zweiter Teil mit erbaulicher und praktischer Auslegung. Es erschien weiter 1889 in denStudien und Kritikenein Aufsatz überGlaube und Werke im Jakobusbriefund ein Vortrag Das Historische in der christlichen Religion.Das waren zugleich die letzten Publikationen des unermüdlich fleißigen Gelehrten und Pfarrers. Als weitere Veröffentlichung Usteris sei sein der praktischen Tätigkeit im Pfarramt entstammender Leitfaden für den Konfirmandenunterricht erwähnt:Sechzig Fragen und Antworten von des Christen Glauben und Leben, mit Beigaben von Sprüchen und Bibelstellen nach der Zürcher Bibelübersetzung zum Auswendiglernen und zur weiteren Förderung in der christlichen Erkenntniß(1882). Dieses Buch erlebte eine ganze Reihe von Auflagen, auch eine Übersetzung ins Französische und ins Romanische für die Gemeinden in Graubünden, und erfreute sich jahrzehntelang weiter Verbreitung. Seine erste Frage erinnert an den Heidelberger Katechismus: "Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Daß ich bei allem Wechsel der Zeit meinem Gott und Heiland angehöre in Ewigkeit, hier sein Kind sei und dort Erbe des ewigen Lebens, und daß nichts mich von seiner Liebe scheide." Auch sonst finden sich manche Anklänge an den Heidelberger Katechismus. Der Aufbau geht jedoch eigene Wege und verrät, daß Usteri auf die Fragen seiner Zeit Antwort zu geben versuchte (Einleitung: Fragen 1-4 zu Religion, Offenbarung und Schrift. Erster Hauptteil: Fragen 5-32 zum christlichen Glauben. Zweiter Hauptteil: Fragen 33-44 zum christlichen Leben. Dritter Hauptteil: Fragen 45-60 zur Pflanzung und Erhaltung des christlichen Glaubens und Lebens, der Kirche und den Gnadenmitteln). Aber auch mit populären, der Erbauung und Belehrung gewidmeten Schriften diente er seiner Kirche. Er gehörte 1875 zu den Begründern desChristlichen Volksfreundes der Schweiz,in dem viele seiner gediegenen und gedankenreichen, wenn auch nicht immer leicht lesbaren Beiträge erschienen:Redliche Zweifler; Der Gott der Bibel; Der Kindertaufe Recht, Segen und Frucht; Ein wichtiger Wendepunkt im Leben Jesu.Es eignete ihm nicht so sehr die Gabe eines leicht faßlichen Schreibens, desto tiefgründiger aber waren seine http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(7 von 8) [15.05.2002 10:16:55] Aufsätze.In den letzten Jahren widmete er seine Kraft auch dem besonderen VolksfreundwerkVerstehst du auch, was du liesest?und den von seinem Schwager Carl Pestalozzi herausgegebenen Bibelauslegungen (Band1: 1. Petrusbrief und die drei Johannesbriefe; Band 2: Römerbrief).Auch einige Bände mit Predigten sind von ihm erschienen:Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. Acht Festpredigten (1888) sowieDas verborgene Leben in Christus mit Gott. Vier Predigten(1901). Abschließend schreibt von Schultheß-Rechberg: "Usteris wissenschaftliche Begabung lag vorherrschend im Gebiet der Einzeluntersuchung, für die er Kombinationsgabe und eine glückliche Intuition mitbrachte. Seine Bescheidenheit, seine Natürlichkeit, sein treuherziges Wesen, sein steter Frohmut gewannen ihm zahlreiche Freunde, denen diese pia anima unvergeßlich ist."Als er den Ruf auf den Erlanger Lehrstuhl erhielt, durfte er darin die Anerkennung der gelehrten Welt für seine Arbeit erkennen, besonders für denCommentar über den 1. Petrusbrief,auf den hin die Berufung erfolgt war. Der Abschied von der Heimat war nicht leicht. Usteri hatte in seltenem Maße das Vertrauen seiner Gemeindeglieder gewonnen. Es wird berichtet, daß beim Auszug aus dem Pfarrhaus Affoltern der Möbelwagen im durch Regen aufgeweichten Boden steckenblieb, was dort als schlechtes Omen ausgelegt wurde. In Erlangen nahm Usteri mit seiner Familie in der Kasernenstraße 8 (jetzt Bismarckstraße) Wohnung. Es gibt ein Foto aus der kurzen Erlanger Zeit, das ihn darstellt: Sein Antlitz trug fast die südlichen Gesichtszüge eines Spaniers, die aber eher von einer schüchternen kindlichen Ängstlichkeit umwoben waren. Die "geschweiften, wie zu beständiger scharfer Aufmerksamkeit gespannten Augenbrauen mit der Adlernase und den scharfgeschliffenen Lippen" ließen den scharfen, in viel Anstrengung und Selbstzucht geübten Denker vermuten. Man hatte bei der Berufung "nach einem nicht nur streng wissenschaftlichen, sondern auch nach einem friedlichen, liberalen, bescheidenen Mann gesucht". "In der Tat versprach auch sein erstes, leider auch nahezu letztes Wirken daselbst im verflossenen Winter ihm eine schöne Wirksamkeit für die Zukunft. Sein kompakter, allseitig durch- und ausgearbeiteter Vortrag mit seiner schmalen, doch durchdringenden Stimme zog die Studenten an, und eine größere Zahl, als es sich für den Anfang erwarten ließ, stellte sich bald in seinen Vorlesungen ein."Er las über die Gleichnisse Jesu. Während der Osterzeit weilte Usteri in Bad Boll bei seinem Freund Christoph Friedrich Blumhardt d.J.,um sich dort, wie früher schon oft, Stärkung für Leib und Seele zu holen, und kehrte mit neuer Freudigkeit in sein zweites Erlanger Semester zurück. Doch nach wenigen Wochen erkrankte er und erlag am 4. Juni 1890 einer eitrigen Rippenfellentzündung und Herzlähmung im Alter von fast 42 Jahren. Die große Trauer, die durch den frühen Tod in den bayerischen reformierten Gemeinden und bei den zahllosen Freunden in der Schweiz ausgelöst wurde, fand in mehreren Nachrufen ihren Widerhall. Der deutsch-reformierte Pfarrer Haenchen hat Usteri auf dem Reformierten Friedhof beerdigt. Sein Grab liegt vom Seiteneingang aus in der sechsten Reihe auf der Seite zum Neustädter Friedhof hin und trägt den Bibelspruch "Die Liebe höret nimmer auf" (1 Kor 13,8). Auf der reformierten Synode vom 17. Juni 1890 hielt Pfarrer Haenchen als Präses folgenden Nachruf: "Mit diesem Mann hatte Gott uns wirklich eine Gnade erwiesen, insofern er ein gründlicher Kenner der reformierten Lehre, eine sehr tüchtige und gewissenhafte, äußerst fleißige und sehr anregende Lehrkraft war, dabei eine liebenswürdige und bescheidene Persönlichkeit, welcher es in kurzer Zeit gelungen war, nicht bloß mit den Amtsgenossen an der Universität in freundschaftlichen Beziehungen zu stehen, sondern auch die Liebe der Studenten, die ihn hörten, in hohem Maße zu gewinnen." Nach Usteris Tod war der Lehrstuhl zwei Jahre lang verwaist. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.htm(8 von 8) [15.05.2002 10:16:55] http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.jpg http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas105.jpg[15.05.2002 10:16:56] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 3.5. Ernst Friedrich Karl Müller (1892-1935) Mit Mit Ernst Friedrich Karl Müller, der rund 43 Jahre in Erlangen gewirkt hat, ist für den Lehrstuhl eine glückliche Ära verbunden. Name und Ruf des Lehrstuhls für Reformierte Theologie wurden durch ihren Inhaber derart bekannt, daß von Erlangen aus auf das inner- und außerdeutsche Reformiertentum starke Wirkungen ausgingen. Bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges hinein lassen sich Müllers Vorfahren als Besitzer von Wind- und Schiffsmühlen in Magdeburg-Neustadt und Umgebung nachweisen. Sein Vater Johann Peter war dann als Kaufmann ins Anhaltische gekommen und hatte dort die Buchholzmühle bei Roßlau gekauft. In Mühlstedt/Anhalt wurde Müller am 27. Juli 1863 als das siebte und jüngste Kind geboren. Seine Mutter Albine Junge kam aus Roßlau und entstammte alten anhaltischen und vorwiegend in Köthen lebenden Familien. Ihr verdankt er vor allem die Freude am Humor und die Gabe volkstümlicher Sprache. Ihr Vater war Kaufmann und hatte 1850 dasRoßlauer Wochenblattgegründet, in dem er eine Abteilung "Alte Witze, die immer neu bleiben" einrichtete. Er hatte auch ein Liebhabertheater gegründet, in dem seine Tochter, Müllers Mutter, Teile von Friedrich Schillers Werk auswendig lernte. Kurz nach der Geburt seines jüngsten Kindes verkaufte Müllers Vater die Mühle und das inzwischen auch noch erworbene Schulzengut in Mühlstedt, um als Sparkassenrendant nach Zerbst zu ziehen. Hier und seit einem neuen Wohnortwechsel der Eltern 1877 nach Köthen besuchte Müller das Gymnasium. Mit Hilfe einer von seinem Bruder Max, einem späteren Buchdruckereibesitzer, geschenkten kleinen Druckerei gab er schon damals eine selbstgeschriebene und -gesetzte kleine Zeitschrift für den Familiengebrauch heraus. Wie er zu dem Gedanken geführt wurde, Theologie zu studieren, ist nicht mehr feststellbar. Eigentlich galt sein Interesse der deutschen Literatur und der Geschichte. So hat er damals eine historisch-topographische Darstellung Darstellung der Stadt Zerbst verfaßt, die wohl der Veröffentlichung wert gewesen wäre. Er studierte mit Leidenschaft Theologie seit 1882 in Tübingen und dann in Halle. Mit seinem klaren Biblizismus hatte in Tübingen Johann Tobias Beck auf ihn großen Einfluß gewonnen. Martin Kähler mit seiner tiefen Innerlichkeit wurde in Halle von entscheidender Bedeutung. Ein Bild Kählers stand bis zu seinem Tod auf Müllers Schreibtisch. Das 1. Examen bestand er 1886 in seiner Landeskirche und wurde Kreishilfsprediger in Ballenstedt am Harz. Hier kam er in seinen ersten theologischen Kampf und darüber zu seiner klaren reformierten Theologie. Die verschiedenen anhaltischen Gebiete Zerbst, Bernburg, Köthen und Dessau hatten seit der Reformationszeit verschiedene Stellungen zwischen Luthertum und Calvinismus eingenommen. Seit 1820 und zuletzt in Köthen 1880 wurde eine Union eingeführt. Müller, der in einem entschieden lutherischen Raum Anhalts, nämlich in Anhalt-Zerbst, geboren und aufgewachsen war, kam nun plötzlich in das bisher http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(1 von 10) [15.05.2002 10:17:04] entschiedenreformierte Gebiet Anhalt-Bernburg.Hier lernte er den Heidelberger Katechismus kennen, der nun durch Luthers Kleinen Katechismus verdrängt werden sollte. Das rief ihn zum Kampf, obwohl er in seinem Verwandtenkreis davor gewarnt wurde mit dem Hinweis, daß er sonst einmal gewiß keine Pfarrstelle bekäme. Obgleich nur Kandidat, fürchtete er sich nicht, gegen die Zerstörung der reformierten Kirche in seiner Heimat zu kämpfen und einem der ersten Würdenträger der anhaltischen Kirche entgegenzutreten. Seine SchriftDie evangelische Landeskirche im Herzogtum Anhalt und der lutherische Katechismus (1889) erschien allerdings erst, als sein Lebensweg eine andere entscheidende Wendung genommen hatte. Er wurde 1888 als Inspektor an das Tholuck-Konvikt in Halle gerufen. Damit eröffnete sich ihm die Möglichkeit zur akademischen Laufbahn. Nachdem er denHeidelberger Katechismusherausgegeben hatte, wurde er 1891 mit der SchriftDie göttliche Zuvorersehung und Erwählung in ihrer Bedeutung für den Heilsstand des einzelnen Gläubigen nach Pauluszum Lic. theol. promoviert, wobei er sich gleichzeitig als Privatdozent habilitierte. Am 24. Oktober 1891 hielt er seine Antrittsvorlesung über den Begriff des Glaubens im Hebräerbrief. Wie schon seine Promotionsschrift zeigte, wurde nun in Halle wieder bewußt reformierte Theologie gelehrt. Man konnte geradezu von dem Beginn ihres Wiedererwachens reden, nachdem der ursprünglich lutherische Müller zu einer entschieden reformierten Überzeugung geführt worden war, aus der heraus er später gelegentlich sagen konnte: "Das Luthertum ist eine unklare Religion." Eine Erweiterung seiner Schrift brachte ihn dann 1892 mit noch nicht 29 Jahren als außerordentlichen Professor nach Erlangen. Am 16. August 1892 schloß er den Ehebund mit Jenny Winkelmann, der Schwester eines Studienfreundes. Die damit beginnende Ehe, der drei Söhne und eine Tochter geschenkt wurden, war eine der wesentlichen äußeren Grundlagen für die innere Weiterentwicklung des jungen Professors wie auch für seine wissenschaftliche und praktische Arbeit. Klein war der Kreis, der sich zunächst in Erlangen um Müller sammelte, und er hatte keinen leichten Anfang. Die lutherische Fakultät hatte Dozenten von hohem Ansehen: Franz Hermann Reinhold von Frank, Reinhold Seeberg, Theodor von Zahn, Theodor Kolde, Wilhelm Friedrich Philipp Ferdinand Lotz, später Paul Hermann August Ewald, Ernst Franz Wilhelm Sellin, Ludwig Ihmels, Philipp Bachmann, Wilhelm Karl Alfred Caspari, Hermann Arnold Siegfried Jordan und Reinhold Emil August Wilhelm Hunzinger. Aber durch die Übernahme der Schriftleitung für dieReformierte Kirchenzeitung,die er von 1894 bis 1899 innehatte, wurde sein Name rasch weithin bekannt. Dieses Blatt des Reformierten Bundes fand nun große Beachtung und half, in den reformierten Gemeinden die Liebe zu Kirche und Bekenntnis zu wecken. Eine große Produktionskraft entfaltete sich in einer Fülle fesselnder Aufsätze. Ein tüchtiger Mitarbeiterstab, den Müller sammelte, half das Blatt auf eine anerkannte Höhe zu bringen. Während am Anfang seine Vorlesungen und Seminarübungen von nur wenigen Hörern besucht waren, strömten jetzt die Studenten aus den reformierten Kirchen Deutschlands und auch des Auslands herbei und füllten den Hörsaal. Müllers Schwiegersohn Matthias Simon schreibt: "Kristallklar ließ er, 1896 zum ordentlichen Professor ernannt, die Kernstücke reformierter Theologie funkeln, weniger allerdings in unmittelbaren dogmatischen Ausführungen als vielmehr in seiner um ihrer Innerlichkeit willen auch sehr rasch und sehr viel von lutherischen Studenten besuchten neutestamentlichen Vorlesungen. Unter ihnen fand vor allen Dingen seine kursorische Lesung des Neuen Testaments in Übungen ganz besonderen Zulauf." Und Kolfhaus berichtet: "Schriftauslegung und systematische Zusammenfassung gingen bei ihm Hand in Hand, wie er denn auch in jedem Semester die Regel beachtete, neben dem Kolleg aus dem Gebiet der Systematik auch ein exegetisches Kolleg zu lesen", und es wurden die für Müllers theologische Arbeiten kennzeichnenden Charakterzüge "tiefe Ehrfurcht vor der Heiligen Schrift, seltene Klarheit des Denkens und Redens, gediegenes Wissen und das Bewußtsein, zu einer Kirche zu gehören, nicht nur zu einer theologischen Zunft oder zu einem frommen Verein". Bei seiner Trauerfeier 1935 fiel das Wort von der "Fakultät im Kleinen", die Müller vertreten habe. Sprenger schreibt dazu: "In der Tat gibt es wohl kaum ein Gebiet in der Theologie, auf dem sich nicht K. Müller ernsthaft wissenschaftlich in Vorlesungen und Übungen betätigt hätte. Seine Vorlesungen sind deshalb schon von einer Vielseitigkeit gewesen, wie sie sich vielleicht bei der zwangsläufig immer weiter fortschreitenden Spezialisierung in Zukunft nicht noch einmal in dieser Vollkommenheit verwirklichen http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(2 von 10) [15.05.2002 10:17:04] lassenwird. Ein Blick auf die literarische Tätigkeit zeigt dabei noch die so seltene Paarung von strenger Wissenschaftlichkeit und echter Volkstümlichkeit. So konnte ja auch derselbe Mann, der im Hörsaal vor oft nur wenigen Studenten seine bewundernswert klaren, bis ins Letzte durchdachten und ausgefeilten Sätze vortrug, ebenso auf der Kanzel einer großen Kirche oder an dem Rednerpult eines großen öffentlichen Saales vor Versammlungen von vielen Hundert Menschen seine Zuhörer in einzigartiger Weise fesseln. Erstaunlich war dabei, wie er, der eigentlich von Natur nicht über ein besonders kräftiges Organ verfügte, durch seine vorzügliche Sprechtechnik auch das Ohr des Hörers in der letzten Reihe oder auf der höchsten Galerie erreichte. So ist es kein Wunder, daß er als Redner sehr beliebt war und bis zuletzt, besonders natürlich in den akademischen Ferien, eine außerordentlich reiche Vortragstätigkeit ausübte, an der er auch selbst wiederum sichtlich Freude hatte." Über Müllers Bedeutung für die reformierte Kirche schreibt Kolfhaus: "Als Karl Müller seine Stimme erhob, waren die deutschen Reformierten sozusagen dem Gesichtskreis der theologischen Wortführer entschwunden. Wenn sich jeweilen einer zu uns äußerte, wie etwa Albrecht Ritschl in seiner 'Geschichte des Pietismus', verrieten seine kuriosen Urteile, daß das reformierte Wesen - sowohl der Kirche wie der Frömmigkeit - ein verschlossenes Buch für ihn war. Wir galten als ein Rest aus alten Zeiten (...). Wir hatten noch Gemeinden und treue Pastoren, die sich seit 1884 im Reformierten Bund zu sammeln begonnen hatten, aber ein theologischer Lehrer fehlte uns. Nun stand mitten in der Zunft ein Mann auf mit der Erklärung: Ich bin reformiert! und zugleich mit dem Beweis in der Hand, daß es sich für ihn tatsächlich um die reformierte Sache handele."So wurde Müller zur namhaften theologischen Leitfigur des deutschen Reformiertentums, der dieses wieder zum neuen Leben erweckte. Barth hat ihn später den Nestor der reformierten Theologie genannt. Die wertvollen Zeugnisse der reformierten Reformation galt es wieder zu heben und zugänglich zu machen. Das erste, was Müller an größeren Werken verfaßt hat, war seineSymbolik, vergleichende Darstellung der christlichen Hauptkirchen nach ihrem Grundzuge und ihren wesentlichen Lebensäußerungen(1896). Dieses Buch entsprach einem dringenden Bedürfnis, weil es dergleichen überhaupt noch nicht gab, und es galt lange als das beste seiner Art. Noch in späteren Jahren hat er gerne sein glänzend besuchtes konfessionskundliches Kolleg gehalten. Die innere Konsequenz der Herausgabe der Symbolik führte zur Herausgabe derBekenntnisschriften der reformierten Kirche, in authentischen Texten mit geschichtlicher Einleitung und Register(1903). Dieses Werk war von großer Umsicht und die mühevolle Arbeit vieler Jahre. Ein weiteres großes Verdienst bedeutete die Herausgabe vonJohannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift in deutscher Übersetzung (Bde. 1-14). . Dabei hat Müller nicht nur selbst mehrere der z.T.recht umfangreichen Bände übersetzt, sondern auch die von anderen Theologen bearbeiteten Bände ganz durchgesehen und noch einmal gründlich überarbeitet, so daß er gelegentlich sagen konnte: "Schneller hätte ich's selbst gemacht." Ebenso hat er Calvins HauptwerkInstitutionach der letzten Ausgabe von 1559 bearbeitet und übersetzt (1909). Wie vielseitig und umfangreich Müllers literarische Tätigkeit war, vermittelt dasVerzeichnis der im Druck erschienenen Veröffentlichungenin der Müller von Schülern und Freunden zu seinem 70. Geburtstag überreichten FestgabeAus Theologie und Geschichte der Reformierten Kirche(1933). Es seien ferner genannt die zahlreichen Artikelbeiträge zur dritten Auflage der Realenzyklopädie, ferner die Beiträge in den Festschriften für Martin Kähler (Beobachtungenzur paulinischen Rechtfertigungslehre[1905]) und für Theodor von Zahn (Beobachtungenzum neutestamentlichen Sühneglauben[1908]). Daneben verfaßte er zahlreiche kleinere volkstümlich gehaltene Schriften und Aufsätze, mit denen er vornehmlich dem deutschen Reformiertentum diente, dessen zeitweise niedergesunkene Fahne, wie Kolfhaus zu Müllers 70. Geburtstag schrieb, er aufgerollt und im Kampf der Geister vorangetragen hat. Simon schreibt: "In wissenschaftlicher Forschung und gemeindemäßiger Darstellung fühlte sich Professor Müller als ein rechter Müller, der die Getreidekörner in die leichter genießbare und vielfältiger verwendbare Form des Mehls bringt." Und Sprenger urteilt: "Obwohl Müller auf dem Gebiet historischer Forschung viel fruchtbare Arbeit geleistet hat, lag seine Stärke doch ganz in der Systematik. Hier aber war ihm sehr viel an der Form und an der rechten Ordnung des Stoffes gelegen. Er sprach gerne von systematischer Architektonik und war der Überzeugung, daß viele Fragen schon zum großen Teil dadurch beantwortet werden, daß die Stelle, die sie im Rahmen des Ganzen einnehmen, richtig erkannt wird. In dem Sinn für das Statische offenbart sich vielleicht eines der wichtigsten Elemente in seinem geistigen http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(3 von 10) [15.05.2002 10:17:04] Wesen.Das Dynamische lag ihm ferner, und alles unruhige und aufgeregte Wesen, das sich von Zeit zu Zeit auch in der Theologie geltend machte, lag ihm persönlich fern. Auf Studenten, die davon erfaßt waren, konnte er aber mit der ruhigen Stetigkeit und Beharrlichkeit seines Wesens unendlich wohltuend und beruhigend wirken." Diese ruhige Stetigkeit und der Hang zur systematischen Architektonik mag mit der eigentümlichen Neigung zusammengehangen haben, gelegentlich in Stunden der Erholung mit Steinbaukästen große Gebäude und Kathedralen zu errichten. Im Unterschied zu vielen anderen Professoren besaß er die Kunst, seine Vorlesungen bei Semesterschluß pünktlich zu Ende zu bringen. Aber auch eine gründliche Vertrautheit mit der klassischen Literatur, dem philosophischen Schrifttum und anderen Gebieten der schönen Künste bestand bei ihm. Sprenger schreibt: "Die Musik muß dabei besonders erwähnt werden, weil er sie selbst mit viel Geschick ausübte. Häufig hat er z.B.in den Gottesdiensten der reformierten Kirche den Organisten ersetzt und dabei in sehr ansprechender Weise zu improvisieren verstanden. Es gab in der Tat wohl kaum eine Form geistiger oder künstlerischer Betätigung, mit der er sich nicht gelegentlich abgegeben hätte." Eine große Schaffenskraft und die Liebe zu seiner Kirche ließen ihn, der nun voll in der theologischen Arbeit steckte, die Wahl der deutsch-reformierten Gemeinde zum Pfarrer und Nachfolger für den verstorbenen Pfarrer Haenchen 1898 annehmen. Er zog, nachdem er erst in der Sieglitzhoferstraße 44 (jetzt Hindenburgstraße) und dann in der Kochstraße 19 gewohnt hatte, mit seiner Familie in das erst ein Jahr vorher von der Gemeinde erworbene neue Pfarrhaus in der Friedrichstraße 43, gegenüber der Kirche am Bohlenplatz. Dreizehn Jahre hat er neben seinem akademischen Lehramt das deutsch-reformierte Pfarramt Pfarramt geführt und neben der Wissenschaft nun der Gemeinde mit Predigt, Unterricht und Seelsorge gedient. Hier brach für die Gemeinde die große Zeit jahrelang überfüllter Gottesdienste an, da schier ganz Erlangen - Studenten, Professoren und Bürgerschaft - in die deutsch-reformierte Kirche zu dem ausgezeichnet und mit biblischer Klarheit predigenden Müller strömte. Lediglich die Schriftleitung der Reformierten Kirchenzeitung gab er 1899 ab. Das Ansehen, das er innerhalb des akademischen Lehrkörpers genoß, zeigte sich darin, daß er für das Jahr 1902/03 zum Prorektor gewählt wurde. Er soll da "ein sehr schneidiges Rektorat" geführt haben. Die Fakultät war nach der Jahrhundertwende mit August Caspari, Philipp Bachmann und Theodor von Zahn bestückt, nach dem ersten Weltkrieg und in den 20er Jahren mit Hermann Wilhelm Heinrich Strathmann, Otto Procksch, Werner Elert und Paul Althaus. Im Jahr 1913/14 versuchte Müller mit Eingaben eine Integration des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in die Fakultät. Dies wurde abgelehnt, freilich einige Rechte ihm zugesprochen. Müller wollte sich damit nicht für immer zufriedengeben. Er wurde ferner 1906 zum Präses der reformierten Synode in Bayern gewählt. Als solcher hat er 1908 eine neue vierte erweiterte Auflage desGesangbuches für die reformierten Gemeinden in Bayernherausgegeben, ebenso eine neue Ausgabe desHeidelberger Katechismusnach neuen, von ihm entwickelten Gesichtspunkten. Die wichtigsten Fragen standen im Fettdruck, die Lernsprüche auf der gegenüberliegenden Seite. Diese Ausgabe war lange Zeit in Gebrauch. Eine schwere Erkrankung - eine Nackenfistel, die bereits den Halswirbel angegriffen hatte - zwang ihn 1911 zum Leidwesen der Gemeinde zur Niederlegung seines Pfarramts. In kaum mehr erhoffter Weise brachte ihm im gleichen Jahr ein längerer Kuraufenthalt in der Schweiz völlige Genesung. Das Präsesamt behielt er bei, wurde 1917 in das deutsch-reformierte Presbyterium wieder gewählt und hat gegen Ende des Krieges die beiden reformierten Gemeinden versorgt, als ihre Pfarrer abwesend waren. Auch an ihrer Vereinigung 1921 war er beteiligt. Der politische Zusammenbruch 1918 zwang zu einer kirchlichen Neuordnung in Bayern. Die seit 1818 bestehende Verwaltungsunion der protestantischen Kirche wurde aufgelöst und die reformierte Kirche wurde selbständig. Müller hatte vorsorglich schon eine neue reformierteKirchenordnungerarbeitet, die dann von der Synode beschlossen wurde und am 20. Januar 1920 in Kraft trat. Als Präses hatte er sich der Gemeinden anzunehmen, die Wahl und Installation der Pfarrer mit zu tätigen, die Synoden einzuberufen und zu leiten. Oft und gern half er mit Predigten aus. Den kranken Nürnberger Pfarrer Christoph Fikenscher hat er lange Zeit vertreten. Er erlebte noch den Beginn des Nationalsozialismus und die Umtriebe der Deutschen Christen, die ihm Sorge machten. Seine Schriftleiterfähigkeiten kamen zur Auswirkung durch die Herausgabe des Festblattes der reformierten SynodeZu Gottes Ehre1917-1935, das ein wertvolles Bindeglied für die bayerischen reformierten Gemeinden war. Seiner Feder entstammten viele wertvolle Artikel, so etwa über die Reformatoren, und fortlaufende Auslegungen zum Heidelberger Katechismus. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(4 von 10) [15.05.2002 10:17:04] DerZusammenbruch 1918 hat Müller nicht nur als einen national gesinnten Deutschen, sondern auch als einen um die Öffentlichkeitswirkung der Kirche bemühten Christen getroffen. So fühlte er sich verpflichtet, nach Möglichkeit den Kräften des Verfalls entgegenzuwirken, und war eifrig um die Bildung national und evangelisch gerichteter politischer Parteien bemüht. Obwohl sie seinen ursprünglichen Idealen nicht voll entsprachen, schloß er sich dann der bayerischen Mittelpartei bzw. der Deutschnationalen Volkspartei an. Durch zwei Wahlperioden gehörte er dem Erlanger Stadtrat 1919-1926 an an und wurde dadurch weit über den Kreis der Universität und Gemeinde hinaus in der Bevölkerung bekannt. Lange Zeit wurde die Anekdote kolportiert, daß Müller in einer Sitzung einem sozialdemokratischen Stadtratsmitglied auf dessen Ausführungen hin erwidert haben soll, er sei darüber erstaunt, denn er dächte in der Sache viel sozialer als sein Vorredner. Noch der letzte bayerische König Ludwig III. hatte ihn 1918 zum Geheimen Hofrat ernannt und ihm den Verdienstorden vom Heiligen Michael III. Klasse verliehen. Der bayerische Staat ernannte ihn 1929 zum Geheimen Rat. Wie unter Müllers Katheder nicht nur reformierte, sondern in großer Zahl auch lutherische Studenten saßen, so war sein Name weit über Erlangens und Bayerns Grenzen hinaus bekannt. In starkem Maße war er wegen seiner bibelgläubigen und von pietistischer Frömmigkeit geprägten Haltung auch in weiten Kreisen, die angesichts der historisch-kritischen Epoche in der Theologie gerade dies schätzten, ohne auf die konfessionelle Prägung Wert zu legen, ein sehr geschätzter Konferenz- und Festredner. So sprach er schon 1896 bei der Evangelischen Allianz in Frankfurt/Main, 1899 auf der Deutsch-Christlichen Studentenkonferenz Studentenkonferenz und 1901 bei der Wuppertaler Festwoche. In eine enge Verbindung trat er dabei mit den Kreisen der Gnadauer Gemeinschaft. Dabei kam er nicht nur zu großen, reich besuchten Versammlungen. Mit besonderer Liebe diente er auch kleinen örtlichen Kreisen wie etwa den christlichen Bäckern im Nürnberger CVJM. Er wurde Ehrenvorsitzender des CVJM. In den zwanziger Jahren war er auch regelmäßig Redner auf der Blankenburger Konferenz der Evangelischen Allianz, deren Männern er in besonderer Freundschaft verbunden war und deren Richtung er bejahte. Besonders nahe stand er der Deutsch-Christlichen Studentenvereinigung (DCSV), die sich ihm mit besonderem Vertrauen angeschlossen hatte und von ihm viel Förderung erhielt. Samuel Müller, der älteste Sohn und spätere Missionsarzt und Direktor des tropenärztlichen Instituts in Tübingen, schreibt über sein Elternhaus: "Wir durchlebten eine überaus sonnige Jugend. Unser gütiger, großzügiger und weitblickender Vater schenkte uns viel Freiheit und öffnete uns früh den Blick für alles Gute und Schöne in der weiten Welt. Alle edlen Künste hatten eine Stätte in unserem Elternhaus. Vor allem wurde die Musik eifrig gepflegt, für die unsere Mutter eine besondere Begabung hatte. Es waren die großen Klassiker, Beethoven und vor allem Bach und Händel, mit denen wir von Jugend auf vertraut gemacht wurden. In zahlreichen Wanderungen mit der ganzen Familie lernten wir die engere Heimat kennen und lieben. Und alljährlich führten uns größere Reisen weiter durch unser schönes deutsches Vaterland. Die Stellung unseres Vaters brachte es mit sich, daß viel Besuch in unserem Elternhaus einkehrte. Außer den Studenten kamen oft führende Männer im kirchlichen Leben Deutschlands und des Auslandes. Missionare aus aller Herren Ländern ließen auch uns Kinder aufhorchen, wenn sie vom Leben und Treiben der Farbigen erzählten. So wurde unser Blick schon früh über die eigenen Grenzpfähle hinausgelenkt und Verständnis vor allem für die religiösen und kirchlichen Probleme in der ganzen Welt geweckt. Dabei wuchs auch der Sinn für geschichtliche Entwicklung. Vater und Mutter waren beide begeisterte Deutsche. Dabei war es ihnen nie zweifelhaft, daß Preußen unter den Hohenzollern das Reich hoch gebracht hatte und zur Führung berufen war. Engstirniger Partikularismus, wie er uns ja in Bayern und im Welfentum Hannovers nahegehend und deutlich entgegentrat, war verpönt. Der Mangel an wirklichem sozialem Verständnis, auch bei den staatserhaltenden Parteien, machte unserem Vater schon früh Sorge. Als Pfarrer der deutsch-reformierten Gemeinde hatte er praktisch Einblick in die tatsächliche Lage der unteren Stände. Durch dies Pfarramt kamen wir Kinder auch in Berührung mit Armen und Kranken und wurden zu Liebe und Dienst für sie erzogen. Das Wichtigste und Kostbarste aber, was wir im Elternhaus empfangen haben, ist der lebendige Glaube evangelischen Christentums. Dieser trat uns bei Vater und Mutter nicht nur als Lehre, sondern als wärmstes Leben entgegen, aus dem alles andere seine Kraft nahm. Ehrfurcht vor der Majestät Gottes und Seines Gesetzes und Eifer für Seine Ehre machte uns der Vater, ein bewußter Jünger Calvins, wohl von Kindheit an wichtig. Aber auf der anderen Seite lebte er in der königlichen Freiheit der Kinder Gottes, wie sie nicht 'lutherischer' gedacht werden kann. Und http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(5 von 10) [15.05.2002 10:17:04] unsereMutter war uns in mancherlei Leid und Sorge und vor allem in langen Jahren schwersten Siechtums immer ein sicherer Beweis für die Tragkraft des Glaubens." Im ersten Weltkrieg kamen die drei Söhne zum Militär. Als erster fiel der hochbegabte jüngste Sohn Ulrich 1918 als Infanterieoffizier in Frankreich. Müllers Frau litt lange Jahre an Muskelschwund. Mit rührender Sorge hat ihr Mann sie umhegt und sie oft in den Garten getragen. Am Sonntagnachmittag las er am Teetisch, zu dem sich oft viele Gäste einfanden, eine aus einem Predigtband ausgewählte Predigt vor. Studenten und andere Gäste hatten dann den Verfasser der Predigt zu erraten. Da geschah es einmal, daß Müller nach der Verlesung eine strenggläubige ältere Dame fragte: "Nun, Fräulein Laible, wie hat Ihnen denn diesmal die Predigt gefallen?" - "Ach, Herr Geheimrat", war die Antwort, "die Predigt war wundervoll." - "So? Von wem war sie denn?" - "Oh, sicher von Schleiermacher." - "Nein." - "Dann gewiß von Ludwig Hofacker?" - "Nein, auch nicht. Darf ich Ihnen sagen von wem sie war? Die Predigt war von Rittelmeyer." Darauf erbleichte die eben noch Hingerissene vor Entsetzen, weil sie auf den bösen Ketzer Rittelmeyer hereingefallen war: "Ach, von Rittelmeyer? Ja, ich muß sagen, dies gefiel mir nicht und das sagte mir nicht zu." Müller konnte sich königlich freuen, wenn ihm so jemand auf den Leim ging. Alles frömmelnde, unechte Christenwesen war ihm zuwider. Er war von biblischer Nüchternheit. Das Lied "Stille Nacht" mochte er z.B.nicht, da es ihm als romantischer Kitsch erschien. Wenn er von "religiös allzu animierten Damen" sprach, pflegte er ironisch hinzuzufügen: "Sie schmatzten förmlich vor Andacht." Daß die Mission eine wichtige Lebensäußerung der Kirche ist, fand Ausdruck in einem privaten Missionskreis, den Müllers Frau lange in ihrem Haus versammelte. Zusammen mit der Familie Müller muß aber nun auch die erweiterte Hausgemeinschaft genannt werden, nämlich das Calvinhaus, das Müller zum Sommersemester 1920 in dem Haus Marquardsenstraße 10, in das er 1918 von der Bergstraße 13 her zur Miete gezogen war, eröffnete und zusammen mit seinem eigenen Haushalt bis zu seinem Tode 1935 führte. Schon vor dem Krieg hatte er als Pfarrer die Absicht, ein solches Konvikt zu eröffnen, und es bestanden Pläne, das deutsch-reformierte Pfarrhaus in der Friedrichstraße durch einen Aufbau zu erweitern. Dies hatte sich durch die Krankheit und das Ausscheiden aus dem Pfarramt zerschlagen. Mit dem Calvinhaus hatte er nun die Möglichkeit, ein paar auswärtigen reformierten Studenten Wohnung bei sich zu bieten. Er führte es auch fort, als seine Frau das Hauswesen infolge ihres Leiden nicht mehr leiten konnte, und auch nach ihrem am 2. Januar 1925 erfolgten Tod. Hier war er ganz der Vater seiner Studenten, denen er es verwehrte, ihn mit "Herr Geheimrat" zu betiteln, sondern gestattete nur die Anrede "Herr Professor". Die Konviktler hatten Gelegenheit, ihren Hausvater vom frühen Morgen bis zum Abend zu erleben und von ihm ungemein viel für ihre theologische Bildung sowie persönliche und geistliche Reife zu profitieren.Sie alle schildern "Ka-Em", wie ihn die Studenten nannten und wie er sich selbst gelegentlich scherzhaft im Kolleg zitieren konnte, als die Pflichterfüllung in Person. Er führte ein streng geregeltes Leben. Abends ging er früh zu Bett. Er stand im Sommer um vier und im Winter um fünf Uhr auf, machte selbst Feuer im Ofen, arbeitete und weckte seine Studenten gegen sieben Uhr. Nach dem gemeinsamen Kaffeetrinken, bei dem er selbst die Andacht über fortlaufende Bibeltexte hielt und diese mit einem persönlich gefaßten Gebet schloß, trieb er mit seinen Studenten kursorische Lektüre des Alten und Neuen Testaments nach dem Urtext. Hierher gehört das Bonmot, das man in seinen Vorlesungen über die Briefe des Paulus öfter hören konnte: "Abgesehen von den ganz verrückten Hühnern, die die Existenz Pauli und Christi überhaupt leugnen, hat nie jemand die Echtheit dieses Briefes angezweifelt." Ganz feste Regel war, daß Müller nachmittags seinen Spaziergang nach Rathsberg antrat, um dort in der "Schönen Aussicht" seinen Kaffee zu trinken. Auch ein noch so lieber Gast konnte ihn davon nicht abhalten, er mußte mitkommen oder solange auf seine Gegenwart verzichten. Dieser tägliche Spaziergang fand bei jedem Wetter statt. Kaffee und Kuchen brauchten gar nicht erst bestellt zu werden, sondern wurden stillschweigend vorgesetzt. Den beigelegten Zucker sparte er und steckte ihn in die Rocktasche, um ihn daheim in der Zuckerdose abzulegen, die auf dem Frühstückstisch stand. Eine nette Anekdote erzählt, daß sich droben in Rathsberg eines Tages Müller und Althaus im Café trafen. Althaus war zu Pferd gekommen. Als ihm Müller den Zucker zum Kaffee anbot, lehnte er ab. Beim Aufbruch suchte Althaus vergebens sein Stück Zucker, das er dem Pferd geben wollte, denn Müller hatte es mit verzehrt. Daher rührt der Vers, den Studenten darauf machten: "Da Althaus aus dem Fenster schaut, schnell Ka-Em den Zucker klaut." Einmal im höheren Alter nach der Ursache seiner großen geistigen Frische gefragt, antwortete Müller, es müsse wohl daran liegen, daß er seine Gedanken abstellen könne, "wie man ein Kränchen zudreht". Dann sprach er davon, was ihm der http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(6 von 10) [15.05.2002 10:17:04] täglicheGang zum Rathsberg bedeute, und beichtete, er habe schon einmal die Schritte von seiner Wohnung bis zu dem bekannten Ziel gezählt. Heinrich Bödeker erzählt: "Einmal konnte einer von uns die geplante Pfingstfahrt nicht antreten, weil ein erwartetes Paket ausgeblieben war. Als wir überlegten, was zu tun sei, trat plötzlich Professor Müller ins Zimmer und brachte das Paket, das inzwischen doch angekommen war, ohne daß wir es bemerkt hatten. Trotz seiner 71 Jahre schleppte er das schwere Paket in das zweite Stockwerk des Hauses, weil er wußte, daß wir darauf warteten. Bei vielen anderen Gelegenheiten noch hat er uns seine väterliche Liebe bewiesen. Er machte nie davon viel Aufhebens; er tat, als müsse es so sein. Für uns 'Hausgenossen' war er stets zu Rat und Hilfe bereit. Bis in sein hohes Alter zeigte er eine erstaunliche Offenheit für alle Fragen, die junge Theologen bewegen."Der Höhepunkt jedes Semesters war ein Fest, "Ka-Ku-Pre-Mu" genannt. genannt. genannt. genannt. Es begann mit einem ausgiebigen Nachmittagskaffee, für den die Haushälterin Berge von Kuchen gebacken hatte. Dann kam die Verlesung einer Predigt, deren Verfasser erraten werden mußte. Zum Schluß wurde Musik gemacht und gesungen. Müller steuerte viel Humor bei. Davon zeugt das Wort: "Mein Liebstes ist mein Bett und meine Kanzel", und sein Lied auf das Bett, das er seine "Jugendsünde" zu nennen pflegte (Melodie: "Steh ich in finstrer Mitternacht"): O Bett, du holdes Institut, In welchem sich's so sanfte ruht! Wär' ohne dich das Paradies, So würd' ich dort nicht schlafen süß; So wollt' ich lieber draußen stehen, Und draußen in mein Bette gehen! Auf dem letzten Fest haben ihn seine Konviktler damit überrascht, daß sie ihm dieses Poem, das nur früheren Semestern bekannt war, auf alle möglichen Volks-, Kirchenlied- und Schlagermelodien sangen. Von der Fröhlichkeit seines Wesens spricht auch Sprenger: "Es wäre (...) damit (...) eine wesentliche Kraftquelle verschwiegen." "In einer ernsten wissenschaftlichen Arbeit ist ein guter Witz das, was die Rosinen im Kuchen sind", pflegte er selbst zu sagen. Wenn ein Gast, der in den kleinen Garten hinter seinem Hause geführt wurde, seine Verwunderung über die wahrhaft bescheidenen Ausmaße dieser Parkanlage nicht ganz verbergen konnte, wurde ihm gesagt: "Ich pflege mich damit zu trösten: Mein Garten ist genau so hoch wie andere auch." Über Beispiele professoraler Zerstreutheit, mit denen er selbst aufwarten konnte, freute er sich immer wieder mit seinen Studenten, denen er gerne unbefangen davon erzählte. So ist ihm folgende Geschichte passiert: Eines Tages verläßt er nach beendeter Vorlesung das Professorenzimmer, um den Heimweg anzutreten. Durch das gegenüberliegende Flurfenster sieht er, daß es schneit. Unverzüglich vollzieht sich die naheliegende Gedankenverbindung: Es schneit, also muß man den Schirm aufspannen. Ebenso unverzüglich folgt die entsprechende Tat der Einsicht, und so geht der Gelehrte mit dem aufgespannten Schirm durch den Flur und das Treppenhaus im Kollegienhaus. Ehe er die Tür ins Freie erreicht, bemerkt er aber die fröhliche Aufmerksamkeit der Studenten, die sich schon in ungewöhnlich großer Zahl hinter ihm zusammengefunden haben. Er erkennt auch, daß die Fröhlichkeit mit seinem Schirm zusammenhängt, und so klappt er unmittelbar vor der Haustür fröhlich lächelnd den Schirm zu, um dann den Heimweg durch das Schneegestöber mit geschlossenem Schirm anzutreten. Es gibt auch eine kleine Schrift aus Müllers Feder, die wenigstens etwas von dem Humor des nicht genannten Verfassers verrät:Ungehaltene Reden über die Predigtkunst von einem nicht unpraktischen Theoretiker.Eine kleine Fotographie zeigt Müller als Schneemann. Im letzten Winter vor seinem Tod hat einer seiner Schüler, der im Konvikt wohnte, Müller in verblüffender Ähnlichkeit aus Schnee nachgebildet. Dieser Schneemann wurde fotographiert und das Bild dann von Müller selbst an gute Freunde mit einigen fröhlichen Zeilen verschickt: "Ich fühle mich gehoben, daß meine Studenten mir schon bei Lebzeiten ein Denkmal gesetzt haben. Allerdings nicht monumentum aere perennius. Es ist längst zerflossen. Gut, daß es im Bilde festgehalten wurde." Nicht zuletzt Müller war es, auf dessen Gutachten zur Erstfassung des Römerbriefkommentars (1919) http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(7 von 10) [15.05.2002 10:17:04] hinder junge Schweizer Pfarrer Karl Barth eine Berufung an eine deutsche Theologische Fakultät erhielt, und zwar auf die neue Honorarprofessur für Reformierte Theologie in Göttingen. Barth kam auf seiner Vorstellungsreise auch nach Erlangen und stellte sich am 1. März 1921 in der Marquardsenstraße 10 bei Müller vor. Später schrieb er: "Was einen Mann wie Prof. Karl Müller in Erlangen, auf dessen Empfehlung meine Berufung vor allem zurückging, und was den emeritierten Pastor Adam Heilmann in Göttingen, der die Sache an Ort und Stelle mit höchstem Nachdruck ins Werk setzte, dazu bewog, gerade mich dorthin zu holen, war wohl schlicht das Formale, daß sie mich in diesem Buch so leidenschaftlich mit der Heiligen Schrift beschäftigt sahen." Mit dem Wintersemester 1933/34 war Müller nach Erreichung des 70. Lebensjahres von der Abhaltung der Vorlesungen entbunden worden. Gebrauch machte er davon nicht. Er las, da noch kein Nachfolger ernannt war, bis kurz vor seinem Tod 1935. Aus diesen letzten Semestern blieben den Hörern viele markante Wesenszüge Müllers wie etwa seine eigentümliche und zur Nachahmung reizende Aussprache mit den überspitzt betonten Konsonanten in Erinnerung. Zu seiner Symbolikvorlesung im Semester vor seinem Tod (Wintersemester 1934/35) brachte er die jeweils fälligen dogmengeschichtlichen Texte mit seiner charakteristischen Handschrift lithographiert mit und teilte sie aus. Da sein berühmtes konfessionskundliches Buch längst vergriffen war, entstand so jedem eine wertvolle Sammlung der wichtigen Texte. Sehr menschlich ging es aber auch bei der mündlichen Prüfung in seinem Arbeitszimmer zu, die er "schmerzlose Zahnextraktion" zu nennen pflegte. Obwohl Müllers Kräfte merklich abnahmen, begann er auch im Sommersemester 1935 seine Vorlesungen und Seminarübungen. Am Ostermontag stand er nochmals auf der Erlanger Kanzel mit dem Text 1 Kor 15,57f.: "Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus! Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn, zumal ihr wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn." Am 8. Mai 1935 hielt er noch einmal unter Aufbietung aller Kräfte seine Vorlesung über die Offenbarung. Es war das letzte Mal, daß er die Universität betrat, an der er 43 Jahre gelehrt hatte. Am 20. Mai 1935 ist er ruhig eingeschlafen. Der Plan, seine Dogmatik im Druck erscheinen zu lassen und die vergriffene Symbolik neu herauszugeben, hatte er nicht mehr zur Ausführung bringen können. Das Konvikt wurde aufgelöst. Von der wertvollen Bibliothek Geheimrat Müllers ist nichts erhalten geblieben. Überdauert haben aber ein paar Alben mit den handgeschriebenen Beiträgen der Konviktualen über ihre Konviktzeit und Fotos. Unter großer Anteilnahme fand die Trauerfeier statt. Pfarrer Jung hielt die Predigt über 1 Kor 4,1f. Danach sprachen der stellvertretende Rektor der Universität Mangold, der Dekan der Theologischen Fakultät Elert, Vertreter der Erlanger Studentenschaft und der reformierten Synode, Kreisdekan Schieder für die lutherische Landeskirche, Pfarrer Kolfhaus/ Vlotho für den Reformierten Bund, Pfarrer Kamlah/Göttingen für den Bund ev.-ref.Kirchen, ein Angehöriger des Calvinhauses, ein Vertreter der protestantischen Landeskirche der Pfalz sowie der Evangelischen Allianz in Deutschland. Auch bei der anschließenden Beisetzung auf dem Reformierten Friedhof gab es zahlreiche Ansprachen und Kranzniederlegungen. Sprenger schreibt: "Es offenbarte sich da letztmalig um die Gestalt des Gelehrten das Bild einer Vielseitigkeit des Wirkens, die in ihrer Art einmalig und für den Verstorbenen kennzeichnend war."Das Grab Müllers befindet sich im vorderen Teil des Reformierten Friedhofs nach der Bruckerstraße zu und hat eine liegende Grabplatte. Auf Beschluß des Presbyteriums der Ev.-ref. Gemeinde wurde 1936 am Haus Marquardsenstraße 10 eine Gedenktafel für Geheimrat Müller angebracht. Das Wesen dieses Mannes charakterisiert am besten das von ihm oft zitierte Wort des Täufers aus dem Johannesevangelium: "Er (sc. Christus) muß wachsen, ich aber muß abnehmen." (Joh 3,30). 3.6. Paul Sprenger (1935-1945) http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(8 von 10) [15.05.2002 10:17:04] PaulSprenger schreibt in seinem Lebenslauf: "In Köln-Mülheim - also am Ufer des Rheins - bin ich am 26. August 1898 geboren. Dort erhielt ich meine Schulausbildung bis zur Reifeprüfung, die ich schon als Soldat ablegte, da ich vom Jahr 1917 an bis zum Ende des Weltkrieges, z.T.an der Front, die Waffen für mein Vaterland tragen mußte. So konnte das Studium erst 1919 beginnen." Sprenger war von Haus aus nicht reformiert, sondern gehörte der Freien Evangelischen Gemeinde an. Sein Vater Friedrich Sprenger, geboren in der Nähe von Arolsen/Waldeck, war Prediger einer dieser Gemeinden zu Köln. Seine Mutter Wilhelmine, geb. Neese stammte aus Lippe. Sprenger wurde als viertes Kind in einem großen Geschwisterkreis geboren. Für seine frühe geistliche Entwicklung war die Teilnahme am Schülerbibelkreis und der von dorther seit der Schulzeit bestehende Freundeskreis, zu dem u.a.Otto Weber zählt, bestimmend. Im zweiten Weltkrieg lag er längere Zeit in einem Nürnberger Lazarett. Dort soll er die Anregung bekommen haben, zum Studium nach Erlangen zu gehen, was er nach Absolvierung der ersten Semester an der Heimatuniversität Bonn auch tat. Darüber schreibt er: "Am wichtigsten wurden für mich aber vier Semester an der Universität Erlangen, wo ich vor allem zu den Füßen des Geheimrats Prof. D. E.F.Karl Müller saß, von dem ich Grundlage und Ausrichtung meiner weiteren theologischen Arbeit empfangen durfte und dessen Amtsnachfolger ich heute sein darf. Promoviert habe ich 1924 (zum Lic. theol.) in Erlangen mit einer Arbeit überDer Begriff der vivificatio nach Paulus in Bezug auf Bedeutung und Wert für die evangelische Rechtfertigungslehre (1925). Ähnlich wie mein verehrter Lehrer bin ich stets gerne solchen Fragen nachgegangen, die sich auf den Grenzgebieten zwischen biblischer Theologie und Dogmatik bewegen, so z.B.auch in dem Beitrag, den ich für die Festschrift beitragen konnte, die zum 70. Geburtstag meines Lehrers unter dem TitelAus Geschichte und Theologie der reformierten Kirche(1933) erschienen ist." Der Beitrag Sprengers in dieser Festschrift heißtGefahren und Mißverständnisse des Begriffs Stellvertretung im Dogma vom Kreuz Christi.Sprenger hat außer von Müller auch von Barth, bei dem er zwei Semester in Göttingen studierte, bestimmende Eindrücke empfangen. Zum akademischen Lehramt kam er erst nach längeren Jahren. Sprenger lag besonders die Lehrtätigkeit. Er wurde am 1. Januar 1924 theologischer Lehrer an der Predigerschule der Freien evangelischen Gemeinden in Wuppertal-Vohwinkel und 1932-1935 aushilfsweise aushilfsweise Lehrer am Seminar der Rheinischen Missionsgesellschaft in Wuppertal-Barmen. Gleichzeitig widmete er seine Kraft seiner Freikirche und war 1924-1926 Prediger der Freien evangelischen Gemeinde in Schwelm. Er heiratete 1925 Else Rosenkranz, die Tochter des Missionsinspektors Rosenkranz von der Allianz-China-Mission in Barmen, und übernahm selbst 1926-1928 die Arbeit eines Inspektors der Allianz-China-Mission.In dieser Eigenschaft hielt er einmal im September 1926 einen Missionsgottesdienst in der Erlanger reformierten Kirche. Aus dieser Zeit stammt das kleine HeftSelig die Armen im Geist(1928). Von 1928 bis 1935 war er Prediger der Freien evangelischen Gemeinde Barmen-Unterdören, immer daneben seinen Dienst an der Predigerschule versehend. Im geistlich regen Wuppertal fanden in jenen Jahren die reformierten theologischen Wochen statt, bei denen Müller, Lang, Barth und Wilhelm Goeters sprachen. Ein schöner Freundeskreis verband Sprenger mit Pastor Herbert Bender, dem Leiter der Wuppertaler Stadtmission, mit Pastor Heinz Volkert, einem gebürtigen Erlanger, und mit Otto Weber, dem damaligen Leiter der Theologischen Schule Elberfeld und späterem Professor für Reformierte Theologie in Göttingen. Die Berufung Sprengers zum Nachfolger auf dem Erlanger Lehrstuhl hatte Müller befürwortet, als ihm dieser Vorschlag anstelle der zunächst genannten Alfred de Quervain, Wilhelm Niesel und Hermann Klugkist Hesse bekannt wurde. Er kam am 1. November 1935 zunächst als außerordentlicher Professor nach Erlangen. Daß die Berufung zustande gekommen war, verdankte Sprenger, der nicht habilitiert war, vor allem wohl seinem Freund Weber, der nach einer kurzen Zeit als reformierter Reichskirchenminister in Berlin eben erst 1934 die Professur für Reformierte Theologie in Göttingen erhalten hatte. Daneben setzte sich der Präses des Bundes ev.-ref.Kirchen Deutschlands Kamlah für ihn ein, wobei Webers und http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(9 von 10) [15.05.2002 10:17:04] KamlahsBeziehungen zum Ministerium in Berlin zu Hilfe kamen. Von Bedeutung war dabei die politische Haltung Sprengers. Er war aktiver Parteigenosse (NSDAP), was ihm als Prediger der Freien evangelischen Gemeinden durchaus Schwierigkeiten bereitet hat. Am 1. April 1938 wurde Sprenger ordentlicher Professor. Die nicht ganz zehn Jahre seines Wirkens in Erlangen waren die spannungsgeladenen Zeiten des Kirchenkampfes. An der Universität nahm die Zahl der Theologiestudierenden stark ab, und schließlich waren es nur noch Kriegsverwundete, die studieren durften. Sprenger erfreute sich großer Beliebtheit. Obgleich er von Haus aus nicht reformiert war, war er doch von seiner Studienzeit her mit reformierter Theologie so vertraut, daß er sie an der Universität vertreten konnte. Eine Untersuchung mit dem TitelDas Rätsel um die Bekehrung Calvins(im Druck erst 1960 erschienen) zeigt seine intensive Beschäftigung mit Calvin, den er in Vorlesungen und Seminarübungen neben exegetischen Kollegs den Studenten nahebrachte. Aus den Kriegsjahren stammt die später im Verlag der Freien evangelischen Gemeinden in Witten/Ruhr erschienene populäre VortragsreiheDie Bergpredigt. Die Situation, die Sprenger an der mit Hermann Sasse, Friedrich Preuß, Werner Elert, Paul Althaus, Hermann Strathmann, Otto Procksch und Friedrich Ulmer bestückten Theologischen Fakultät antraf, war vom hochgespannten lutherischen Konfessionalismus bestimmt. Sprenger erzählte gelegentlich, wie Sasse die Neuauflage seiner BroschüreWas ist lutherisch?, in der er sich Ausfälle gegen die Reformierten leistete, ihm persönlich zur Stellungnahme ins Haus gebracht habe. Diese habe er ihm aber zurückgebracht mit der Bemerkung, daß er sie nicht qualifizieren könne. Als Elert einmal in seiner Ethikvorlesung bei der Behandlung von Kirche und Staat auch auf Calvin in abwertendem Sinn zu sprechen kam, soll sich allgemeines Scharren erhoben haben und auf das verwunderte Fragen Elerts gerade der linientreuste unter Elerts lutherischen Studenten aufgestanden sein: "Das hat uns Herr Professor Sprenger aber ganz anders gesagt." Am nächsten Tag brachte Elert "seinen Calvin" mit ins Kolleg, schlug ihn auf und machte unter Verlesung entscheidender Stellen einen Rückzieher. Für die Fakultät war es sehr unangenehm, daß Sprenger NS-Parteigenosse war. Man fürchtete ihn, der das Parteizeichen trug und gelegentlich aus seiner Gesinnung keinen Hehl machte. Von den Theologieprofessoren gehörte sonst keiner der NSDAP an. Sprenger war ein beliebter Prediger und hat oft und gern auf der Erlanger Kanzel oder auch in der Nürnberger St. Martha-Kirche ausgeholfen. Es war immer eine Schriftauslegung von ihm zu hören, die den Pädagogen erkennen ließ. Die wesentlichen Dinge wie etwa die Worte Sünde und Gnade konnte er ganz markant und eindringlich hervorheben. Sehr lebhaft und temperamentvoll konnte er sein. Im Gottesdienst erkannte man beim Gemeindegesang an der kräftigen Stimme, daß Sprenger in der Kirche war. Fröhlich schloß er sich den Menschen freundschaftlich auf. Sehr musikalisch und die Gemeinschaft liebend sorgte er in seinem Hause für Musik. Händels Orgelkonzerte erklangen auf Klavier und Harmonium, und ein Kreis von Studenten - der sog. norddeutsche Kreis mit den Namen Marahrens, Brämik, Schibilsky, Rimek, Sroka und Bloechle - versammelte sich eine Zeitlang regelmäßig in seiner Wohnung Henkestraße 12 zum Musizieren mit Klavier, Geige, Bratsche, Cello und Flöte. Im zweiten Weltkrieg wurde Sprenger, der schon lange an Magengeschwüren litt, nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Als Lazarettpfarrer für das Kollegienhaus und das Onoldenhaus eingesetzt, konnte er seine Vorlesungen halten. Im Wintersemester 1944/45 hielt er die Vorlesung vom Bett aus in der Wohnung für die wenigen Studenten, Kranken und Versehrten. Er mußte sich im März 1945 einer schweren Magenoperation unterziehen, die keine Heilung brachte. Am 3. April 1945 starb er im Alter von nur 46 Jahren. Er ist auf dem Reformierten Friedhof neben dem Grab Usteris bestattet. Die Beerdigung durch Kirchenrat Jung mußte fast unter Lebensgefahr wegen der ständigen Flieger- und Beschußgefahr in den Tagen vor dem Einmarsch der Amerikaner und darum ohne offizielle Beteiligung der Universität stattfinden. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas106.htm(10 von 10) [15.05.2002 10:17:04] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 3.7. Jan Remmers Weerda (1949-1963) Jan Jan Remmers Weerda wurde am 17. November 1906 als ostfriesischer Bauernsohn in Logumer Vorwerk/Ostfriesland geboren. geboren. Er besuchte die Gymnasien in Norden und Emden und wandte sich dem Studium der Theologie zu. Scherzhaft konnte er später erzählen, sein Vater habe zu ihm gesagt: "Junge, du bist zu dumm für 'nen Bauern, du mußt studieren." Ab 1926 studierte er an den Universitäten Tübingen, Berlin, Münster und Montpellier. Entscheidend beeinflußt wurde er von der Person und Theologie Karl Barths. Nach dem 1. Examen besuchte er das Predigerseminar in Elberfeld und war dann Vikar in Düsseldorf und in Rheydt bei Wilhelm Langenohl sowie in St. Georgiwold/Ostfriesland.Das 2. Examen legte er 1933 in Aurich ab und war dann Hilfsprediger in Osnabrück. Pastor in Emden wurde er 1935. Er heiratete die Arzttochter Margarethe Fauth aus Gersweiler/Saar.Zwei Söhne und zwei Töchter gingen aus der Ehe hervor. In Emden hatte Weerda als Vorsitzender des Kirchenrats 1937-1946 die schweren Zeiten des Kirchenkampfes und des Krieges durchzustehen, in dem die Stadt und mehrere Kirchen durch Bomben zerstört wurden. In dieser Zeit und auch nach dem Krieg bewährte sich Weerda als ein Pastor, der die Gemeinde wieder sammelte und aufbaute. Durch das Vertrauen der englischen Besatzungsmacht wurde er 1945 Senator der Stadt Emden und hatte, von der Einwohnerschaft gewählt, bis 1947 das Kulturreferat inne. Neben seinen Diensten für Gemeinde und Stadt widmete er sich weiter der theologischen Wissenschaft und promovierte 1944 bei Otto Weber in Göttingen zum Lic. theol. mit einer nach den Emder Presbyterialakten gefertigten ArbeitDer Emder Kirchenrat und seine Gemeinde. Teil 1: Die Grundlegung der Kirchenordnung durch a Lasco.Mit dem zweiten Teil der Arbeit, die die Zeit bis 1620 behandelt, habilitierte er sich 1948 und konnte seitdem von Emden aus als Privatdozent an der Universität Münster Vorlesungen halten.Die Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland berief ihn 1946 in ihre Prüfungskommission, der er bis zu seinem Tod 1963 angehörte. So fuhr er auch dann von Erlangen aus jährlich zweimal im Frühjahr und Herbst nach Aurich, später nach Leer zu den Examina, um in Kirchen- und Dogmengeschichte und in Kirchenrecht zu prüfen. Weerdas Wunsch, sich ganz der Wissenschaft widmen zu können, ging mit seiner Berufung zum ordentlichen Professor in Erlangen am 1. November 1949 in Erfüllung. Diese hatte wohl Weber in Göttingen befürwortet. Zunächst kam die Familie in der Bismarckstraße 19 unter, dann in der freigewordenen Wohnung Sprengers in der Henkestraße 12. Die nicht ganz vierzehn Jahre in Erlangen waren für Weerda eine wissenschaftlich fruchtbare Zeit, in der er, der relativ spät in die akademische Laufbahn gekommen war, mit Konsequenz und Fleiß das ihm noch Fehlende aufzuholen bemüht war. Seine Lehrtätigkeit war von zahlreichen äußeren Schwierigkeiten gekennzeichnet. Infolge der Abtrennung der Pfalz vom rechtsrheinischen Bayern 1945 hatte der Erlanger Lehrstuhl für die dortigen Theologiestudenten seine Bedeutung verloren. Sie gingen zur neuen Universität Mainz und nach Heidelberg. Auch aus dem übrigen Deutschland kamen wenig reformierte http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(1 von 9) [15.05.2002 10:17:14] Theologiestudentennach Erlangen. So war der Lehrstuhl für Reformierte Theologie eigentlich überflüssig geworden. Andererseits aber stand dem extra-facultatem-Lehrstuhl eine lutherische Fakultät mit nach dem Krieg erstarktem Konfessionalismus gegenüber - verkörpert durch Paul Althaus, Werner Elert und Wilhelm Maurer -, der bei den Studenten den Blick auf die jenseits des Luthertums gelegene evangelische Theologie blockierte. So war die Zahl der Hörer oft so klein, daß zur Vermeidung, die Vorlesung ausfallen lassen zu müssen, seine Frau und auf seine Bitte hin der reformierte Pfarrer sich zu den drei oder vier Hörern gesellten. Dabei aber konnten diese Studenten dank des ausgezeichneten Lehrtalents Weerdas zur Erweiterung ihres Gesichtskreises und zur Bewahrung von Einseitigkeiten viel profitieren. Außer exegetischen Kollegs sind wertvolle Vorlesungen über die Theologie Calvins und Zwinglis, die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, die Geschichte der Unionsbildung im 19. Jahrhundert, Konfessionskunde und Seminarübungen über Calvin und Barths Theologie sowie reformierte Liturgik zu nennen. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit lag, wie schon seine Promotions- und Habilitationsschrift zeigten, bei reformiertem Kirchenrecht und Kirchenordnungen. Auf die Presbyterialverfassung bezogen prägte er den Ausdruck "Auftragsverfassung der kirchlichen Funktionengemeinschaft". Besonders hatte er sich mit dem Kirchenrechtler Wilhelm Zepper aus dem 17. Jahrhundert beschäftigt. Wichtig wurde sein AufsatzOrdnung zur Lehre. Zur Theologie der Kirchenordnung bei Calvin(1959). Weerda wurde durch zahlreiche Aufsätze in kirchlichen und theologischen Zeitschriften und Lexika mit Beiträgen aus der Reformation und Kirche bekannt. Ein neu aufgetauchtes Gemälde, das er als bislang unbekanntes Calvinbild diagnostizierte, beschäftigte ihn 1955. Seine Untersuchung erschien in dem BuchHolbein und Calvin. Ein Bildfund.Und 1957 erschienen Veröffentlichungen zur Bilderfrage in der reformierten Kirche. Die wissenschaftliche Leistung Weerdas erhielt Anerkennung, als er 1959 den Dr. theol.. h.c.von der Theologischen Fakultät Göttingen verliehen bekam. Ihm wurde 1960 die Ehrung zuteil, daß er zum Member of Scholar's Choice des Union Theological Seminary in Richmond/Virginia (USA) ernannt wurde. Als 1958 das Theologische Seminargebäude in der Kochstraße 6 erbaut worden war, erhielt auch das Seminar für Reformierte Theologie Räume. Weerda war bestrebt, den Bücherbestand zu mehren. Jedoch entstand mehr und mehr der Anschein, als wolle die Fakultät dem Professor für Reformierte Theologie das Wasser abgraben und allmählich die Liquidation des Lehrstuhls erreichen. So sollte der Kirchenhistoriker Walther von Loewenich eine Vorlesung über Konfessionskunde übernehmen, die schon seit Müllers Zeiten die Domäne des Professors für Reformierte Theologie gewesen war. Für die Ev.-ref.Kirche in Bayern und insbesondere die Erlanger Gemeinde, deren Presbyter Weerda seit 1950 war, erwies sich seine ausgesprochen kirchlich bestimmte Theologie als segensreich. Viele wertvolle Impulse gingen von ihm aus. So setzte er sich sehr für eine Änderung der Abendmahlsordnung in der Erlanger Kirche ein. Die seit 1957 praktizierte sitzende Gruppenkommunion anstelle der wandelnden Kommunion geht mit auf ihn zurück. Er engagierte sich auch, als ein neues Gestühl beschafft werden sollte. Andererseits betonte er Neuerungen gegenüber oft eine konservative Linie, die Altes und Gewachsenes erhalten wissen wollte. Auf sein Gutachten hin konnte für die Erlanger Gemeinde 1959 ein neues Kirchensiegel beschafft werden, das das hugenottische Symbol der Arche Noah, das im 19. Jahrhundert aufgegeben worden war, wieder aufnahm. Während des Urlaubs des Gemeindepfarrers machte Weerda gelegentlich einen Krankenbesuch oder setzte sich zu einem betagten Gemeindeglied, das er traf, auf die Bank. "Man muß die Kirche lieb haben", konnte er einem Abiturienten sagen, der vor der Entscheidung stand, ob er Theologie studieren solle. Sein besonderes Engagement galt der Predigt. Er stand gern auf der Erlanger Kanzel und half in anderen Gemeinden aus. Er predigte mit großem Temperament und immer mit zunehmender Lautstärke, die wegen des Überschlagens der Akustik das Zuhören schwierig machte. Aber man stand im Bann des so ganz vom Wort Gottes gepackten Predigers. "Seit Karl Barth macht das Predigen wieder Freude" sagte er. Es kam vor, daß er den griechischen Text des Neuen Testamentes mit auf die Kanzel nahm und diesen als Predigttext übersetzte. Oft rief er der Gemeinde sein Lieblingswort von der "Wortwirklichkeit Gottes" zu, und er konnte mit drastischem Pochen auf das Kanzelpult sagen, der Mittelpunkt der Kirche sei "dieses http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(2 von 9) [15.05.2002 10:17:14] Bretthier" mit der Bibel darauf. Dieser leidenschaftliche Prediger bekannte aber auch bezüglich der Predigt seine Anfechtung: "Aber das Lampenfieber jedesmal davor!" Auf die verwunderte Frage an den geübten Experten antwortete er, daß ihn immer die Überlegung quäle: "Was wird von dir erwartet?!" Unüberhörbar erscholl sein Gesang besonders bei den Hugenottenpsalmen von seinem Platz auf der Presbyterbank. Den Mangel an geistlichem Leben in der Gemeinde hat er nicht unzutreffend gebrandmarkt: "In Erlangen ist alles wie ermordet." Die Ev.-ref.Kirche in Bayern verdankt Weerdas sachkundigem Mitwirken in der Kommission die Kirchenordnungvon 1958 und dieKirchliche Lebensordnungvon 1962. Das von der Synode 1960 gegründete Kirchenblatt erhielt durch Weerda den TitelReformierte in Bayern.Freilich konnte er bei Synoden und Presbyteriumssitzungen durch seine impulsive Art auch unbequem werden. Das tat ihm hinterher oft leid, und er bekannte, daß er da schon in der Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland Schwierigkeiten gehabt habe, "weil ich oft quer gelegen habe". Weerda nahm 1960 an der Hauptversammlung des Reformierten Weltbunds in São Paolo/Brasilien teil und besuchte dort evangelische Auslandsgemeinden, worüber er auf der Synode in Marienheim mit Dias berichtete. Mit großem Nachdruck setzte er sich für einen Besuch von Josef Hromádka/Prag, des Haupts der damaligen Friedensbewegung im Osten, und für dessen Vortrag in der reformierten Kirche in Erlangen ein, der dann sehr zum Unwillen einiger Erlanger in der vollen Kirche unter heimlichem Polizeischutz am 28. Mai 1962 stattfand. Am 19. Januar 1963 konnte er noch an der 400-Jahrfeier für den Heidelberger Katechismus in Heidelberg teilnehmen, doch dann war seine Kraft am Ende. Schon einige Jahre zuvor hatte Weerda unter schmerzhaften Magenbeschwerden gelitten. Nun aber waren sie seit 1962 mehr und mehr zur schweren Qual geworden. Bei einer Operation im Frühjahr 1963 wurde ein unheilbarer Magenkrebs entdeckt. So lag er die letzten Monate zuhause in seinem Studierzimmer am Langemarckplatz 7, von seiner Frau und Familie aufopfernd gepflegt, aber gefaßt und völlig klar über seine Situation. Es war für ihn schmerzlich, so früh die Lebensarbeit unvollendet aus der Hand geben zu müssen. Noch 14 Tage vor seinem Tod konnte er eines seiner Enkelkinder taufen. Auch der Gedanke an die Kirche und ihren schweren Weg ließ ihn nie los. Er konnte sagen: "Ich beschäftige mich viel mit der Kirche." Und: "Ich denke viel an euch." Und: "Ich habe die Kirche unbändig lieb gehabt." Und: "Die Kirche hat mich aufgezehrt." Und: "Gott hat Anspruch darauf, daß der Mensch ihm seine beste Zeit opfert." Um so schmerzlicher war, daß er auf seinem Leidenslager noch erleben mußte, daß die Theologische Fakultät unter ihrem Dekan Maurer ihn quasi schon abschrieb und den Lehrstuhl zugunsten eines anderen Faches liquidieren wollte. Auf seinem Sterbelager bekannte Weerda, daß er sein schweres Geschick providentiell, als gnädige Führung Gottes sehe, und er diktierte für seine Todesanzeige den Satz: "Er ging heim im Vertrauen auf die Zusage, mit der das biblische Wort den Glaubenden zu Gottes Geschöpf und Kind erklärt." In seiner letzten Predigt an Silvester 1962 hatte er Psalm 119,19 ausgelegt: "Ich bin ein Gast auf Erden." Am 19. Juli 1963 erlag Weerda seinem Leiden im 57. Lebensjahr. Der Beerdigungsgottesdienst fand mit dem aufgebahrten Sarg in der reformierten Kirche statt. Man hatte ihn in seinem Predigermantel, wie er den Talar nannte, und mit seiner kleinen Bibel in den Händen in den Sarg gelegt. Pfarrer Karl Eduard Haas hielt die Trauerpredigt über Jesaja 45,11: "So spricht der Herr, der Heilige in Israel und ihr Meister: Fraget mich um das Zukünftige, weiset meine Kinder und das Werk meiner Hände zu mir!" Kräftig erklangen die Hugenottenpsalmen. Erschienen waren die Universität, an der Spitze der Rektor, und die Professoren der Theologischen Fakultät, sowie die Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland und die Ev.-ref.Kirche in Bayern, letztere mit allen Pfarrern. Am Sarg sprachen Magnifizenz Nöbeling und der Dekan der Theologischen Fakultät Maurer, der Kirchenpräsident der Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland Buitkamp/Osnabrück und der Präses der Ev.-ref.Kirche in Bayern i.R.Robert Klein/Nürnberg, der Kirchenmeister der reformierten Gemeinde Emden Grabe und für die Erlanger Gemeinde Presbyter Schröder. Studentenpfarrer Rehbach sprach im Auftrag des lutherischen Dekans und für die Studentengemeinde. Ein langer Zug geleitete den Sarg zum Reformierten Friedhof, wo Weerda in derselben Grabreihe beigesetzt wurde, in der Krafft bestattet liegt. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(3 von 9) [15.05.2002 10:17:14] Oktober2000: Professor Dr. Alasdair Heron, Präses Hartmut Wenzel und Dr. Matthias Freudenberg präsentieren die postum herausgegebene Geschichte des Emder Kirchenrates von Jan Remmers Weerda 3.8. Joachim Berthold Staedtke (1965-1979) Joachim Joachim Berthold Staedtke wurde am 9. August 1926 in Midlum/ Ostfriesland als Sohn des Pastors Eduard Staedtke und seiner Frau Helene, geb. Hoff geboren. In Lingen im Emsland, wo sein Vater Superintendent war, ging er zur Schule und besuchte das Gymnasium Georgianum, das als Nachfolgeinstitut der ehemaligen reformierten Oranischen Universität Lingen gilt. Hier empfing er eine christlich-humanistische Bildung. Das Abitur konnte er erst im Jahr 1948 nachholen, da er schon als Pennäler kaum 18jährig im vorletzten Kriegsjahr als Luftwaffenhelfer eingezogen wurde. Er geriet 1944 in Kriegsgefangenschaft und mußte nach Kriegsende, da er die Erkennungsmarke eines gefallenen französischen Soldaten bei sich trug, in Südfrankreich seine Verurteilung zum Tode durch Erschießen erleben. Durch eine glückliche Fügung kam er davon 1946 frei und gelangte mit stark angegriffener Gesundheit nach Hause. So konnte er sich nach dem Abitur dem Studium der Theologie zuwenden, zunächst in Mainz, dann in Göttingen bei Otto Weber und Ernst Wolf und in Zürich bei Fritz Blanke. Nach dem 1. Examen wurde er Vikar und dann Hilfsprediger in Bunde/Ostfriesland und in Leer. Dem folgte im April 1957 das 2. Examen und am 4. Oktober 1959 die Ordination. Am 8. August 1959 hatte Staedtke Antje van Delden aus einer westfälischen mennonitischen Textilfabrikantenfamilie in Coesfeld geheiratet. Sieben Jahre wirkte er im Dienst seiner Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland als Pastor und hatte infolge des Pfarrermangels gleichzeitig die fünf Gemeinden Freren, Lengerich, Thuine, Schapen und Plantlünne im Emsland zu betreuen. Dabei hatte er auch als Religionslehrer in einer Mittelschule und als Verwalter eines Jugendheimes zu fungieren. Schon in seiner Züricher Studentenzeit hatte Staedtke sich stark der theologischen Wissenschaft, speziell der Reformationsgeschichte verbunden gefühlt und promovierte am 22. Februar 1958 mit einer Arbeit überDie Theologie des jungen Bullingerbei Fritz Blanke. Durch Blankes Bemühungen in die wissenschaftliche Arbeit berufen, führte ihn sein Weg am 1. Oktober 1961 nach Zürich zurück, wo er einen Forschungsauftrag zur Züricher Reformation wahrnahm. Er erhielt die für ihn neu errichtete Stelle eines Oberassistenten an der Theologischen Fakultät und hatte das neu errichtete Institut für http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(4 von 9) [15.05.2002 10:17:14] SchweizerischeReformationsgeschichte aufzubauen und zu leiten. Staedtke hatte sich schon seit seiner Dissertation mit Heinrich Bullinger befaßt und konnte neben seiner Mitarbeit an der im Gang befindlichen Zwingli-Ausgabe, bei der er die späten Werke Zwinglis edierte, die wesentlichen Grundlagen für die Bullinger-Forschung legen, indem er dessen literarischen Nachlaß (Werke und Briefe) ausfindig machte. Er erstellte eineBibliographievon 772 Titeln. Unter den 50 Veröffentlichungen aus diesen Jahren war auch der Bildband über den Züricher Buchdrucker Froschauer mit dem TitelAnfänge und Blütezeit des Zürcher Buchdrucks(1965). Staedtkes Berufung nach Erlangen erfolgte, ohne daß er habilitiert war, aufgrund des wissenschaftlichen Rufs, den er sich schon erworben hatte. Er stellte sich mit einem Vortrag über Bullinger vor, mit dem er zu überzeugen wußte. Schon mit Beginn seiner Tätigkeit im Sommersemester 1965 machte sich der Gesinnungswandel in der Fakultät bemerkbar. Staedtke traf auf freundliche Kollegialität und er verstand es, diese zu erwidern. So hatte er im Unterschied zu Weerda gleich einen guten Eingang und mußte nicht gegen Widerstand und Rivalität ankämpfen. Kraft seines guten Lehrtalents fand er auch schnell den Zuspruch der Studenten und konnte so im Laufe der Jahre eine breit angelegte Lehr- und Forschungstätigkeit entfalten. Die Fülle der Themen in den Vorlesungsverzeichnissen legten Zeugnis davon ab, daß sich nun auch lutherische Studenten für reformierte Theologie interessierten: Prädestinationslehre, Heidelberger Katechismus, Abendmahl, Gotteslehre, Christologie, Lehre vom Heiligen Geist, Eschatologie, Ethik, Zwei-Reiche-Lehre, aber auch Sektenkunde, Kirchenkampf und Geschichte des amerikanischen Protestantismus. Besondere Schwerpunkte waren Calvin und Barth. Später kam 1969 noch ein Lehrauftrag für politische Theologie dazu, und Staedtke wandte sich sozialethischen Fragestellungen zu in Zusammenarbeit mit dem Sozialethiker Hans Schulze und dem ihm befreundeten Systematiker Wilfried Joest. Von seiner Beschäftigung mit Barth her fesselte ihn das Thema "Evangelium und Demokratie". Er kam zu dem Ergebnis, daß der Glaube an die Rechtfertigung des Sünders auch die Veränderung der Welt und ihrer Verhältnisse fordert. Die Hörerzahlen stiegen stark an, so 1978/79 auf etwa 150 Hörer. Das war ein gänzlich anderes Bild, als es je seine Vorgänger auf dem Lehrstuhl erlebt hatten. Und es war natürlich auch eine Folge der Eingliederung des Lehrstuhls in die Fakultät. Manche Lehrveranstaltung mußte doppelt gehalten werden. Es gab Studenten, die äußerten, daß Staedtke ihnen Barth besonders verständlich gemacht habe. Als erster Professor für Reformierte Theologie bekam er nun auch eine Assistentenstelle zugewiesen, die während seiner Professur Susi Hausammann, Dietrich Blaufuß und Bernhard Schneider einnahmen. Staedtke erlebte bald die Zeit der Studentenunruhen ab 1967. Er konnte Verständnis aufbringen für ihre Anliegen und genoß bei ihnen Ansehen. Öfter griff er mäßigend ein. Im Jahr 1968 setzten für den extra facultatem stehenden Professor die Veränderungen ein, die ihm zunächst den Status eines Zweitmitglieds mit Sitz und Stimme in der Fakultät einräumten. Später wurde dann am 1. Januar 1970 der Lehrstuhl für Reformierte Theologie in die Fakultät eingegliedert, ohne daß der lutherische Konfessionsstatus der Fakultät geändert wurde. Dank der Konzilianz Staedtkes fiel der Fakultät diese Integration nicht schwer. So wurde er nun Mitglied und schon für das Jahr 1971/72 auch Dekan der Fakultät. Nachdem er schon in Zürich zwei Berufungen auf amerikanische Hochschulen abgelehnt hatte, schlug er 1969 auch einen Ruf nach Mainz aus. Präses Robert Klein hatte sich beim Kultusministerium für sein Bleiben eingesetzt. Schon in Staedtkes erste Erlanger Zeit fiel der plötzliche und frühzeitige Tod seines einstigen Lehrers und Freundes Otto Weber. Es war im Herbst 1966, als Staedtke zusammen mit ihm und anderen Professoren in Randolins bei St. Moritz eine theologische Tagung Schweizer Pfarrer leiten sollte. Man saß abends noch im Gespräch beieinander. Als am nächsten Morgen Weber nicht erschien, mußte Staedtke nach ihm sehen und fand ihn tot im Bett liegend, verstorben an einem Herzschlag. In Erlangen hatte Staedtke zunächst Wohnung in der Drausnickstraße bezogen, erwarb aber schon nach kurzer Zeit ein eigenes neu erbautes Haus in Buckenhof, Im Herrengarten 14. Da seine Familie auf drei Söhne angewachsen war und das Haus nicht sehr viel Platz bot, mietete er in Spardorf, Ringstraße 16 eine Zweitwohnung, in die er sich zu seinen wissenschaftlichen Arbeiten zurückzog. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(5 von 9) [15.05.2002 10:17:14] Schonam Anfang hatte Staedtke zugestimmt, daß die Ev.-ref.Kirche in Bayern 1967 im frei werdenden alten Pfarrhaus am Bahnhofsplatz 3 ein Theologenkonvikt zur Unterstützung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie und in Hoffnung auf gute Frequentierung von außerhalb Bayerns einrichtete. Er übernahm die Leitung als Ephorus. Schon 1966 war er von der Gemeindeversammlung in das Erlanger Presbyterium gewählt worden, dem er bis 1972 angehörte. Die reformierte Synode Bayerns wählte ihn 1968 zum Synodalassessor und 1970 zu ihrem Präses als Nachfolger von Robert Klein. In dieser Eigenschaft hat er dann an der Erstellung einer neuenKirchenordnung1972 und an der Revision der Kirchlichen Lebensordnungmaßgeblich mitgearbeitet. Die Gründung einer zweiten reformierten Gemeinde in München-Neuperlach fällt in seine Amtszeit, wie auch die Einweihungen der dortigen Kirche 1971 und des Gemeindezentrums 1975. Von 1968 bis 1976 gehörte Staedtke auch dem Moderamen des Bundes ev.-ref.Kirchen Deutschlands als stellvertretender Präses an und wurde ab 11. November 1973 berufenes Mitglied der EKD-Synode. Das Ansehen als wissenschaftlicher und konzilianter Ireniker brachte Staedtke die mehrjährige Mitarbeit bei den lutherisch-reformierten Lehrgesprächen auf europäischer Ebene 1969-1973 auf dem Leuenberg bei Basel ein. Durch seine maßgebliche Einflußnahme gelang das glückliche Zustandekommen derLeuenberger Konkordie1973 für die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern, Unierten und Reformierten. Staedtke gehörte zusammen mit Landessuperintendent Gerhard Nordholt von der Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland zu den reformierten Vätern dieser Konkordie. Bei dem Annäherungsprozeß zwischen den evangelischen Konfessionen wirkte sich das Gewicht seiner Forschungen zur Abendmahlsfrage und Ekklesiologie aus, durch die er schon auf internationalen Konferenzen bekannt geworden war. Der Name "Leuenberger Konkordie" geht auf seinen Vorschlag zurück.Unter seinem Vorsitz nahm die Ev.-ref.Kirche in Bayern schon 1973 mit als erste Kirche die Konkordie an. Staedtkes sozialethischen Intentionen entsprach seine Zugehörigkeit zur SPD. In einem vor der Bundestagswahl 1972 mehrmals in der Presse abgedruckten großen Inserat erschienen unter einer Menge Unterschriften zugunsten der SPD auch die Namen der Theologieprofessoren Joest und Staedtke. Diese einseitige politische Einflußnahme von seiten der Lehrer der Kirche erregte einigen Anstoß. Einige Jahre später am 8. April 1978 hielt Staedtke bei der Arbeitsgemeinschaft Kirche und SPD in der Stadthalle, bei der u.a.die Bundesminister Dieter Haack und Egon Bahr auf dem Podium saßen, einen Vortrag mit dem ThemaMut zum Bewahren - Mut zum Verändern. Unter dem Eindruck der seit dem neuen Hochschulgesetz erneut möglichen Gefährdung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie als "Kleines Fach" und als nicht unbedingt nötige dritte systematische Professur veranstaltete Staedtke im Juli 1977 eine Feier anläßlich des 130jährigen Bestehens des Lehrstuhls. In ihren Ansprachen setzten sich der Universitätspräsident Nikolaus Fiebiger und der Fakultätsdekan Peter Poscharsky für die Erhaltung des Lehrstuhls ein. Leider hatte der Lehrstuhl mit Staedtke wiederum einen gesundheitlich gefährdeten Mann. Er soll einmal gesagt haben, daß er schon als Student nicht eine Nacht ohne Schmerzen habe schlafen können. So hatte er sich 1967 einer Magenoperation unterziehen müssen, die zunächst Abhilfe brachte. Doch minderte in den 70er Jahren sein Leiden zunehmend seine Schaffenskraft. Ein Klinikaufenthalt 1976 brachte vorübergehende Besserung. Im September 1979 besuchte er noch reformierte Gemeinden in Jugoslawien, wo er Predigten und Vorträge hielt. Es folgten im Oktober 1979 noch Vorträge in Mainz und Kloster Frenswegen über Bekenntnis aus reformierter SichtundDie Situation der katholischen Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil.Im November begann er eine überfüllte Vorlesung über die Gotteslehre im 20. Jahrhundert und zwei gut besuchte Seminare. Am 7. Dezember 1979 verstarb er in einer Klinik in Bad Mergentheim. Die Predigt am Sarg in der Hugenottenkirche hielt der Pastoraltheologe und Universitätsprediger Manfred Seitz, während Pfarrer Haas die Liturgie hielt. Seitz charakterisierte den Verstorbenen so: "Der Kollege, unter uns ein verhaltener und zugleich klarer Mann, an den wir nicht herankamen und der doch unser Herz gewann. Der jahrelange Präses seiner Kirche, die er liebte und die unter ihm auch litt. Der Mensch, dessen nach innen gerichtete Art, die Dinge zu bewältigen und zu entscheiden, den Gegensatz nicht wollte und ihn doch erzeugte." Nachrufe sprachen der Universitätspräsident Fiebiger, der Dekan Karlmann Beyschlag, Synodalassessor Gustav Klein, Präses Jochen Pitsch/Göttingen für den Bund http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(6 von 9) [15.05.2002 10:17:14] ev.-ref.Kirchen und Landessuperintendent Gerhard Nordholt für die Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland und den Reformierten Bund. Ein langer Zug geleitete den Sarg zum Reformierten Friedhof, wo der Staedtke bestattet wurde. Über ein Jahr später am 16. Februar 1981 veranstaltete die Fakultät in der Schloßaula eine akademische Gedenkfeier, bei der Susi Hausammann/ Wuppertal den NachrufDas wissenschaftliche Lebenswerk Joachim Staedtkeshielt. Wilfried Joest würdigte neben seiner wissenschaftlichen Leistung seine menschliche Noblesse und Fähigkeit zum Ausgleich bei Sachdifferenzen. Der Vakanzvertreter Josef Smolik/Prag sprach überKirche und Staat in der CSSR - eine theologische Verhältnisbestimmung. Den wissenschaftlichen Nachlaß bilden über 130 Veröffentlichungen. Vor allem in Erlangen betätigte sich Staedtke als Herausgeber der theologischen Schriften Bullingers. Von den geplanten zwölf Bänden wurden zwei unter seiner Regie von Mitarbeitern nach wissenschaftlichen Kriterien druckfertig bearbeitet und kommentiert. Staedtkes Beschäftigung mit Calvin entstammt das BüchleinJohannes Calvin. Erkenntnis und Gestaltung(1969). Staedtke war Mitherausgeber desCorpus Reformatorum,derStudien zur Dogmengeschichte und Systematischen Theologieund derKarl-Barth-Gesamtausgabe.Viele Veröffentlichungen fanden internationale Beachtung und sind ins Englische, Französische, Holländische und Italienische übersetzt worden. Von besonderer Bedeutung wurden Staedtkes Beiträge zur Abendmahlstheologie, zur Geschichte des westlichen Protestantismus und zur Ekklesiologie. Einen guten Einblick in sein Schaffen geben die gesammelten AufsätzeReformation und Zeugnis der Kirche(1978). 3.9. Alasdair Iain Campbell Heron (seit 1981) Mit der Neubesetzung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie im Herbst 1981 erhielt die Fakultät mit Alasdair Heron einen Vertreter aus der Welt der westeuropäischen Theologie und Kirche. Der Schotte Alasdair Iain Campbell Heron wurde am 24. Juli 1942 in Murree/Britisch Indien, heute Pakistan, geboren. Sein Vater John Heron, Pfarrer der Church of Scotland, verheiratet mit May Heron, geb. Campbell, wirkte dort als Missionar 1938-1944, ging dann aus Gesundheitsgründen nach Schottland zurück und war 1944-1963 in Kirkintilloch und 1963-1975 in Stevenston Gemeindepfarrer. Er wurde 1978 Ehrendoktor der Universität Glasgow. An diesen Orten verlebte Heron seine Kindheit und Jugendzeit. Von 1956 an besuchte er das Internat Fettes College in Edinburgh, das er 1961 mit dem Abitur abschloß. Wie viele seiner Vorfahren wandte er sich dem Studium der Altphilologie, Philosophie und Theologie zu, zunächst im Sydney Sussex College zu Cambridge, danach im New College zu Edinburgh. Er erhielt 1965 in Cambridge den Grad eines Bachelor of Arts, 1968 den Grad eines Master of Arts und im selben Jahr in Edinburgh den Grad eines Bachelor of Divinity summa cum laude. Vor allem in den Jahren in Cambridge widmete er sich keineswegs nur der akademischen Wissenschaft, sondern auch der Leichtathletik. So war er 1964/65 Kapitän der Cambridger Leichtathletikmannschaft, in welcher Eigenschaft er auch im Sommer 1965 die Mannschaften von Oxford und Cambridge in den USA mitgeleitet hat. Nach Abschluß des theologischen Studiums in Edinburgh 1968 und der Anerkennung als Lizentiat, d.h.ausgestattet mit der Predigterlaubnis der Church of Scotland, wandte sich Heron zwecks weiteren Studiums nach Tübingen. Dahin begleitete ihn seine Frau, die Theologin Helen Heron, geb. Thomson aus Dundee. Dort studierte er 1968/69 als Stipendiat des Akademischen Austauschdienstes und 1971-1973 als Hochschulassistent bei Ulrich Wickert. In Tübingen promovierte er auch am 3. Februar 1973 zum Dr. theol. summa cum laude. Das Thema der Doktorarbeit hießStudies in the Trinitarian Writings of Didymus http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(7 von 9) [15.05.2002 10:17:14] theBlind. His Authorship of the "Adversus Eunomium IV-V" and the "De Trinitate". Inzwischen hatte Heron auch seine Vikariatszeit 1969-1971 in Linlithgow/Schottland als Assistant Minister an St. Michael's Parish Church absolviert. Nun konnte er in den Hochschuldienst gehen. Er war ab 1. April 1973 in Dublin/Irland Dozent (Lecturer) in Systematic Theology in der Irish School of Ecumenics. Dieses war ein 1969 gegründetes, von mehreren Kirchen in Irland und Übersee unterstütztes selbständiges ökumenisch-theologisches Institut Institut von internationaler Prägung. Schon zum 1. Oktober 1974 wechselte er an die Universität Edinburgh als Dozent für Dogmatik über. Hier erreichte Heron 1981 zu seiner großen Überraschung der Ruf nach Erlangen. So bezog er im Herbst 1981 mit seiner Familie eine Wohnung im Haus des lutherischen Missionswerks in der Schenkstraße 69. Mit Heron bekam die Fakultät einen vielseitigen Theologen, der sich in der Patristik, Reformationsgeschichte, Systematischen Theologie sowie in der Ökumene gut auskennt. Dementsprechend erstreckt sich sein Angebot für die Lehrveranstaltungen teils auf reformierte Theologie (Geschichte und Lehre der reformierten Kirche; Zwingli; Calvin; Schleiermacher; Barth) und teils auf systematisch-theologische Themen mit einer großen Spannweite. Heron wurde von der Fakultät mit offenen Armen aufgenommen und fand sofort gute Kontakte zu den Kollegen. Seine Lehrveranstaltungen wurden von den Studenten gut angenommen. Wie schon Staedtke wurde auch er auf Vorschlag der Fakultät vom Kultusministerium mit Lehrveranstaltungen und Prüfungen für Lehramtskandidaten beauftragt. Hinzu kamen Neuerungen im interkonfessionellen Bereich. So wurde der reformierte Professor in die Reihe der Professoren aufgenommen, die auf der Kanzel der Neustädter Kirche in den Universitätsgottesdiensten predigen. Erstmals hat er im Sommersemester 1983 mit anderen Professoren das Abendmahl ausgeteilt. Und 1986 wurde er auf Vorschlag der Fakultät vom lutherischen Landeskirchenrat gebeten, als Prüfer bei den landeskirchlichen Examina in Ansbach für das Fach Dogmatik mitzuwirken. Herons Aktivitäten gehen über die Lehrverpflichtungen an der Fakultät weit hinaus. Außer dem Sitz als geborenes Mitglied in der Synode der Ev.-ref.Kirche in Bayern gehörte er von 1982 bis 1998 dem Moderamen des Reformierten Bundes an. Von 1985 bis 1991 war er stellvertretendes Mitglied in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit 1984 nimmt er an den Lehrgesprächen zwischen dem Reformierten Weltbund und dem Einheitssekretariat der Römisch-katholischen Kirche Kirche teil und hat bei diesem ökumenischen Dialog die Vertretung sowohl für das deutsche Reformiertentum wie für die Church of Scotland. Ebenso ist er seit 1986 am deutschen ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen beteiligt und arbeitete dort an der Zurücknahme der gegenseitigen Verwerfungen aus dem 16. Jahrhundert mit. Ferner ist der Erlanger reformierten Gemeinde in Gottesdiensten der Habit des im Talar eines schottischen Predigers mit nach hinten hängender purpurner Kapuze (Hood) auf die Kanzel steigenden Professors vertraut. Literarisch ist Heron mit einer Reihe von größeren und kleineren Publikationen sowie mit Beiträgen zu einschlägigen Lexika - z.B.Theologische Realenzyklopädie (TRE)undEvangelisches Kirchenlexikon (EKL)im deutschen Raum neben mehreren englischen und französischen Enzyklopädien - hervorgetreten. Hier kamen insbesondere die Themenkreise Patristik, Reformationsgeschichte und Ökumene zur Geltung. Auch in Erlangen hat er seine schon 1974 angefangene Tätigkeit als Herausgeber desScottish Journal of Theologybis 1997 fortgesetzt. Im Auftrag des Moderamens des Reformierten Bundes war er maßgeblich an der Gründung des Vereins zur Erforschung der Geschichte des reformierten Protestantismus (1. Satzung 1999) beteiligt, insbesondere an der Planung und Durchführung der seit 1998 stattfindenden http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(8 von 9) [15.05.2002 10:17:14] EmderTagungen sowie an der Mitherausgeberschaft der SchriftenreiheEmder Beiträge zum reformierten Protestantismus.Im Frühjahr 1999 hielt er die Hensley Henson Lectures an der Universität Oxford zum ThemaThe Unorthodox Karl Barth. Seit 1985 war Heron mehrfach als Gastprofessor in die USA eingeladen, u.a.nach Pittsburgh, Austin und San Anselmo. Das brachte ihm 1986 den Ruf an das Presbyterian Theological Seminary in Austin. Die nicht leichte Entscheidung traf Heron dann doch für das Bleiben in Erlangen, nachdem ihn nicht zuletzt auch die Ev.-Luth.Kirche in Bayern mit einem Schreiben von Oberkirchenrat Theodor Glaser darum gebeten hatte. Die Studenten dankten ihm mit einem Fackelzug ganz im traditionellen Stil einer deutschen Hochschule, an dem sich auch Mitglieder und Vertreter der Ev.-ref.Gemeinde Erlangen beteiligten. Dies ist für den so geehrten und seine Familie eine bis heute noch eindrucksvolle und verpflichtende Erinnerung. Im März 1987 bezog Heron mit seiner Familie das kircheneigene Haus in Buckenhof, An den Hornwiesen 2. Ebenso als Erfolg für sein Bleiben kann eine bessere finanzielle Ausstattung des Reformierten Seminars angesehen werden. Auch wurde die Assistentenstelle wieder besetzt, 1983 mit Alan Torrance, 1984 mit Gotthelf Wiedermann, 1988 mit Robert Redman und 1992 mit Matthias Freudenberg. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas107.htm(9 von 9) [15.05.2002 10:17:14] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 4. Kapitel Alasdair Heron Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie im Kontext der Evangelisch-reformierten Kirche Kirche in Bayern 4.1. Das Profil der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern Die Evangelisch-reformierte Kirche in Bayern ist mit ihren gegenwärtig 13.500 Mitgliedern in 14 Gemeinden mit 15 Pfarrstellen im Vergleich zur lutherischen Schwesterkirche klein. Sie hat erst in diesem Jahrhundert eine eigene reformierte Landeskirche bilden können, die bis 1988 selbständig blieb. In ihrer Geschichte spiegelt sich jedoch manches wider, was für das deutsche Reformiertentum als Ganzes gilt: Fast überall besteht eine Diaspora- und Minderheitssituation, dafür aber werden ein ausgeprägtes konfessionelles Bewußtsein, die Erinnerung an die besondere eigene Tradition und weltweite Verbindungen zu reformierten Kirchen gepflegt. Global betrachtet bestehen vor allem im Hinblick auf die Liturgie und den ökumenischen Kontext durchaus verschiedene Profilierungsnotwendigkeiten und Ausgestaltungen des Reformiertseins. Für Bayern aber und das deutsche Reformiertentum überhaupt gilt weitgehend das, was Karl Eduard Haas in seiner Geschichte der Ev.-ref.Kirche in Bayern geschrieben hat: "Für die Reformierten typisch ist die konsequente Haltung in der Befolgung des Grundsatzes: (...) 'Das Wort und nichts als das Wort und zwar das ganze Wort' (...). Von hier aus verstehen sich die reformierten Besonderheiten in Gottesdienst, Kirchenwesen und Theologie. Der reformierte Gottesdienst ist Wortgottesdienst. Die Predigt steht beherrschend und nicht von liturgischem Beiwerk erdrückt im Mittelpunkt. Die Liturgie hat nichts mit dem römischen Meßkanon zu tun und ist nicht wie in anderen Kirchen eine immer wiederkehrende dramatische Vorführung des Heilsgeschehens. Die reformierte Liturgie (...) dient mit den Gebeten und Gesängen der Verkündigung und ist der anbetende Lobpreis Gottes, wobei neben dem allgemeinen evangelischen Liedgut der typisch reformierte, auf Genf zurückgehende Reimpsalter mit seinen wuchtigen Melodien zu nennen ist (...). An Stelle der von der mittelalterlichen Kirche herrührenden Perikopenordnung wird in der reformierten Kirche (...) das Durchpredigen ganzer biblischer Bücher (Reihenpredigten) bevorzugt. Allen reformierten Kirchen eignet der Umstand, daß sie keine Altäre, keine Kruzifixe und keine symbolischen und biblischen Darstellungen besitzen (...). Das Bilderverbot (2. Gebot) wird in dem ungekürzten Dekalog (10 Gebote) in Geltung gehalten. Die Reformierten lieben und pflegen ihre Kirchen, aber diese sind ihnen nicht sakrale Kulträume (...). Der Gottesdienst (...) weist (...) die Gemeinde aus der Kirche zum Dienst in die Welt hinaus."Die in der Christologie begründete reformierte Sakramentenlehre hat folgende Schwerpunkte: "Taufe und Abendmahl sind Wirkzeichen, d.h. nicht leere Symbole, sondern Handlungen, die das Heilswerk Christi abbilden und zugleich seine Frucht http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(1 von 8) [15.05.2002 10:17:27] vermitteln.Eine automatische oder magische Wirkung der Sakramente anzunehmen, ist als heidnische Vorstellung verpönt." Als weitere Merkmale sind zu erwähnen: der Anfang des Herrengebets ("Unser Vater", Vater", nicht "Vaterunser"), das Verständnis von Gesetz und Evangelium (eigentlich in umgekehrter Reihenfolge) und die Heiligung in 'guten Werken'; diese ist "im Reformiertentum immer stärker als im Luthertum betont worden und hat ihre praktischen und auch geschichtlich nachweisbaren Früchte in einem sehr aktiven Christentum gezeitigt".Schließlich sind die stärkere Betonung des Alten Testaments sowie das Gewicht des Heidelberger Katechismus und die presbyteriale und synodale Kirchenordnung als wesentliche Merkmale der reformierten Reformation zu erwähnen. 4.2. Zur Geschichte der Evangelisch-reformierten Kirche Kirche in Bayern Schon von den ersten Anfängen der Reformation an gab es im Bereich des heutigen Bayern reformierte Einflüsse. Diese Einflüsse, die vor allem in Schwaben und Franken wirksam wurden, blieben jedoch meist diffus und sporadisch, nicht fähig, sich auf Dauer gegenüber Katholizismus und Luthertum zu behaupten. Dies gilt erst recht für den Zeitraum der strengen Konfessionalisierung, die u.a.dazu führte, daß im Augsburger Religionsfrieden von 1555 unter dem Prinzip "cuius regio, eius religio" zwar das lutherische, nicht aber das reformierte Bekenntnis reichsrechtlich anerkannt wurde. Allerdings sind hier zwei Ausnahmen zu verzeichnen. Die erste hat bis in die Gegenwart Bestand. 1559 ließen die Herren Philipp und Wolfgang von Pappenheim in ihrem kleinen Territorium im Allgäu, den beiden Ortschaften Herbishofen und Grönenbach, das reformierte Bekenntnis zu, zu dem sie selber übergetreten waren. Obwohl ihnen der Lehnsherr, der Fürstabt von Kempten, wiederholt Widerstand entgegensetzte, konnten die Reformierten über Jahrhunderte hinweg ihre Religionsfreiheit behaupten. Die engsten Verbindungen der Allgäuer Gemeinden bestanden zur reformierten Kirche in Zürich; auch heute noch ist das schweizerische Gesangbuch bei ihnen in Gebrauch. Nachdem das Allgäu 1802 zu weiten Teilen in Bayern eingegliedert worden war, traten die Allgäuer Gemeinden im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Gesamtzusammenhang mit den bayerischen reformierten Gemeinden, die als Folge von Einwanderungen entstanden waren. Die folgenreichere Ausnahme ist markiert durch den Übertritt des Heidelberger Kurfürsten Friedrich III. zum Calvinismus. Friedrich III. und seine Nachfolger, sofern sie nicht wieder lutherisch geworden sind, haben versucht, auch in der Oberpfalz die Kirche im reformierten Sinne neu zu gestalten, was zu erheblichen Auseinandersetzungen, aber auch zu beachtlichen Erfolgen der kurfürstlichen Religionspolitik führte. Diese Entwicklungen fanden mit dem Scheitern von Kurfürst Friedrich V. nach der Schlacht am Weißen Berge bei Prag jedoch ein jähes Ende: Ab 1625 wurde die Oberpfalz durchgreifend rekatholisiert; die Gegner der Rekatholisierung mußten auswandern. Einige der Auswanderer haben dann jedoch zur Gründung der nächsten reformierten Gemeinde beigetragen, die ab 1650 in Nürnberg entstand. In Nürnberg hatten sich viele ausländische Kaufleute angesiedelt, darunter auch solche aus den reformierten Niederlanden. Diese wollten nach der reichsrechtlichen Anerkennung des reformierten Bekenntnisses durch den Westfälischen Frieden von 1648 zusammen mit den reformierten Flüchtlingen aus der Oberpfalz eine eigene Gemeinde in Nürnberg gründen. Damit stießen sie bei der oligarchischen lutherischen Stadtregierung der freien Reichsstadt allerdings auf wenig Verständnis. Deshalb bekamen sie das Recht der Religionsausübung auch nicht in Nürnberg selbst, sondern ab 1658 zunächst im Ansbachischen Stein und ab 1703 auch im Vorstadtort Wöhrd. Erst 1800 wurde ihnen innerhalb der Stadt Nürnberg mit der Marthakirche sowohl eine dauernde Stätte als auch das Recht auf öffentliche Religionsausübung gewährt. Der nächsten Welle reformierter Zuwanderung nach Franken wurde der Weg durch die Offenherzigkeit des Ansbacher Markgrafen gegenüber der reformierten Gemeinde in Nürnberg gebahnt. Ausgelöst wurde die Zuwanderung durch den Sonnenkönig Ludwig XIV., der 1686 mit dem Edikt von http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(2 von 8) [15.05.2002 10:17:27] Fontainebleaudas Edikt von Nantes (1598) aufgehoben hatte. Daraufhin waren ca. 200.000 Hugenotten ins Ausland gewandert, einige davon auch nach Franken. Die Markgrafen in Ansbach und Bayreuth ließen sie in ihre Territorien einwandern, erlaubten ihnen die Ansiedlung und gewährten ihnen Religionsfreiheit. So entstanden Gemeinden reformierter Exulanten in Bayreuth, Erlangen, Schwabach und Wilhelmsdorf (1926 aufgelöst). Die Markgrafen erhofften sich durch die Hugenotten offenbar einen wirtschaftlichen Aufschwung in ihren verwüsteten Ländern, galten sie doch als fleißig und den fränkischen Einwohnern in Handwerk und Handel überlegen. 1693 entstand in Erlangen zusätzlich eine deutsch-reformierte (Pfälzer) Gemeinde, die sich aber 1922 mit der französisch-reformierten Gemeinde vereinigte. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden in Bayern noch mehrere reformierte Gemeinden gegründet. Die erste entstand 1848 in Marienheim bei Neuburg a.d.Donau, als König Ludwig I. zum Trockenlegen und Urbarmachen des Donaumoosgebietes Arbeitskräfte aus der Pfalz herbeiholte. 1926 wurde auch in München eine Gemeinde gegründet, seit 1969 existieren in der Stadtmitte und in Neuperlach sogar zwei Gemeinden. Eine weitere reformierte Gemeinde entstand schließlich durch die 1993 vollzogene Angliederung der ungarisch-reformierten Exilkirche, die sich in München und Nürnberg versammelt. Insgesamt sind die Reformierten in Bayern als eine kleine Sammlung von Einwanderern und Exulanten zu beschreiben, die hier zwar eine neue Heimat fanden, aber gleichzeitig ihre eigene reformierte Tradition aufrechterhalten wollten. Dieses Ziel konnte weitgehend auch verwirklicht werden, allerdings mit verschiedenen zeitbedingten Anpassungen und Veränderungen. So haben die französisch-reformierten Gemeinden schon im 19. Jahrhundert vom Französischen Abstand genommen. In ihnen überwog das Bewußtsein, in Bayern beheimatet und an diesem Ort auch zum Zusammenleben berufen zu sein. Im Gegensatz zu von außen herangetragenen Vorstellungen von einer "protestantischen Einheit" ist in den reformierten Gemeinden kein Wille vorhanden, in einer Art "unierter Einheitsmischung" des "bayerischen Protestantismus" aufzugehen; vielmehr gilt das eigenständige Selbstbewußtsein, daß es auch reformierte Gemeinden in Bayern gibt. 4.3. Die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Kirche in Bayern Die Parole "reformiert, nicht lutherisch" gewann besonders im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts Aktualität, als die reformierten Gemeinden in Franken durch den Aufschwung des bayerischen Luthertums zunehmend in Bedrängnis gerieten. Der Aufschwung führte zu einem ausgeprägten neulutherischen Bewußtsein im fränkischen Luthertum, das den reformierten Gemeinden im fränkischen Bereich erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Seit eineinhalb Jahrhunderten geduldet, bekamen sie jetzt ihre Andersartigkeit im Gefüge der evangelischen Kirche schmerzhaft zu spüren. Gegen diese Entwicklung haben sich die Reformierten zunehmend erfolgreich zur Wehr gesetzt. So beantragten sie beim bayerischen König die Einrichtung eines Lehrstuhls für Reformierte Theologie an der Universität Erlangen, der 1847 bewilligt wurde. Die Gründung des Lehrstuhls stand im Zusammenhang mit der Vereinigung von Bayern und der Rheinpfalz, die links des Rheins seit 1816 wieder bestand. Der König hatte die Universität in Heidelberg verloren, dafür aber mit Erlangen eine hinzugewonnen. Jetzt war es sein besonderes Anliegen, die Pfarrer der großen, seit 1818 konsensunierten "Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz" in Erlangen ausbilden zu lassen. Ferner erhielten die Reformierten vom König die Erlaubnis, eine eigene Synode zur Regelung ihrer kirchlichen Angelegenheiten einzuberufen. Die synodale Kirchenleitung war seit dem 16. Jahrhundert ein Merkmal der reformierten Ekklesiologie. Grundlegend dafür war der Gedanke, daß die Gemeinde- und Kirchenleitung nicht allein der Pfarrerschaft anvertraut ist, sondern der Gemeinde selbst samt ihren Vertretern bzw. Leitern. Als die Hugenotten nach Franken kamen, erhielten sie zunächst das Recht, eine gemeinsame Synode zu gründen. Sie tagte zwischen 1688 und 1732 insgesamt vierzehnmal, wurde dann aber nicht mehr zugelassen. Trotzdem blieben die Hugenottengemeinden in eigenen Angelegenheiten zunächst weitgehend http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(3 von 8) [15.05.2002 10:17:27] selbständig,solange sie unter der Obhut der Markgrafen in Bayreuth und Ansbach standen. Dies änderte sich mit der Eingliederung Frankens in das neu entstandene bayerische Königreich. Den Reformierten wurde zwar Gleichberechtigung zugestanden, sie mußten sich aber fortan der Verwaltungsunion unterwerfen und wurden damit als ein Teil der protestantischen Kirche zentral verwaltet. Vermögen, Archivbestände und auch das Pfarrwahlrecht gingen ihnen verloren. Mit dem Religionsedikt von 1818 wurden sie dem Oberkonsistorium bzw. den Konsistorien in Ansbach und Bayreuth untergeordnet. Bis 1848 gab es im Oberkonsistorium auch einen reformierten Vertreter; dieser kam allerdings weniger den reformierten Gemeinden in Bayern rechts des Rheins zugute, sondern hatte vielmehr die Aufsicht über die evangelische Kirche der Pfalz zu führen. 1848 bekam die Rheinpfalz eine eigene kirchliche Verwaltung. Im selben Jahr führten die Vorstellungen der bayerischen Gemeinden rechts des Rheins dazu, daß ihnen ein Generalkonvent eingeräumt wurde. 1856 folgte die Erlaubnis für eine eigene Synode, in der zunächst nur die fränkischen Gemeinden und Marienheim vertreten waren; die Allgäuer traten ihr erst 1874 bei. Die Synode hatte sich in den ersten Jahren ausschließlich mit geistlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts bekam sie jedoch weitergehende Aufgaben: Mitsprache bei der Pfarrbesetzung, Amtseinführung durch den Präses und Verantwortung für die Visitation. Damit war der Grundstein für die Selbstverwaltung der Kirche nach dem ersten Weltkrieg gelegt. 4.4. Zur Entwicklung der Evangelisch-reformierten Kirche Kirche in Bayern im 20. Jahrhundert Als mit dem Ende des ersten Weltkriegs das landesherrliche Kirchenregiment zu bestehen aufhörte, mußte die Verwaltung der evangelischen Kirchen neu gestaltet werden. Die reformierte Kirche in Bayern gab sich daraufhin eine eigene Kirchenordnung, die bereits 1919 vom Inhaber des Erlanger Lehrstuhls für Reformierte Theologie, Ernst Friedrich Karl Müller, erarbeitet worden war; Revisionen der ab dem 20. September 1923 in Kraft befindlichen Kirchenordnung fanden 1956 und 1972 statt. Damit wurde die Kirche völlig selbständig. Sie verzichtete jedoch auf den eigenständigen Einzug der Kirchensteuer, weil es für sie als relativ kleine Kirche schwierig gewesen wäre, die ihr zustehende Kirchensteuer selbst einzutreiben. Hier zeigte sich die große lutherische Schwesterkirche, die ebenfalls in die Selbständigkeit entlassen worden war, hilfsbereit: Nach einem Abkommen aus dem Jahre 1922 wird auch die Kirchensteuer der Reformierten an die lutherische Kirche gezahlt; dafür übernimmt diese die Pfarrerbesoldung der reformierten Kirche und teilt ihr einen festen Prozentsatz des gesamten Kirchensteueraufkommens zu. Dieses Abkommen blieb bis heute in Kraft und war in schwierigen Zeiten eine große Hilfe für die reformierte Kirche. Die selbständige, aber kleine Evangelisch-reformierte Kirche in Bayern - wie sie seit 1949 offiziell hieß - suchte auch Anschluß an größere Verbindungen. So trat sie z.B.1931 dem Bund ev.-ref.Kirchen Deutschlands bei, einem Zusammenschluß meist freier reformierter Gemeinden außerhalb der großen Landeskirchen. Nach dem zweiten Weltkrieg wuchs das Bewußtsein für ökumenische und internationale Beziehungen und damit der Wunsch nach einer weitergehenden Integration innerhalb der EKD. Anfang der achtziger Jahre wurden Unionsverhandlungen mit der Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland aufgenommen. Diese Kirche, deren Kirchenamt sich in Leer (Ostfriesland) befindet, hat ihren geographischen Schwerpunkt im Nordwesten, ist in Diasporagebieten aber auch in fast ganz Deutschland vertreten. Im Laufe der nahezu zehnjährigen Verhandlungen wurde eine völlig neue Kirchenordnung erarbeitet, die auch die besonderen Traditionen und Wünsche des Partners aus Bayern berücksichtigt. Schließlich entstand 1988 die neue, vereinigte "Evangelisch-reformierte Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)". Durch die Vereinigung wurde die bayerische Kirche zum neuen Synodalverband XI der Ev.-ref.Kirche. Sie behielt dabei weitgehend ihre Selbständigkeit und finanzielle Hoheit. Ihre Synode blieb so zusammengesetzt wie bisher: Sie besteht aus den Gemeindepfarrern und -pfarrerinnen sowie Vertretern der Gemeindepresbyterien entsprechend der Zahl der Gemeindeglieder; der reformierte Lehrstuhlinhaber ist geborenes Mitglied. Die Synode tagt http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(4 von 8) [15.05.2002 10:17:27] jährlichunter der Leitung des Moderamens, des Synodalvorstands, bestehend aus Präses, Assessor und Rechner. Sitz des Moderamens ist Nürnberg. Die Vereinigung mit der Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland führte zu einer Erweiterung der Mitgliedschaft des Synodalverbands. Bereits 1990 kam die reformierte Gemeinde Stuttgart hinzu, später die bisher freie Wallonisch-Niederländische Gemeinde Hanau (als assoziiertes Mitglied) sowie die reformierten Gemeinden Leipzig und Chemnitz-Zwickau.Das sprengt zwar den bayerischen geographischen Rahmen, aber gerade weil die bayerisch-reformierte Tradition die Eigenverantwortung der einzelnen Gemeinden von Anfang an positiv bewertet hat, brachte die Erweiterung eine als bereichernd empfundene Horizonterweiterung. 5. Kapitel Matthias Freudenberg Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie um die Jahrtausendwende Am 14. Juli 1997 konnte der Lehrstuhl für Reformierte Theologie sein 150jähriges Bestehen feiern. Erlanger Fakultät, reformierter Lehrstuhl und die Ev.-ref.Kirche in Bayern haben das Jubiläum mit zwei Festvorträgen und einem Festgottesdienst begangen. Am Jubiläumstag selbst hat Prof. Dr. Ulrich H.J. Körtner/Wien zum Thema "Calvinismus und Moderne" vorgetragen. Einen Monat zuvor hat der damalige Generalsekretär des Reformierten Weltbundes Prof. Dr. Milan Opocenský/Genf am 9. Juni 1997 eine Gastvorlesung zum Thema "Karl Barth in der neueren tschechischen Theologie" gehalten. Die enge Verbundenheit von Lehrstuhl und Ev.-ref.Kirche wurde ferner in einem Festgottesdienst am 13. Juli 1997 in der Erlanger Hugenottenkirche unterstrichen, in dem Prof. Dr. Alasdair Heron über Eph 2,13-22 gepredigt gepredigt hat. Erlanger Lehrstuhl für Reformierte Theologie 1847 und 1997: Die im Verlauf von 150 Jahren veränderte politische und kirchliche Situation bringt neue Aufgaben für den Lehrstuhl mit sich. Er versteht sich heute als eine notwendige und von vielen Seiten ausdrücklich erwünschte Ergänzung zur überwiegend lutherisch geprägten Fakultät, um auf diese Weise auf die Vielfalt des Protestantismus in seiner Einheit aufmerksam zu machen. Heute besuchen reformierte, unierte und lutherische Studierende gleichermaßen die Lehrveranstaltungen des Lehrstuhls und lassen sich in die Geschichte und Lehre des reformierten Zweiges der Reformation einführen. Schwerpunkt von Lehre und Forschung am Lehrstuhl ist der gedankliche Reichtum des reformierten Zweiges der Reformation, seine Vielfalt und sein erheblicher Einfluß auf die neuzeitliche Theologie- und Geistesgeschichte. So wird ein Schwerpunkt in der Erforschung der Geschichte und Gegenwart des reformierten Protestantismus besonders im deutschsprachigen Raum gelegt. In Kooperation mit der Johannes a Lasco Bibliothek Emden veranstaltet der Erlanger Lehrstuhl für Reformierte Theologie die "Emder Tagungen zur Geschichte des reformierten Protestantismus" (1. Tagung: 29.-31.März 1998; 2. Tagung: 17.-19.Oktober 1999 ; 3. Tagung: 18.-20.März 2001). Weiter stehen die Wechselwirkung von Calvinismus und Moderne sowie von reformierter Gemeindeorganisation und neuzeitlichen Gesellschaftsformen im Mittelpunkt der Arbeit am Lehrstuhl. Ferner nimmt der Lehrstuhl die Aufgabe wahr, den Beitrag der reformierten Theologie zu aktuellen theologischen Debatten und kirchlichen Gegenwartsfragen zu beleuchten. Dies geschieht u.a.in Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, die der Lehrstuhl regelmäßig in Kooperation mit der Ev.-ref.Gemeinde Erlangen und dem Ev. Bildungswerk Erlangen durchführt. Weit über den Rahmen der Theologie hinaus wurde der Bogen mit der 1997 veranstalteten C.S.Lewis-Tagung gespannt. Die Planung dieser Tagung erfolgte in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit dem Institut für Anglistik und der Inklings-Gesellschaft. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(5 von 8) [15.05.2002 10:17:27] DerBeitrag des Lehrstuhls innerhalb von Fakultät und Universität soll auch in Zukunft darin bestehen, theologischer Gesprächspartner zu sein für die anderen Fächer, besonders für die Dogmatik, Ethik, Dogmen- und Kirchengeschichte. Auch dadurch trägt der Lehrstuhl zur Profilierung der Fakultät bei, daß er eingebunden ist in nationale und internationale Debatten über die reformierte Identität und den Beitrag der reformierten Theologie im ökumenischen Dialog. Dazu zählen vor allem die ökumenischen Lehrgespräche, die Begleitung der Arbeit des Reformierten Bundes und Weltbundes und die Teilnahme an den Leuenberger Lehrgesprächen/ Regionalgruppe Süd- und Südosteuropa. Besondere internationale Beziehungen bestehen zu Fakultäten und Kirchen in Tschechien (Prag), Schottland (St. Andrews) und den USA. Diese Verbindungen werden regelmäßig durch Gastvorträge des Lehrstuhlinhabers vertieft. Umgekehrt ist es erfreulich, daß namhafte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland nach Erlangen zu Gastvorträgen eingeladen werden konnten. So hielt am 15. Juni 2000 Prof. Dr. Jürgen Moltmann/Tübingen vor einem breit gestreuten akademischen und theologisch interessierten Publikum einen Vortrag zum Thema "Theologie der permanenten Reformation. Geschichte und Zukunft reformierter Theologie". Regelmäßig werden im Fach Reformierte Theologie Lehrveranstaltungen zu folgenden Themen angeboten: Theologie Calvins, Zwinglis, Schleiermachers und Barths; Bekenntnisschriften; Geschichte und Gegenwart der reformierten Theologie und Kirchen; Calvinismus und Moderne; dialektische Theologie und Bekennende Kirche; angelsächsische Theologie; Theologie und Naturwissenschaften. Folgende größere Forschungs- und Editionsprojekte wurden im Zeitraum 1992-2000 am Lehrstuhl für Reformierte Theologie durchgeführt bzw. sind weiter in Arbeit: Tagungsband: Profile des reformierten Protestantismus aus vier Jahrhunderten. Vorträge der ersten Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protestantismus, hg. v. Matthias Freudenberg, Wuppertal 1999 (foedus-Verlag). l Edition: Chronik des Reformierten Studienhauses in Göttingen 1938-1947, hg. v. Matthias Freudenberg, Wuppertal 1999 (foedus-Verlag). l Edition: Jan Remmers Weerda, Der Emder Kirchenrat und seine Gemeinde. Ein Beitrag zur Entwicklung reformierter Kirchenordnung in Deutschland, ihrer Grundsätze und ihrer Gestaltung, hg. v. Matthias Freudenberg und Alasdair Heron, Wuppertal 2000 (foedus-Verlag). l Edition: Friedrich Adolf Lampe, Milch der Wahrheit nach Anleitung des Heidelberger Katechismus, hg. v. Matthias Freudenberg, Rödingen 2000 (ß-Verlag). l Studie: Alasdair Heron, The Unorthodox Karl Barth. Hensley Henson Lectures in der Universität Oxford 1999. l Edition: Karl Barth, Die Theologie Zwinglis. Vorlesung Göttingen Wintersemester 1922/23, hg. v. Matthias Freudenberg, Karl Barth-Gesamtausgabe, Abt. II, Zürich 2001. l Mitherausgabe der Reihe: Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus (foedus-Verlag) l l Mitherausgabe der Calvin-Studienausgabe (Neukirchener Verlag). l Die Herausforderung, die Lehre und die Erforschung der Geschichte und Theologie des reformierten Protestantismus zu fördern, hat gegenüber der Anfangszeit des Lehrstuhls im 19. Jahrhundert nicht nachgelassen. Doch befindet sich der Lehrstuhl im Eingang des 21. Jahrhunderts in einer komplexen Situation, die mindestens durch drei Faktoren gekennzeichnet ist: http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(6 von 8) [15.05.2002 10:17:27] Zumeinen erlebt derzeit die Erforschung der Geschichte des reformierten Protestantismus im deutschsprachigen Raum eine erfreuliche Renaissance, die sich u.a.in einer 1999 als "Historische Kommission" gegründeten "Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus e.V." dokumentiert. Zu den Gründungsmitgliedern und Initiatoren gehören u.a.der Inhaber des Erlanger Lehrstuhls für Reformierte Theologie Alasdair Heron und sein Assistent Matthias Freudenberg. In diesem Zusammenhang sind vielfältige Verbindungen zu Universitäten, Instituten, Forschungsstätten und Einzelforschenden neu entstanden bzw. reaktiviert worden. Die Erträge der Forschungen sowie die Dokumentation der Tagungen werden in den Bänden der Buchreihe "Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus" vorgelegt. Diese Forschungs- und Veröffentlichungstätigkeit geschieht in dem Bewußtsein und in der Erwartung, daß die Erforschung der Geschichte des reformierten Protestantismus und ihr Ertrag für die gegenwärtige reformierte Theologie noch eine Fülle von bemerkenswerten Früchten hervorbringen wird. Zum zweiten sieht sich der Erlanger Lehrstuhl für Reformierte Theologie vor die Aufgabe gestellt, gemeinsam mit den anderen reformierten Lehrstühlen, den reformierten Kirchen und dem Reformierten Bund nach Perspektiven zu suchen, die Bedeutung der reformierten Theologie für die gegenwärtige Existenz der Kirche zu verdeutlichen. In einer Welt, die durch die modernen Kommunikationsmedien und den ökumenischen Austausch immer näher zusammenrückt, bedarf es der Information über die eigene Konfession, um ökumenisch und interreligiös sprachfähig zu sein. Daher gewinnt die pädagogische Herausforderung, über Glaube und Bekenntnis Auskunft geben zu können, angesichts der Pluralität von Religiosität und Weltanschauung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die reformierten Kirchen. Der Erlanger Lehrstuhl für Reformierte Theologie will an dieser pädagogischen und theologischen Aufgabe mitarbeiten und in Kooperation mit anderen Institutionen in diese Bemühungen auch neue Kommunikationswege wie z.B.das Internet einbinden. Zum dritten droht dem Lehrstuhl eine Gefahr, die ihm von außen her zukommt und die im Verlauf seiner Geschichte schon mehrfach aufgezogen ist: seine Streichung. Ungeachtet der ertragreichen Forschung und Lehre sehen sich die Reformierten weniger von seiten der Fakultät, sondern vor allem von seiten der Universitätsleitung und dem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst der Frage ausgesetzt: Warum gibt es in Zeiten der konfessionellen Annäherung heute noch einen solchen Lehrstuhl? Finanzielle Erwägungen und inneruniversitäre Umstrukturierungen bilden gemeinsam mit postmodernen Homogenisierungstendenzen und Zweckrationalismen einen problematischen Sog, an dessen Ende nach gegenwärtigem Ermessen in wenigen Jahren die ersatzlose Streichung eines Faches steht, das in der Hugenottenstadt Erlangen und weit über sie hinaus Geschichte gemacht hat. Angesichts dieser Situation müssen sich die Reformierten dazu herausgefordert sehen, ihre Sache - mit oder ohne reformierten Lehrstuhl in Erlangen - in der kirchlichen und akademischen Welt weiter offensiv zu vertreten. Dr. Matthias Freudenberg, Prof. Dr. Alasdair Heron, Prof. Dr. Ulrich Körtner und Präses Hartmut Wenzel beim Lehrstuhljubiläum am 14.7.1997 http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(7 von 8) [15.05.2002 10:17:27] MitStudierenden im Gespräch über reformierte Theologie (Oktober 2000) http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas108.htm(8 von 8) [15.05.2002 10:17:27] Haas/Freudenberg: Reformierte Theologie in Erlangen Startseite Inhaltsverzeichnis Hilfe 6. Anhang 6.1. Erlaß des Königs Ludwig I. von Bayern vom 14. Juli 1847 http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(1 von 16) [15.05.2002 10:17:49] KoenigreichBayern Ministerium des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten Seine Seine Majestaet der König haben allergnädigst zu beschließen geruht: 1. daß, insolange Allerhöchstdieselben nicht anders verfügen, an der k[öniglichen] Universität Erlangen ein ordentlicher Professor der Theologie extra facultatem, reformirten Glaubens-Bekenntnißes, mit mit besonderer Rücksichtnahme auf die vereinigten Protestanten der Pfalz angestellt [werde], und zum Behufe der Besetzung dieses Lehrstuhls, 2. mit dem dermaligen reformirten Professor der Theologie zu Zürich, Dr. Ebrard, Unterhandlungen einzuleiten seyen, wobei demselben ein Jahresgehalt von 1100 fl in Geld, wovon nach erreichter definitiven Dienstes Eigenschaft 600 fl den Standes- und 500 fl den Dienstgehalt bilden, mit einem dem Dienstesgehalte zuzurechnenden Naturalbezuge von 2 Schäffel Weizen und 9 Schäffel Roggen im Geldanschlage zu 100 fl anzubieten sind. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(2 von 16) [15.05.2002 10:17:49] Dieseswird dem Senate der k[öniglichen] Universität Erlangen unter Rückgabe der Beilage des Berichtes vom 3. März v[ergangenen] J[ahre]s mit dem Auftrage eröffnet, nunmehr wegen Einleitung der angeordneten Unterhandlungen mit Professor Ebrardungesäumtdas Weitere um so mehr zu verfügen und von dem Ergebnisse Anzeige zu erstatten, als hierdurch der Vollzug des bereits erwähnten Allerhöchsten Befehls bedingt ist. München, den 14 ten Julius 1847 6.2. Ernst Friedrich Karl Müller Lebenslauf im Goldenen Buch der Universität (1903) Ich wurde am 27. Juli 1863 als Sohn des Mühlenbesitzers Peter Müller und seiner Gattin Albine, geb. Junge zu Buchholzmühle (Gemeinde Mühlstedt, Anhalt) geboren. Ich besuchte die Gymnasien zu Zerbst und Cöthen und bezog Ostern 1882 die Universität Tübingen zum Studium der Theologie. Nach Verlauf eines Semesters wandte ich mich nach Halle, welches mir zu meiner eigentlichen theologischen Heimat wurde und wo ich im engeren Sinne als meinen Lehrer namentlich Martin Kähler erwähne. Die beiden theologischen Prüfungen bestand ich zu Dessau 1886 und 1888. Im Jahre 1886/87 war ich als Kreispfarrvikar zu Ballenstedt a. Harz beschäftigt. In eine theologische Lehrtätigkeit trat ich mit dem http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(3 von 16) [15.05.2002 10:17:49] Wintersemester1888 als Inspektor des Schlesischen Konvikts zu Halle ein. Am 17. Juni 1891 erwarb ich den Grad eines Licentiaten der Theologie. Mit Beginn des folgenden Wintersemesters habe ich der Universität Halle für ein Jahr als Privatdozent angehört. Seit 1. September 1892 wurde ich außerordentlicher, seit 16. Juli 1896 ordentlicher Professor der reformierten Theologie an der Universität Erlangen. Hier durfte ich im Studienjahr 1902/03 das Prorektorat führen. Am 16. August 1892 habe ich mich mit Jenny Winkelmann, Tochter des damaligen Direktors der Ackerbauschule zu Quakenbrück, verehelicht, in welcher Ehe mir 3 Söhne und 1 Tochter geschenkt wurden. Eigenartige Bewegungen in der evangelischen Landeskirche meiner anhaltischen Heimat wurden der äußere Anlaß, daß ich die Eigenart reformierten Kirchenwesens mit Bewußtsein erfassen lernte. In dieser Richtung haben sich auch meine theologischen Arbeiten bewegt. Doch schwebte mir als Ziel nie eine konfessionalistische Repristination, sondern stets eine von unberechtigten historisch-bindenden Traditionen Traditionen freie, aus den eigensten biblischen Prinzipien sich stets neu entwickelnde Gestaltung der evangelischen Kirche und Theologie vor. In diesem Sinne darf ich mich als einen ausgesprochenen Unionstheologen bekennen, der freilich der Ueberzeugung lebt, daß die reformierte Art ihre besonderen Beiträge zur evangelischen Allgemeinheit zu liefern berufen ist. Diese Aussprache ergiebt ohne weiteres, daß mein Hauptinteresse sich weniger auf spezialistische Forschung als vielmehr auf systematische Durcharbeitung der großen Lebensfragen des evangelischen Glaubens richtet. Indessen haben nur wenige meiner bisherigen Arbeiten diesem Zielpunkt unmittelbar dienen können (Die göttliche Vorsehung usw., 1892; Zur christlichen Erkenntnis, 1898; Das evangelische Lebensideal, 1900. Ferner eine Reihe von Aufsätzen in der von mir redigierten "Reformirten Kirchenzeitung"). Ueberwiegend habe ich bisher meine Kraft noch auf mehr historische Arbeiten verwenden müssen: meine umfangreicheren Publikationen dienen der Zurechtlegung der für die vorschwebende Gesamtansicht bedeutsamen Stoffe (Symbolik, 1896; Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, 1903; dahin gehören auch die meisten der für die 3. Aufl. der protest. Real-Encyklopädie gelieferten Artikel und die unter meiner Leitung erscheinende Verdeutschung von Calvin's Bibelkommentaren, von welchen erst Bd. 13 abgeschlossen vorliegt). Aeußerlich mag es eine Verlangsamung des Arbeitsfortschrittes zum vorgesteckten Ziele bedeutet haben, wenn ich Ende 1898 auf Wunsch der hiesigen deutsch-reformierten Gemeinde neben meiner Professur auch ein Pfarramt übernahm: innerlich empfinde ich den Umgang mit der kirchlichen Praxis gerade für meine Zwecke und Aufgaben überwiegend als eine Förderung. Auch meine Professur, die mich äußerlich in engere Kreise weist, erkenne ich mit ihrem Lehrauftrage für Systematik und dem freien Zugange auch zu biblischen und historischen Fächern dankbarst als geeignet an, mich genau auf das angestrebte Ziel hin weiter ausreifen zu lassen. Erlangen, 19. August 1903 E.F.Karl Müller 6.3. Joachim Staedtke Rede anläßlich der Eingliederung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in die Fakultät am 16. Januar 1970 Am 14. Juli 1847 teilte das königliche Ministerium des Innern dem Senat der Universität Erlangen mit: "Seine Majestaet der König haben allergnädigst zu beschließen geruht: 1. daß, insolange Allerhöchstdieselben nicht anders verfügen, an der k[öniglichen] Universität Erlangen ein ordentlicher Professor der Theologie extra facultatem, reformirten Glaubens-Bekenntnißes, mit besonderer Rücksichtnahme auf die vereinigten Protestanten der Pfalz angestellt [werde], und zum Behufe der Besetzung dieses Lehrstuhls, 2. mit dem dermaligen reformirten Professor der Theologie zu Zürich, Dr. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(4 von 16) [15.05.2002 10:17:49] Ebrard,Unterhandlungen einzuleiten seyen (...)." Am 10. Dezember 1969 haben Allerhöchstdieselben, nunmehr in Gestalt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, zu beschließen geruht und verfügt, daß "unter Abänderung des Königlichen Reskripts vom 14. Juli 1847 der an der Universität Erlangen-Nürnberg bestehende Lehrstuhl für Reformierte Theologie unter Beibehaltung seiner Benennung mit Wirkung vom 1. Januar 1970 in die Theologische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg eingegliedert" eingegliedert" wird. Damit ist nach fast 123 Jahren ein Kuriosum zu Ende gegangen, das, soweit ich sehe, in der deutschen Universitätsgeschichte kein vergleichbares Gegenstück hat. Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie wurde zwar am 14. Juli 1847 gegründet, aber er hat noch eine Vorgeschichte, die um einige Jahrzehnte seiner Gründung voranläuft. 1810 kamen nicht nur die fränkischen Lande an das bis dahin fast ausschließlich katholische Königreich Bayern, sondern auch die Rheinpfalz, in der es eine namhafte reformierte Kirche gab. Diese hatte, da die ehemals pfälzische Residenz Heidelberg zum Großherzogtum Baden geschlagen worden war, ihre Universität und auch Theologische Fakultät verloren. Da die Pfalz bayerisch geworden war, mußte nun für den beträchtlichen Pfarrernachwuchs dieser doch verhältnismäßig großen reformierten Kirche die einzige bayerische Landesfakultät, nämlich Erlangen, sorgen. Um den Begehren seiner neuerdings auch reformierten Untertanen gerecht zu werden, verfügten S. M. der König am 3. Juli 1816, daß eine soeben freigewordene außerordentliche Professur mit einem Lehrer der reformierten Kirche zu besetzen sei. Zwei Jahre später, am 6. Dezember 1818, wurde der derzeitige Pfarrer an der deutsch-reformierten Gemeinde zu Erlangen mit dieser Professur für Reformierte Theologie betraut: Es war Johann Christian Gottlob Ludwig Krafft. Die Segenswirkungen, die von Kraffts pastoraler- und Lehrtätigkeit [sic!] in Erlangen ausgegangen sind, kann ich hier nicht schildern. Friedrich Julius Stahl erklärte 1846 vor der Generalsynode in Berlin: "Der Mann, der in meinem Vaterland in Bayern die Kirche auferbaute, der apostolischste Mann, der mir in meinem Leben begegnete, Krafft, war ein strenger Bekenner des reformierten Lehrbegriffs. Ob er den Heidelberger Katechismus in der Tasche herumgetragen hat (...), das weiß ich nicht, aber das weiß ich, daß er einen Frühling aufblühen machte im ganzen Lande, dessen Früchte für die Ewigkeit reifen werden." Und wenig später hat Stahl in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 5. Februar 1846 geschrieben: "Krafft - ein wahrhaft apostolischer Charakter - wurde für die lutherische Landeskirche Bayerns jener Sauerteig des Evangeliums, der den ganzen Teig durchsäuert." Er war ein Charismatiker. Kein Geringerer als Wilhelm Löhe, der wiederholt auf Kraffts Kanzel stand und ja auch sein Vikar werden wollte und sollte, schrieb 1836: "Ich verdanke (...) mein geistliches Leben einem reformierten Lehrer, Professor Krafft." Was Krafft für Löhe gewesen ist, kann man aus dessen Briefen entnehmen, aber bedürfte wohl noch einer genaueren Untersuchung. Krafft war übrigens der erste deutsche Professor, der im Wintersemester 1825/26 zum erstenmal ein Kolleg über Missionswissenschaft las. In seinen Bibelstunden fanden sich Gelehrte vom Range eines Karl von Raumer und Friedrich Wilhelm Schelling. Es unterstreicht Kraffts Stellung in Erlangen, daß ihm 1843 die Festpredigt zum 100. Jubiläum der Universität Erlangen, das übrigens mit dem Geburtstag des Königs zusammenfiel, übertragen wurde. Das waren noch Zeiten, daß bei einem solchen Anlaß ausgerechnet der Professor für Reformierte Theologie auf der Neustädter Kanzel erschien. Krafft hatte seinen Lehrstuhl bis zu seinem Tod 1845 innegehabt. Aber nicht der Lehrstuhl, sondern nur der Professor war reformiert gewesen. So reformiert übrigens, daß er lutherische Studenten nicht zu seinem Abendmahl zuließ. Nunmehr war für die Belange der reformierten Pfalz wiederum nicht gesorgt. Was nun in den Jahren 1845 bis 1847 anhob, war der Kampf zwischen der Pfalz, dem lutherischen Oberkonsistorium, dem König und der lutherischen Fakultät in Erlangen um die Errichtung eines unierten Lehrstuhls in Erlangen. Denn genau im Jahre der Ernennung Kraffts war die Pfalz aus ihrem reformierten in den unierten Bekenntnisstand übergetreten. Die Generalsynode der Pfalz in Speyer verlangte schon 1845, daß in Erlangen ein Lehrstuhl errichtet wurde, "der die Doktrinen der pfälzischen Kirche zu vertreten habe". Das lutherische Oberkonsistorium machte sich diesen Beschluß zu eigen und stellte fest, das "durch den Fortschritt der Zeit" hervorgerufene Erfordernis sei die Besetzung der fraglichen Professur mit einem unierten Professor. Die Erlanger Fakultät war sauer. Gottfried Thomasius schrieb nach München, die Fakultät sei statutenmäßig lutherisch, und durch die Mitgliedschaft einer unierten Professur werde sie selbst uniert, und das hieße konfessionslos. Und die Union der Fakultät wäre der Anfang der Union der Landeskirche. Der Senat der Universität schloß sich am 8. März 1846 der Stellungnahme der http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(5 von 16) [15.05.2002 10:17:49] Fakultätan und faßte den folgenden Beschluß: "Wir sind mit unserer theologischen Fakultät der Überzeugung, daß die Ernennung eines o. [sc. ordentlichen] Professors für die unierte Theologie den in fortdauernder Gültigkeit bestehenden Statuten gedachter Fakultät zuwiderlaufen würde. Wir teilen mit ihr die Ansicht, daß eine solche Ernennung nicht bloß höchst bedenkliche Folgen für die Integration und den Bestand der lutherischen Kirche herbeiführen würde, indem in einer solchen Ernennung tatsächlich der Anfang einer Unierung auch der lutherischen Kirche läge, wir nehmen an, daß diese Störungen und Gefahren, wenn auch in geringerem Grade doch noch immer bedeutend genug, selbst alsdann eintreten würden, wenn auch der anzustellende Professor der unierten Theologie nicht Sitz und Stimme in der Fakultät erhielte, ja, wenn selbst nur ein a.o.[sc. außerordentlicher] Professor angestellt würde." Die Fakultät schrieb außerdem noch an das Konsistorium am 17. März 1846: "Es liegt im Wesen der unierten Theologie, daß sie gerade das, was die bestimmte und unterscheidende Eigentümlichkeit sowohl der lutherischen wie der reformierten Konfession ausmacht, negieren muß, um für sich selbst eine Berechtigung zu gewinnen; nur auf der Negation dieser Eigentümlichkeit kann sie sich erbauen." Das lutherische Oberkonsistorium nahm diese Auslassungen des Senats und der Fakultät äußerst übel. Im Antwortschreiben wird der Begriff "lutherische Kirche" als "Merkmal des Partikularismus" bezeichnet. Der Vorschlag des Oberkonsistoriums an den König war konzilianter, und es wird der statutenmäßige Konfessionsstand der lutherischen Fakultät zu Erlangen erwähnt und der Kompromiß vorgeschlagen, daß die Professur mit einem Mann zu besetzen sei, "der der unierten Kirche angehörte, nach seinen früheren Verhältnissen oder nach seiner jetzigen Richtung dem Bekenntnis der reformierten Kirche zugetan wäre". In einem weiteren Schreiben der Fakultät an den König wird "Ew. Majestät" daran erinnert, daß er selbst wiederholt ausgesprochen habe, daß er "wie dem Unglauben so der Bekenntnislosigkeit in der Kirche abhold sei". S. M. möge also, so schreibt die Fakultät, dem Antrag des lutherischen Oberkonsistoriums die Genehmigung versagen. Dieses Schriftstück ist von Thomasius, Kaiser, Höfling und von Hofmann persönlich unterschrieben worden. Der König war in einer schwierigen Lage. Die Pfalz drängte auf die unierte Professur, die Erlanger lehnten einen unierten Theologen kategorisch ab, das lutherische Oberkonsistorium tendierte im Grunde auf einen Reformierten, um sowohl die Pfalz wie die Erlanger zu befrieden. Und so kam es dann zur Gründung dieses Lehrstuhls. In einem Autoritätsakt gegenüber der Erlanger Fakultät und der Pfälzischen Kirche verfügte der König die Errichtung eines Lehrstuhls für Reformierte Theologie an der Universität Erlangen. Er nahm Rücksicht auf seine Untertanen in der Pfalz, indem er einen ordentlichen Lehrstuhl etablierte, er nahm Rücksicht auf die Einwände der Erlanger Fakultät, indem er keinen unierten, sondern einen Professor für Reformierte Theologie ernannte und dessen Professur aus konfessionellen Gründen seiner fränkischen Untertanen extra facultatem errichtete. Daß die unierte Pfalz durch den König einen Lehrstuhl für Reformierte Theologie erhielt, erklärt sich vor allem aus dem rigorosen Widerstand der Erlanger Fakultät gegen die Union, die ihr konfessionslos erschien. Was ist nun aus diesem Lehrstuhl extra facultatem in den 123 Jahren eigentlich geworden? Erlauben Sie mir, daß ich meine hochverehrten Vorgänger ganz kurz Revue passieren lasse. Zuvor darf ich noch erwähnen, daß die Pfalz über diesen Lehrstuhl hinaus noch weitere Forderungen stellte. Am 7. September 1852 verlangte sie die Errichtung einer uniert-reformierten Fakultät zu Erlangen. Am 28. Februar 1853 stellte sie die Forderung, daß der Professor für Reformierte Theologie zu Erlangen das Recht erhalten solle, jährlich eine Ehrenpromotion vornehmen zu dürfen. Aus diesen Anträgen wurde nichts, statt dessen waren die Professoren für Reformierte Theologie auf sich selbst gestellt. Sie nahmen an keiner Fakultätssitzung teil, wohl aber wirkten sie im Senat mit. Der erste Professor für Reformierte Theologie war Johann Heinrich August Ebrard. Was soll man über ihn sagen? Er hat mehr als hundert Bücher geschrieben, und ich gestehe, daß ich sie nicht alle gelesen habe. Ebrard, im französisch-reformierten Pfarrhaus am Bahnhofsplatz 2 geboren und gestorben, war ein unwahrscheinlich dynamischer Charakter, ein Mann, der alles wußte und alles kannte, der in der Theologie jedes Gebiet beherrschte und in jedem Gebiet auch mehrere Monographien veröffentlichte, der hunderte von Aufsätzen, Essays und andere Veröffentlichungen herausgab, Bücher schrieb wieSystem der musikalischen Akustik(1866),Untersuchungen über das Wesen des Lichts und der Farben(1873), ein Handbuch der mittelgälischen Sprache(1870), dazu eine Fülle von Romanen, die er teilweise innerhalb von 3 bis 4 Tagen bis zu einem Umfang von mehreren 100 Seiten druckfertig zu Papier brachte. Ebrard http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(6 von 16) [15.05.2002 10:17:49] warvon einer faszinierenden Genialität und Vielseitigkeit. Der Lehrstuhl für Reformierte Theologie wurde mit einem glänzenden Genie eröffnet, aber die Glanzperiode dauerte nicht lange, da Ebrard bereits im Alter von 35 Jahren den Lehrstuhl wieder verließ, um einer Berufung an das Konsistorium in Speyer zu folgen. Ebrards Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Reformierte Theologie in Erlangen wurde Johann Jakob Herzog. Dieser Schweizer, aus Basel stammende Gelehrte war ein Wissenschaftler von enzyklopädischem Ausmaß. Von 1854 bis 1877 ist er Professor für Reformierte Theologie in Erlangen gewesen. Sein Name ist unauflöslich verbunden mit derRealenzyklopädie für Protestantische Theologie und Kirche,jenem großen Werk, das er gründete. Herzog hat auf dem Lehrstuhl in einem Ein-Mann-Betrieb bis 1866 21 Bände der RE in 12 Jahren herausgegeben, und er selbst hat für diese 1. Auflage nicht weniger als 529 Aufsätze zum Teil umfangreichen Ausmaßes geschrieben. Das war ein Fachidiot besonderer Qualität, der auch noch die 2. Auflage der RE besorgte, die aber infolge seines Todes an Albert Hauck übergeben werden mußte. Aber noch die 3. Auflage ist wegen der Verbindung mit dem Lehrstuhl für Reformierte Theologie bei Junge & Sohn in Erlangen gedruckt worden. Herzogs Nachfolger wurde Anton Emil Friedrich Sieffert. Die Neutestamentler kennen vielleicht seinen Namen. Er hat in Meyers Kommentar zum NT die 6. bis 9. Auflage desGalaterbriefesbesorgt. Gewiß war er vorwiegend Neutestamentler, aber er hat sich in eminentem Maße um die Erforschung der reformierten Theologie, insbesondere Calvins, bemüht. Sein Verdienst war besonders die Gründung des Seminars für Reformierte Theologie im Jahre 1866. Die große Schätzung, die man Sieffert entgegenbrachte, war seine Wahl zum Prorektor Magnificus (der Rektor war ja der König) im Jahre 1888. Am 4. November 1888 hielt er seine RektoratsredeÜber den sozialen Gegensatz im Neuen Testament. Siefferts große Hinterlassenschaft als Rektor der Erlanger Universität ist das Kollegiengebäude an der Universitätsstraße, das er als Rektor hat bauen lassen, aber nicht mehr selbst hat einweihen können, da er 1889 einem Ruf nach Bonn folgte. Siefferts Nachfolger war der junge Schweizer Theologe Johann Martin Usteri, ein Mann, der sich in seiner Schweizer Heimat durch seine neutestamentlichen und kirchengeschichtlichen Arbeiten einen großen Namen gemacht hatte. Aber es war ihm verwehrt, die große Tradition des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in Erlangen fortzusetzen. Er kam am 27. September 1889 in Erlangen an, er konnte das Wintersemester 1889/90 noch lesen, dann erkrankte er, suchte in den Semesterferien bei seinem Freund Christoph Friedrich Blumhardt d.J.in Bad Boll Heilung und starb am 4. Juni 1890, also in seinem 2. Semester, an einer eitrigen Rippenfellentzündung und Herzlähmung im Alter von erst 42 Jahren. Die glücklichste Zeit in seiner Geschichte erlebte der Lehrstuhl unter Usteris Nachfolger Ernst Friedrich Karl Müller. Um Müllers Wirken auf dem Lehrstuhl angemessen zu beschreiben, müßte man belletristische Fähigkeiten haben. Müller war ursprünglich Lutheraner, der sich aber, da im Anhaltischen geboren und aufgewachsen, alsbald der reformierten Konfession zuwandte. Er war hochbegabt und erwies sich sehr durch seine wissenschaftlichen Leistungen zum akademischen Lehramt befähigt. Im Alter von 29 Jahren wurde er auf den Lehrstuhl in Erlangen berufen. Müller hat den Lehrstuhl 43 Jahre innegehabt, und er hat in dieser Zeit in seinen Vorlesungen und Seminaren nahezu das gesamte Gebiet der theologischen Disziplin bestritten mit dem Schwergewicht auf der Neutestamentlichen und Systematischen Theologie. Er war zudem ein fleißiger theologischer Schriftsteller. Ich habe seine Werke nicht gezählt. Die von seinem Schwiegersohn Matthias Simon anläßlich des 70. Geburtstages zusammengestellte Bibliographie umfaßt 15 Druckseiten. Große Wirkungen sind von seinem Engagement in der reformierten Kirche ausgegangen. Er war Schriftleiter derReformierten Kirchenzeitung,1898 übernahm er neben der Professur das Pfarramt der deutsch-reformierten Gemeinde, 1902/03 wurde er Rektor der Universität und im Jahre 1906 zum Präses der Ev.-ref.Kirche in Bayern gewählt, ein Amt, das er bis kurz vor seinem Tod innehatte. In den über 40 Jahren seiner Erlanger Tätigkeit ist Ka-Em, wie er überall genannt wurde, zu einer fast legendären Gestalt geworden. Er war das Original eines zerstreuten Professors, dazu voller Schabernack und Humor. Aus dem reformierten Konvikt, das er in seinem eigenen Haus einrichtete, sind die tollsten Anekdoten von ihm und seinen Studenten überliefert. Legendär war auch der tägliche Spaziergang zum Rathsberg, der bei jedem Wetter stattfand und an dem ihn keine andere Verpflichtung hindern konnte. Später hat sich Paul Althaus an diesem Spaziergang beteiligt. Althaus hat http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(7 von 16) [15.05.2002 10:17:49] mirselbst noch eine Reihe von lustigen Begebenheiten und Streichen, die die beiden vollführten, erzählt. Mit Müllers Tod im Jahre 1935 ist die große Tradition des Lehrstuhls zu Ende gegangen. Daß der Lehrstuhl in den letzten 35 Jahren etwas in den Schatten trat, hat verschiedene Gründe. Einmal waren die Zeitumstände ungünstig. Es war die Nazi-, Kriegs- und Nachkriegszeit. Dann kam es durch das Wirken von Werner Elert, Paul Althaus und anderen zu einer neuen Blüte der lutherischen Fakultät, und schließlich war meinen beiden Vorgängern Paul Sprenger und Jan Weerda nicht die Strahlungskraft ihrer Vorgänger gegeben, um hier eine konkurrierende Alternative anzubieten. Im Jahre 1945 entstand eine neue Situation, die eine ernsthafte Gefährdung des Lehrstuhls brachte. Einmal war er in diesem Jahr durch Sprengers Tod vakant geworden, zum anderen erfolgte durch die französische Zonengrenze die Abtrennung der Pfalz vom rechtsrheinischen Bayern. Damit hatte der Lehrstuhl seine eigentliche Basis verloren, zudem sich die Pfalz wegen ihrer unierten Konfession und durch die Gründung der Universität Mainz uninteressiert an der Wiederbesetzung zeigte. Daß der Lehrstuhl damals nicht in die lutherische Fakultät umfunktioniert wurde, ist der Loyalität des Landeskirchenrates und der Fakultät zu danken. Daß er überhaupt 1949 wiederbesetzt wurde, ist auch dem geheimen Alleinvertretungsanspruch des Freistaates Bayern auf die verlorene Rheinpfalz zuzuschreiben, von dem man damals wohl noch nicht ganz frei war. Die letzten fünf Jahre des Lehrstuhls haben Sie selbst miterlebt. Ich kann und will nicht in eigener Sache reden. Wenn auch der Landeskirchenrat größten Wert darauf gelegt und seine Zustimmung zur Integration davon abhängig gemacht hat, daß der Lehrstuhl die Bezeichnung "Reformierte Theologie" behält, so muß ich Ihnen gestehen, daß ich als Inhaber dieses Lehrfachs "Reformierte Theologie" selbst nicht ganz genau weiß, was das eigentlich ist. Gewiß versuche ich die Tradition der reformierten Theologie und Kirche von Ulrich Zwingli bis Karl Barth zu pflegen, nicht in kontradiktorischer, sondern in komplementärer Manier zur lutherischen Tradition in Erlangen. Aber z.B.die Zumutung, Qumran-Texte nach reformierten Kriterien zu interpretieren, würde mich in nicht geringe hermeneutische Schwierigkeiten bringen. Einen Lehrstuhl für Reformierte Theologie extra facultatem kann es nicht nur aus konfessionellen, sondern auch aus wissenschaftlich-theologischen Gründen heute nicht mehr geben. Ich bin dankbar dafür, daß alle beteiligten Institutionen aus dieser Einsicht die Konsequenzen gezogen haben und sich der Lehrstuhl innerhalb der Fakultät befindet. Ich verstehe meine zukünftige Aufgabe kooperativ, insbesondere als Zusammenarbeit mit den historischen und systematischen Disziplinen. Ich danke der Fakultät für den Lehrauftrag zur Ethik, besonders zur politischen Ethik. Ich sehe das nicht als eine Änderung, sondern als eine Erweiterung meines Lehrauftrags an. Auch die reformierte Tradition hat auf diesem Gebiet schon einiges geleistet, das in die neue Problematik unserer theologischen und kirchlichen Situation heute fruchtbar eingebracht werden könnte und sollte. So habe ich eigentlich nur noch zu danken, zunächst für das große Vertrauen, das mir Kollegen, Mitarbeiter und Studenten entgegengebracht haben, vor allem aber gilt mein besonderer Dank der Theologischen Fakultät, insbesondere ihren letzten Dekanen, die die heute vollzogene Integration des Lehrstuhls für Reformierte Theologie initiiert und schließlich durchgesetzt haben. 6.4. Matthias Freudenberg Katholischer König und reformierter Lehrstuhl. Vor 150 Jahren Gründung des Lehrstuhls für Reformierte Theologie in Erlangen Ein besonderes Jubiläum begeht in diesem Sommer eine Einrichtung, die von Anfang an in einer engen Verbindung mit der reformierten Kirche steht: Der Erlanger Lehrstuhl für Reformierte Theologie wird 150 Jahre alt. Genau genommen wird sogar schon seit beinahe 180 Jahren in der Hugenottenstadt http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(8 von 16) [15.05.2002 10:17:49] reformierteTheologie gelehrt. Denn seit der Berufung des reformierten Pfarrers Christian Krafft 1818 ist dieses Fach an der Friedrich-Alexander-Universität vertreten. Krafft hatte allerdings nur einen außerordentlichen lutherischen Lehrstuhl an der Fakultät inne, der nach seinem Tod 1845 wieder verwaist war. Es war ein weiter und schwieriger Weg, bis 1847 durch den Beschluß des katholischen bayerischen Königs Ludwig I. ein eigener reformierter Lehrstuhl - übrigens der erste in Deutschland - gegründet werden konnte. Der Text des königlichen Erlasses, datiert auf den 14. Juli 1847, lautet in Auszügen: "Seine Majestaet der König haben allergnädigst zu beschließen geruht: Erstens, daß, insolange Allerhöchstdieselben nicht anders verfügen, an der königlichen Universität Erlangen ein ordentlicher Professor der Theologie extra facultatem, reformirten Glaubens-Bekenntnißes mit besonderer Rücksichtnahme auf die vereinigten Protestanten der Pfalz angestellt [werde], und zum Behufe der Besetzung dieses Lehrstuhls zweitens mit dem dermaligen Professor der Theologie zu Zürich, Dr. Ebrard, Unterhandlungen einzuleiten seyen." Dem Erlaß ging ein längeres Hin und Her voraus zwischen der lutherischen Fakultät, die sich gegen einen reformierten und erst recht gegen einen unierten Lehrstuhl aussprach, der pfälzischen Kirche, die inzwischen einen unierten Professor wünschte, und dem Oberkonsistorium in München. Doch nun, nachdem der König die entscheidende Unterschrift unter den Erlaß gesetzt hatte, war es möglich, den reformierten Pfarrernachwuchs der Rheinpfalz und auch West- und Norddeutschlands auszubilden. Als Kuriosum sei vermerkt, daß der pfälzischen Kirche die Bezeichnung "reformierten Bekenntnisses" vom Oberkonsistorium zunächst verschwiegen wurde, was natürlich zu erheblichen Irritationen führen mußte. Ein Unikum in der deutschen Universitätsgeschichte war dieser Lehrstuhl insofern, als er ausdrücklich nur außerhalbder lutherischen Fakultät, also extra facultatem, errichtet werden durfte. Das bedeutete für den Lehrstuhlinhaber, daß er praktisch alle theologischen Fächer, angefangen von der Bibelwissenschaft bis hin zur Praktischen Theologie, mit seiner Person zu vertreten hatte. Diese singuläre Konstruktion war die natürliche Folge sowohl der streng lutherischen Fakultätsstatuten von 1743 als auch des ausgeprägten neulutherischen konfessionellen Bewußtseins im 19. Jahrhundert. Angefangen vom Pionier der akademischen reformierten Theologie in Franken Johann Heinrich August Ebrard (1847-1853) bis zum derzeitigen Lehrstuhlinhaber Alasdair Heron waren insgesamt neun Professoren in diesem Fach tätig. Der heute nahezu vergessene Ebrard gilt neben seiner Lehrtätigkeit übrigens auch als Vater der reformierten Publizistik. Denn einerseits ist er der Verfasser einer immensen Bandbreite von literarischen Werken, die von einer zweibändigen "Christliche(n) Dogmatik" über eine reformierte Liturgik bis hin zu populären Novellen, historischen Dramen, Romanen, einer Farbenlehre und einem Reiseführer "Fränkische Schweiz" reicht. Und andererseits ist mit dem Namen Ebrard die Gründung der Reformierten Kirchenzeitung 1851 verbunden, deren erster Schriftleiter er war. Vier Seiten wöchentlich erhielten die zunächst nur 330 Abonnenten für den Preis von einem Taler pro Jahr. Ebrards Nachfolger in der reformierten Publizistik sind bis 1918 immer wieder bayerische reformierte Pfarrer gewesen, wie auch der Verlagsort der Reformierten Kirchenzeitung bis 1877 Erlangen war. Damals hatte sich die Reformierte Kirchenzeitung die bis heute gültige Aufgabe gesetzt, aus dem Reformiertentum zu berichten, Beiträge zur kirchlichen Diskussion zu liefern und darin ein Einheitsband der verstreuten Reformierten zu sein. Wörtlich heißt es in der ersten Nummer: Es fehle "an einem Organ, das (...) das Recht Jesu Christi in der Kirche" vertrete. Und weiter ist zu lesen: "Praktisch und mit der Tat wollen wir das reformierte Kirchentum (...) stärken, erhalten, verteidigen gegen die Anläufe des Fürsten der Finsternis und gegen den hochmütigen Trotz menschlicher Religions- und Kirchenmacherei (...)." Zum zentralen Thema der Zeitung erklärte Ebrard die Selbstvergewisserung der reformierten Kirche. Darunter verstand er weniger eine wissenschaftlich durchgeführte Kirchenkunde als vielmehr die praktische Bekundung reformierten Selbstbewußtseins inmitten des dominierenden deutschen Luthertums. Auch kirchenpolitisch stand Ebrard - nach seiner Professur u.a.als Pfarrer der französisch-reformierten Gemeinde Gemeinde Erlangen - in der Verantwortung. So gehörte er im Zwinglijahr 1884 zu den treibenden Kräften bei der Gründung des Reformierten Bundes in Marburg. Zu seiner Zeit kaum weniger bekannt als Ebrard ist dessen Nachfolger Johann Jakob Herzog (1854-1877) gewesen. Er war der Begründer und Herausgeber der Realenzyklopädie für Protestantische Theologie und Kirche (RE), die damals als das bedeutendste Lexikon evangelischer Theologie galt. Die bislang längste Zeit im Amt verbrachte Ernst Friedrich Karl Müller, der von 1892 bis zu seinem Tod 1935 http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(9 von 16) [15.05.2002 10:17:49] inErlangen lehrte. Müller, der um die Jahrhundertwende weithin als Nestor der deutschen Reformierten geachtet war, gab wesentliche Impulse für die erneute Besinnung auf Calvin und die reformierten Bekenntnisschriften. Er leitete damit eine unschätzbare Arbeit ein, die heute gezielt wieder aufgegriffen und in Form der Calvin-Studienausgabe sowie der geplanten neuen kritischen Sammlung der Bekenntnisschriften betrieben wird. Müller wird ein immenser Arbeitsfleiß nachgesagt. So bekleidete er von 1898 bis 1911 neben seinem Lehramt noch das Erlanger reformierte Pfarramt und war zudem von 1906 bis 1935 Präses der Ev.-ref.Kirche in Bayern. Übrigens machte Karl Barth 1921 bei Müller einen denkwürdigen Besuch. Einem zuverlässigen Bericht zufolge soll Barth mit losen Schnürsenkeln und geöffnetem Regenschirm bei herrlichem Sonnenschein zu Müllers Haus gezogen sein. Von Müller, der ihn zuvor für die Göttinger reformierte Professur ins Gespräch gebracht hatte, versuchte er zu erfahren, wie man an einer lutherischen Fakultät reformierte Theologie betreiben könne. Die akademischen Anfänge des Verfassers der Kirchlichen Dogmatik sind somit eng mit Müller und Erlangen verbunden (vgl. RKZ 137 [1996], 540-542). Zu den problematischen Kapiteln des Lehrstuhls, die nicht verschwiegen werden dürfen, gehört indes das Wirken von Müllers Nachfolger Paul Sprenger (1935-1945).Er war als einziger Erlanger Theologieprofessor aktiver Parteigenosse der NSDAP und soll aus seiner politischen Gesinnung keinen Hehl gemacht haben. Wenn auch die Diskussion über die Rolle der Erlanger Theologen im Nationalsozialismus - insbesondere die von Althaus und Elert - noch nicht abgeschlossen ist, so läßt sich doch dies festhalten: Der Fall Sprenger wirft einen dunkeln Schatten auf die Geschichte der Reformierten, die leider nur in Teilen identisch ist mit der Geschichte der Bekennenden Kirche. Da Sprenger 1945 starb, war weder die Kirche noch die Universität vor die Frage der Weiterbeschäftigung des politisch belasteten Lehrstuhlinhabers gestellt. Die politische Situation nach 1945 und die Abtrennung der Rheinpfalz von Bayern lösten den engen Zusammenhang zwischen der Pfälzer Kirche und der Universität Erlangen weitgehend auf. Daß es dennoch gelang, den Lehrstuhl zu erhalten, ist vor allem dem Einsatz der Ev.-ref.Kirche in Bayern und des Reformierten Bundes zu verdanken. Was im 19. Jahrhundert noch undenkbar erschien, gelang schließlich 1970: Der Lehrstuhl wurde in die Fakultät als Bestandteil des Instituts für Systematische Theologie eingegliedert. Dieser Vorgang steht in unlösbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Leuenberger Konkordie reformatorischer Kirchen (1973). Es ist besonders das Verdienst des früh verstorbenen Lehrstuhlinhabers Joachim Staedtke (1965-1979), daß diese lutherisch-reformierte Kirchengemeinschaft Kirchengemeinschaft begründet wurde. Staedtke selbst brachte den Begriff "Konkordie" im ursprünglichen Sinne von "Übereinstimmung" bzw. "Im-Einklang-Stehen" in die Diskussion ein und machte ihn auch im Luthertum als geeigneten Terminus plausibel. Seit der Eingliederung des Lehrstuhls in die Fakultät besteht ein entspanntes und fruchtbares Miteinander von lutherischer und reformierter Theologie, wozu freilich auch die Nivellierung des konfessionellen Bewußtseins im deutschen Protestantismus beiträgt. Die im Verlauf von 150 Jahren veränderte politische und kirchliche Situation bringt neue Aufgaben für den Lehrstuhl mit sich. Wie schon in den Anfängen, bietet seine Existenz als "Orchideenfach" eine gute Ergänzung zur lutherischen Theologie an der Fakultät. Auf diese Weise soll auf die Vielfalt des Protestantismus in seiner Einheit aufmerksam gemacht werden. Heute besuchen reformierte, unierte und lutherische Studierende gleichermaßen die Lehrveranstaltungen des Lehrstuhls und lassen sich in die Geschichte und Lehre des reformierten Zweiges der Reformation einführen. Für die gelungene Integration des Lehrstuhls in die lutherische Fakultät sprechen weiter zwei Tatsachen, die noch vor einigen Jahrzehnten undenkbar erschienen: Zum einen ist es heute selbstverständliche Praxis, daß der Lehrstuhlinhaber zu Universitätsgottesdiensten gebeten wird und gemeinsam mit seinen lutherischen Kollegen das Abendmahl austeilt. Und zum anderen ist der Lehrstuhlinhaber seit einigen Jahren als Prüfer beim landeskirchlichen Examen für lutherische Studierende zugelassen. Bekanntermaßen dienen Jubiläen in erster Linie denen, die sich durch sie zu einer Besinnung auf die gegenwärtigen Herausforderungen anregen lassen. Darum wird am Erlanger Lehrstuhl nicht nur auf die Vergangenheit geblickt, sondern mit Nachdruck auch die Frage nach der gegenwärtigen Aufgabe und der Zukunft der reformierten Theologie im Pluralismus der Konfessionen und Weltanschauungen erörtert. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(10 von 16) [15.05.2002 10:17:49] Diesgeschieht in vielfältiger Weise im Dialog mit den Kirchen und Gemeinden. So ist überhaupt festzustellen, daß der Lehrstuhl ganz im Sinne der calvinischen Ämterlehre bis heute durch eine bewußte Nähe zur gemeindlichen Praxis besonders der Ev.-ref.Kirche in Bayern geprägt ist. Ferner ist der Lehrstuhl in den letzten Jahren zunehmend eine Anlaufstelle für ausländische Studierende und Doktoranden aus reformierten Kirchen Südosteuropas, Großbritanniens, der USA und Südkoreas geworden. Die derzeitigen Forschungsschwerpunkte am Lehrstuhl sind die Geschichte und Lehre der reformierten Kirchen, das Werk Calvins und Barths, die ökumenischen Dialoge und die angelsächsische Theologie. Schwerpunkte der Seminarbibliothek sind neben einer umfangreichen Mikrofiche-Sammlung von von Quellentexten des 17. und 18. Jahrhunderts die reformierten Theologen Calvin, Zwingli und Barth sowie Werke zum deutschen, angelsächsischen und holländischen Calvinismus. Erlanger Fakultät und reformierter Lehrstuhl haben das Jubiläum mit zwei Festvorträgen begangen. Der Generalsekretär des Reformierten Weltbundes Milan Opocenský hat zum Thema "Karl Barth in der neueren tschechischen Theologie" gesprochen. Und der Wiener Systematiker Ulrich Körtner hat für Reformierte und Lutheraner gleichermaßen bedenkenswerte Perspektiven zum Thema "Calvinismus und Moderne" eröffnet. Ein Festgottesdienst in der Erlanger Hugenottenkirche dokumentierte zudem die enge Verbundenheit von Lehrstuhl und reformierter Gemeinde. 6.5. Matthias Freudenberg Bibliographie zur Geschichte des Lehrstuhls und zu seinen Inhabern 1. Allgemeines Beyschlag, Karlmann:Die Erlanger Theologie, Erlangen 1993. Biundo, Georg:Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der Reformation, hg. v. H.F.Friederichs, Neustadt/Aisch 1968. Biundo, Georg:Die pfälzische Unionskirche, ihre Entstehung und Geschichte bis 1920, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 49 (1982), 27-44. Bonkhoff, Bernhard H.:Geschichte der Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz 1818-1861, München 1986. 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Matthias Freudenberg Biographisches Nachwort zu Karl Eduard Haas (1913-1991) Der Der Verfasser der Geschichte des Erlanger Lehrstuhls für Reformierte Theologie sowie einer umfassenden Geschichte der Ev.-ref.Kirche in Bayern wurde am 14. Mai 1913 in Nürnberg geboren. Nach dem Abitur im Melanchthongymnasium Nürnberg am 1. April 1933 studierte Haas in Erlangen http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(15 von 16) [15.05.2002 10:17:49] (1933-1935), Göttingen (1935/36 und 1936/37) und Rostock (1936) evangelische Theologie. Seine Examina (1. Examen 1937, 2. Examen 1940) legte er in Detmold ab. Vikar war er in Göttingen (1937/38), wo wo er auch als Senior das Reformierte Studienhaus betreute, in Schlangen/Lippe (1938/39) sowie in Nürnberg und Schwabach (1939/40).Im Anschluß an seine Ordination am 28. Januar 1940 in der Ev.-ref. Gemeinde Nürnberg arbeitete er von 1940 bis 1953 als Pfarrer in der Ev.-ref.Gemeinde Marienheim/ Neuburg a.d.Donau. Seine Amtszeit war vom Kriegsdienst als Sanitäter u.a.in der Ukraine und in Jugoslawien (Dezember 1940 bis Juli 1945) sowie vom Dienst als Lagerpfarrer in Siershahn/ Westerwald (Juli bis September 1945) unterbrochen. Nach 1945 widmete sich Haas in seiner Gemeinde besonders der Wiederherstellung von Kirche und Pfarrhaus und der Flüchtlingsseelsorge an verstreuten Gruppen reformierter Batschkadeutscher. Vom 1. Juli 1953 bis zu seinem Ruhestand am 1. November 1980 wirkte er als Pfarrer in der Ev.-ref.Gemeinde Erlangen. Besondere Akzente setzte der langjährige Erlanger Pfarrer als Mitbegründer des Vereins Wohnstift Rathsberg (1964) sowie in der Gründung und Leitung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Erlangen. Über Erlangen hinaus wurde Haas bekannt durch seine kirchen- und lokalgeschichtlichen Arbeiten. Er hat sich großes Ansehen als Prediger und Seelsorger der Ev.-ref. Gemeinde Erlangen und als bedeutender Chronist der Reformierten in Deutschland erworben. Am 19. September 1991 verstarb Haas in Bubenreuth. http://www.uni-erlangen.de/docs/FAU/fakultaet/theol/lsrt/lehrstuhlgeschichte/haas109.htm(16 von 16) [15.05.2002 10:17:49]