HUGENOTTEN 65. Jahrgang Nr. 3 / 2001 66 Titelbild: Die French Church in Canterbury, in der Krypta der Kathedrale von Canterbury (Graphik aus dem Jahre 1885). Inhaltsverzeichnis Hugenottische Ahnenforschung in England von Michael Gandy......................................................................................................... S. 67 www.Hugenottenim Internet (4).................................................................................. S. 80 Knopfmacherhandwerk im Deutschen Hugenotten-Museum von von Mary Gundlach......................................................................................................... S. 81 Der Genfer Psalter in seiner Zeit von Henning P. Jürgens ................................................................................................ S. 82 Buchbesprechungen....................................................................................................... S. 85 Neue Bücher und Aufsätze ............................................................................................ S. 90 Hugenottische Forschungsstätten (7) Die Waldenserbibliothek von Rosemarie Weber.................................................................................................... S. 93 Kurzmeldungen ............................................................................................................... S. 98 Genealogische Suchanfragen..................................................................................... S. 102 Anschriften der Verfasser Prof. Prof. H. c. Dr. Karl Dienst, Pfungstädter Str. 78, 64297 Darmstadt-Eberstadt. Andreas Flick, Hannoversche Str. 61, 29221 Celle Michael Gandy, 3 Church Crescent, Whetstone, London N20 0JR, Großbritannien Mary Gundlach, Winnefelder Str. 1, 34385 Bad Karlshafen Henning P. Jürgens, c/ o Johannes a Lasco Bibliothek, Kirchstr. 22, 26721 Emden Rosemarie Weber c/ o Henri-Arnaud-Haus, Henri-Arnaud-Str.27, 75443 Ötisheim-Schönenberg Dieser Ausgabe von HUGENOTTEN ist ein Verlagsverzeichnis der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft beigefügt. Bis zum 31.12.01 gelten die DM-Preise. Haben Sie sich schon zum 42. Deutschen Hugenottentag in Neu-Isenburg (19. (19. bis 21. Oktober 2001) angemeldet? (Vgl. hierzu S. 103) Die Zeitschrift HUGENOTTEN (DER DEUTSCHE HUGENOTT) wird herausgegeben von der Deutschen Hugenotten- Gesellschaft e. V., Hafenplatz 9a, 34385 Bad Karlshafen. Tel. 05672- 1433. Fax: 05672- 925072. E- mail: Refce@t- online. de. HUGENOTTEN erscheint als Mitgliederzeitschrift vierteljährlich. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag von derzeit DM 60,– enthalten. Einzelheft 8,00 DM, Auflage: 1500. Schriftleitung: Andreas Flick, Hannoversche Str. 61, 29221 Celle (presserechtlich verantwortlich). Für den Inhalt der einzelnen Beiträge sind die Autoren verantwortlich. ISSN 0340- 3718. Konto: Kasseler Sparkasse (BLZ 520 503 53) Nr. 118 060 521 67 Hugenottische Ahnenforschung in England von Michael Gandy * Von den ca. 40.000 bis 50.000 Hugenotten, die in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts nach England kamen, siedelten sich ungefähr 40.000 in Lon-don und die Übrigen in den Städten im Südosten an. Etliche, vielleicht einige Tausend, ließen sich in Devon und Bristol nieder. Jedoch kam es zu keiner Ansiedlung in den Midlands, in Nordengland, Wales oder Schottland (natürlich dürften einige ihrer Nachkommen später aus anderen Gründen dorthin gezogen sein). Nach 1681 ging eine Anzahl Hugenotten nach Irland. Da sie sich dort jedoch unsicher fühlten, übersiedelten viele von ihnen um 1687 nach England. Nach der Niederlage von James II. ließen sich die Glaubensflüchtlinge jedoch gerne in Irland nieder. Es entstanden Gemeinden in Dublin und in einigen größeren irischen Städten. Leinenwe-ber wurden ermuntert, sich in Ulster anzusiedeln und nach dem Frieden von Rijswijk im Jahre 1697 erhielt eine Anzahl von in den Ruhestand ver-setzten Offizieren Pensionen und Land bei Portarlington. Die Siedler in Ulster verschmolzen bald mit den Presbyterianern und die an anderen * * Die Übersetzung wurde von Jutta Bauer und Andreas Flick erstellt. Orte mit Hugenottengemeinden im Jahre 1700. 68 Orten angesiedelten Gruppen wurden bald in die Gemeinden der Church of Ireland integriert. Als die französischsprachige Generation ausgestorben war, ließ sich die Generation der Enkel kaum mehr von ihren nichthugenot-tischen protestantischen Nachbarn unterscheiden. Die Hugenotten, die sich in Ulster ansiedelten, sind sehr schwer zurückzu-verfolgen, da für die Zeit vor 1794 fast die gesamten Ahnenreihen in Ulster nicht leicht zu bestimmen sind. Diejenigen, die sich nach Westengland begaben, hinterließen nur wenig an individuellen Aufzeichnungen. Man muss davon ausgehen, dass sie sich größtenteils frühzeitig den anglikanischen Kirchen anschlossen, so dass ihre Familien auf dieselbe Weise dokumentiert sind wie jede andere Familie in dieser Gegend. In London siedelten sich die besser betuchten Hugenotten in Westminster an, anfangs zum Großteil in der Parochie von St. Anne in Soho. Auch sie waren sehr willkommen und wurden schnell integriert. Ärmere Hugenotten, die sich überwiegend als Weber betätigten, ließen sich in den östlichen Gebieten von Spitalfields und Bethnal Green nieder, die damals Dörfer im Pfarrbezirk von Stepney waren. Später jedoch bildeten sie eigenständige Kirchengemeinden. Die Hugenotten im West End akzeptierten die protes-tantische Gottesdienstordnung der Church of England und einige ihrer Ge-meinden benutzten eine französische Übersetzung des englischen Ge-betsbuches (Book of Common Prayer). Der Großteil der Hugenotten des East End verblieb dagegen bei den calvinistischen Gottesdienstformen. Als sie sich der englischen Lebensart stärker anglichen, wurden einige von ihnen Methodisten oder Presbyterianer, während aus anderen gewöhnliche anglikanische Nicht- Kirchgänger der Arbeiterklasse wurden. Deren Taufen usw. sind in denselben Dokumenten zu finden wie die der anderen Bewoh-ner. Dieses Muster der Immigration, Abgrenzung und Integration entspricht der üblichen Regel bei Ausländern, die in ein neues Land kommen. In der drit-ten, der Enkelgeneration waren sie kaum mehr von ihren Nachbarn zu unterscheiden und von diesem Zeitpunkt an bestand das Unterschei-dungsmerkmal allein im Nachnamen oder der Überlieferung, dass sie mütterlicherseits hugenottisches Blut hätten. Als Genealogen verfolgen wir die Familien auf dieselbe Art und Weise zurück wie jede andere. Und wenn wir das späte 17. Jahrhundert erreichen, finden wir sie in den typischen Hugenottengebieten und in den typischen Berufen beschäftigt. Es existieren zahlreiche, sehr detaillierte hugenottische Aufzeichnungen für die frühen Jahre nach der großen Immigration der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts, aber für die Zeit nach ca. 1780, als die echten Hugenotten 69 verstorben waren und ihre Nachfahren als Engländer galten, ist kaum etwas verfügbar. Als die ersten Flüchtlinge in London ankamen, fanden sie zwei französisch-sprachige Kirchen vor. Die French Church of London in der Threadneedle Street, in der City of London, war die älteste und bedeutendste. Die French Church of the Savoy in Westminster zog viele wohlhabendere und einfluss-reichere Hugenotten an, die sich in dieser Gegend niederließen. Unglückli-cherweise sind die frühesten Aufzeichnungen der Savoy- Kirche nicht er-halten geblieben, so dass vieles über die ersten Einwanderer in West-minster sich unserer Kenntnis entzieht. French Church of London in der Threadneedle Street. Innerhalb weniger Jahre wurde jedoch eine Anzahl neuer Gotteshäuser errichtet. Um 1700 gab es 14 Kirchen in Westminster: Des Grecs, Savoy, Le Carré, Swallow Street, Hungerford Market, Spring Gardens, West Street, L’Ancienne Patente, La Patente (Soho), Milk Alley, St. James, Leicester Fields, St. Martin’s Lane, „the Church near the Greek church“. In Spitalfield befanden sich zwölf Kirchen: St. Jean, l’Hopital, La Patente, Artillery, Crispin Street, Quaker Street, Pearl Street, Wheeler Street, Du Marché. 70 Die heutige French Church of London, Soho Square. 71 Zudem gab es Kirchen in Greenwich und Wapping. Letztere war vorwie-gend für französischsprachige Seeleute von den Kanalinseln zuständig, die keine Glaubensflüchtlinge aus einem katholischen Land waren. Bedauerli-cherweise gibt es von dieser Kirche keine Kirchenbücher mehr. Vielleicht bestand die Gemeinde zum Großteil aus ledigen Männern und so dürfte es kaum viele Taufen oder Hochzeiten gegeben haben. Darüber hinaus exis-tierten Kirchen außerhalb Londons, von denen die in Canterbury und Southampton bis heute bestehen. Als die französischsprachigen Einwanderer verstarben, schlossen schon bald diese paar Dutzend Londoner Kirchen ihre Tore und vereinigten sich mit anderen Gemeinden. Gegenwärtig werden sie alle durch die French Church am Soho Square repräsentiert, die direkte Nachfahrin der alten Kirche in der Threadneedle Street. Sie beherbergt alle erhaltenen Doku-mente. Welche Art von Aufzeichnungen führten die Kirchen? Die Hugenottenkirchen praktizierten die Kindertaufe. Ihre Tauf- Register listen den Namen des Kindes und gewöhnlich das Geburts- und Taufdatum auf. Die meisten überliefern den Namen des Vaters und der Mutter, ein-schließlich des Mädchennamens der Mutter. Es finden sich ebenso die Namen der Taufpaten. 2. Januar 1667 Jeanne Bridel, Tochter des Pierre Bridel and Jeanne Allart, seiner Frau. Taufpaten: Estienne le Sueur and Marie Patou. Die Frage nach dem Mädchennamen der Mutter ist bedeutsam, kann je-doch auch Konfusion verursachen. Französische Frauen benutzten ihre Ehenamen im Alltagsleben, wurden aber für alle offiziellen Zwecke mit ihrem Mädchennamen benannt, d. h. Jean Dubois und Judith Roger, seine Frau. Es ist daher nicht immer deutlich, ob eine Frau ihren Ehe- oder ihren Mädchennamen verwendet. So kommt die strenge Regel der englischen Genealogie (nach der Hochzeit benutzt die Frau immer ihren Ehenamen) nicht zur Anwendung. Die Hugenottenkirchen verzeichneten ebenso Eheschließungen. Gewöhn-lich gibt das Register die Namen der Braut und des Bräutigams an und ob sie ledigen Standes sind. Sehr oft erscheinen auch die Namen der Eltern, einschließlich der Mütter mit ihren Mädchennamen und entweder eine An-gabe über die Herkunft der Eltern oder über den Geburtsort der Braut und des Bräutigams, was nicht unbedingt identisch sein muss, aber in gleicher Weise von Wert ist. Eheschließungen in Hugenottenkirchen sind eine der 72 bedeutendsten Quellen in Bezug auf den französischen Herkunftsort der Familien: 9. July 1692 André De Lavau, geboren in Issoudoun [Exoudun] im Poitou, Sohn des verstorbenen George De Lavau und Anne le Clerc; Marthe Malet, geboren in Dieppe, Tochter des Verstorbenen David Malet and Esther Aubé Schon sehr früh wurden Hugenotten in anglikanischen Kirchen getraut. Sie bemühten sich um Heiratsgenehmigungen in genau derselben Weise wie jeder andere. Sobald Hugenotten in den englischen Registern erscheinen, stoßen wir auf sehr ungewöhnliche Schreibweisen, da englische Schriftfüh-rer über französische Namen stolperten, die von Personen ausgesprochen wurden, von denen viele nicht schreiben und lesen konnten und die mit starkem Akzent sprachen. In der Tat weisen auch französische Register zahllose Schreibvarianten auf. Also waren nicht nur englische Schreibwei-sen ein Problem ...! Keine der Hugenottenkirchen registrierte Begräbnisse, was jedoch nicht bedeutet, dass es keine Dokumente darüber gibt. Sie verfügten über keinen Friedhof. Die Hugenotten wurden auf dem anglikanischen Friedhof begraben und sie erscheinen in den Parochial- Registern wie jeder andere. Für gewöhnlich sind die fraglichen Register sehr umfangreich und die Auffindung der Begräbnisse kann sich als außerordentlich schwierig erweisen – aber Beharrlichkeit führt zum Ziel. Die Hugenotten stellten sehr gerne Grabsteine auf, sofern diese für sie erschwinglich waren. Die Hugenotten verwendeten kein separates System für die Beglaubigung von Testamenten; ihre Testamente wurden in der üblichen Art beglaubigt, in den meisten Fällen im Prerogative Court of Canterbury (PCC). Über viele Jahre hinweg abstrahierte Henry Wagner hugenottische Testamente und wir verfügen in der Huguenot Library in London über eine Sammlung von mehreren tausend Exemplaren. Heutzutage liegen weitreichende Register über PCC- Testamente vor und sie sind aufgrund der Tätigkeit der Mormo-nen auf Mikrofilm verfügbar, so dass Forscher, für die es zu umständlich ist nach London zu kommen, selbständig damit arbeiten können. Die Gliedschaft in hugenottischen Gemeinden war verhaltensabhängig. Im Falle des Wechsels von einer Gemeinde zu einer anderen brachten die Gemeindeglieder ein Empfehlungsschreiben mit einer Charakterbezeich-nung, einen Glaubenspass (témoignage) mit. Die Threadneedle Street- Ge-meinde verfügte über ein separates Register von Glaubenspässen (es liegt in gedruckter Form vor), worin sich der Name der ausstellenden Gemeinde 73 findet. Diese Empfehlungsschreiben sind offensichtlich ein sachdienlicher Beweis für die Herkunft der Réfugiés, obschon die Briefe in manchen Fäl-len in Amsterdam, Haarlem, Utrecht oder anderen holländischen Orten ausgestellt worden sind. Wuchsen junge Hugenotten heran und erreichten das Alter, das es ihnen ermöglichte, unabhängige Gemeindeglieder zu werden, legten auch sie Glaubenspässe vor, die oftmals von ihren Eltern ausgestellt waren. Diese sind gleichfalls von hohem Wert. Viele Glaubensflüchtlinge standen dennoch nicht in gutem Ruf. Während der Verfolgungsjahre hatten zahlreiche Protestanten nachgegeben und katholische Gottesdienste besucht oder hatten der Form nach abgeschwo-ren. Sie hatten ihre Verfehlung zu beichten (reconnaissances zu leisten) und Buße zu tun. In den späten 80er Jahren des 17. Jahrhunderts waren die Presbyteriumssitzungen praktisch ständig mit den reconnaissances seitens zahlreicher Neuankömmlinge konfrontiert. In der Tat kannte jeder den Zwang, da diese Erfahrungen Allgemeingut waren. Die Abgefallenen scheinen folglich nicht mit Strenge behandelt worden zu sein. Nichtsdesto-weniger war das entsprechende Verfahren zu beachten, was für uns nütz-lich ist, da auch hier fast immer wieder der Herkunftsort der Réfugiés an-gegeben ist. Das Presbyterium hatte die Oberaufsicht über die Gemeinde und ein be-deutender Teil seiner Arbeit beläuft sich auf die Ernennung von Ältesten und Diakonen. Es war verantwortlich für die Bewilligung von Ehe-schließungen, für die Zulassung zum Abendmahl und die Kirchenzucht der weniger Gottesfürchtigen. Hier einige Beispiele aus dem Jahr 1681 (die Originaleinträge sind französisch abgefasst): 16. Januar 1681. Michel Deshayes’ Frau leistete öffentliche Abbitte dafür, dass sie ihn trotz seines Verlöbnisses mit Catherine Dehors geheiratet hatte. 30. Januar 1681. Heute morgen wurde abgekündigt, dass die Gemeinde-glieder nicht vor dem Segen den Gottesdienst verlassen oder sich auf der Straße aufhalten sollten. Die Väter und Meister hätten dafür Sorge zu tra-gen, dass sich ihre Kinder während der Predigt ruhig verhielten. 10. April 1681. Jean Delaborde, Ehefrau des Florentin Re, suchte um Zu-lassung zum Abendmahl nach. Die Entscheidung hierüber wurde verscho-ben, bis sie besser unterwiesen ist und wir ihr Verhalten überprüft haben. 74 Französisch-reformierte Abendmahlsfeier, Bernard Picart 1733. 22. Mai 1681. Jean de Mailly wurde wegen der Misshandlung seiner Frau getadelt. 22. Mai 1681. Theodore Du Bois klagte seine Frau an, Ehebruch begangen zu haben. Nicolas l’Ecourcheur bezeugte Theodores Unschuld und dass er Theodores Frau in der Gesellschaft eines Soldaten in ihrem Schlafzimmer vorgefunden habe. Es wurde beschlossen, darauf hinzuwirken, dass sie erscheine und sie öffentlich vom Abendmahl auszuschließen. 22. Mai 1681. Mme Marte Daguin, Ehefrau von Mr Desbordes, klagte Mr Allemand an, ein Gerichtsverfahren gegen sie angestrengt zu haben, we-gen eines Diebstahls in Mr Beaumonts Haus. Sie beteuert ihre Unschuld und behauptet, Gott habe sie beschützt, indem er den König veranlasst habe, ihr eine Begnadigung zu gewähren. Das Presbyterium entgegnete, es sei nicht seine Aufgabe, ein richterliches Urteil zu erörtern, dass es die Angelegenheit Gott und ihrem Gewissen überlasse und dass es dahinge-hend ermahne, Mr Allemand zu verzeihen, da Gott uns unsere Sünden nicht vergibt, wenn wir nicht die der anderen verzeihen. Und aus dem Jahre 1687 75 20. März 1687. Die Ältesten werden Marie Presset und Claude Cassé die Abendmahlsmarken vorenthalten, wenn sie sich nicht versöhnen. 13. November 1687. Nicolas Hesse und Isabelle Popart begehren Einlass in den Frieden und die Abendmahlsgemeinschaft der Kirche, obwohl sie heirateten, während ihre früheren Gatten noch lebten. Das Presbyterium hatte nur unzureichende Kenntnis über die Gründe, die zur Auflösung ihrer ersten Ehen geführt hatten und war sich bewusst, dass sogar im Falle von Ehebruch und Verlassen des Ehepartners sie nicht ein zweites Mal nach englischem Recht heiraten konnten. Folglich wollte das Presbyterium nicht in die Angelegenheit verwickelt werden und verwies die fraglichen Parteien an die Gemeinde, in der sie getraut worden waren. 11. Dezember 1687. Jacques Tibaudin und Jeanne Tibaudin, seine Tochter, taten ihre Absicht kund, das Eheversprechen zwischen ihr und André de Joux zu lösen; de Joux’ Ältester wird ihn vor unser Gremium bestellen. 18. Dezember 1687. André de Joux, geboren in Niort, und Jeanne Tibaudin verlobten sich in unserer Gegenwart letzten Monat, am 23. November, doch nun behauptet sie, ihn niemals heiraten zu wollen. Ihre Gründe wurden nicht für berechtigt erachtet und er ist nicht geneigt, einer Lösung des Verlöbnisses zuzustimmen, in der Hoffnung, dass die Zeit sie wieder näher bringen wird. Das Presbyterium beließ die Angelegenheit, wie sie war. André und Jeanne gelang es offensichtlich, ihre Differenzen beizulegen, da sie etliche Kinder hatten, von denen das erste im November 1689 geboren wurde. Sowohl die Kirche in der Threadneedle Street als auch die anderen Gemeinden waren darüber hinaus bemüht, ein Unterstützungsprogramm für Arme einzurichten. Die Gebiete, die von der jeweiligen Gemeinde abge-deckt wurden, waren in quartiers eingeteilt und jeder Älteste war dazu an-gehalten, Geld für wohltätige Zwecke bei denjenigen aus seiner Gegend zu sammeln, die es sich leisten konnten. Das Geld wurde in der Folge für mildtätige Belange verwandt. Durch diese Gepflogenheit entstand eine beträchtliche Reihe von Bänden, aufgebaut wie gemeindliche Steuererhe-bungsbücher. Sie enthalten Auskünfte darüber, wer wo wohnte und wie viel bezahlte. Auch geben diese Aufschluss über Kirchenmitgliedschaft und Dauer derselben. Diese Bücher wurden verfilmt, sind aber nicht mit Regis-tern versehen. Darüber hinaus ist eine Menge Material über Wohltätigkeits- 76 angelegenheiten vorhanden. Ein Teil davon wurde veröffentlicht und ein Teil bis ins 19. Jahrhundert fortgeführt. Als die hugenottischen Flüchtlinge in England ankamen, hatten viele von ihnen alles außer ihrem Können verloren. Im Allgemeinen waren sie will-kommen, Sammlungen wurden landesweit für sie veranstaltet. Deren Ertrag wurde ihnen als Gabe des Königs oder der Königin (King’s or Queen’s Bounty) ausgehändigt. Zahlreiche Namenslisten sind erhalten geblieben, von denen einige Adressen in London anführen. In vielen Fällen wird ein Herkunftsort in Frankreich genannt. Früher musste auf gut Glück gesucht werden. Vor ein paar Jahren jedoch wurden alle Namen elektronisch erfasst, so dass uns gegenwärtig ein alphabetisches Gesamtverzeichnis dieser bedeutenden Quelle in gedruckter Form vorliegt. Im Laufe der Jahre entschieden sich zahlreiche Hugenotten für die Einbür-gerung. Die Einbürgerungslisten erfassen alle Ausländer, nicht ausschließ-lich Hugenotten. Dennoch veröffentlichte die Huguenot Society alle Ein-bürgerungen von 1509 bis 1800. Viele Einträge geben Aufschluss über die Herkunft der eingebürgerten Person, obwohl dies nicht durchweg der Fall ist. Nicht wenige sind nach Familien geordnet. Als Teil des Verfahrens mussten die Kandidaten den Empfang des Abendmahls in der Anglikani-schen Kirche durch eine Bescheinigung nachweisen. Etliche dieser Be-scheinigungen blieben in den Akten des Oberhauses erhalten und sind im Rahmen ihres gedruckten Katalogs zugänglich. Obwohl die Hugenotten Ausländer waren, galten sie nicht als verdächtig und es liegen nur wenig Aufzeichnungen zu Überwachungszwecken vor. Für das 16. und das frühe 17. Jahrhundert liegen uns einige so genannte Ausländerberichte vor, die Huguenot Society veröffentlichte die für London relevanten für die Jahre 1593, 1627, 1635 und 1639. Etliche Listen, die von den Bürgermeistern aus kleineren Städten eingesandt wurden, erschienen ebenfalls in den Proceedings (s. u.). Die Regierung war jedoch weit mehr mit ausländischen Katholiken als mit Protestanten aus dem Ausland befasst. Auch ist es einfach, Ausländer bei den lay subsidies (Abgaben) festzustel-len, da sie doppelte Gebühren entrichten mussten. Auch in diesem falle veröffentlichte die Huguenot Society ausgezeichnete Berichte für das Lon-don des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Diese sind sehr hilfreich, wenn es um das Aufspüren der frühen flämischen und wallonischen Flücht-linge geht, die sich bereits Ende des 16. Jahrhunderts in einigen Städten im südosten Englands wie London, Canterbury, Sandwich, Dover, Rye, 77 Southampton, Colchester, Ipswich und Norwich niederließen. Jedoch lie-gen keine Listen dieser Art für die französischen Einwanderer nach 1685 vor. Zahlreiche ärmere Hugenotten wurden Weber und traten der Weavers’ Company bei. Die Huguenot Society exzerpierte Eintragungen über Huge-notten aus den Akten der Innung und veröffentlichte die Ergebnisse. Mit zunehmender Integration dürften sich Hugenotten in allen Innungen einge-funden haben. Wie viele andere Exulanten versuchten die Hugenotten nicht nur selbstän-dig zu sein; sie versuchten, sich zumindest ein gewisses Heimatgefühl zu schaffen. Zahlreiche Gesellschaften wurden gegründet, deren Ziel es war, Menschen aus denselben Verhältnissen zusammenzubringen. Für gewöhn-lich gehörte zu den Voraussetzungen der Teilnahme, dass die Person in einer bestimmten Gegend geboren war oder von jemandem abstammte, der aus dieser Gegend kam. Die Aufzeichnungen der Pariser- Gesellschaft, der Saintonge- Gesellschaft, der Lintot Gesellschaft und der Normanni-schen Gesellschaft haben sich alle erhalten und dienen als schlüssiger Beweis für die ursprüngliche Herkunft von Familien – neben ihrer großen allgemeinen Bedeutung. Das French Hospital in London. 78 Die Hugenotten bauten ein Wohlfahrtssystem auf. Es gab eine Schule für Jungen und eine Mädchenschule; die Schülernamen wurden alle veröffent-licht. Die wichtigste Einrichtung jedoch stellte das French Hospital dar, eine Art Altersheim, das 1718 gegründet wurde. In den frühen Jahren bemühten sich unverkennbar Franzosen um Aufnahme, aber im Laufe der Zeit han-delte es sich lediglich um heruntergekommene Leute aus dem Eastend, die einen französischen Namen trugen, oder einfach die Smiths, Jones und Brown, deren Mütter einen französischen Namen geführt hatten. Um Auf-nahme zu finden, mussten Bewerber Beweise ihrer Abkunft einreichen und die erhaltenen Akten (jetzt in gedruckter Form vorhanden) enthalten die entsprechenden Taufscheine und Heiratsurkunden, die oftmals viele Gene-rationen zurückreichen. Die Bewerber gaben auch jeden Verwandten an, der in das French Hospital aufgenommen worden war, mit der Begründung, dass deren Papiere in Ordnung gewesen sein müssen, da sie Aufnahme gefunden hatten. Das French Hospital besteht noch, doch befinden sich seine schönsten Appartements nun in Rochester. Doch um aufgenommen zu werden, muss man noch immer eine hugenottische Abkunft nachweisen. Wie kommt man an die Archivalien? Alle bekannten Tauf- und Heiratsregister wurden zusammen mit den Akten nonkonformistischer Gemeinden an das Public Record Office weitergege-ben und sind über die Mormonen auf Mikrofilm zugänglich. Die Basisein-träge sind nach IGI (International Genealogical Index) mit Registern ver-sehen. Die Register wurden transkribiert und vor vielen Jahren von der Huguenot Society of Great Britain and Ireland veröffentlicht. Die Original-bände sind vergriffen, jedoch wurde die gesamte Serie auf Mikrofiches verfilmt und es existiert ein sehr hilfreiches Gesamtregister, das von Cecile Ramsay- Sharp und ihrem Team bei der Australian Society of Genealogists produziert wurde. Über Beerdigungen von Hugenotten finden sich Angaben in den Begräbnisregistern der anglikanischen Kirchengemeinden. Die Huguenot Society of Great Britain and Ireland wurde 1885 gegründet. Ihre Archivalien- Serie von 57 Bänden enthalten die meisten der oben er-wähnten Quellen sowie andere Materialien, von denen einige für Kirchen-geschichtler von größerem Interesse sind. Die Gesellschaft veröffentlichte zudem alljährlich einen Band der Proceedings. Zahlreiche Beiträge bezie-hen sich auf den hugenottischen Einfluss auf die Kunst, aber es liegen auch etliche zusammenfassende Texte über Archivalien vor. Jeder Band verfügt über ein Register und auch in diesem Fall liegt ein Gesamtregister vor, so dass dieses Material sehr benutzerfreundlich ist. 79 Die Huguenot Library (University College, Gower Street, London WC1E 6BT) beherbergt zwei hervorragende Sammlungen von Ahnentafeln und familiengeschichtlichen Forschungen. Eine davon setzt sich einfach aus dem zusammen, was die Mitglieder der Huguenot Society im Laufe der Zeit einreichten, auch meine Berichte und die meiner Vorgänger. Die andere ist das Produkt von Henry Wagners langjähriger Arbeit und wird, was kaum überraschen dürfte, die Wagner Collection genannt. Die Bibliothek verfügt auch über eine breit angelegte Sammlung von Quellenmaterialien für Nachforschungen in Frankreich. Dieser Bericht zielt jedoch nicht darauf ab, diesen Aspekt zu behandeln; es mag als Anmerkung genügen, dass Nachforschungen über Hugenotten in Frankreich zunehmend einfacher werden. Die Huguenot Society of Great Britain and Ireland entschied sich vor eini-ger Zeit dafür, eine neue Zeitschrift namens Huguenot Families zu publizie-ren, die ganz besonders der Familiengeschichte gewidmet ist. Sie wird von mir herausgegeben. Es wurde bereits einiges an ergiebigem Material ver-öffentlicht und noch weit mehr befindet sich in der Vorbereitung. Bibliografie (Die Titel sind in der Bibliothek der DHG (Bad Karlshafen) vorhanden): C. Edric J. Caldicott/Hugh Gough/Jean-Paul Pittion (Hg.): The Huguenots and Ireland. Anatomy of an Immigration, Dublin 1987. Bernhard Cottret: The Huguenots in England. Immigration and Settlement c. 1550-1700, Cambridge 1991. Noel Currer-Briggs/ Royston Gambier: Huguenot Ancestry, Chichester 1985. Horton Davies/ Marie Hélène Davies: French Huguenots in English-Speaking Lands, (= Studies in Church History, Vol. 11), New York 2000. Robyn Gwynn: The Huguenots of London, Brighton 1998. Robyn Gwynn: Huguenot Heritage. The history and contrebution of the Huguenots in Britain, Brighton – Potland 2001 (2. überarb Aufl. ). G. L. Lee: The Huguenot Settlement in Ireland, 1936. Irene Scouloudi (Hg.): Huguenots in Britain and their French Background, 1550-1800, Houndmills – London 1987. The Quiet Conquest. The Huguenots 1685 to 1985, London 1985 [Katalog]. Randolph Vigne/ Charles Littleton (Hg.): From Strangers to Citizens. The Integration of Immigrant Communities in Britain, Ireland and Colonial America, 1550– 1750, London 2001 (das Buch erscheint im Dezember). Für weitere Titel fordern Sie bitte in Bad Karlshafen einen Bibliotheks-Ausdruck an. Regelmäßige Publikationen der Huguenot Society of Great Britain and Ireland: Proceedings of the Huguenot Society, 1885– heute; Huguenot Families, 1999 –heute; Quarto Series (bisher 59 Bände); New Series (bisher drei Bände). 80 Adresse: The Huguenot Society of Great Britain and Ireland, The Huguenot Library, University College, Gower Street, London WC1E 6BT, Großbritannien. www.Hugenottenim Internet (4) 1. www. huguenotsociety. org. uk Die Homepage der Huguenot Society of Great Britain and Ireland. 2. www.ucl.ac.uk/UCL-Info/Divisions/Library/huguenot.htm Hier erhalten Sie Informationen über die Huguenot Library in London. 3. www. frenchhospital. org. uk Homepage des French Hospital in London und Rochester. 4. www. hugenotten. de Die neue Homepage der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft. Sonderspendenaktion 2001 Liebe Mitglieder und Freunde der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft, in in diesem Jahr stehen zahlreiche Großprojekte an, die sich durch die normalen Mitgliedsbeiträge nur schwer realisieren lassen. 1. 42. Deutscher Hugenottentag in Neu-Isenburg vom 19. bis 21. Oktober mit Tagungsschrift. 2. Einrichtung einer professionellen Homepage für die Deutsche Hugenotten-Gesellschaft (www. hugenotten. de). 3. Ausstellung mit umfangreichem Katalog anlässlich des 200. Todestages des hugenottischen Zeichners und Kupferstechers Daniel Chodowiecki. 4. Teilnahme am Hugenottenfest in Bad Karlshafen, am Deutschen Genea-logentag in Potsdam sowie an der Frankfurter Buchmesse. Daher bitte ich Sie ganz herzlich um eine freiwillige Sonderspende. Ihr Andreas Flick, Präsident Spendenkonto: Deutsche Hugenotten-Gesellschaft e. V. Bad Karlshafen. Kasseler Sparkasse, BLZ: 520 503 53, Kontonummer: 118 060 521 Stichwort: Sonderspende 2001 81 Knopfmacherhandwerk im Deutschen Hugenotten-Museum von von Mary Gundlach Seit kurzem wird ein weiteres hugenottisches Handwerk im Deutschen Hugenotten- Museum in Bad Karlshafen vorgestellt – die Knopfmacherei. Knöpfe, Knopfrohlinge und Urkunden aus einem ehemaligen Knopfmacher-betrieb geben einen Einblick in die feine Kunst des Knopfma-chers. Sie stammen aus der Werkstatt der hugenottischen Fa-milie Planet, die 200 Jahre hindurch in fünf Generationen ihr Handwerk in Treysa betrieb. Samuel Planet aus Die im Dauphiné (heutiges Département Drôme, Südostfrankreich) ge-hörte zu jenen hugenottischen Flüchtlingen, die Landgraf Karl 1699 in der Schweiz angeworben hatte. Sie sollten durch ihr hand-werkliches Geschick und ihren Unternehmergeist die Wirtschaft in Hessen- Kassel, insbesondere das Textilgewerbe, beleben. Er wurde zusammen mit seinem Bruder in der neu angelegten Landkolonie Gethsemane bei Hersfeld angesiedelt, wo sein Sohn Justus Adam 1716 geboren wurde. Um 1720 übersiedelte er nach Treysa und richtete neben einer Wollmanufaktur eine Knopfwerkstatt ein. Es folgten harte Jahre. Sein Sohn Justus Adam, eben-falls Knopfmachermeister, schickte 1770 einen Beschwerdebrief an die Behörden, in dem er von seinem Existenzkampf berichtet. Er klagte vor allen Dingen über die scharfe Konkurrenz der deutschen Schneider, die Knöpfe von auswärts bezogen und alles versuchten, ihm die Kunden weg-zunehmen. Durch Fleiß, Durchhaltevermögen und nicht zuletzt durch die Schönheit und hervorragende Qualität ihrer Ware konnten jedoch die Pla-nets einen Kundenkreis aufbauen. Sie haben es verstanden, die Knöpfe an die traditionelle Tracht der Schwalm farblich und stilmäßig anzupassen. Die Knopfmachermeister Conrad Planet (* 26.01.1835, † 19.10.1923). 82 Knöpfe von Konrad Planet, der die Werkstatt in fünfter Generation betrieb, waren die begehrtesten in der ganzen Schwalm. Jede Braut besorgte bei ihm die Knöpfe für ihr Hochzeitskleid. Die Knöpfe für die Hochzeits-, Sonntags- und Festtagskleidung wurden mit feinen zusammengedrehten Seidenfäden überlegt. Der Knopfrand wurde oft mit einem dickeren ebenfalls zusammengedrehten Seidenfaden ausge-stickt. Die Farben und Formen entsprachen der traditionellen Kleidungseti-quette. Für die Werktagsknöpfe wurden statt Seide grün, lila und rot ge-färbte Kamelhaare genommen. Konrad Planet fertigte täglich bei 12 bis14 stündiger Arbeitszeit drei Sätze Knöpfe zu je ca. 20 Stück. Ein Satz Knöpfe kostete 3 bis 4 Silbergroschen. Wenn Gold- oder Silberfäden zum Aus-sticken verwendet wurden, erhöhte sich der Preis auf 8 bis 10 Silbergro-schen. Obwohl die Planets versuchten, die Geheimnisse ihres Handwerks für sich zu behalten, haben ihnen die Schwälmer Mädchen die wichtigsten Handgriffe abgeguckt, so dass das Geschäft im 20. Jahrhundert nachließ und von der Familie 1923 aufgegeben wurde, als der fünfte und letzte Meister dieser Knopfmacherdynastie verstarb. Die Exponate im Deutschen Hugenotten- Museum sind ein Geschenk von Herrn Heinz- Dieter Störmer aus Schwalmstadt, Nachfahre der Familie Pla-net. Die Kontakte zwischen Herrn Störmer und dem Deutschen Hugenot-ten- Museum wurden „geknöpft“ durch das Hugenotten- Info- Büro von Frau Renate Hoeck, geb. Blanc, in Marburg, die auch zusätzliche Informationen geben kann: Hugenotten- Info- Büro, Ketzerbach 37, 35039 Marburg, Tel. u. Fax: 06421- 617297. Der Genfer Psalter in seiner Zeit Internationales Symposium in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden 22./23.März 2001 von Henning P. Jürgens Welches sind die wichtigsten Bücher des reformierten Protestantismus? Die Bibel natürlich, als die entscheidende Grundlage. Die Bekenntnis-schriften, wie der Heidelberger Katechismus, als die Formulierung der Grundsätze der nach Gottes Wort reformierten Kirche. Doch bevor man nun anfängt, die Schriften der Reformatoren aufzuzählen, die Werke Zwinglis, Calvins, Bullingers oder anderer Theologen, ist erst einmal ein anderes Buch zu nennen, das den reformierten Protestantismus auf der ganzen Welt geprägt hat und bis heute seine Strahlkraft behalten hat: der Genfer Psalter. Das Psalmengesangbuch der Genfer Gemeinde verbreitete 83 sich in Windeseile in allen reformierten Kirchen. Die Texte wurden in viele Sprachen übersetzt und in zahllosen Auflagen gedruckt. Psalmengesang fand nicht nur im Gottesdienst seinen Ort. Auch in der Öffentlichkeit, bei der Arbeit, in der Schule und zu Hause wurden Psalmen gesungen. Mit dem Psalter lernten die Schüler lesen und schreiben; Psalmlieder begleiteten Taufen, Hochzeiten und Trauerfeiern. Die Geschichte des Genfer Psalters, seine Verbreitung in ganz Europa und seine Bedeutung für die religiöse und literarische Kultur der frühen Neuzeit wird jetzt in einem neu eingerichteten Forschungsprojekt an der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden untersucht. Als erste Veranstaltung fand Ende März ein Symposium statt, das sich ganz auf die Entstehung des Genfer Psalters und sein Umfeld konzentrierte. Den Gesang von Psalmen in Reimform als Gemeindegesang hatte Johan-nes Calvin während der Zeit als Flüchtling in Straßburg kennen gelernt. Er übernahm die Psalmenlieder für seine Straßburger Flüchtlingsgemeinde und nahm sie in das Gesangbuch der Gemeinde auf. Zurück in Genf regte Calvin eine vollständige Bereimung aller 150 Psalmen an und führte die Psalmen als alleinigen Gemeindegesang im Gottesdienst ein. 1562 er-schien die erste Ausgabe des vollständigen Psalters, in der 123 verschie-dene Melodien Verwendung fanden. In einer beispiellosen buchdruckeri-schen Gemeinschaftsarbeit wurden in den folgenden drei Jahren 62 Aufla-gen des Gesangbuches gedruckt und gezielt verbreitet. Binnen kurzem hatte der Genfer Psalter alle Teile Europas erreicht. An den zwei Tagen des Symposiums in Emden waren neun Vorträge zu hören. Die eingeladenen Experten kamen aus ganz Europa – natürlich auch aus Genf – und aus Übersee: Auch darin spiegelte sich die weltweite Verbreitung des Psalters. Der erste Tag war historischen und theologischen Fragestellungen gewidmet. So hielt der Organisator der Tagung, der Gro-ninger Hymnologe Jan R. Luth, einen Vortrag über das Straßburger Ge-sangbuch, die Aulcuns pseaumes et cantiques mys en chant von 1539. Er zeigte die Bedeutung dieses Vorläufers für den Genfer Psalter auf und kün-digte an, dass demnächst ein Faksimile erscheinen wird. Weitere Vorträge beschäftigten sich mit dem kirchenhistorischen Kontext, mit der Theologie der Musik bei Calvin und mit der Reaktion der katholischen Zensur auf den Psalter. Der Herausgeber der Protokolle des Genfer Konsistoriums, Robert M. Kingdon, trug zusammen, wie sich die alltägliche Verwendung des Psalters in diesen Aufzeichnungen niedergeschlagen hat. Der zweite Tag war ganz den musikwissenschaftlichen Fragen gewidmet. Die Vorträge beschäftigten sich mit der Entstehung und Form der Melodien des Genfer Psalters, untersuchten die Parallelen zu den Melodien humanistischer Odenvertonungen und zeigten auf, wie sehr auch die lutherische Choraltra-dition von den Psaltermelodien beeinflusst wurde. 84 Das Symposium stieß auf großes Interesse. Mehr als 70 Teilnehmer kamen zu der öffentlichen Tagung, darunter viele aus den Niederlanden. International war auch der musikali-sche Höhepunkt der Tagung. Am Abend des ersten Tages fand ein Konzert in der Neuen Kirche in Em-den mit Musik zum Genfer Psalter statt. Der Projektchor der evange-lisch- reformierten Kirche unter Lei-tung von Edzard Herlyn sang Psal-mensätze von Louis Bourgeois, Jan Pieterszoon Sweelinck und Johann Stobäus. Jan R. Luth offenbarte eine Doppelbegabung: er brillierte nicht nur als Wissenschaftler und Organi-sator der Tagung, sondern auch als Organist bei der Interpretation von Sätzen von Claude Goudimel und anderen. Die weltweite Wirkung des Psalters machte dann Masaaki Su-zuki deutlich. Der weltbekannte japa-nische Kantor und Organist, Leiter des Bach- Collegiums Japan und be-rühmt für seine Bach- Interpretatio-nen, berichtete über die Aufnahme des Genfer Psalters in Japan. Dort werden auch auf seine Initiative hin seit einigen Jahren die Psalmen zu den Genfer Melodien ins Japanische übertragen – keine leichte Aufgabe, denn die Sprachmelodie des Japanischen muss mit den Klängen des 16. Jahr-hunderts übereingebracht werden. Wie schön das gelingen kann, stellte Suzuki dann mit einer Sopranistin seines Chors, Yoshie Hida, unter Beweis. Sie trug mit Orgelbegleitung einige Psalmen auf Japanisch vor, die in ihrer Klarheit und Schönheit auch in der fremden Sprache ihren Zauber entfalteten. Die Emder Tagung soll eine Fortsetzung finden: Stand in diesem Jahr der Ursprung in Genf im Mittelpunkt, so soll im nächsten Jahr die Aufnahme des Psalters in Deutschland und den Niederlanden behandelt werden. Psalmenbereimungen von Schede Melissus, von Winnenberg und vor al-lem Ambrosius Lobwasser verbreiteten die Genfer Melodien im deutschen Sprachraum. In den Niederlanden übersetzten Utenhove, Dathen und Mar- Masaaki Suzuki 85 nix die Genfer Vorbilder. Vom 8. bis 10. April 2002 werden – wieder in Em-den, diesmal unter Leitung des Oldenburger Germanisten Eckhard Grune-wald – international renommierte Experten vortragen. Auch ein Konzert mit Masaaki Suzuki soll es wieder geben. Alle Interessierten sind herzlich ein-geladen. Buchbesprechungen Horton Davies & Marie- Hélène Davies: French Huguenots in English-Speaking Lands, (= Studies in Church History Vol. 11), Peter Lang New York 2000, 147 S. , ISBN 0- 8204- 4542- 8 / 54,84 DM Zu den beachtenswerten Neuerscheinungen zum Thema Hugenotten im englischsprachigen Raum zählt dieses im vergangenen Jahr erschienene Buch des Autorenehepaares Horton Davies und Marie Hélène Davies über die Hugenotten in Großbritannien, Irland und Nordamerika. Das erste Ka-pitel The Problems of the Huguenots in France (S. 1– 17) beschreibt den historischen Hintergrund, wobei die grundsätzlichen Schwierigkeiten huge-nottischen Lebens in Frankreich entfaltet werden. In gut lesbarem Stil, kla-rer Diktion und Logik und ohne Scheu, auch weltweite Unterdrückungs-maßnamen des 20. Jahrhunderts anzusprechen, erhält der Leser des Bu-ches eine Einführung, wie sie auch für den deutschsprachigen Raum wün-schenswert wäre. Die Fußnoten bieten jedoch eher eine pseudo- wissen-schaftliche Alibifunktion. Die Varianten der Repressionen gegenüber protestantischen Familien, die im ersten Kapitel angesprochen wurden, werden im zweiten Kapitel Perse-cution: The Necessity to Escape (S. 19– 38) weiter vertieft. Von Interesse sind dabei Schilderungen aus den Briefen des englischen Philosophen John Locke, die Einblicke ins Frankreich in den Jahren vor der Aufhebung des Edikts von Nantes gewähren. Die mannigfaltigen anhand von Quellen plastisch beschriebenen Unterdrückungsmaßnahmen wie Dragonaden und Galeerenstrafe sowie Berufsverbote für die Protestanten verdeutlichen in ihrer Fülle die Notwendigkeit zur Emigration, sofern man nicht zum Katholi-zismus konvertieren wollte. Die Protestanten, die sich zur verbotenen Flucht aus Frankreich entschie-den, wählten infolge der Verhaftungsgefahr zunächst ein Zufluchtsland, das möglichst nahe an ihrem bisherigen Wohnort lag. Diese Feststellung wird anhand von Zahlenmaterial belegt. In Bezug auf England konnten die Fran-zösischsprechenden Wallonen und Franzosen zudem auf ein Aufnahme-patent zurückblicken, das 1550 von König Edward VI. erlassen worden war. So kommt es, dass bereits vor der Aufhebung des Edikts von Nantes meh- 86 rere französische Gemeinden in England gegründet wurden. In Irland und der damaligen Kolonie South Carolina wurden mit Unterstützung der engli-schen Administration gezielt Hugenotten angesiedelt. Auch hier gelingt den Verfassern im vierten Kapitel Ways of Escape from France (S. 39– 55), unter Einbeziehung mehrerer Fluchtberichte einen plastischen Eindruck von der Flucht über die See und den damit verbundenen Gefahren zu vermitteln. Zu Recht stellen Horton und Ma-rie- Hélène Davies fest, dass es trotz der zahlreichen Buchtitel zum Thema Hugenotten nur we-nige Publikationen gibt, die den Glauben der Hugenotten analy-sieren. Dieses Manko soll im vierten Kapitel Huguenot Faith and Character (S. 57– 74) redu-ziert werden. Es wird A. J. Grant mit den Worten zitiert: „Die Hu-genotten Frankreichs und die Puritaner des 17. Jahrhunderts können nicht verstanden werden, wenn wir uns nicht immer verge-genwärtigen, dass sie das Leben mit der Geduld meisterten, die ih-nen diese Lehre gab. Sie waren die auserwählten Soldaten Got-tes in einem Krieg, in dem der Sieg gewiss war.“ (S. 58). Das Alltagsleben war für die Protes-tanten in Frankreich nicht leicht, da sie sich vom Gemeinschaftsleben ihres Ortes, zu dem auch Bälle, Feste, Pilgerreisen usw. gehörten, fernhielten. Die Teilnahme an derartigen Ereignissen war ihnen nach calvinistischer Lehre verboten. Weil die Katho-liken allein rund 105 Heiligen- Tage begingen, beschränkte sich die Zahl ihrer Arbeitstage auf 260, wogegen die Reformierten an 310 Tagen im Jahr arbeiteten. Dieser hugenottische Arbeitsethos ist neben der Tugend der Sparsamkeit die Hauptursache für den wirtschaftlichen Erfolg der Protes-tanten. Es gelingt, einen lebendigen Überblick über das gottesdienstliche Leben in den Kirchen als auch über das geistliche Leben in den Privathäu-sern zu liefern, wobei als Fundament des hugenottischen Glaubens und der Spiritualität in erster Linie die Bibel als Quelle der Offenbarung Gottes diente. Der Leser erhält zudem Informationen über Gottesdienstablauf, 87 Psalmen, Kirchenbau, Kirchenzucht, Pastoren und die theologischen Aka-demien. Im fünften Kapitel Ministers and Doctors; Military Men and Politicians (S. 75– 93) werden hugenottische Pastoren (u. a. Jacques Abbadie), Ärzte, Militärs und Politiker vorgestellt. Hier wird eigentlich erst das Thema des Buches erreicht, da nun der Blick vornehmlich in die englischsprachige Welt gerichtet wird. Zahlreiche Einzelpersonen lassen die Autoren Revue passieren. Das sechste Kapitel The Contributions of Huguenot Manufactures (S. 95– 110) und das siebte Kapitel Huguenot Artists and Architects (S. 111– 124) fokussiert den Blick auf England, Irland und Nordamerika. Etwas konfus ist die Schlussfolgerung des Buchs, die gar keine Zusam-menfassung des Themas bietet, sondern wieder neue Informationen, ins-besondere zu den Kamisarden, liefert. Den Abschluss des Buches bilden eine Bibliographie und ein Register. Der Rezensent legt das Buch mit einem zwiespältigen Eindruck aus der Hand. Der eloquente erste Teil, der sich jedoch auf Frankreich und die Flucht bezog, hat besonders gefallen. Doch die eigentliche Geschichte der Hugenotten in England, Irland und Nordamerika kommt viel zu wenig in den Blick. Und genau hier hatte der Buchtitel French Hugenots in English-Speaking Lands andere Erwartungen geweckt. Andreas Flick Friedrich Weber: Sendrecht, Policey und Kirchenzucht. Kirchen-rechtsbildung und religiös- ethische Normierung in Ostfriesland und Emden bis Ende des 16. Jahrhunderts, (= THEION. Jahrbuch für Religionskultur Band IX), Peter Lang Frankfurt am Main 1998, 480 S., ISBN 3- 631- 33506- 7 / 118,- DM Die Frankfurter theologische Dissertation von 1997 versteht sich in aktuell ekklesiologischer Perspektive als einen Beitrag zur gegenwärtigen kirchli-chen und theologischen Diskussion zum Thema „Kirchenzucht“. Sie geht dabei von der vor allem dem reformiertem Erbe zu verdankenden Einsicht in die enge Zusammengehörigkeit von Botschaft und Ordnung aus (S. 9). Versuchten die ab ca. 1920 entstandenen kirchlichen „Lebensordnungen“ noch Ordnung und Sitte der Volkskirche zu festigen und Kirchenzucht als Disziplinierungs- und Abwehrmittel einzusetzen, so verstanden sich die Ordnungen der fünfziger Jahre als Ergebnis des sog. „Kirchenkampfes“, in dem das Gemeindebewusstsein neu belebt und Kirchenzucht als Bußruf an die Kirche, als Ausfluss ihres Wächteramtes und als Aufruf zum verbindli-chen Leben des Christen verstanden wurde. Inzwischen herrscht eher die 88 Tendenz vor, Lebensordnungen als „Verhaltenshilfen zum Leben in den Gemeinden einer Kirche in der Minderheit“ zu formulieren (S. 19). Aller-dings waren die Lebensordnungen aus der Zeit nach dem Zweiten Welt-krieg nicht nur in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN) umstritten, beruhten sie doch im Blick auf wichtige Elemente auf der schon zur Zeit ihrer Entstehung nicht ausreichend reflektierten Erwar-tung, die von einer Minderheit im Kirchenkampf gewonnenen Vorstellungen von der Ordnung der Kirche könnten ohne weiteres auf die volkskirchliche Realität übertragen werden. Als Theorierahmen dient Weber vor allem die Auseinandersetzung um das sozial- und strukturgeschichtliche Verständnis der Kirchenzucht als „Sozi-aldisziplinierung“ (Paul Oestreich; vgl. 21ff., 100 Anm. 327, 202ff., 282ff.), wobei er sich tendenziell Modifizierungen des Profanhistorikers Heinz Schilling anschließt, dass Kirchenzucht zwar auch „Sozialdisziplinierung“ gewesen, in ihren theoretischen Grundlagen, Zielen und Mitteln aber von der Kriminalzucht und erst recht von der Kriminaljustiz des frühmodernen Staates zu unterscheiden sei. Die Kirchenzucht leiste – so Schilling – auf-grund des frühneuzeitlichen Gesellschaftssystems wichtige Beiträge zu diesem Gesamtprozess der Disziplinierung und Kontrolle des Lebens; sie müsse aber doch begrifflich und systematisch eigenständig, also auch theologisch erforscht werden (S. 24; anders dagegen Wilhelm Neuser, der diese Deutung der Kirchenzucht als Verwechslung von theologischer Ab-sicht und politischem Nebeneffekt ablehnt). Weiter möchte Weber „den singulären Charakter des Emdener Typus der evangelischen Kirchenzucht vor der reformierten Konfessionalisierung und deren Übergang zur Kirchenzucht nach Genfer Muster ab 1575 in Bezie-hung zum [mittelalterlichen, K.D.]Sendrecht und zur staatlichen Policey darstellen“ (S. 26). Für ihn war die Kirchenzucht in Emden beides: von theologischen Traditionen und religiösen Überzeugungen geprägtes kirchli-ches Phänomen und zugleich gesellschaftlich- politische Erscheinung. Wichtig ist ihm aber der eigenständige Beitrag der Kirchenzucht zu den übergreifenden säkularen und gesellschaftlichen Prozessen, die begriffliche und die sachliche Differenzierung zwischen „kirchlicher Sündenzucht“ und „staatlicher Strafzucht“ (S. 26). Die umfangreiche und subtile, auch quellenmäßig gut abgestützte Untersu-chung ist in folgende Kapitel gegliedert: Einleitung – Die Voraussetzungen von Sendgericht und Kirchenzucht – Das Sendrecht – Policey und Kirchen-zucht in Emden – Die Kirchenzucht des Emder Kirchenrates von 1557– 1595 nach den Protokollen – Schlussbetrachtung – Ausblick – Anhang. Die einzelnen Kapitel holen nicht nur in historischer Perspektive öfters weit aus. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des aus der bischöflichen Visitation gewachsenen mittelalterlichen Sendrechts und seiner teilweisen (modi- 89 fizierten) Übernahme in die Reformation oder im Blick auf die Kirchen- und Reformationsgeschichte des norddeutschen Raumes. Vereinfacht gesagt: Ursprünglich von staatlichem Recht freie Räume, die durch geistliches Recht gestaltet wurden (Sendrecht), wurden zunehmend durch Stadt-, Land-, Polizei- und staatliches Eherecht besetzt, die „Sünden“ zu „Verge-hen“ transformiert (S. 382). Auf diese Weise wurde es der Obrigkeit mög-lich, wirksam sittliches und religiöses Verhalten der Bürger zu beeinflussen. „Obrigkeitliche Rechtsbildung, die religiös begründet wird, ist zu verstehen als Antwort auf eine Sozialproblematik; der katholischen Kirche gelingt es nicht mehr, als normierende Kraft des sittlichen Lebens aufzutreten. Inner-halb der Stadt [Emden] beginnt mit zunehmender Gestaltung städtischer Ordnung ein gewisser Zwang zur Normierung des Sittlichen auf Grund der in der Stadt geltenden Normen. In diesem Zusammenhang ist von Sozial-kontrolle zu reden“ (S. 382). Für das erste Reformationsjahrzehnt gilt: „Reli-gion hat keine integrierende Kraft mehr im Leben der Bürger, sie ist eine selbständige Kraft im Leben einzelner geworden“. Die reformatorische Er-neuerung geht in Emden und Ostfriesland von einzelnen Theologen und nicht vom Landesherrn aus; der theologische Klärungsprozess zwischen alter und neu entstehender Kirche geschieht in Disputationen und durch Lehr- und Bekenntnisschriften; die Frage nach einer neuen kirchlichen Ord-nung bleibt zunächst nebengeordnet. Wenn Ordnungsfragen berührt wer-den, dann beziehen sie sich auf die Gestaltung des Gottesdienstes (S. 159). Auf die dann unter Johannes a Lasco ab 1544 erfolgten Ordnungsmaß-nahmen kann hier nicht weiter eingegangen werden. Der 1543/ 44 gegrün-dete Emder Kirchenrat (S. 168) erhielt seine Vollmacht zum Handeln im Rahmen der Kirchenzucht als Seelsorge durch Ermahnen von der Ge-meinde; er war ein rein kirchliches Organ (S. 383): „Mit der von a Lasco in London ausgearbeiteten KO und dem Zuzug vor allem der Londoner Flüchtlingsgemeinde wird aus dem landesherrlich- obrigkeitlich legitimierten Zuchtgremium (Kirchgeschworenen) der 40er Jahre der gemeindeauto-nome Kirchenrat, in dessen Handeln die Gemeinde wirkt. Seine Kirchen-zucht steht nicht mehr in der Tradition des Sendrechts ... Der Kirchenrat versteht sich als Gremium, das aus dem Hören auf Gottes Wort entstanden ist ... Das Kirchenrecht wird verstanden als ein am Gottesdienst und vom Gottesdienst der Gemeinde ausgerichteter Ordnungsvorgang“ (S. 384). Die jetzt als Sichtbarmachung der Kirche an ihren drei Kennzeichen (Wort, Sakrament, Seelsorge) verstandene Kirchenzucht ist von 1544 bis ca.1575 weder als Strafzucht, als Kriminalzucht noch als Sozialdisziplinierung zu werten. „Erst durch die Reorganisation der Kirchenzucht mit dem Wirken Menso Altings in Emden und Ostfriesland ab 1575 beginnt eine Neuaus-richtung an den von Calvin geprägten Positionen. Indem nun die Obrigkeit 90 verstärkt ... in die Verantwortung für die Sittenzucht genommen wird, be-ginnt der Kirchenrat seine Kirchenzucht über die Glieder der Abendmahls-gemeinde hinaus auf die ganze Stadtbürgerschaft auszudehnen. Es ver-schränken sich staatliche Sittenzucht mit kirchlicher Zucht“ (S. 385). Dieser Versuch, vereinfachend Hauptlinien der fleißigen Arbeit nachzu-zeichnen, soll mit einem Hinweis auf die zahlreichen Nebenwege und Pfade schließen, auf die der Leser immer wieder geführt wird und die die Lektüre auch außerhalb Emdens und der reformierten Gemeinden lohnend machen. Dass auch Bezüge zu unserem Forschungsgebiet (z. B. Martin Bucer, Johannes a Lasco, Wetterauer Grafenverein, Philipp der Großmü-tige) eine Rolle spielen, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Ein Register hätte ein Aufschließen auch dieser Bezüge erleichtert. Karl Dienst Neue Bücher und Aufsätze Die meisten Titel sind in der Bibliothek in Bad Karlshafen vorhanden bzw. werden angeschafft. Nicht aufgenommen wurden – von Ausnahmen abgesehen – Aufsätze aus genuin hugenottischen Zeitschriften. Bitte teilen Sie alle Neuerscheinungen (Bücher u. Aufsätze) dem Schriftleiter von HUGENOTTEN mit. Jörg Baur: ‘Orthodoxie’ und ‘Häresie’ im öffentlichen Diskurs des vorrevolutionären Frankreich, in: Neue Zeitschrift für systematische Theologie und Religions-philosophie 43, H. 1, 2001, S. 155– 164. André Benoist: Les protestants dans la guerre de Vendée et la problématique du conflit, in: Christianisme et Vendée. La création au XIX e siècle d’un foyer du catholicisme, La Mothe-Achard (Vendée) 2000, S. 211– 257. Susanne Bisgaard: Am Ende einer Reise. Probleme lokaler Identitätsfindung in Bad Karlshafen, in: Peripherie. Lokale Identitäten und räumliche Orientie-rung an der Grenze. Hg. v. Heinz Schilling, Frankfurt a. M. 2000, S. 181– 212. Hugo Bost: La dévotion, un sport spirituel? Le paradoxe du salut dans la piéteé réformée au XVII siècle, in: Positions luthériennes 48, 2000, S. 273– 294. Bernd Braukmüller: Draeger – Valette. Zwei Berliner Familien und ihre Nachkom-men, Rotenburg (Wümme) 2000. Marianne Carbonnier-Burkard: Le mort réformée, à travers un livre de raison du XVII e siècle, in: Foi et Vie 99, 2000, S. 45– 46. Tracy Chevalier: Das dunkelste Blau, Roman, München 1999. Olivier Christin / Dario Gamboni (Ed.): Krisen religiöser Kunst. Vom 2. Niceanum bis zum 2. Vatikanischen Konzil /Crises de l’image religieuse. De Nicée II à Vatican II, Paris 1999. 91 Cécile Depeux/Peter Jezler/Jean Wirth (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille? Bern – Zürich 2000. Amanda Eurich: Financer la foi: la fortune privée d’Henri de Navarre au cours des Guerres de Religion, in: Revue de Pau et de Béarn 26, 1999, S. 9– 21 Paul Fields: Calvin Bibliography: 2000, in: Calvin Theological Studies 35, 2000, S. 297– 314. Patrick Harismendy: „Post tebras lux“ ou cent ans de la Société de l’Histoire du Protestantisme Français, in: Revue d’histoire de l’église de France 86 (= Nr. 217), 2000, S. 717– 733. Jörg Haustein: Religionsfreiheit im lateinischen Westen – Das Edikt von Nantes und seine Folgen, in: Asyl, Toleranz und Religionsfreiheit: historische Erfah-rungen und aktuelle Herausforderungen. Hg. von Günter Frank, Jörg Haustein und Albert de Lange, Göttingen 2000, S. 101– 120. Thomas Klinkert: Einführung in die französische Literaturwissenschaft, (= Grund-lagen der Romanistik; 21), Berlin 2000. Yves Krumenacker: Être protestant en terre catholique: l’exemple du Bas-Poitou au au XVIII e siècle, in: Christianisme et Vendée. La création au XIX e d’un foyer du catholicisme, La Mothe-Achard (Vendée) 2000, S. 179– 195. Sigrid Kupetz: Karlshafener Häuser – mehr als schöne Fassaden. Von Plan und Realität einer barocken Stadtanlage und vom Leben darin im zeitlichen Wandel, Bad Karlshafen 2000. Albert de Lange: L’accoglienza ai Valdesi in Germania (1699) e la libertà religiosa, in: Protestantesimo 55, 2000, S. 163– 167. Ders. Die religionspolitische Bedeutung der Ansiedlung der Waldenser in Deutschland 1699 damals und heute, in: Asyl, Toleranz und Religionsfrei-heit: historische Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen. Hg. von Günter Frank, Jörg Haustein und Albert de Lange, Göttingen 2000, S. 140– 188. Jacques Marcadé: Le protestantisme poitevin à la veille de la révolution, in: Christianisme et Vendée. La création au XIX e d’un foyer du catholicisme, La Mothe-Achard (Vendée) 2000, S. 197– 209. Catherine Martin: Les Compagnies de la propagation de la foi (1632– 1685). Paris, Grenoble, Aix, Lyon, Montpellier. Etude d’un réseau d’associations fondé en France au temps de Louis XIII pour lutter contre l’hérésie des origines à la Révocation de l’Edit de Nantes, Genève 2000. Gerhard Menk (Hg.): Landgraf Moritz der Gelehrte, ein Kalvinist zwischen Politik und Wissenschaft, (= Beiträge zur hessischen Geschichte, 15), Marburg 2000. Katharina Middell: Leipzig und seine Franzosen. Die Réfugiés zwischen Sachsen und Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts in der Napoleonzeit, in: Francia 27/2, 1999, S. 63– 91. 92 Richard Muller: Ad fontes argumento-rum: The Sources of Reformed Theology in the 17 th Century, Utrecht 1999. Elisabeth Musser: Das Hugenotten-kreuz, Roman, aus dem ameri-kanischen Englisch von Friede-mann Lux, Lahr 2001. Klaus vom Orde: Antoinette Bourignon in der Beurteilung Philipp Jakob Speners und ihre Rezeption in der pietistischen Tradition, in: Pietismus und Neuzeit 26, 2000, S. 50– 80. Andrew Pettegree: Recent writings on the French Wars of Religion, in: Reformation 4, 1999, S. 231– 250. Henry Philipps: Sacreds Texts and Sacred Image: France in the Seventeenth Century, in: Bulletin of the John Rylands University Library of Manchester 81, Nr. 3, 1999, S. 299– 319. Maria-Cristina Pitassi (Ed.): Édifier ou instruire? Les avatars de la liturgie réfor-mée du XVI e siècle au XVIII e siècle, (= La Vie de Huguenots, 8), Paris 2000. Barbara Schenck: Die Evangelisch-reformierte Gemeinde St. Martha in Nürnberg, Nürnberg 2000. Bertram Eugene Schwarzbach (Hg.): La Bible imprimée dans l’Europe moderne, Paris 1999. [Mehrere Beiträge zu hugenottischen Bibelübersetzungen] Peter Segl: Franziskus und Valdes. Armut als Rebellion gegen die etablierte Reli-gion, in: Asyl, Toleranz und Religionsfreiheit: historische Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen. Hg. von Günter Frank, Jörg Haustein und Albert de Lange, Göttingen 2000, S. 71– 100. Frans Pieter van Stam: Die Genfer Artikel vom Januar 1537: aus Calvins oder Farels Feder, in: Zwingliana 27, 2000, S. 87– 101. Christoph Strohm (Hg.): Johannes a Lasco (1499– 1560). Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum internationalen Symposium vom 14.– 17. Oktober 1999 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, (= Spätmittelalter und Reformation; 14), Tübingen 2000. Willem Van’t Spicker: Calvin, (= Die Kirche in ihrer Geschichte, Bd. 3, Lieferung J2), Göttingen 2001. Charles Weick: Les Protestants à Bischwiller. Leur grande et leur petite histoire 1525– 1999, Bischwiller 1999. 93 Hugenottische Forschungsstätten (7) Die Waldenserbibliothek von Rosemarie Weber Henri-Arnaud-Haus Die Die Die Waldenserbibliothek im Henri- Arnaud- Haus in Schönenberg, die als Präsenzbibliothek über die Waldenser und verwandte Themen ausgelegt ist, war von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Henri-Arnaud- Hauses (hier in der Gegend auch als Waldenser- Museum be-kannt). Dieses Haus kann als das geistige Zentrum der Waldensernach-kommen in Deutschland betrachtet werden. Hier befindet sich neben Bib-liothek, Archiv und Museum auch der Sitz der Deutschen Waldenserverei-nigung e. V. (DWV). 1. Zur Geschichte 1.1 Das Henri- Arnaud- Haus, erbaut im Jahr 1702 als Pfarrhaus für den Pfarrer und Anführer der Waldenser, Henri Arnaud, wurde 1937 von der ein Jahr davor gegründeten Deutschen Waldenservereinigung e. V. (DWV) er-worben. Hier richtete der damalige Ötisheimer Pfarrer und Geschäftsführer 94 der DWV, Ludwig Zeller, schon 1939 ein Museum ein. Von Anfang an wurde auch eine Bibliothek aufgebaut, über die Pfarrer Zeller im Mittei-lungsblatt der DWV „Der Deutsche Waldenser” regelmäßig berichtete. Der Hauptbestand der privaten Bibliothek von Zeller sowie zahlreiche antiquarische Erwerbungen (Bibeln, wertvolle Schriften des alten Protes-tantismus) bildeten den Kern der Bibliothek. Einzelstiftungen, Bestände aus dem Nachlass des engagierten Pfarrers Adolf Märkt (1861– 1947) aus den Waldensergemeinden Pinache und Serres und Stiftungen aus der Pfarrbib-liothek Ötisheim komplettierten die damalige Sammlung. Nach dem Krieg machte Zeller das Arnaud- Haus zu einem geistigen Zent-rum für alle Evangelischen, deren Vorfahren oder die selbst um des Glau-bens willen getötet, inhaftiert oder vertrieben worden waren. Dabei dachte er an die Hugenotten, Wallonen, Salzburger Emigranten, aber auch an die Opfer des Nationalsozialismus (wie Paul Schneider) und an die des Kom-munismus, zu denen er u. a. die evangelischen Ostvertriebenen rechnete. Dementsprechend war das Museum eingerichtet, für jede Gruppe eine Ecke; daher sammelte Zeller in der Bibliothek des Henri- Arnaud- Hauses Bibeln sowie Glaubenszeugnisse all dieser Gruppen und Personen. Präsent waren die Waldenser- und Reformationsgeschichte, pietistische Literatur, Predigten, Bibeln und Gesangbücher. Insbesondere die deutsch-sprachige Literatur über die Geschichte der Waldenser nach ihrem An-schluss an die Reformation (1532) war gut vertreten, daneben, verständli-cherweise, Schriftgut und andere Zeugnisse aus den deutschen Walden-sergemeinden. Nur wenig war aus der französischen und italienischen Fachliteratur vorhanden. Die Büchersammlung war im Obergeschoss des Museums (im so genannten „alten Archiv”) untergebracht. 1.2 Nach Zeller, der 1979 altershalber seine Tätigkeit im Henri- Arnaud-Haus aufgab, wurde Pfarrer Dr. Theo Kiefner als wissenschaftlicher Mitar-beiter in den Vorstand der DWV (1980– 1983) gewählt. In dieser Zeit er-folgte die erste fachgerechte Neuordnung und Katalogisierung der Bestände. Dabei wurde die Bibliothek radikal auf die Geschichte der Waldenser und Hugenotten in den Cottischen Alpen und Deutschland sowie die Reformationsgeschichte konzentriert. Die Unterbringung der katalogisierten Bestände erfolgte in den Büroräumen, im Anbau des Henri-Arnaud- Hauses. 1615 Titel, Duplikate eingerechnet, enthielt damals die Namens- und Standortkartei. Andere Bestände, z. B. die Bibeln und Gesangbücher, wurden wegen Platzmangels nicht erfasst. Im alten Archiv verblieben weitere Bestände an Predigten, theologischen Schriften über den Pietismus und Schriften volksmissionarischer Art. In dieser Zeit sind beachtliche Zugänge aus der wissenschaftlichen Arbeit von Dr. Theo Kiefner zu verzeichnen. 95 96 1.3 1985 übernahm Pfarrer i. R. Dietrich Fischinger die Verantwortung für die Bibliothek. Fischinger wandte sich besonders den mittelalterlichen Wal-densern zu. Er knüpfte Beziehungen zu Bewegungen wie den Mennoniten, den Hutterern und den Pietisten, die, wie die Waldenser, die Nachfolge Christi ins Zentrum stellten. Alle diese Bewegungen sollten in der Bibliothek dokumentiert werden. Insbesondere wurde jetzt Literatur zu den Walden-sern im Mittelalter gesammelt. Darüber hinaus wurden auch Publikationen zum kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld der Waldensergemeinden in Deutschland aufgenommen. In den Jahren von 1987 bis 1999 erfolgte die gesamte Inventarisierung des Buchbestandes, der inzwischen auf 10.400 Titel gewachsen war, durch Rosemarie Weber. Umfangreiche Stiftungen der Bibliothek des Oberkirchenrates der Evangeli-schen Landeskirche Württemberg wie auch von anderen öffentlichen Be-hörden, Privatpersonen und Verlagen wurden im Katalog eingearbeitet. Die Nutzung dieser umfangreichen Bibliothek war nur durch den Ausbau des alten Scheunendaches zu einer Bibliothek mit Lese- und Mehrzweckraum möglich. Am 3. Juni 1989 war es so weit: In einem Festakt wurde die Wal-denser- Präsenzbibliothek eröffnet und somit der Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht. Bisher war nur eine wissenschaftliche Nutzung mög-lich. 1.4 Seit 1995 obliegt die wissenschaftliche Verantwortung für Bibliothek und Museum dem Kirchenhistoriker Dr. Albert de Lange. Sein Ziel ist es, die Geschichte der Waldenser von den Anfängen bis heute zu dokumentieren, wobei es schwerpunktmäßig um a) deutschsprachige Veröffentlichungen über die Waldenser im Allgemeinen und b) möglichst vollständige Sammlungen des Schriftgutes (Bücher, Zeitschriften, Zeitungsartikel usw.) über die deutschen Waldenser geht. Außerdem verfolgt er den selektiven Erwerb von Veröffentlichungen über mit den Waldensern verwandte Themen, wie Hugenotten, Hussiten, Katharer und andere. Der Platzmangel machte eine Konzentration der Bibliothek hauptsächlich auf das eigentliche Fachgebiet erforderlich. 2. Beschreibung des Buchbestandes 2.1 In der inhaltlichen Zusammensetzung dominiert das Schrifttum über die Waldenser und Hugenotten (Geschichte, Glauben, Volkstum). Insbe-sondere enthält die Bibliothek eine einzigartige Sammlung von Veröffentli-chungen über das Chisonetal, wo die deutschen Waldenser herkommen, und die Geschichte der deutschen Waldenser. Auf die Ergänzung und Neu-erscheinungen soll auch weiterhin geachtet werden. Die Sammlung von Bibelausgaben, Bibelauslegungen, Predigtsammlungen und Gesangbü-chern ist bemerkenswert. 97 2.2 Besonderheiten. In der Bibliothek finden sich einige wertvolle Hand-schriften des 19. und 20. Jahrhunderts: Predigten in französischer Sprache des letzten Waldenser Pfarrers, Daniel Mondon, aus Großvillars, „Heinrich Arnaud, Pfarrer und Kriegsoberster der Waldenser” von Karl Hermann Klai-ber, 1879, „Sonn- und Festtagspredigten” (3 Bände) von Wilhelm Bellon, 1883– 1885, und schließlich von Karl Hartenstein „Predigten” (5 Bände) sowie „Bibelstunden“ (5 Bände), 1942– 1952. Eine Aufsatzsammlung und Vortragssammlung zur Waldensergeschichte wurde der Bibliothek eingegliedert. Examensarbeiten zur Waldenserge-schichte von Studenten und Doktoranden werden seit 1984 gesammelt. Zum Bestand der Bibliothek gehören auch die AV- Medien (Audiovisuelle Medien): Schallplatten, Tonkassetten, CD- Rom mit Aufnahmen von Psal-men, Chorälen und Volksmusik aus der Waldenserkirche in Italien sowie Videokassetten zur Geschichte der Waldenser und vieles mehr. 2.3 Wesentliche Lücken bestehen in allen Schwerpunktbereichen der Bib-liothek, trotz der Vielzahl der Titel. Am schmerzlichsten sind sie hinsichtlich der Waldenserforschung des 19. und 20. Jahrhunderts, im Bereich des Mittelalters und bei den mit den Waldensern verbundenen Bewegungen: Hussiten, Brüderunität, Katharer, Hugenotten und andere. Vor allem sollten jedoch die Lücken mit Bezug zum Chisonetal und den deutschen Walden-serorten geschlossen werden. Für eine zentrale Bibliothek der deutschen Waldenser ist eine Ergänzung dieser Lücken von entscheidender Bedeu-tung. 2.4 Durch Spenden von Freunden und uns verbundenen Institutionen kön-nen wir folgende Zeitschriften (zum Teil in Jahrgängen gebunden) laufend auslegen: Mitteilungen: „Der Deutsche Waldenser”, „La Riforma” (Wochenblatt der Waldenser und Methodisten in Italien), „Riesi”, „Agape” (Mitteilungen für Freunde), „la beidana” – cultura e storia nelle Valli Valdesi, „La Valaddo”, „La Valmasque” (Zeitschrift der Hugenotten/Waldenser im Luberon)”, „Mensajero Valdense” (Monatsschrift der Waldenser am Rio de la Plata), „The Waldensian Review”, „Freundeskreis der Waldenserkirche e. V.” (Mitteilungen aus Bergisch Gladbach), „Der Deutsche Hugenott” (ab 1998 „Hugenotten”), „Wallonisch- Niederländische Gemeinde” (Hanau), „Reformierte Kirchenzeitung”, „reformiert – Bilder und Berichte aus der Evangelisch- reformierten Kirche.“ Wissenschaftliche Zeitschriften: „Geschichtsblätter des Deutschen Huge-notten- Vereins e.V.”(ab 1998 als Buchreihe Geschichtsblätter der Deut- 98 schen Hugenotten- Gesellschaft e.V.),„Bolletino della Società di Studi Valdesi”, „Protestantesimo” (Hrsg. Theologische Fakultät in Rom), Communio Viatorum (Hrsg. Protestantisch- Theologische Fakultät der Karls-Universität in Prag), „Berichte aus der Waldenserforschung ”(Hrsg.Dr. Theo Kiefner), „Beiträge zur Geschichte Walldorfs”. 2.5 Neben der Bibliothek ist im Henri- Arnaud- Haus auch ein Archiv von ca. 8 Meter Länge vorhanden. Es handelt sich nicht nur um das eigentliche Archiv der DWV, sondern auch um teilweise persönliche Nachlässe von Ludwig Zeller, Adolf Märkt, Max Ginolat und anderen. Mit Sondergenehmi-gung des Vorstandes ist auch das Archiv zugänglich. 3. Katalog, Öffnungszeiten 3.1 Es besteht ein alphabetischer Katalog und ein systematisch geordneter Standortkatalog. Diese Kataloge werden jedoch nicht weitergeführt, da die Bestände EDV- erfasst werden. Die einzelnen Sachgruppen sind in der Bibliothek jeweils übersichtlich aufgestellt und ausgeschildert. 3.2. Zum Ausleihen von Büchern bedarf es einer Sondergenehmigung durch den wissenschaftlichen Vorstand, ebenso für Fotokopien bei alten oder besonders abgegriffenen Büchern. Das vorhandene Kopiergerät kann gegen eine Gebühr benutzt werden. 3.3. Die Öffnungszeiten sind dienstags von 17.00 bis 19.00 Uhr sowie nach vorheriger telefonischer Absprache. Im August und vom 15. Dezember bis 15. Januar ist die Bibliothek geschlossen. Adresse: Henri- Arnaud- Haus, Henri- Arnaud- Straße 27, 75443 Ötisheim- Schö-nenberg, Telefon 07041/ 7436; Fax 07041/ 863677, E- mail : Henri- Arnaud- Haus@ t- online. de / info@ waldenser. de Kurzmeldungen www.hugenotten.de:Seit dem 20. Mai 2001 ist die Homepage der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft freigeschaltet. Neben Informationen über die Gesellschaft (Genealogisches Forschungszentrum, Bibliothek und Veranstaltungen) sowie das Deutsche Hugenotten-Museum in Bad Karlshafen bietet die Homepage auch einen Shop, in dem sowohl das Verlagsprogramm der DHG als auch Hugenottenkreuze 99 verkauft werden. Links weisen auf weitere interessante Seiten zu den Themen Hugenotten, Waldenser und Evangelisch-reformierte Kirche hin. Ein Diskussionsfo-rum ist in Vorbereitung. Erstellt wurde die Homepage von der Firma Genealogie-Service. de GmbH in Bad Nauheim-Steinfurth. • Die neue E-Mail-Adresse der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft e.V.lautet: deutsche. hugenotten. ges@ t-online.de. Die E-Mail-Adresse der Mitgliederzeitschrift HUGENOTTEN lautet weiterhin Refce@t-online.de. • Daniel Chodowiecki: Ein großer Erfolg war die Eröffnung der Aus-stellung Daniel Chodowiecki (1726– 1801) – berlinski artysta z Gdanska am 11. Mai 2001 im Uphagenhaus zu Danzig. Die Ausstellung, die an-schließend in Bad Karlshafen (14. Juli bis 15. August – Deutsches Hugenotten-Museum), Berlin (30. August bis 4. November – Museum Mitte von Berlin) und Emden (17. November bis 31. Dezember – Johannes a Lasco Bibliothek) ge-zeigt werden wird, war von der Deutschen Hugenotten-Gesell-schaft, der der Johannes a Lasco Bib-liothek Emden und der Französi-schen Kirche zu Berlin in Zusam-menarbeit mit dem Museum Mitte von Berlin konzipiert worden. An-lass ist der 200-jährige Todestag und der 275-jährige Geburtstag des hugenottisch-polnischen Künstlers. Im Rahmen der Ausstellungseröff-nung fand in der St. Peter und Paul-Kirche, am Taufort von Daniel Chodowiecki, ein ökumenisches Gebet statt, das von dem Vizeprä-sidenten der Deutschen Hugenot-ten- Gesellschaft Dekan em. Jochen Desel mitgestaltet wurde. (Vgl. auch S. 104) 100 • Fünfte DAGV-CD: Für 35 Euro kann die von Dieter Zwinger in Zusammenarbeit mit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände e. V. erstellte fünfte DAGV-CD zur Familienforschung erworben werden: Verlag Degener & Co., 91403 Neustadt (Aisch), Postfach 1360, ISBN 3-7686-2508-7. • Der Verein „Historische Kommission für den reformierten Protestantismus“ hat sich auf seiner letzten Mitgliederversammlung im März 2001 in „Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus“ umbenannt. Zum neuen Vorsitzenden wurde Pastor Dr. Jan-Marius Lange van Ravenswaay aus Neermoor-polder (Ostfriesland) gewählt. Frau Dr. Ursula Fuhrich-Grubert, die auch dem Vor-stand der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft angehört, wurde neu zur Beisitzerin gewählt. Die Mitgliederversammlung ging der „3. Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protestantismus“ voran, die rund 100 Teilnehmer zählte. • 300 Jahre Frankenhain: 1701 wurde auf der Dorfwüstung „vor dem Frankenhain“ oberhalb der Stadt Treysa (Hessen-Kassel) von von 24 Familien mit 67 Personen eine Hugenottenkolonie gegrün-det. Anlässlich des 300-jährigen Jubi-läums Jubi-läums findet vom 2. bis 5. August 2001 ein Festprogramm statt: Donnerstag, 2. August: 19.30 Uhr Französischer Abend; Vorstellung der Dorfchronik, an-schließend Tanz im Festzelt mit der Kapelle „Die Silver Boys“. Freitag, 3. August: 19.00 Uhr Krenzniederlegung auf dem Friedhof; 19.30 Uhr Festkommers und verschiedene Darbietungen, anschließend Tanz im Festzelt mit der Kapelle „Musikexpress“. Samstag, 4. August: 14.00 Uhr Eröffnung der Bilderausstellung im Dorfgemeinschaftshaus; 20.00 Uhr Tanz im Festzelt mit der Kapelle „Die Gringos“. Sonntag, 5. August: 11.00 Uhr Festgottes-dienst; 12.30 Uhr Stehender Festzug; 18.00 Festliches Abschlusskonzert mit dem Jugendblasorchester Schwalmstadt. (Änderungen vorbehalten) Die Hugenottenkirche in Frankenhain (erbaut 1746– 1754). 101 • 13. bis 15. Juli 2001 HUGENOTTENFEST in Bad Karlshafen: • Weinfest mit Kleinkunstbühne • Kunsthandwerkermarkt • Tag der offenen Tür im Deutschen Hugenotten-Zentrum mit Kaffeegarten • Historischer Vortrag von Professor Birnstiel (Universität Toulouse) zum Thema: "Hugenotten, die Stiefkinder Frankreichs" (Sonnabend 11.00 Uhr im Landgrafensaal) • Ausstellung im Deut-schen Hugenotten-Museum: "Daniel Chodowiecki (1726-1801).Ein hugenottischer Künstler und Menschenfreund in Berlin." • Ausstellung zum Edikt von Nantes in der Stephanus-Kirche. • Vom 25 bis 27. September 2002 findet in Stellenbosch (Südafrika) die 3. Interna-tionale Hugenottenkonferenz statt. Sie steht unter dem Thema THE HUGUE-NOTS: ORIGINS, SETTLEMENTS AND INFLUENCE – The story of a refugee people. Nähere Informationen sowie Anmeldeformulare für Kurzreferate über diese Tagung sind beim Präsidenten der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft oder über http:// www. geocities. com/ hugenoteblad/ conference/ index. html (Homepage zur 3. Internationalen Hugenottenkonferenz) erhältlich. • August Lafontaine: Am 20. April 2001 ist auf dem Friedhof der St. Laurentius Gemeinde in Halle das Grabmal von August Lafontaine (1758– 1811) pünktlich zum 170. Todestag des Schriftstellers wiederaufgestellt worden (Foto). Auch die Deut-sche Hugenotten-Gesellschaft hatte sich mit einer kleinen Spende an den Restau-rierungskosten beteiligt. 102 Genealogische Suchanfragen • Meine direkten Vorfahren waren der Rittergutsbesitzer Rudolf Richelot, * 28.9.1810 in Alt-Sternberg, Ostpreußen, † 3.7.1848 in Neukuhren, verh. mit Frie-derike Bruder am 20.2.1837 in Alt-Sternberg, Ostpreußen (Kr. Labiau), * 2.9.1817, † 2.4.1895 bei Heydekrug (Memel). Das Gut des Robert Richelot befand sich ver-mutlich in Heydekrug. Rudolf Richelot entstammte einer Hugenottenfamilie. Ich suche Daten seiner Eltern und Großeltern und den Herkunftsort der Familie Richelot in Frankreich. Antworten an: Hubert Janssen, Gelderner Str. 37, 47623 Kevelaer, Tel. 02832-2400. • Wer kann Auskunft über die Herkunft der Familie Malcomes geben? Malcomes ist der Geburtsname meiner Großmutter und sie stammte aus einer Gärtnerei in Kas-sel. Die entsprechenden Unterlagen sind in Kassel durch Kriegseinwirkung ver-nichtet worden. Der Urgroßvater war Adam Wilhelm Malcomes, geb. 9.1.1833 in Kassel, von Beruf Gärtner, und der Ururgroßvater Adam Malcomes, geb. 3.5. 1804 in Kassel, ebenfalls Gärtner. Antworten bitte an: Christine Sauer, geb. Schack, Postfach 5023, 66623 Nohfelden. • Ich suche Informationen zu dem Amsterdamer Handelsherrn Joh. Christ. Dippel (Tiepel), der 1663 eine namhafte Summe für den Bau der Französisch-reformierten Kirche Kirche zu Bützow gegeben hat. Dippel soll angeblich aus Bützow stammen. Zudem suche ich genealogische Informationen zu dem aus Frankreich geflohenen Lehrer Gédéon Dupuis, einem der Erzieher der aus dem reformierten Fürstenhaus Hessen-Kassel stammenden Königin Charlotte Amalie von Dänemark. Antworten bitte an: Dr. Ludwig Dupuis, Kufsteiner Str. 19, 10825 Berlin. Geänderte Uhrzeit! Einladung zur Mitgliederversammlung 2001 der Deutschen Hugenotten- Gesellschaft am Samstag, 20. Oktober 2001, um 17.00 Uhr in der Evangelisch-reformierten Kirche Neu-Isenburg (Marktplatz 8). Tagesordnung: 1. Begrüßung; 2. Rechenschaftsbericht des Vorstandes; 3. Abnahme der Jahresrechnungen; 4. Entlastung des Vorstandes und der Geschäftsführung für 1999 und 2000; 5. Neuwahl des Vorstandes und der Rechnungsprüfung; 6. Verschiedenes Mit freundlichem Gruß Andreas Flick, Präsident der DHG 103 Anmeldung und Information: Deutsche Hugenotten- Gesellschaft Hafenplatz 9a 34385 Bad Karlshafen Fon 05672/ 1433 104 1P 21546 F Neuerscheinung Ursula Fuhrich-Grubert und und Jochen Desel (Hg.) Daniel Chodowiecki (1726– 1801). Ein hugenottischer Künstler und Menschenfreund in Berlin (Geschichtsblätter der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft, Bd. 34) ca. 400 S., Bad Karlshafen 2001 ISBN 3-930481-14-6 39,80 39,80 39,80 39,80 DM Das Begleitbuch zur Ausstellung, die in Danzig, Bad Karlshafen, Berlin und Emden gezeigt wird, enthält neben dem Ausstellungskatalog auch Aufsätze, die sich mit dem Leben und Werk des Künstlers beschäftigen. Die Ausstellungstermine finden Sie auf S. 99 in diesem Heft! Verlag der Deutschen Hugenotten- Gesellschaft e.V. Hafenplatz 9a 34385 Bad Karlshafen