EmderBeiträge zum reformierten Protestantismus 3 reformierten Protestantismus 3 Jan Remmers Weerda Der Emder Kirchenrat und seine Gemeinde Ein Beitrag zur Geschichte reformierter Kirchenordnung in Deutschland, ihrer Grundsätze und ihrer Gestaltung herausgegeben von Matthias Freudenberg und Alasdair Heron Herausgegeben von Matthias Freudenberg, Alasdair I.C.Heron, Harm Klueting, Sigrid Lekebusch, Jan Rohls, Walter Schulz und Hans-Georg Ulrichs Emder Beiträge zum f foedus foedus f EmderBeiträge zum reformierten Protestantismus Band 3 Herausgegeben von Matthias Freudenberg, Alasdair I.C.Heron, Harm Klueting, Sigrid Lekebusch, Jan Rohls, Walter Schulz und Hans-Georg Ulrichs foedus JanRemmers Weerda Der Emder Kirchenrat und seine Gemeinde Ein Beitrag zur Geschichte reformierter Kirchenordnung in Deutschland, ihrer Grundsätze und ihrer Gestaltung Herausgegeben von Matthias Freudenberg und Alasdair Heron foedus ©foedus-verlag, Wuppertal 2000 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von Tomas Riehle der Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden und Satzgestaltung: Hans-Martin Dahlmann, Rheinberg Foto auf Seite XI aus dem Privatbesitz (1956) Druck Druck und buchbinderische Verarbeitung: Breklumer Druckerei Manfred Siegel KG Printed in Germany ISBN 3-932735-37-4 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Weerda, Weerda, Jan Remmers: Der Emder Kirchenrat und seine Gemeinde : ein Beitrag zur Geschichte reformierter Kirchenordnung in Deutschland, ihrer Grundsätze und ihrer Gestaltung / Jan Remmers Weerda. Hrsg. von Matthias Freudenberg und Alasdair Heron. - Wuppertal : Foedus, 2000 (Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus ; Bd 3) ISBN 3-932735-37-4 Vorwortzur Edition Mehr als fünfzig Jahre blieben Jan Remmers Weerdas grundlegende Studien zur Geschichte des Emder Kirchenrats in seinen ersten Generationen unveröffentlicht, jedenfalls ungedruckt. Gänzlich unbekannt waren sie zwar nicht: Durchschläge und Fotokopien gibt es in mehreren Händen. Auch werden die zwei Bände in angrenzenden Studien regelmäßig bibliographisch erfaßt, gelegentlich durch den Zusatz ergänzt, daß der Druck vorbereitet werde. Damit waren sie aber nicht recht zugänglich. Selbst in Erlangen, wo Weerda vom 1. November 1949 bis zu seinem frühen Tod am 19. Juli 1963 Ordinarius für Reformierte Theologie war, gab es das doppelbändige Werk nicht, weder im Besitz seiner Familie noch in den Bibliotheken der Universität. Erst das freundliche Angebot von Superintendent Alfred Mengel/Lengerich, uns ein Exemplar zur Verfügung zu stellen, brachte uns auf die Spur. Schon eine flüchtige Lektüre vermochte uns zu überzeugen, daß man endlich versuchen sollte, das Werk richtig gedruckt zu veröffentlichen. Weerdas Tochter, Frau Theda Schneider/Erlangen, hat sofort die Erlaubnis gegeben, nach Möglichkeiten der Drucklegung zu suchen. Noch heute erinnert sie sich daran, wie ihr Vater in ihrer Kindheit über den alten Protokollen saß, dort in dem Pfarrhaus in Emden, als er seine Promotionsarbeit zum Lic. theol. (Bd.1: 1944) und seine Habilitationsschrift (Bd.2: 1948) anfertigte. Das geschah mit einer Schreibmaschine, die – so läßt es das Druckbild schließen – wohl schon damals etwas betagt war. Frau Schneider sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Allerdings mußte zuerst der Text druckfertig gemacht werden, was u.a.schon wegen seines Umfangs einige Arbeit voraussetzte. Daß Weerda selbst das Werk nie zum Druck brachte, hatte mehrere Gründe. Neben einer Krankheit, die seine letzten Lebensjahre überschattete, wohl vornehmlich zwei: Er wollte noch einen dritten Teil hinzufügen, wozu er nicht gekommen ist; und er wußte, daß die Gestaltung der Arbeit – besonders rein typographisch – einiges zu wünschen übrig ließ. In der Tat mußte sie noch einmal gründlich durchgesehen, korrigiert und ins Reine geschrieben werden – eine enorme Arbeit, hätte er sie neben seiner akademischen und kirchlichen Arbeitsbelastung in Erlangen und unter seinen damaligen Arbeitsbedingungen vollbringen sollen. Selbst mit den uns inzwischen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln hat die Drucklegung sowohl von den Mitarbeitenden am Lehrstuhl für Reformierte Theologie wie auch von den anderen, die uns dabei erheblich geholfen haben, einen ziemlichen – aber auch einen sich lohnenden – Einsatz verlangt. Ineiner Hinsicht freilich erwies sich die Verzögerung beim Druck als günstig. Denn mit der 1989 bzw. 1992 erfolgten Veröffentlichung der Emder Kirchenratsprotokolle durch Heinz Schilling und Klaus-Dieter Schreiber (Die Kirchenratsprotokolle der Reformierten Gemeinde Emden 1557-1620, Teil 1: 1557-1574/Teil 2: 1575-1620, Städteforschung Reihe C: Quellen, Bd. 3.1/3.2,Köln/Weimar/Wien 1989/1992) hatten wir die Möglichkeit, Weerdas zahlreiche und ausführliche Zitate noch einmal zu überprüfen und dieser Edition in Schreibweise, Interpunktion und Vereinheitlichung von Namen, Schriften und Werken anzupassen. Dabei wurden auch offensichtliche Schreibfehler und kleinere Irrtümer in Weerdas eigenem Text stillschweigend korrigiert und abweichende Schreibformen an den heutigen Sprach- und Schreibgebrauch angeglichen. Außerdem wurden spätere handschriftliche Ergänzungen und Korrekturen durch Weerda selbst in den Text aufgenommen. Diese mühevolle Kleinarbeit ist von Dr. Matthias Freudenberg, dem Mitherausgeber der Edition, für den Text als Ganzes gemacht worden. Das ebenfalls von ihm verfaßte biographisch- bibliographische Nachwort gibt Hinweise zu Person und Werk Weerdas, nennt seine wichtigsten Publikationen sowie Literatur über ihn und bietet eine Auswahlbibliographie zur Emder Kirchengeschichte, die den Zeitraum 1948-1998 umfaßt. Zu Dank verpflichtet sind wir OStR i.R.Erich von Reeken und Propst Dr. Friedrich Weber für die Durchsicht der niederdeutschen Texte. Ferner gilt unser Dank der damaligen Sekretärin am Lehrstuhl für Reformierte Theologie, Frau Inge Hutzler, die die ganze Arbeit mit dem Computer erfaßt und die zahlreichen Korrekturen sorgfältig eingetragen hat. Schließlich sei stud. theol. Mark Meinhard für das Korrekturlesen des Manuskripts und stud. theol. Doris Thal für die Durchsicht der Druckfahnen gedankt. Wir freuen uns, daß der foedus-verlag bereit war, im Jahr des Gedenkens an a Lascos 500. Geburtstag (1499-1999) die Publikation zu übernehmen. Für die Aufnahme in das Verlagsprogramm danken wir dessen Leiter Jörg Schmidt. Die Publikation wäre ohne namhafte Druckkostenzuschüsse nicht möglich gewesen. Darum sind wir besonders dankbar und erfreut, daß sich die Ev.-ref.Kirche in Bayern, die Ev.- ref. Kirche ( Synode ev.- ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland), die Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden und die Kinder Weerdas, Frau Theda Schneider und Herr Prof. Dr. Dr. Geerd Hilko Weerda, bereit fanden, das Projekt finanziell zu unterstützen. Emden galt nicht von ungefähr im 16. Jahrhundert als „das Genf des Nordens“ sowie als Mutterkirche der reformierten Ausbreitung in Ostfriesland und den Niederlanden. Darüber hinaus hatte die Emder Gemeinde – nicht zuletzt, aber auch keineswegs allein wegen der Person Johannes a Lascos – wesentliche Verbindungen nach Zürich, Straßburg, Genf, London und Polen. Zwei zu a Lascos Zeit gegründete Institutionen – der Kirchenrat und der Coetus reformierter Prediger – bestehen, allerdings etwas verwandelt, bis heute und haben VI Vorwort zur Edition durchihr Beispiel und Vorbild weit über die Grenzen Frieslands hinaus zur Gestaltung reformierten Kirchenwesens beigetragen. Ähnliches gilt im allgemeinen für die Emder Kirchenordnung und Gottesdienstgestaltung sowie für die Wirkung der Emder Synode von 1571, denen u.a.Weerda eigene Untersuchungen gewidmet hat (vgl.dazu die posthum von Anneliese Sprengler-Ruppenthal mit mit einem Geleitwort von Rudolf Smend herausgegebene Aufsatzsammlung: Jan Remmers Weerda: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, München 1964). Es ist für mich eine besondere Freude, mit dieser Editionsarbeit die wohl wesentlichste akademische Leistung meines Vorgängers als Professor für Reformierte Theologie in Erlangen einer größeren Öffentlichkeit vorlegen zu können. Als Weerda starb, war ich noch Student in meiner britischen Heimat, aber seine Frau Grete (†1985) lebte noch, als ich 1981 nach Erlangen kam. Die Bemühung um solche Aufnahme und Wiedergabe der Arbeit meines Vorgängers will nicht bloß ein Stück Antiquarismus sein – was an sich freilich nicht verwerflich wäre – sondern, und dies ganz in Weerdas eigenem Sinne, Erinnerung an die übergreifende Lehr- und Lerngemeinschaft, die uns über Jahre und Jahrhunderte in der nach Gottes Wort reformierten Kirche verbindet. Erlangen, im Herbst 1999 Alasdair I.C.Heron Vorwort zur Edition VII Inhalt Vorwort zur Edition V Einleitung 1 Erster Teil Die Grundlegung der Kirchenordnung durch a Lasco Erstes Kapitel Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 7 Zweites Kapitel Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 21 Drittes Kapitel Die Errichtung des Emder Kirchenrates 45 Viertes Kapitel Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 57 Fünftes Kapitel Das Interim 91 Sechstes Kapitel Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 107 Beilage 155 Zweiter Teil Die Dienste und die Gemeinde Einleitung 161 Siebtes Kapitel Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger im Rahmen der Emder Predigergeschichte 165 AchtesKapitel Die theologische Anschauung von der Berufung und der Einführungsverpflichtung im Rahmen der geltenden Ordnung 237 Neuntes Kapitel Die Bestellung der Ältesten 261 Zehntes Kapitel Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 283 Elftes Kapitel Die theologische Anschauung von der Kirche nach der in Emden geltenden Lehre mit besonderer Berücksichtigung der Kirchenordnung als eines Wesenszuges der Kirche 315 Zwölftes Kapitel Die Gemeindegliedschaft 339 Schluß 363 Quellen und Literatur 365 Auswahlbibliographie 379 von Matthias Freudenberg Biographisches Nachwort 391 von Matthias Freudenberg X Inhalt JanRemmers Weerda (1906-1963) Einleitung In den grundlegenden Werken zu der Geschichte und über die Grundsätze reformierter Kirchenordnung ist die Bedeutung a Lascos und seiner Tätigkeit in Emden durchgehend nur in summarischen Angaben über die Errichtung der beiden Organe, die seinem Namen und seiner Arbeit verbunden bleiben, nämlich des Coetus der Prediger Ostfrieslands und des Kirchenrates in Emden, herausgestellt worden. 1 Das erklärt sich aus dem Mangel an Material, der die Zusammenhänge der Ordnungsgeschichte in tiefer eindringenden Einzelheiten zu zeichnen bislang nicht erlaubte. So bleibt die nähere Erforschung der Emder Kirchenordnung eine Aufgabe, die wenigstens angegriffen werden muß. Denn durch die Arbeit a Lascos bildete sich in Emden ein Mittelpunkt reformatorischer Kirchlichkeit von so bestimmter und auch dauerhafter Prägung, daß schon unter diesem Gesichtspunkt eine Vertiefung der Erkenntnisse wenigstens angestrebt werden muß. Möglich wird solch ein Versuch, wenn man bisher unbenutzte Briefe aus den Züricher Sammlungen und eine Streitschrift des Emder Predigers Gellius Faber gegen die Wiedertäufer heranzieht, Quellen, die bisher für die Aufhellung ostfriesischer Zustände so gut wie gar nicht benutzt worden sind. Aus ihnen ist die Grundlegung der Emder Kirchenordnung, wenn auch nicht in wünschenswerter Vollständigkeit, so doch bedeutend eingehender zu beschreiben, als es bisher der Fall sein konnte. Besonders aber muß das gelten für die Zeit nach a Lasco; denn von 1557 an bieten die in lückenloser Folge erhaltenen Protokolle des Kirchenrates eine Fülle von Material, das ebenfalls für eine Darstellung der Kirchenordnung noch überhaupt nicht herangezogen worden ist. Aus diesen Quellen läßt sich im Zu- 1 Welche Vorstellungen über die Entstehung der ostfriesischen Kirche in manchen Büchern herrschen, zeigen z.B.Dorner, Gesch. d. prot. Theologie, 433: „1568 wurde durch die Synode von Wesel die niederrheinische, 1571 durch die von Emden die ostfriesische reformirte Kirche begründet.“ Wahrscheinlich aus Dorner übernimmt Leube, Kalvinismus und Luthertum, Bd. I, 33 die gleiche Behauptung, daß „sich auf den Synoden zu Wesel und Emden die niederrheinische und ostfriesische reformierte Kirche gebildet“ hätten. Dabei hat die Emder Gemeinde von der Emder Synode, die eine intern holländische Angelegenheit war, über Jahre nicht und zwar betont nicht Notiz genommen. Die reformierte Kirche Ostfrieslands ist ein Erzeugnis der konfessionellen Spaltung der Landeskirche. Grundsätzlich richtig Müller, KG II/2, 607. Bei Lechler und Rieker im Grundsätzlichen richtige Angaben passim. Ausführlicher Good, The Origin of the Reformed Church in Germany, 80-99.Im Grundsätzlichen richtig, aber im einzelnen viele falsche Angaben. S. 80: Aportanus soll 1526 nach Emden gekommen sein, er ist aber schon 1518 hier nachweisbar; a Lasco soll Westfriesland in Holland visitiert haben, er soll 1554 seine Epitome publiziert haben, eine Schrift, die vielleicht in drei Exemplaren bis auf die Neuzeit existiert hat, S. 87. sammenhangmit den bereits bekannten die Grundlegung und Entwicklung der Emder Kirchenordnung soweit erschließen, daß dadurch eine ganze Reihe von Fragen zur Gestaltung der reformierten Kirchenordnung auf deutschem Boden neu gestellt und beantwortet werden können. Mit Hilfe des neu erschlossenen Materials soll gezeigt werden, daß die Ordnung des Gemeindelebens ein Vorgang war, dessen Ablauf das Dasein der Gemeinde entscheidend bestimmte. Dabei ist der Unterschied zwischen der Ordnung als Vorgang und der Ordnung als Statut, als vorgegebenes und geltendes Gesetz, entscheidend wichtig, um die kirchenrechtliche Entwicklung in der Emder Kirche zu erfassen. Am Anfang der Emder Kirchenordnung steht nämlich nicht ein Verfassungsgesetz, sondern die Emder Verhältnisse auf dem Gebiet des kirchlichen Ordnungslebens haben sich gerade in immer neuen Gegenwirkungen gegen jedes neue Verfassungsgesetz der Regierung herausgestaltet. So erhielt das Gemeindeleben seine Form durch einen spannungsreichen Vorgang, in dem sich Ereignisse, Mächte, Gestalten und Grundsätze zu einem unlösbaren Ganzen vereinigen. Es ist bekannt, daß dieser Tatbestand nicht nur für Emden vorliegt; er kennzeichnet vielmehr weithin das Werden der reformatorischen Ordnungen überhaupt, im deutlichen Unterschied zu den modernen Kirchenverfassungen mit ihren den Zuständen voraufgehenden gesetzlichen Bestimmungen. Bezeichnend ist dafür der beschreibende Stil, den etwa die Londoner Kirchenordnung und auch die Emder Ordnung von 1594 tragen. 2 Sie beschreiben das geordnete Leben der Kirche und beweisen damit, daß der anordnende Rechtssatz von dem ordnenden Vorgang herkommt, wie auch das Ordnung schaffende Ereignis ständig auf dem Wege zum verfaßten Zustand ist. Der Versuch, die Rechtsbildung der Emder Kirche als einen Vorgang zu zeichnen, der sich aus dem allgemeinen kirchlichen Geschehen im Grunde nur durch sein besonderes Ziel und Ergebnis abhebt, wird durch den Charakter der Quellen unterstützt. Briefe der Handelnden, Streitschriften, Auseinandersetzungen machtpolitischer, kirchenpolitischer, lehrpolitischer Art bieten sich an, um das Werden der Emder Kirchenordnung zu beschreiben, und das besonders für die Zeit der Grundlegung, die die Kirche in der Bewegung auf einen Ordnungszustand hin zeigt. Der zweite Abschnitt der Entwicklung ist dann stärker beherrscht von dem Suchen nach geltenden Regeln, die dem ursprünglichen Vorgang die Dauer der Wiederholbarkeit geben sollen. Die Ordnung drängt auf Rechtssätze. 2 Einleitung 2 Die auffallende Erscheinung, daß die Londoner und Emder Ordnung die geltende Ordnung beschreiben, daß sie nicht die Form von Gesetzen erhalten haben, weist auf ein Grundverständnis hin, das die Kirchenordnung der reformatorischen Zeit von dem modernen Kirchenverfassungsgesetz unterscheidet. Es handelt sich für die reformatorische Zeit bei den Kirchenordnungen um Ausführungen bereits festliegender Grundlinien. Man will nicht neues Recht einfach setzen, sondern geltendes Recht nur formulieren. DieGrundlegung ist die Tat eines Mannes, nämlich a Lascos. Die Entwicklung der Ansätze geschieht durch die Tätigkeit seiner Schöpfung, nämlich des Kirchenrates. Den Einschnitt zwischen den beiden Zeitabschnitten bildet der zweite Aufenthalt a Lascos in Emden (1553-1555) und die Aufnahme der Londoner Glaubensflüchtlinge, die eine ausgeführte Kirchenordnung für Gottesdienst und Verfassung mitbrachten. Die Quellen der beiden Zeiträume sind nicht genau gleichwertig. Gegenüber den Kirchenratsprotokollen erhalten die Quellen des ersten Abschnittes mehr die Bedeutung mittelbarer Beweisstücke. Das wird sich in der Darstellung ausprägen, insofern für die Zeit a Lascos die Geschichte seines Ordnungsversuches stärker mit den allgemeinen kirchengeschichtlichen Vorgängen zusammenfällt. Für die Zeit nach 1560 läßt sich bei reicher Bewegtheit der Emder Kirchengeschichte im Zeitalter der niederländischen Glaubenskämpfe die Entwicklung der Kirchenordnung schon eher als ein innerkirchlicher Vorgang beschreiben. Die Arbeit will ein Beitrag zur Entwicklung reformierter Kirchenordnung auf deutschem Boden sein. Es wäre kurzschlüssig und irreführend, die Richtungsbezeichnung „ reformiert“ ohne weiteres calvinistisch oder puritanisch zu färben. Mögen auch die Behauptungen Ebrards und Heppes in ihren kirchengeschichtlichen Darstellungen über ein besonderes deutsches Reformiertentum in ihrer Durchführung hier und da übers Ziel hinausschießen, so steckt in ihnen doch ein Wahrheitselement, das für eine genauere und zutreffendere Erkenntnis der hier einschlagenden Dinge und Zusammenhänge fruchtbar bleibt. Wie die Emder Kirche in ihren Anfängen nicht einfach zwinglisch war, sondern andersgearteten niederländischen Strömungen offenstand, so war das Emden a Lascos, Fabers und Hardenbergs nicht ohne weiteres ein zweites Genf. Gerade für die Frage nach den Quellen der Emder Ordnung darf man nicht bei der Gedankenarbeit Calvins stehen bleiben. Männer wie Bullinger und Butzer wurden in Emden durchaus gehört. Und neben den verschiedenen Einflüssen geistiger und literarischer Art stehen mit gleichem Gewicht die praktischen Erfahrungen a Lascos; dazu geben noch die besonderen Umstände des Ortes dem Strom des Suchens und Versuchens seine eigene Richtung. Für eine beschränkte Zeit ist das Reformiertentum Emdens von besonderer Prägung, bis die Niederländer die ihnen gewährte Hilfestellung durch die Rückwirkung der bei ihnen geltenden Anschauungen und Ordnungsformen entgelten. Was sich in Menso Alting auch in Emden durchringt, ist dann der Calvinismus im Gewand seiner Zeit. Aber gerade für die Kirchenordnung bedeutet dieser Vorgang kein entscheidendes Neuwerden der Ansätze mehr. Die reformierte Art Emdens hat sich in starkem Maße aus dem Gegensatz entwickelt, in dem die Stadt durch die von ihr abgelehnten Versuche zur Gleichschaltung der kirchlichen Dinge mit dem Luthertum gedrängt wurde, das Ostfriesland umgab. Nach der Seite hin hat die Gemeinde nicht einen Augenblick geschwankt, obwohl die Regierung mehr als einmal versuchte, dem östlichen Kirchentum auch in Ostfriesland die Bahn freizumachen. Einleitung 3 Wennaber auch in konfessioneller Hinsicht nur von einer ständig fester werdenden reformierten Haltung gesprochen werden kann, die ein deutliches Bewußtsein von den anfangs noch fließenden Unterschieden und erst später ausgeprägter werdenden Gegensätzlichkeiten hat, so ist abgesehen davon der Weg der Emder Gemeinde trotzdem nicht bruchlos. Es soll hier die Zeit bis etwa 1620 besonders dargestellt werden. Diese Zeit läßt sich in drei Entwicklungsabschnitte teilen, die unter sich verschieden genug bleiben. Bis 1540 reichen die Kämpfe um eine innerliche, jeder festen Ordnung mißtrauisch gegenüberstehende Form des Lebens und der Lehre. Das Zeitalter a Lascos, Fabers und Hardenbergs hebt sich wieder ab von den Jahrzehnten, die von Altings mächtiger Gestalt beherrscht sind. Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Entwicklung der Kirchenordnung ihr eigenes Gefälle hat, auf das in der Darstellung hinzuweisen sein wird. Denn für das engere Gebiet der Kirchenordnung wird die aus dem Gegensatz geborene, aber in ihren Ergebnissen doch zuletzt über den Gegensatz hinausgehende Lebens- und Ordnungsform des reformierten Emdens Gegenstand der Arbeit sein. Ein Wort noch über den Ort innerhalb der theologischen Gesamtarbeit, von dem her die folgenden Ausführungen gesehen sein wollen. Die Beschäftigung mit dem System und der Geschichte des Kirchenrechts ist eine Aufgabe der Praktischen Theologie. Wenn Werner Weber in dem Vorwort zu seinem „Neuen Staatskirchenrecht“ Staatskirchenrecht“feststellt3,daß die staatskirchenrechtlichen Fragen der Gegenwart in der deutschen Rechtswissenschaft wenig Zuspruch finden, dann darf diese Beobachtung auf das innere Kirchenrecht ausgedehnt werden. Die Kirche kann sich der Mahnung nicht entziehen, in ihrer eigenen Mitte die Frage nach dem Recht, das ihr Leben und Arbeiten ordnet und verfaßt, aufzuwerfen und zu beantworten. Bei diesem Versuch kann aber nicht davon abgesehen werden, daß die Kirche ihre Geschichte hat. Und sie kann die Gegenwart von ihrer Geschichte nicht trennen, es gibt kein voraussetzungsloses Neuanfangen. Darum wird auch alle Arbeit an den Fragen der kirchlichen Ordnung nicht von dem Weg und den Ergebnissen der Kirchenrechtsgeschichte absehen können. Liegt auch die Flucht in die Geschichte vor den bedrängenden Aufgaben der Gegenwart nahe, so kann der Blick in das Gewordene und Gewesene für das Werdende und Gewollte nur heilsam sein. Lebt die Kirche auch nicht davon, daß sie auf dem Felde der Ordnung ihres Lebens viele Güter aus Überlieferung und Erträgen ihrer Geschichte hat, so ist die Gefahr der Wurzellosigkeit ihres Lebens nahe genug, um allen, die nach dem Recht der Kirche fragen, die Geschichte dieses Rechts zu zeigen. Diese Arbeit soll hier in schlichter Form für eine Gemeinde geleistet werden, die mit ihrer Ordnung ein halbes Jahrhundert hindurch in außergewöhnlichen geschichtlichen Zusammenhängen stand. 4 Einleitung 3 Werner Weber, Neues Staatskirchenrecht, 1938, III. ErsterTeil Die Grundlegung der Kirchenordnung durch a Lasco ErstesKapitel Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte Auf den 10. Dezember 1520 verlegt Meder das Ereignis, in welchem die Emder Bürgerschaft ihr Recht auf die reformatorische Predigt durchsetzte. 1 An diesem Tage erzwang sich die Rückkehr des Evangelisten Georg Aportanus auf die Kanzel der Großen Kirche, von der er durch die priesterlichen Kollegen eben um seiner reformatorisch bestimmten Predigt willen aufs freie Feld vertrieben war. Damit erwirkte sie sich die Wortverkündigung nach dem neuen Verständnis, und da sich die Spitze dieser Tat gegen das römische Kirchenwesen richtete, leitete sie zugleich den Aufbau einer neuen Ordnung des kirchlichen Lebens unter dem Einfluß des Evangeliums ein. 1 Das Datum ist strittig. Meder, Twee Predikatien, 48. Meder stützt seine Zeitangabe durch den Hinweis, daß man im Dezember 1620 und 1720 Reformationsfeiern zum Dank für das Reformationswerk in dieser Stadt gefeiert habe. Nach Ausweis der Protokolle ist das der Fall gewesen. In das Taufbuch hat E.F.Harkenroht zu 1720 eingetragen: „Post elapsos, a prima hujus Urbis reformatione ducentos annos hujus libri initium fecit Reverendus Ernstus Viglius, Frisius, collega perquam dilectus, cui parentalia dixit ex Heb. XIII, v.7et 8 scribendo successit Eilhardus Folcardus Harkenroht, Emdanus.“ Außer dem Jahre 1520 käme noch das Jahr 1524 in Betracht. Dafür wäre dann Emmius der Gewährsmann, allerdings so, daß man den zeitlichen Rahmen, den Emmius seiner Geschichtserzählung gibt, ohne weitere Begründung als absolute Zeitangabe wertet. Emmius berichtet aber ohne genaue Zeitangabe den Vorfall aus mündlicher Überlieferung S. 824f. („... ut a senibus accepi ... maiores tradunt...“). Er sagt, daß his annis die Religion in Ostfriesland insigniter effulsit. Darauf berichtet er den Vorfall in der Großen Kirche, den er mit der reformatorisch bestimmten Predigttätigkeit des Aportanus in ursächlichen Zusammenhang bringt. Die Bedeutung dieses Vorfalls beschreibt er mit den Worten: „Et hoc publicarum concionum doctrinae melioris apud Emdanos initium. Datus Aportano collega primus Hermannus Henrici ex sacrificiorum oppidanorum numero idolomania abiecta ad veritatem conversus.“ Dieser Übertritt wird von allen Schriftstellern ohne weitere Begründung dem Jahre 1524 zugewiesen. Reershemius, 479; Meiners I, 201. Eine Quelle für diese Zeitangabe führt niemand an. Bei diesem Zustand der Quellen ist eine Entscheidung kaum möglich. Ob Meder nicht doch zwei auseinander zu haltende Ereignisse zusammengeworfen hat: den Beginn der reformatorischen Predigt im Jahre 1520 und das Eingreifen der Bürgerschaft zugunsten der Reformation 1524? Emmius erwähnt noch in diesem Zusammenhang, daß sich Canter bald nach dem Vorfall verärgert nach Groningen zurückgezogen haben soll. Nachweislich ist Canter noch bis zum Jahre 1528 im Genuß seiner Pfründe geblieben. Sein Rechnungsbuch befindet sich im Archiv der Großen Kirche und reicht bis 1528. Auffallend ist, daß die Reformation erst ab 1524 in raschen Stößen weiterkommt. 1524 wurde Canter nach Leer und Schulte nach Weener berufen. Kochs II, 185, Anm. 5 trifft keine Entscheidung. Siehe auch Reimers, Gestaltung, 13. DieBürgerschaft durfte ihr Vorgehen gedeckt wissen durch die Haltung, die Graf Edzard I. zu der neuen Lehre einnahm. Der Graf war für die Lehre Luthers gewonnen, aber er vermied es während seiner ganzen Regierungszeit, mit irgendwelchen Druckmitteln den Verfall der alten Ordnung zu beschleunigen. Und ebenso ist nichts davon bekannt, daß er durch den Einsatz seiner Macht eine bestimmte Ordnung des Neuen, das da ans Licht drängte, zu schaffen versucht hätte. 2 Bei seinem Tode geht die Predigt des Evangeliums in den meisten Städten und rasch fortschreitend auch auf den Dörfern des flachen Landes im Schwange; jedoch von irgendeiner Kirchenordnung, und sei es auch nur in Umrissen, kann nirgendwo geredet werden. Es kam in der ersten Zeit so gut wie alles auf den Einfluß des betreffenden Predigers und die Art seiner Ansichten und Grundsätze an. Für Emden gilt, daß Aportanus durch seinen Kampf gegen die Messe, ihre Form und ihren Gehalt, die Emder Kirche von vornherein in eine bestimmte Ausgangsstellung gebracht und auf einer entsprechenden Entwicklungslinie festgehalten hat. 3 Die Quellen lassen unwidersprechlich erkennen, daß die Emder Kirche keineswegs eindeutig den Ordnungsgrundsätzen der von Luther und Bugenhagen beeinflußten östlichen Nachbargebiete folgte. Sie hatte vom Westen und Süden her und, wenn auch unbewußt, in ihren handelnden Vertretern durch die Täufer entscheidende Anregungen für die Fassung ihrer Lehre und die Gestaltung ihrer Gottesdienste erhalten. Wenn die 1535 eingeführte Kirchenordnung ausdrücklich die Predigt der ungegründeten Meinungen des Karlstadt, Zwingli und Oekolampad „vnd oerer anhenger/van Sacramente der doepe und ock des auentmals Christi„verbietet4,so ist doch der Einfluß dieser Männer bedeutend genug gewesen, um Luthers Taufbüchlein und Deutsche Messe von Ostfriesland fernzuhalten. Der Zustand unserer Quellen erster und zweiter Hand erlaubt nun allerdings nicht, eine irgendwie vollständige Beschreibung der Gottesdienstordnung zu versuchen. Die Emder Zustände während der ersten beiden Jahrzehnte sind recht undurchsichtig, sobald man nach den Einzelheiten fragt. Aus dem Widerstand gegen die Ordnungsversuche des Grafen Enno II. in den Jahren 1529/30 und 1535, an dem gerade Emden führend beteiligt ist, lassen sich wohl einige dürftige Rückschlüsse ziehen, aber über andeutende Allgemeinheiten gehen diese nicht hinaus. Die reformatorischen Kirchenordnungen kennen im Grunde nur ein Thema: die Ordnung des Gottesdienstes im weitesten Sinne. Predigt und Sakramentsverwaltung sollen im Sinne des neuen Verständnisses sichergestellt werden. Darum gehört aber zu den Ordnungsbestimmungen über die gottesdienst- 8 Erstes Kapitel 2 Mollwo, Die Friesen und das Reich, 1942, 69. 3 Seine „Hovetartikelen“ über das Abendmahl bei Meiners I, 114. 4 Sehling, 147. lichenHandlungen immer auch die Bemühung um eine Ordnung des Amtes, dem Predigt und Sakramentsverwaltung aufgetragen sind. Der Gang der Lehre in einer geordneten Bahn ist das Anliegen auch der ostfriesischen Ordnungsversuche. Aportanus hatte die Meßfeier beseitigt unter dem Hinweis auf das Beispiel des Königs Ezechias, der die eherne Schlange zerschlug, „als he sach, dath se de joeden mysbrueckeden, und sede toe ene, dat ys man kopper“5.„Upheven, henzeiten henzeiten und dragen“ des Brotes in der Messe ist gegen die Einsetzung Christi und widerspricht dem Sinn des Abendmahles. 6 Die Messe mit allen ihren Zeremonien mußte fallen. Da die leibliche Gegenwart Christi in Brot und Wein geleugnet wird, ist das Brot, welches nach der Abendmahlsfeier übrig bleibt, „tho vorstuwen und tho vornichtigen“, um jeden abergläubischen Mißbrauch unmöglich zu machen. 7 Diese Ansichten hat Aportanus auch alsbald bestätigt. An die Stelle der Altäre, die indessen noch in der Kirche blieben, trat der Tisch. Die Hostie verschwand, weißes Weizenbrot, wie es der Bürger zu Hause gebrauchte, wurde jedem in die Hand gegeben. 8 Die Teilnehmer saßen am Tisch. 9 Die Lehre, die hinter dieser neuen Form stand, war im Umkreis des lutherischen Einflusses bereits als Irrlehre und Schwärmerei verdammt. An ihrer Formulierung in den Abendmahlsartikeln von 1526, der Summa von 1528 und der Eingabe an Graf Enno im Jahre 1530 war Aportanus führend beteiligt. 10 In einem geschlossenen Gedankengang versuchen die beiden ersten Urkunden die hinter der neuen Form stehenden Erkenntnisse auszudrücken. Sie erschließen gerade in ihrem dogmatischen Gehalt auch den Ansatzpunkt für die Ordnung, die die Emder Kirche im Laufe ihrer Reformationsgeschichte weiter ausgestalten wird, und kennzeichnen so das besondere geistige Leben, das den Hintergrund zu den Ordnung schaffenden Ereignissen bildet, auf die diese Form der Lehre drängt. Um dieses Zusammenhangs willen mag eine kurze Analyse der beiden Lehrurkunden gerechtfertigt sein. Der gefallene Mensch, sagen die Abendmahlsartikel 1526, lebt von der Verheißung Gottes, ihm das verlorene Bild Gottes durch seinen Sohn wiederzugeben. Diese Verheißung hat die Form eines Testamentes, dessen Gültigkeit durch den Tod Christi bestätigt wird. Zum Gedächtnis dieses Testamentes und seiner Gültigerklärung durch den Tod Christi hat der Herr uns ein stetes Zeichen seines Leibes und Blutes gegeben: Brot und Wein. Diese Zeichen stehen Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 9 5 Meiners I, 119, Artikel 26. 6 Meiners I, 119, Artikel 28. 7 A.a.O.Kochs II, 258. 8 Emder Bericht, 61. 383. Die Emder berufen sich auf lebendige Zeugen, die es mit eigenen Augen gesehen haben. 9 Die Lüneb. Ordnung, Sehling, 148 verbietet das Sitzen am Tisch; Kochs II, 261. 10 Die Texte bei Meiners I, 114ff.; I, 53ff. aufeiner Linie mit dem Regenbogen Noahs, der Beschneidung Abrahams, der ehernen Schlange und dem Passahlamm. Genauso sind den Christen Taufe und Abendmahl Zeichen. Zwischen Zeichen und bezeichneter Sache ist zu unterscheiden. Niemand darf sagen, Taufe und Brot und Wein seien die göttliche Heiligung, Reinigung, Erquickung, Sättigung, lebendige Erhaltung; sie sind nur, allerdings gewisse und nicht trügende, Zeichen und Siegel dieser Dinge. Christus als Seligmacher kann nur durch den Glauben angenommen werden, das heißt seinen Leib essen, Johannes 6,35. Das äußerliche Essen des Brotes und das Trinken des Kelches ist ein nach außen gehendes Zeichen des Glaubens, der im Innern glaubt, ißt und trinkt. Der Begriff des Sakramentes im heutigen Verständnis ist der ganzen Schrift fremd. Die Sprechweise „Ist“ gleich „Bedeutet“ hat hat ihre Rechtfertigung in dem Sinnzusammenhang der Schrift. Das Brot ist genauso der Leib Christi, wie Christus die Tür, der Weinstock, der Weg oder der Grundstein ist. Darüber hinaus schließt seine leibliche Himmelfahrt seine leibliche Gegenwart im Abendmahlsbrot aus. Die Ungläubigen kann man nur warnen vor dem Abendmahlsgenuß, sie haben in der Gemeinde keinen Anteil an der Nießung. Im Sinne dieser Auffassung war die Emder Kirche unterwiesen, im Sinne dieser Unterweisung feierte sie ihr Abendmahl, als der Einspruch Luthers auch Ostfriesland erreichte, und die Beschuldigung der östlichen Gebiete, mit ihnen in Lehre und Ordnung nicht übereinzustimmen, die junge ostfriesische Kirche in den Kampf der Anschauungen hineinwarf. 11 Die ostfriesischen Prädikanten suchten sich gegen den Einspruch mit den Waffen zu wehren, denen sie den Verfall des römischen Kirchenwesens verdankten: sie vertrauten der überwindenden Macht der sachlichen Aussage. In einem summarischen Bekenntnis stellten sie im Jahre 1528 den Anschuldigungen ihre Ansicht von dem Begründungszusammenhang der Sakramentslehre entgegen. Es geht Gott um die Seinen, sie kennt und segnet er, und ihnen hat er in Christus das Reich bereitet. Mit dem Erwählungsgedanken setzt die Summa ein. Der verborgene Plan Gottes wird den Seinen in der Zeit offenbar durch zwei einander zuzuordnende Vorgänge: äußerlich durch die Menschwerdung und Verkündigung des Wortes, das Christus ist, und innerlich durch den Geist und Glauben. In Christus gibt Gott im Grunde sich selbst. Was er im Gesetz fordert und im Evangelium verheißt, ist in Christus zu seinem Ziel gekommen und erfüllt. Der Glaube, den Gott gibt und wirkt, nimmt an, greift zu und verläßt sich auf das in Christus Gegebene. Aber Gott predigt, Gott tauft, sein Werk ist an unser Werk nicht gebunden. Diese Freiheit Gottes zu unterstreichen, ist der Summa ein ganz besonderes Anliegen. Daß Gott frei ist, läßt die Grenze sichtbar werden, die sich unser Predigen, Taufen und Abendmahlhalten gefal- 10 Erstes Kapitel 11 Die Einzelheiten über das Auftreten der Lutheraner in Ostfriesland s. Kochs III, 7ff. Der Text der Summa bei Müller, Bekenntnisschriften, 930ff. lenlassen müssen. Nur unter diesem Vorzeichen und innerhalb dieser Grenze kann sachlich von der Aufgabe und Bedeutung der Predigt, der Taufe und des Abendmahls gesprochen werden. Diese und alle anderen Dinge, auch Teufel, Tod und Hölle müssen den auserkorenen Kindern und Liebhabern Gottes zum Besten dienen; aber kein, auch kein von Gott gebotenes Werk, hat die Kraft, die Gott seinem Tun vorbehalten hat, nämlich uns gerecht und selig zu machen. Solche Ansichten mußten naturgemäß auf den Gesamtzusammenhang der kirchlichen Ordnung tief und gründlich verändernd einwirken. Denn mit dieser Grenzabsteckung will die Summa dem landläufigen Verständnis von der rechtfertigenden und beseligenden Kraft des gottesdienstlichen Werkes begegnen. Anders ist nach ihrer Meinung das „Christus allein“ nicht sicherzustellen. Die Summa wagt sogar den Satz, daß der Fall eintreten kann, das ganze äußerliche, in seiner Begrenzung durch den gemachten Vorbehalt sonst notwendige und verheißungsvolle Werk des Gottesdienstes zu verachten und zu verwerfen, wenn das Tun des Menschen als das rechtfertigende ausgegeben wird und wenn der freie und reine Glaube in Christus anders nicht deutlich gemacht werden kann. So umschreibt die Summa die Haltung, die neben anderen Gemeinden gerade auch die Emder Kirche in den kommenden Kämpfen um die Freiheit des Evangeliums wird einnehmen müssen. Auf diesem Boden wachsen die Grundsätze und Gründe, mit denen in den Tagen der Lüneburger Wirren, des Interims und der konkordistischen Kämpfe diese Freiheit verteidigt und erstritten werden wird. Werden Gottesdienst, Taufe und Abendmahl wieder zu Sachen, die ihr Gewicht und ihre Würde in sich selbst, ihre Bedeutung in der Form ihres Vollzuges haben, dann verlieren sie ihre dienende Stellung und werden zu Feinden Christi. Wohl tut Gott sein Werk durch äußerliche Mittel, die Summa streicht den Satz der Schrift nicht, daß der Glaube aus der Predigt komme, aber das Verhältnis ist umkehrbar: es kommt schließlich nicht auf das Pflanzen und Begießen entscheidend an, sondern auf das Wachstum, das Gott gibt. Ohne Glauben kann keiner vom Abendmahl Nutzen haben. Der Wirt braucht den Kranz nicht, den er seinen Gästen zum Zeichen, daß Wein im Keller ist, aushängt, er ist schon vorher seiner Sache sicher. Trost und Sicherheit kann sich keiner aus dem Vollzug der gottesdienstlichen Handlung holen, es sei denn, Gott beginne durch den einigen Mittler Christus und den Geist des Glaubens das gute Werk in uns. Die Summa ist der festen Überzeugung, in solchen Gedanken die Schrift auszulegen, wie die Schriftstellen beweisen, die fast jedem Artikel beigegeben sind. In solchen Sätzen wird nicht nur das bereits erzielte Ergebnis reformatorischer Gedankenarbeit niedergelegt, vielmehr eröffnen diese Anschauungen dem, der nach ihren Quellen und ihrem Wesen fragt, den Blick in eine Geistigkeit, die reformatorische Einsichten zu Hilfe nimmt, um sich ihre mystisch-schwärmerische Ausweitung Ausweitung des Gotteserlebnisses bewußt zu machen und zu verkirchlichen. Für die Ordnung des kirchlichen Lebens konnte aus solcher Haltung der Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 11 Bewahrungalter Zustände wie der Schaffung neuer Formen vorerst nur auflösende Gleichgültigkeit erwachsen. Daß Karlstadt eine Heimat in Ostfriesland fand, daß die Täufer trotz aller Anfeindungen von Staat und Kirche sich in der Bevölkerung Anhang schaffen und behaupten konnten, daß die weitaus schärfere, zielstrebigere Genfer Art in Emden lange nicht Fuß faßte, wird durch die hier bezeugte Grundhaltung genügend erklärt. Die Strenge der Einfachheit mußte den Männern, die hier sprechen, zum Formgesetz der von ihnen veranlaßten Ordnung werden. Man kann darum die manchmal erschreckend kühne Sprache der Summa mißverstehen, wenn die Lage vergessen wird, aus der sie entstand. Die ostfriesische Reformationskirche hatte in der Auseinandersetzung mit dem römischen Kirchenwesen bisher nur die siegende Gewalt eines frischen Einsatzes und des wagenden Wortes kennengelernt. Von der großen Politik, auch Kirchenpolitik, war sie bisher völlig unbeeinflußt geblieben. Sie hatte sich keiner verklausulierenden Diplomatie zu bedienen gehabt, um ihr Meinen und Wollen klarzumachen. Auf Christus, so sagen die Prädikanten in dem Beschluß der Summa, haben wir die Schrift gedeutet und zu ihm die Menschen geleitet. Wollen unsere Gegner uns wegen des Schriftverständnisses als Unchristen, Ketzer und Verführer verdammen, dann sind wir froh und dankbar, nicht sie, sondern Christus am jüngsten Tage zum Richter zu haben. Die Summa sucht weiter die Einheit der Kirche nicht durch die Übereinstimmung in formulierten Lehrsätzen zu begründen. Die Kirche ist eins in ihrem Haupte, und was sie als Kirche begründet und erhält, darf nicht in der unbedingten Gleichförmigkeit der Lehrsätze gesucht werden. Die Hauptsumme ist Christus und der Glaube an ihn. Herrscht in diesem Punkte Einigkeit, dann sind Unterschiede in dem Verständnis der Schrift und in den einzelnen Aussagen dieses Verständnisses zu tragen. Die Verfasser der Summa wünschen solche, die in einigen Lehren der Schrift eine andere Erkenntnis haben, nicht als Ketzer, Unchristen und Verführer zu behandeln, auch wenn nach ihrer Einsicht solche abweichende Erkenntnis irrig und geradezu falsch ist. Nur darf ihr Verständnis und ihre Lehre nicht von Christus abführen zu andern Werken und Dingen, die auch die Rechtfertigung und Seligkeit bedingen sollen. Duldsamkeit als Grundforderung für das Zusammenleben in der Kirche wie die damit Hand in Hand gehende Verinnerlichung jeglicher Begegnung mit dem Wort als biblischer Schrift und kirchlicher Lehre leben beide davon, daß die tragende und verbindende Mitte in Christus erfahren wird. In Christus gründen der einzelne und die Gemeinschaft. Nicht Lehre ist das Kennzeichen der Christlichkeit, sondern Christusgemeinschaft. Diese betonte Einstellung auf die Leben schaffende Mitte mußte sich auf die Neuordnung des kirchlichen Arbeitens auswirken. Die überlieferten Formen irgendwie zu bewahren, konnte darum Männern mit solchen Gedanken gar nicht in den Sinn kommen. Der Bruch mit der Vergangenheit läßt das Gewordene planmäßig verkümmern, und die neue 12 Erstes Kapitel Ordnungwird auf Formen ausgerichtet, die dem Gang des Glauben schaffenden Wortes nicht hinderlich werden können. Dem entspricht es, daß die wenigen Einzelheiten, die aus der Neuordnung dieser Jahre bekannt sind, die Gottesdienstordnung betreffen; die eigentlichen Verfassungsprobleme treten dahinter noch ganz zurück. Über die in der Summa geäußerten Ansichten waren die östlichen Gebiete bereits hinweggeschritten. Der Kampf mit Karlstadt und den Schweizern hatte Luther und seine Kreise eine abweichende Meinung als unerträgliche Irrlehre zu brandmarken gelehrt. Und je weniger die ostfriesische Kirche ihr Eigenleben bewahren und in Ordnungen ausprägen konnte, die dem Anfang entsprechen, desto eher mußte ein Zusammenstoß erfolgen, der auch dem Wenigen, was bisher erreicht war, nur gefährlich werden konnte. Dieser Zusammenstoß kam, und zwar dadurch, daß jetzt auch in Ostfriesland die Landesobrigkeit das Reformationswerk in die Hand nahm. War das anderwärts bereits selbstverständlich, so bedeutete es für Ostfriesland etwas Neues. Die Prädikanten, die in der Summa reden, haben sich auch mit diesem Neuen beschäftigt und in 16 Thesen die Haltung und Aufgabe der Obrigkeit zu beschreiben versucht. 12 Die Obrigkeit ist als Gottes Dienerin die Stelle, die in Streitigkeiten über den rechten Verstand des Wortes Gottes zu hören ist und zu richten hat. Eine Zwangsgewalt dem einzelnen und seinem Glauben gegenüber steht ihr allerdings damit nicht zu. Sie kann niemandem den Glauben geben. Jedoch kann sie nach reiflicher Prüfung der Partei, die nach dem Urteil des Wortes Unrecht hat, verbieten, gegen die recht behaltende Partei zu handeln und zu lehren. Die Absicht der Obrigkeit muß darauf gerichtet sein, den inwendigen Frieden des Gewissens bei jedem zu erhalten; die christliche Liebe und Einigkeit darf durch Lehrstreitigkeiten nicht zerstört werden. Pastoren und Prediger, die durch falsche Lehre im entgegengesetzten Sinne wirken, sind nicht zu dulden. Denn solche Prediger sind Mörder der Seele. Das gilt allerdings nur von der Obrigkeit, die selbst unter dem Worte steht und Christum, das Wort und den Glauben recht bekennt. Bekennt die Obrigkeit nicht oder nicht recht, dann beschränkt sich ihre Tätigkeit darauf, die Predigt des Wortes zuzulassen, den Geist nicht auszulöschen, die Prophezeiung nicht zu verbieten und die Gemeinde über rechte und falsche Lehre richten zu lassen. Ist in der Gemeinde Streit, dann hat sie öffentliche Auseinandersetzungen vor der Gemeinde anzuordnen und das Urteil zu fällen. Die biblischen Beispiele von Ahab und Elia, Josia und Josaphat machen diese Aufgabe der Obrigkeit deutlich. Hat sie Macht und Befehl dazu, dann kann sie sich auch der Aufgabe nicht entziehen, ihren Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 13 12 Text bei Reimers, Gestaltung, 57ff. Die Datierung der Thesen ist strittig. Zu fragen ist, ob man die Thesen über das Recht der Obrigkeit in der Kirche, die in niederländischer Sprache abgefaßt sind, mit Reiner Dakmas Angebot an den Grafen Enno, ihm die Macht für sein Eintreten für die zwinglische Lehre zu verschaffen, kombiniert werden dürfen. Gegenbericht, 108; s. Kochs III, 56f. Untertanengute Pastoren zu setzen und die bösen und untauglichen zu entfernen. Hier muß sie selbst Pastor und Hirte sein. Den römischen Gottesdienst in den Klöstern (in die er sich bei dem stärkeren Vordringen der evangelischen Bewegung zurückgezogen hatte) darf sie nicht dulden. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß Majestätsbeleidigungen hart bestraft, aber die Gotteslästerungen der Papisten leicht genommen werden. Wer Gottes Wort hören kann, aber sich seiner nicht annimmt und es nicht verbreitet, hat die darauf gelegte Züchtigung Gottes durch Krieg, Hunger und Pestilenz und zuletzt durch die ewige Strafe, wie Christus solchen androht Matth. 10,11ff. zu gewärtigen. Wie sich die Prediger mit der ihnen neuen, aktiven Haltung der Obrigkeit auseinandersetzen, ist lehrreich genug, um aufmerksam beachtet zu werden. Die Reformationskirchen mußten die straffe Gliederung entbehren, die die römische Kirche in ihrem verfassungsrechtlichen Aufbau besaß. Sie konnten es nicht verhindern und wollten es weder in Wittenberg noch in Zürich, daß die Obrigkeit an ihrem Teil Aufgaben im Umkreis der kirchlichen Erneuerung übernahm. Die Thesen unterscheiden hier zwischen gläubiger und ungläubiger Obrigkeit. Für beide liegen die Dinge jeweils verschieden. Die Rechte der selbst dem Worte unterworfenen Obrigkeit gehen entschieden weiter als die der außerhalb der Kirche stehenden; die durch ihre eigene Glaubensentscheidung an der Ordnung der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Amtes beteiligte Obrigkeit muß die Freiheit der Gewissen in Glaubensdingen achten, hat aber für Erhaltung des konfessionellen Friedens zu sorgen, indem sie die reine Lehre geltend macht. Schon hier wird das Bemühen sichtbar, die Gewalt der Obrigkeit in Kirchensachen zu umgrenzen, ein Bemühen, das immer wieder von neuem die Emder kirchlichen Kreise beschäftigt hat. Es liegen von a Lasco, von Faber, von Alting Äußerungen und Beispiele vor, die hier einschlagen, aber schon die 16 Thesen zeichnen bereits die Entwicklungslinie vor. Das Bestreben, Zuständigkeiten abzugrenzen, entspringt zugleich der Erkenntnis, daß Staat und Kirche einander zugeordnet sind, wie auch dem Willen, der Kirche um der ihr anvertrauten Sache willen die notwendige Freiheit von dem Zwang der Obrigkeit zu wahren. Die erneuerte Kirche brachte es nicht wie die römische zu einer ständischen Vertretung in Ostfriesland. Das Verfassungssystem der Propsteien starb dahin, die Abtstellen blieben leer. Jedoch auch der Kampf um die Kirche der Gläubigen und Heiligen und der reinen Lehre gab der Obrigkeit lieber Dienstpflichten als Herrenrechte, und der Ausgleich der beiderseitigen Ansprüche bildete den Inhalt aller Auseinandersetzungen. Vom Standpunkt der Obrigkeit aus bleibt aber zu bedenken, daß sie sich keineswegs ungebunden im Sinne der Thesen zu entscheiden vermochte; hatte sie sich auch in Ostfriesland um der Wahrheit willen für die neue Bewegung entschieden, so bildeten doch die kirchlichen Dinge für sie nur Versatzstücke auf der Bühne der großen Politik. Ohne ständige Spannungen sollte es auch weiterhin nicht abgehen. 14 Erstes Kapitel Fürdie ostfriesische Kirche und damit für Emden kam alles darauf an, wie sich Graf Enno, der jugendliche Nachfolger des Grafen Edzard, verhalten würde. Ein Eingreifen war unvermeidlich geworden; denn nicht nur die Überreste des alten Kirchenwesens, das die Thesen neben der Reformation im Sinne der östlichen Gebiete besonders im Auge zu haben scheinen, forderten eine endgültige Regelung, sondern ebensosehr die Verfallserscheinungen im Lager der Neuerer, die Enno in einem Brief an Philipp von Hessen schildert. 13 Die von Aportanus und in der Summa vertretenen Anschauungen verraten nicht gerade eine besondere Anteilnahme an einer bestimmten Ordnung der gottesdienstlichen Handlungen wie des gesamten kirchlichen Lebens. Daß der einzelne dem in Wort und Geist lebendigen Christus begegne, ist ihr Anliegen. Die außerordentliche Scheu vor Vermittlungen aller Art, vor den Heiligen und vor jedem heilsvermittelnden Tun und gottesdienstlichen Werk hat in dieser ersten Zeit die Stimmung des Gehenlassens erzeugt. Man gelangte zu keiner klaren Wertung der Sakramente, der Predigt und des Gebetes. Kirchliche Trauung und Beerdigung drohten außer Gebrauch zu kommen. Die andere Seite einer Ordnung, das Amt und seine Träger, das Verhältnis von Gemeinde und Gesamtkirche, die Verwaltung des Vermögens usw. wurde überhaupt noch nicht deutlich gesehen. Hier warteten nach jeder Richtung Aufgaben auf ihre Lösung. Ennos Schritte sind bestimmt durch den Versuch, die Landeskirche in Lehre und Ordnung dem gesamten norddeutschen Protestantismus einzugliedern. Der Westen war offiziell katholisch, der Süden fern und vom Osten her, wo Enno Anschluß suchte, aufs schwerste als schwärmerisch verdächtigt. So blieb ihm in seiner politischen Lage keine Wahl. Seine Ordnungsversuche sind nach den Herkunftsorten der dazu berufenen Prediger unter dem Namen der Bremer und Lüneburger Kirchenordnungen in die Geschichte der ostfriesischen Kirche eingegangen. 14 Die Bremer Kirchenordnung blieb infolge des innerkirchlichen Widerstandes und politischer Verwicklungen zunächst unausgeführt, obwohl Luther ihr zustimmte und den Grafen bei ihr festzuhalten suchte. 15 Von den fünf abgesetzten Pastoren erhielt der Auricher Prediger Johann Oldeguil in Emden sofort wieder eine Anstellung. Die Lüneburger Ordnung war das Ergebnis einer außen- Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 15 13 Cornelius, 57ff. 14 Die Texte: Bremer KO, Meiners I, 575ff. Lüneburger Gottesdienstordnung, Sehling, 141ff. Das Gutachten zu Verfassungsfragen, Meiners I, 591ff. Das Einführungsmandat zur Lüneb. KO, Meiners 143ff. Die grundlegenden Vertragsartikel aus dem Frieden nach der geldrischen Fehde, Brenneysen I/2, 173, § 2. 15 Kochs III, 62f. Clemen, Luthers Werke in Auswahl, Bd. 6, 272: Luther an Propst am 1. Juni 1530: „Scribo Comiti (=Enno) Frisiae consolatorias, ut petis.“ Am gleichen Tage an Zelst: „Ordinationem eius probavi“, a.a.O.,273. politischenNiederlage: Enno verlor einen Krieg gegen Balthasar von Esens und seinen Verbündeten Karl von Geldern, der, nach Ennos Zeugnis Philipp von Hessen gegenüber, bereits um 1530 gedroht hatte, den friesischen Ketzer heimzusuchen. Zu den Friedensbedingungen gehörte die Regelung der kirchlichen Verhältnisse nach sächsischem Vorbild unter Beachtung der Reichstagsabschiede von Speyer und Augsburg. Ein Kirchentum strengster sächsischer Prägung sollte nach dem Willen der Lüneburger Ordnung an die Stelle der frei gewachsenen Zustände treten. Für die Taufe wurde Luthers Taufbüchlein mit seinen Zeremonien der Teufelsaustreibung und - absage vorgeschrieben. Die Taufe darf auch nicht mehr an irgendwelche Bedingungen wiedertäuferischer Art geknüpft werden, etwa an ein bestimmtes Alter, an die Gewißheit der Wiedergeburt oder an die vorher gefallene Glaubensentscheidung. Der Gottesdienst wird reich mit Gesängen und Losungen vom Altar her ausgestattet. Die Bibelabschnitte, Episteln und Evangelien, sollen die „ prester“ singen, Kollektengebete nicht versäumt werden. Darauf erfolgte die Predigt auf dem Grunde der alten Bekenntnisse und des Augsburger Bekenntnisses. Von Marburg ist nicht mehr die Rede. Karlstadt, Zwingli und Oekolampad und ihre Anhänger werden mit ihren Ansichten über Taufe und Abendmahl verurteilt. Das gemeine Gebet für alle Not der Christenheit beschließt den Gottesdienst, dem sich aber, wenn Kommunikanten da sind, die Austeilung des Abendmahles anschließt. Das Abendmahl soll vom Altar aus bedient werden, die Teilnehmer, „ de mans vor, de frouwen na“, sollen beim Empfang knien. Das Sitzen an einem Tisch und der Gebrauch gewöhnlich hausbackenen Brotes wird untersagt. Ungesäuertes Brot und Wein werden zu benutzen vorgeschrieben, Bier und Milch werden verboten. Der Priester hat über seiner ordentlichen Kleidung einen weißen Chorrock zu tragen. An die Kommunikanten richtet er eine kurze Vermahnung, die aus der Nürnberger Ordnung von 1533 stammt. Nach dem Gesang des Vaterunsers und („auerluydt“) des des Einsetzungsberichtes aus 1. Kor. 11 teilt er das Abendmahl aus. Nach dem Brot werden ebenso die Einsetzungsworte vom Kelch gesungen, worauf die Austeilung folgt. Sind viele Kommunikanten da, mag ein Diakon mithelfen. Während der Austeilung soll ein Schülerchor singen: „Jesus Christus unser Heiland“ oder „Gott sei gelobet“ oder das deutsche „O Lamm Gottes unschuldig“. Segenswunsch, Kollekte und der aaronitische Segen schließen den Gottesdienst. Auch diese Stücke sollen gesungen werden. Wo Schüler und viele Priester sind, wird der lateinische Kirchengesang zur Pflege ausdrücklich vorgeschrieben und eine Liste der zu singenden Lieder gegeben. Je nach der Gewohnheit soll vor oder nach der Predigt das Almosen für die Armen von den „Vorständer der armen“ gesammelt werden. Vesper und Metten werden wieder eingeführt. Der Trauung soll nach alter Gewohnheit des Landes ein dreimaliges Aufgebot vorangehen. Bei der Trauung selbst werden die Hochzeitsleute gefragt, ob sie einander zur Ehe nehmen wollen, und dann gibt der Priester sie „ tho samen 16 Erstes Kapitel mythhenden edder trouwringe na der gewoenheit des landes“, indem er das Wort Matth. 19,6b über sie spricht und, zu der Gemeinde gewendet, sie als rechte Eheleute im Namen der Dreieinigkeit zusammenspricht. Die Lesung 1. Mose 2 über die Einsetzung des Ehestandes beschließt die Handlung. Bei der Beerdigung sollen die Schüler mitwirken, indem sie am Grabe das „Media in vita“ auf deutsch singen wie auch den Psalm „Aus tiefer Not“. Der Pastor oder Kaplan soll weiter am Grabe eine tröstliche Vermahnung tun. Der Festtagskalender sieht eine Reihe von Marien- und Aposteltage vor neben den allgemeinen Festtagen. Das Krankenabendmahl wird vorgeschrieben und die Ordnung dafür mitgeteilt. Am Schluß wird angeordnet, daß die, die zum Abendmahl gehen wollen, sich zuvor anmelden sollen. Dabei sollen sie das Bekenntnis ihres Glaubens ablegen. Gedacht ist offenbar an eine Form der Einzelbeichte, denn diese Anmeldung ist nötig, damit der Priester wisse, wer zum Abendmahl gehen will, und damit er ihnen die Absolution erteilen kann, „ wellicke eyn sonderlike gaue gads ys“. „ Und up dat zulvige tho geschicklicher gescheen moege, zoe wil de noet erforderen, dat im dussen land van der Overicheyt vorordent und gezettet werde ein vortrefflicher, geleerter man“, beginnt das von Meiners „Opstel van de Lunenborger Predikanten“ genannte Gutachten, in welchem die über die eigentliche Gottesdienstordnung hinausgehenden Verfassungspunkte behandelt werden. Wie die Ordnung von 1529 sieht auch dieses Gutachten die Einsetzung eines Superintendenten vor, der seinen Sitz an dem vornehmsten Ort, im Herzen des Landes, in Emden haben soll, um dort zugleich Pastor zu sein. 16 Seine Aufsicht soll sich auf Leben und Lehre der Prediger erstrecken, denn von den Predigern muß eine bestimmte Lebenshaltung verlangt werden. Das Gutachten muß wohl bestehende Zustände im Auge haben, wenn es heißt, daß fortan bei den Predigern kein Ehebruch, häuslicher Zank und Unfrieden, ungezogene Kinder, täglicher Wirtshausbesuch, kein Saufen, Würfeln, Spielen, Fechten, Raufen mit den Bauern mehr geduldet werden dürfe. Vorbildliche Zucht und standesgemäße Haltung können in der Pfarrerschaft ebensowenig wie in den Gemeinden selbst zu dieser Zeit schon vorausgesetzt werden. Für das Examen der Prediger soll ein Konsistorium von Geistlichen und Weltlichen dem Superintendenten beigegeben werden, welche „de gelegenheit dessen landes und karcken weten“. Weiter sieht das Gutachten vor, daß aus der Gemeinde, die den Kandidaten zum Pastoren bekommen soll, eine Abordnung an der Prüfung teilnehmen soll, damit die Gemeinde sich nicht beklagen kann, man wolle sie ihres Rechtes in der Wahl der Kirchendiener ganz berauben. Diese Abordnung soll mit Wissen der Obrigkeit erwählt werden und aus drei oder vier Gliedern bestehen, es sollen die Erfahrensten und Gottesfürchtigsten aus Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 17 16 Garrels, 27, Anm. 19. derGemeinde sein. Das Bestätigungsrecht liegt weiter beim Landesherrn, der die Einsetzung in das Amt und die Einweisung in den Genuß der Pfründe durch dazu bestellte Personen vornehmen soll. Die Gutachter sind sich bewußt, daß sie hier ein heißes Eisen anfassen, denn sie verwahren sich dagegen, irgendjemanden in seinen Patronatsrechten beeinträchtigen zu wollen, „welck he van oldinge gehadt“. Simonie wird verboten. Es folgen noch weitere, teilweise sehr ausführliche Kapitel über das Vermögenswesen der Kirche, die Besoldung der Kirchendiener, das Disziplinarrecht, das die Geistlichen dem einfachen Bauernrecht entnehmen und sie unter die Zuchtgewalt des Superintendenten und der Examenskommission stellen soll, die Rechtsstellung der Priesterkinder, Kirchenzucht durch die Pastoren, Schulen und Lehrer, die Kirchgeschworenen und ihre Fürsorge für die Kirchen und das Kirchenvermögen, die Vorsorge der Armen durch bestellte Armenpfleger, den Synodus der Pastoren, der zu Emden jährlich ein oder zweimal gehalten werden soll, die Kirchenvisitation, die jährlich durch alle Gemeinden vom Superintendenten oder seinem Mithelfer (die Bremer Ordnung nannte diesen den Adjutor) geübt werden soll, allgemeine polizeiliche Anordnungen zur Förderung eines gesunden christlichen Volkslebens, die Klöster, ihre Versorgung mit evangelischer Predigt und wissenschaftlicher Ausbildung der Insassen, um aus ihnen nach Möglichkeit neue geistliche Kräfte zu gewinnen. Ein Festtagskalender „in unzen“ d.h.den Lüneburger Kirchen beschließt das Gutachten. Schon aus der summarischen Aufzählung geht hervor, daß die Gutachter vieles vorgesehen haben, was erst unter a Lasco Leben und Form gewinnen wird, worunter besonders zu beachten ist, daß neben dem Konsistorium mit dem Superintendenten an der Spitze auch eine Art von Gemeindevertretung und eine Pastorensynode bereits hier geplant worden sind. DieGottesdienstordnung17ist durch ein Mandat 1535 eingeführt worden. Dies Mandat hat die Anregungen des Gutachtens so gut wie gar nicht ausgewertet. In seinen zwanzig Artikeln, die in den Kirchen bekanntgegeben worden sind, tritt die unglückliche politische Lage, der die Neuordnung ihr Entstehen verdankt, deutlich hervor. Sie enthalten Strafbestimmungen gegen Sakramentsschänder, gegen solche, die die Mutter Jesu ein Weib wie andere Weiber nennen oder ihre Jungfräulichkeit bezweifeln. Die Bestellung eines Superintendenten aber ist vorgesehen. Alle Wiedertäuferei wird mit Strafe bedroht, anderer Bestimmungen über die Schulen, über die Aufbringung des Predigergehaltes usw. nicht zu gedenken. 18 18 Erstes Kapitel 17 Und zwar nur die Gottesdienstordnung ist eingeführt worden. Die Anregungen des Gutachtens sind nur zu einem geringen Teil in dem Einführungsmandat verarbeitet. 18 Wesentliche und wertvolle Hinweise der Lüneburger in ihrem Gutachten wie die Forderung von Predigersynoden und die Vertretung der Gemeinden bei der Prüfung ihrer Prediger kamen nicht zur gesetzlichen Durchführung. Das Mandat gedachte ihrer nicht. DerGraf war gehalten, diese Ordnung nun auch durchzuführen. Widerstand wurde mit Gewalt gebrochen, zwei Emder Prediger mußten in die Verbannung gehen. Denn was hier gefordert wurde, war allem Gewordenen so entgegen, daß es ohne Gewaltanwendung nicht durchzusetzen war. Darum ist aber auch kein Zweifel erlaubt, daß nicht auch in Emden die Lüneburger Ordnung wenigstens im Umriß durchgeführt worden ist. 19 Die einfache Abendmahlsform wurde durch die neue ersetzt. Noch a Lasco empfing das Abendmahl kniend über einem Handtuch. 20 Gellius Faber sang die Liturgie. Bis auf den heutigen Tag gehen in Emden zuerst die Männer und dann die Frauen zum Abendmahlstisch, bis heute wird, während die Kommunikanten des ersten Tisches sich sammeln, das „O Lamm unschuldig“ gesungen. Unter Fortwirkung, aber schließlich doch im Gegensatz zu dieser Ordnung wird a Lasco sein Ordnungswerk angreifen und durchführen. Überschauen wir die Lage, die a Lasco bei seinem Amtsantritt 1542 vorfand, dann kann in keinem Stück der kirchlichen Ordnung von abgeklärten und gefestigten Zuständen gesprochen werden. Der Zusammenbruch der römischen Kirche hatte nicht zuletzt durch die Gewaltmaßnahmen Ennos im Chaos geendet. Die Gottesdienstordnung und ihre Geltung ist ein Erzeugnis politischer Notwendigkeiten und polizeilichen Machteinsatzes. Sie ist weder in ihrem Gesamtaufbau noch in ihren Einzelheiten das Ergebnis der eigenen innerkirchlichen Entwicklung. Die Lehre, die in ihr lebendig ist und mit ihr verbindlich gemacht wird, hat sich bei keinem Emder Prediger nachweisbar, auch bei Faber nicht, auf der Kanzel ausgesprochen. Den wertvolleren Teil, das Gutachten auszuführen, hat Enno nicht in Angriff genommen. Eine Ordnung des Amtes im weitesten Sinne liegt noch nicht vor. Weder ist man sich über die Regierungsformen der Gesamtkirche noch über die Verteilung der Rechte an der Gemeindeleitung klargeworden. 21 Die vorsichtige Sprache des Gutachtens gegen die Klöster läßt erkennen, daß die römische Kirche noch keineswegs tot Die Ordnungsversuche der ersten beiden Jahrzehnte 19 19 Emder Bericht, 23f. Wie sehr aber die Lüneb. KO gegen alles Gewordene war, und daß sie nicht konsequent im ganzen Lande durchgeführt worden ist, bezeugt der 1537 bis 1539 in Norden tätige, spätere Schweriner Superintendent Joachim Nossiophagus bei Westphal, Ratio fidei, 1557, R 4.5, Sillem, 320: Er erklärt von der östlichen Abendmahlslehre: „Hanc doctrinam doctrinam in orientali Frisia cum Guilelmo Antwerpiano (=Lemsius) et paucis aliis (major pars pars erant Sacramentarii et Anabaptistae) ad triennium etiam cum periculo vitae contra Sacramentarios Sanguinarios defendi.“ Das ist bei aller Übertreibung (Sillem: „unglaublich schwach“) schwach“) ein unverdächtiges Zeugnis für den „Erfolg“, den die Obrigkeit mit ihren Bemühungen hatte. A Lasco fand trotz zehnjähriger Bemühungen des Grafen bei seinem Amtsantritt noch denselben Grundcharakter der Kirche vor, den sie im ersten Jahrzehnt der Reformation gewonnen hatte. 20 Gegenbericht, 147. 110. Spätestens 1546 ist dieser Brauch mit anderen abgeschafft. 21 Über das Bestellungsrecht des Mittelalters siehe Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 45ff. Vor a Lasco sind insgesamt 9 Prediger an der Großen Kirche tätig geworden, davon waren zwei Priester der gleichen Kirche. Aber wenn auch die Rechtsnormen bekannt sind, die für die Bestellung eines Priesters am Ausgang des Mittelalters galten ( Bartels, Kirchen- ist;zu den Wirren der Jahre, die dem Wirken der Lüneburger Prädikanten folgen, gehört vielmehr auch ein Gegenreformationsversuch Ennos (1538), dessen Einzelheiten allerdings unklar bleiben und der praktische Bedeutung nicht gewann. 22 Die Gefahr, die das Treiben der Wiedertäufer ständig bedeutet, ist nicht gebannt, und evangelische Lebensgestaltung zeigt sich weder bei den breiten Schichten noch in den höheren Ständen. Zu den Ansätzen der ersten Jahre kann man jedoch nicht mehr zurück, die Wirren des zweiten Reformationsjahrzehnts stehen dazwischen. So muß der Kampf und das Suchen weitergehen. Die Gedankenströme aber, die durch die ersten beiden Jahrzehnte geflossen sind, verschwinden nicht einfach, sie werden gleichsam zu unterirdischen Wasseradern, die, angeschlagen, wieder an die Oberfläche steigen. Was über das Verhältnis von Glauben, Leben aus dem Geist und der Begegnung mit dem lebendigen Herrn, Wort und Sakrament, über Geistesgemeinde und geordnete Kirche, Kirche und Obrigkeit gedacht und gesagt worden ist, geht den Regsamen in der Gemeinde nicht mehr verloren; es ist bewußt und unbewußt gegenwärtig und gibt zusammen mit den gegensätzlichen Maßnahmen der Obrigkeit dem Werke a Lascos seine eigentümliche Ausgangsstellung. Ein ruhiges Weitergehen ist den Anfängen nach keiner Seite hin beschieden gewesen, und auch in Zukunft werden wie bisher Ereignisse und Gestalten durcheinanderwirken und so beweisen, daß die Kirche kein Leben für sich hat, welches von dem allgemeinen Gang der Geschichte losgelöst und von dem unberechenbaren Einfluß der einzelnen Handelnden unbewegt seinen Lauf nehmen kann. 20 Erstes Kapitel lasten, 58), so fehlt uns für Emden die Anschauung eines einzelnen konkreten Vorganges. Wie z. B. Aportanus oder de Brune Prediger in Emden wurden, wissen wir im einzelnen nicht. Vom Standort der späteren Landesverträge her muß der Graf in den ersten Jahrzehnten der Reformation erhebliche Rechte in der Ämterbesetzung beansprucht und auch besessen haben. 22 Jahrbuch 21, 197-215 von. F. Ritter: Ein Gegenreformationsversuch Graf Ennos II. ZweitesKapitel Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze Die ersten beiden Jahrzehnte ( 1520- 40) haben die Aufgaben einer Kirchenordnung alle gestellt; sie zu lösen bleibt der Zukunft vorbehalten. Es wurde gezeigt, daß auch für Ostfriesland wie anderwärts die kirchliche Lehre und Ordnung die Angelpunkte der künftigen Entwicklung sind. Und mehr als alles andere bestimmt das Eingreifen der Obrigkeit den Fortgang der Dinge, so daß das Feld der wirkenden Kräfte schon durch diese drei Größen entscheidend beherrscht wird. Dazu kommen von kirchlicher Seite für Emden eine Reihe von Männern, die einen mehr oder weniger tiefgehenden Einfluß auf die Verhältnisse auszuüben bestimmt sind. Der erste wird Johannes a Lasco sein. 1 Schon in diesem ersten Zeitabschnitt nimmt die Emder Kirche ihre besondere Stelle ein, wenn diese auch für uns deutlicher wird durch die Pläne der Landesobrigkeit und den Widerstand dagegen als durch greifbare Ergebnisse der bisherigen Entwicklung. Demnach beharrt Emden bei einer Lehre, deren Grundzug ein ausdrücklicher Gegensatz gegen jeden Schein von Werkgerechtigkeit ist. Man ist außerordentlich empfindlich gegen jeden Versuch, die Gnadengaben Gottes irgendwie an das gottesdienstliche Handeln der Kirche zu binden, sosehr dieses Handeln selbst seine Vollmacht und seine wirkende Kraft aus der Gnadenoffenbarung Gottes erhält. Damit stimmt aufs genaueste der Widerstand gegen eine Gottesdienstordnung, insbesondere der Sakramentsverwaltung, die sich noch nicht von jedem überflüssigen Spielen mit römischen Vorbildern gereinigt hat. Dagegen treten Ordnungsgrundsätze für eine Verfassung der Kirche noch völlig zurück, weshalb auch das freie Spiel der Kräfte die Grenzen einer verfaßten Kirche noch ständig überschreitet. Da Lehre und Ordnungsansätze in Emden ständig aufeinander bezogen erscheinen, so geht der Kampf eigentlich zwischen der Obrigkeit mit ihren Plänen für die Gesamtkirche und der Gemeinde, die ihr kirchliches Leben und Lehren aus den eigenen Ansätzen und jeweiligen Einflüssen begreift, wobei die letzten mit den Personen und im Wandel der Lehranschauungen wechseln. Insofern hat auch Emden teil an den Bemühungen an einer Ordnung des kirchli- 1 Seine Werke von A. Kuyper in zwei Bänden herausgegeben, 1866. Dazu Ergänzungen von Dalton in Band 3 und 4 der Beiträge zur Geschichte der evangelischen Kirche in Rußland 1898.1905. Über ihn siehe Literaturnachweis bei Bertram, Bartels, Dalton, Kruske, Hein, Kawerau, Kuyper. chenLebens, die uns Staat und Kirche zugleich aufeinander angewiesen und miteinander im Kampf zeigen, wie es dem Bilde der allgemein reformatorischen Bewegung auf dem Gebiete der kirchlichen Rechtsentwicklungen entspricht. 2 Diese Beziehung wird wirksam in der Berufung a Lascos, die keineswegs eine freie Kirche mit völligem Selbstbestimmungsrecht voraussetzt, sondern die kirchliche Ordnung als einen Gegenstand obrigkeitlicher Fürsorge zeigt. Ennos Versuche, die kirchlichen Aufgaben in seinem Lande zu meistern, führten keine beständigen Verhältnisse herbei. Die Ordnungen von 1529 und 1535 sahen eine Verfassung der Kirche vor, die man als Superintendental-Verfassung bezeichnen bezeichnen kann, denn sie planten beide das Amt eines Superintendenten vor. Seine Aufgabe sollte nach diesen Ordnungen die Herstellung einer Lehreinheit unter den Predigern und die Sorge für deren einwandfreien Lebenswandel sein. Ihm war die Prüfung der Pfarramtsbewerber und die Visitation der Gemeinden anbefohlen. Bezeichnend ist es, daß er zugleich Prediger in der Hauptstadt des Landes, in Emden, sein soll. 3 Er ist also nicht einfach fürstlicher Beamter, sondern als solcher auch Diener der Kirche. Ob Johann deBrune4,der von Enno berufen sein soll (1530?1536?) dies Amt hat übernehmen sollen, bleibt undeutlich. Eine Visitation haben 1537 Dr. Hornemann und Hicco Howerda vorgenommen5, und zwar ausdrücklich zur Befestigung der Lüneburger Ordnung. 6 1538 war Karl von Geldern gestorben, und dadurch bekam Enno wieder mehr Freiheit. Ob nach diesem Zeitpunkt noch wirklich auf die Durchführung der Lüneburger Ordnung gedrängt worden ist, bleibt sehr fraglich. Man kann wohl von einer Einführung, aber nicht von einer vollkommenen Durchführung der Ordnung reden. Als Graf Enno am 24. September 1540 stirbt, ist das vorgesehene kirchliche Aufsichtsamt unbesetzt. Zwar soll sich Enno noch im Sommer 1540 um a Lasco bemüht haben, der in diesem Jahre nach Ostfriesland gekommen war, aber erst im Herbst 1542 hat a Lasco dieses Amt angenommen. Er ist der erste und einzige gewesen, der es für die Gesamtkirche der Grafschaft bekleidet hat. A Lasco hat, bevor es gelang, ihn für eine amtliche Tätigkeit zu gewinnen, mehrfach seinen Freund Albert Hardenberg empfohlen, „ aldewyle he in erfahringe (be)kamen/dat de Ouericheit berathslage/who de Kercken 22 Zweites Kapitel 2 Rieker, Die rechtliche Stellung, 41-114: Die Anschauungen der Reformatoren über das Verhältnis von Staat und Kirche. 3 Meiners I, 576. 591. 4 Über Johann de Brune sind die Ansichten geteilt. Kochs läßt ihn erst 1536 berufen werden: III, 66. 89. Cornelius dagegen meint, daß er bereits 1530 in Emden gearbeitet habe, aber wegen des Widerstandes gegen die Bremer KO, den die ostfriesischen Prediger leisteten, sei er als Vertreter der gräflichen Kirchenpolitik in Emden nicht gelitten und bald wieder verzogen. Nach Cornelius ist er 1532 nach Soest gegangen. Es ist möglich, daß er mit der Lüneburger Ordnung wieder nach Emden kam, denn er ist am 28. September 1538 in der Großen Kirche begraben. Cornelius, 38, Anm. 5. 5 Reimers, Gestaltung, 47; Kochs III, 108f.; Beninga, 708. 6 Emmius, 896f. Ordnungegebetert/vnde weddergebracht möge werden“. 7 Nach dem Bericht bei Emmius hat der Graf durch Mittelsmänner, besonders durch den Emder Bürgermeister Grawerts, mit a Lasco verhandelt und ihn um Rat gefragt, wie die Mißstände zu beheben und eine gute kirchliche Ordnung einzurichten sei. „Alsbald hat er die Ansicht des Grafen von der Superintendentur ( ephoreía) der Kirche, wie sie bereits früher in einem Entwurf zur Sprache gekommenwar8, gebilligt, und weil nach dem kurz zuvor erfolgten Tode Poppo Manningas eine Pfarrstelle in der Emder Kirche erledigt war, riet er, für dieses Amt Albert Hardenberg zu berufen.“ 9 Er selbst hielt sich wegen seiner körperlichen Schwäche und seiner Unkenntnis in der Landessprache für unfähig, ein Amt zu übernehmen, und dachte auch nicht an einen längerenAufenthalt10,obwohl der Graf seiner Berufung nicht abgeneigt gewesen zu sein scheint. 11 Die Wirren in der Erbfolge nach dem Tode Ennos gefährdeten auch die kirchlichen Pläne, und das auch noch, nachdem 1543 mit Ennos Bruder, dem Grafen Johann von Falkenburg, einem römisch gewordenen Schwiegersohne des Kaisers Maximilian, ein Vergleich zustande gekommen war, der der Gräfin Anna die vormundschaftliche Regierung für ihren unmündigen Sohn sicherte. 12 Denn trotzdem hat Johann immer wieder versucht, sich in den Gang der Dinge einzuschalten; gerade bei der Behandlung kirchlicher Fragen bekam man den Einfluß des kaiserlichen Günstlings noch öfter zu spüren. Er erscheint ständig als ein Handlanger der gegenreformatorischen Politik Karls V., die den Schmalkaldischen Bund in die Niederlage von Mühlberg und die Kirchen der Reformation in die Wirren des Interims hineinsteuerte. Noch einmal hat a Lasco Grawerts brieflich auf Hardenberg hingewiesen, jedoch ohne Erfolg. 13 Thomas Bramius wurde berufen. 14 Erneuten Vorstellungen hat a Lasco sich dann nicht länger verschlossen. Gegen Ende des Jahres 1542 wurde er zum Prediger in Emden und zum Superintendenten der ostfriesischen Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 23 7 Emder Bericht, 137. 8 Emmius, 915. Der Entwurf („sermone iactata“) muß die Lüneburger Ordnung oder das Mandat oder das Gutachten sein. Es wird nicht deutlich, was Emmius meint und worauf er sich bezieht. Über die Verhandlungen Ennos mit a Lasco vor der Berufung Emmius, 908: „... sacrificis papanis nimium familiaris: quamquam ultimo vitae anno velut poenitens peiorum, vocato ad se Ioanne a Lasco Polono, viro maximo et doctissimo et orthodoxiae studiosissimo, de reformando ecclesiarum statu prioribus actionibus deformato serio deliberarit, et ex illius consilio, quoniam ipse tum recusabat, e] foron, quem superintendentem vocant, ex doctissimis aliquem vocare, atque ecclesiis praeficere constituerit.“ Dazu ist zu bemerken, daß das Superintendentenamt schon in den KOO von 1530 und 1535 geplant war. 9 Danach reichen die ersten Bemühungen, Hardenberg nach Emden zu ziehen, schon in das Jahr 1540 zurück. Hardenberg kam 1567. 10 Emmius, 916; II, 556. 11 Bartels, a Lasco, 13; Dalton, 209; Bertram, a Lasco, 139. 12 Brenneysen I/2, 198. 13 Emder Bericht, 136. Die Datierung des nicht erhaltenen Briefes ist ungewiß. 14 Emmius, 916 läßt Bramius gegen Ende des Jahre 1542 berufen werden. Kirchebestellt. 15 Im März wurde ihm Hermann Brass, wie ich vermute, als der im Lüneburger Entwurf vorgesehene Hilfsprediger beigegeben. 16 Über a Lascos Berufung haben die Lutheraner fünfzig Jahre später behauptet: „Joan a Lasco ist auff dieselbe Lünenburgische Kirchenordnung zu einem Superintendenten angenommen.“ 17 Die Lüneburger Ordnung stand allerdings, soweit sie durch das Mandat in Kraft gesetzt war, noch in Geltung; und noch 1545 hat die Gräfin Anna in ihrer Polizeiordnung die Beobachtung dieser „ordinantz“ eingeschärft. 18 Dagegen beweisen die Emder aus dem bereits angezogenen Schreiben a Lascos anGrawerts19,daß man keineswegs überzeugt gewesen sei, mit der Einführung der Ordnung auch bereits befriedigende Zustände herbeigeführt zu haben, sondern daß a Lasco gerade zur Wiederherstellung der Ordnung im allgemeinen Sinne Hardenbergs Berufung vorgeschlagen habe, also nicht zur Durchführung der Lüneburger Ordnung schlechthin. Sie stützen diese Behauptung durch den Hinweis auf das große Schreiben a Lascos an die Gräfin Anna vom 8. August154320,dessen Ermahnungen zur Herstellung reinerer gottesdienstlicher Verhältnisse sie dahin auslegen, „dat hernicht vp de Lüneborgische Ordnung sonder vp Gades Wort bestelt sy/datsülue weddervmme in rechte Ordnunge tho bringen/wat vorhen (nömlick dorch de Lüneborgischen) vnordentlicker vorkerder wyse gehandelt was“. Die Emder führen weiter aus, daß aus der Tätigkeit und der Lehre a Lascos eine Verpflichtung auf die Lüneburger Kirchenordnung nicht gefolgert werden könne, geschweige denn ein Einiggehen mit ihr. Durch den Brief an die Gräfin sucht a Lasco sie für die endgültige Einstellung des römischen Gottesdienstes in der Kirche des Franziskanerklosters zu gewinnen. Insofern zeigt er an, daß a Lasco nicht bestehende unklare Zustände erhalten will, sondern sofort dazu übergeht, eindeutige Verhältnisse zu schaffen. Darin werden die Emder recht haben, wenn sie meinen, daß seine Maßnahmen entsprechend seinen Anschauungen nicht in der Richtung liegen, die durch die Lüneburger Ordnung eingeschlagen war, so sehr er auch von ihr und den durch sie geschaffenen Zuständen ausging. Die Lutheraner geben das zu, wenn sie feststellen, daß a Lasco nach einiger Zeit die Lüneburger Ordnung „ zu glosieren“ begonnen habe, und in der Folgezeit sei sie „ mehr und mehr vnter die Banck geschoben“. 21 24 Zweites Kapitel 15 Nach Emmius, 916 wäre a Lasco zu Anfang des Jahres 1543 berufen worden. Dagegen spricht die Zeitangabe im Entlassungszeugnis II, 635. Da wird am 2. Oktober 1549 gesagt, daß a Lasco „per septennium aut amplius publico Ecclesiarum ditionis nostrae ministerio esset“. Danach ist der Amtsantritt in den Herbst 1542 zu setzen. So auch Emder Bericht, 133: „in den vthganck des 42. Jahres“. 16 Emder Bericht, 133; Jahrbuch 2/2, 160 und 20, 216. 17 Gegenbericht, 109. 18 Brenneysen II/1, 103. 19 Emder Bericht, 136f. 20 Emder Bericht, 137f.; II, 558ff. 21 Gegenbericht, 110. DieBerufung a Lascos geschah in Ausführung der Lüneburger Kirchenordnung, besser, des Mandats zur Gottesdienstordnung von 1535. Er hat aber von Anfang an keinen Zweifel darüber gelassen, daß er seine Entlassung jeder Beugung unter Nützlichkeitserwägungen vorziehe. Soweit es sich um göttliche Dinge handele, sagt er in dem Brief, wolle er auf keinen Fall Diener menschlicher Weisheit und Gewohnheit unter Außerachtlassung des Wortes sein. 22 Diese Haltung hat er öfters zum Ausdruck gebracht und auch in entscheidender Stundebewährt23,und dadurch macht er sich selbst zum Kronzeugen gegen eine formalrechtliche Auffassung von seiner Berufung auf die Lüneburger Ordnung. Ihm ist sofort bei seinem Auftreten der Vorwurf gemacht, ein Neuerer zu sein. 24 Dieser Vorwurf erwächst ihm aus dem Wesen seines Amtes, das wesentlich Sorge um die Herrschaft Christi und seiner Lehre bedeutet; wird diese ertragen, dann ist er mit Freuden Diener, wenn nicht, so mag man ihn entlassen. Von einer Beachtung rechtlicher Zusammenhänge seines Amtes mit einem bestimmten Ordnungszustand kann somit keine Rede sein, ganz abgesehen davon, daß a Lasco nach seinem eigenen, mehrfach abgegebenen Zeugnis sich während seines ersten Aufenthaltes nicht besonders um Vereinheitlichung der Gottesdienstformen bemühthat25,wie es doch bei einer wirklichen Geltung der Lüneburger Ordnung hätte der Fall sein müssen. Hält man darum von dem Begriff der Berufung auf die Kirchenordnung die Deutung „Eid auf die Verfassung“ fern, dann wird durch die kämpferischen Behauptungen in den späteren konfessionellen Auseinandersetzungen ein Widerspruch zu seiner Amtsführung nicht begründet. In der Beteiligung der Obrigkeit an seiner Berufung hat a Lasco keine Gefährdung der Rechtlichkeit seiner Stellung gesehen. Er hat der Gräfin vorgehalten, daß sie ein öffentliches Amt in der Kirche erhalten habe. 26 „Die Gräfin und meine Kirche“ haben über ihn zu entscheiden. 27 Ein uneingeschränktes Recht der Obrigkeit über die Kirche erkennt er nicht an, wohl aber erwartet er von ihr eine ausgesprochene Hilfsstellung für die kirchlichen Aufgaben. „Die Gräfin habe entweder das, was die vornehmste Pflicht der Obrigkeit sei, wahrzunehmen oder überhaupt von dem Werke abzutreten. Solche Pflichten seien ohne Einrede: die Beförderung des Gottesdienstes entsprechend der äußeren Disziplin und die Unterdrückung des falschen; die Entfernung der Sekten und ihrer Führer; die Beseitigung alles dessen, was dem göttlichen Worte entgegen sei, aus der ihr anvertrauten Kirche.“ 28 Die Einflußnahme findet ihre Grenze an Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 25 22 II, 560. 23 1546 und 1549. Darüber weiter unten. 24 II, 560. 25 II, 584.715. 26 II, 560: „ministerium publicum“. 27 II, 632. 28 II, 559. demder Kirche wesentlichen Inhalt ihrer Sendung. „Bis an die Stufen des Altars!“ 29 An der der Kirche eigentümlichen Sendung muß Halt machen, was sonst im Umkreis menschlichen Zusammenlebens Führungsanspruch erhebt: Die Rechte der Obrigkeit, aber auch das Lebens- und Sicherungsverlangen des einzelnen30,die Rücksichten auf Menschen, auf Vernunft, auf die allgemeingültigen Gesetze der Klugheit, des Nachgebens und dessen, was die Welt Liebe nennt und in ihrem Namen fordert. Kirche ist Aufgabe und Grenze für die Obrigkeit und ihr Handeln. In seiner Anschauung von der Kirche wurzeln die Maßnahmen, welche a Lasco alsbald mit seiner Berufung in die Wege leitet. Sie hängen unter sich zusammen, weil ihr Einigungspunkt die Kirche ist, und zwar im Ausgang und für das Ziel. Er unterscheidet nicht zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche. 31 Kirche, das sind lebendige Menschen, die durch den Dienst am Wort aus der bösen Welt herausgerufen sind und sich diesen Dienst gefallen lassen. „Ich bekenne“, schreibt er 1543 anMelanchthon32,„daß alle, welche den von (Gott) eingesetzten Dienst am Wort und an den Sakramenten nicht anerkennen wollen, überhaupt nicht zu Christus und seiner Kirche gehören“. So bewirkt der Dienst am Wort, daß die Kirche sichtbar wird. In der Darbietung des Evangeliums und dem Glauben des Menschen ereignet sich das, was über seine Zugehörigkeit zur Kirche entscheidet. Die Erwählungslehre in der Fassung Calvins hat a Lasco grundsätzlich nicht herangezogen, um seinen Kirchenbegriff zu begründen. 33 Er fährt nämlich in dem gleichen Brief an Melanchthon fort: „ Es ist die gewisseste Regel Christi, daß, wer nicht glaubt, verdammt werden wird. Und es fehlt viel daran, daß ich die Verheißung des Heils jeweils würde auf den Kreis der Gottlosen übertragen wollen, soviel, daß ich diesen Begriff vor allem hier nicht einfach verstehe von irgendwelchen unerfahrenen Verächtern der Gnade, denn ich lehre, daß die Verheißungen Gottes sich niemals auf Verächter bezogen haben und sich überhaupt nicht darauf beziehen. Ich rede aber von einer Verachtung, die das angebotene Heil verachtet, lästert und belächelt (...). Ich hielt zwar stets fest, daß diese (Menge) aus gerechtem Urteil verdammt werde, aber dennoch nicht von Gott zum ewigen Elend geschaffen sei; er schließt niemanden von seiner Gnade aus und hat das ganze Geschlecht der in Adam Sterblichen zum Heile geschaf- 26 Zweites Kapitel 29 Lasciana I, 298; II, 640.560. Mit dem Ausdruck „Usque ad aras“ sucht a Lasco die Spannungseinheit von Weite und Grenze der obrigkeitlichen Aufgabe in der Kirche auszudrücken. 30 Für diese Gedanken ist der hier stark benutzte Brief an die Gräfin Anna II, 558ff. zu vergleichen. Siehe auch II, 606: „De pastoris munere heri dixi principi, si me velit esse pastorem, ut mihi permittat templi nostri plenam et omnem gubernationem, aut si hanc nolit, aut possit non permittere, me etiam in eo templo, in quo mihi gubernatio non permitteretur, non esse usurum deinceps meo ministerio.“ 31 Hein, 23-25. 32 II, 564f. 33 II, 624ff. Bartels, RKZ, 1871, 113 und 189; Heidelb. Kat. und Präd., 23ff. fenund zur unvergänglichen Ehre seines Namens. Dagegen hielt ich fest, daß die freiwillige Verachtung in eben dieser Menge verdammt werde, (und das) dadurch, daß sie, während sie die angebotene Gnade mit festberatenem Willen ( destinata voluntate) verwirft, durchaus aus der Gnade fällt; jedoch damit, wenn auch wider Willen, der Ehre Gottes dient, und daß durch die Größe der ewigen Qualen bezeugt wird, daß Gott ihr Herr sei, den sie als den allergütigsten Vater nicht anerkennen wollte, obwohl er in dem Herrn Christus Heil gewährt hat.“ 34 Glaube als Antwort auf das Evangelium begründet die kirchliche Gemeinschaft. Über diese Anschauung aus der Anfangszeit seiner Emder Tätigkeit ist a Lasco nicht wesentlich hinausgegangen. 35 Die so aufgefaßte Gemeinschaft der Kirche hat ihr Selbstverständnis zu bezeugen, indem sie sich in ihrem Leben zurückbezieht auf das Ereignis, das sie ins Dasein stellte; sie hat die Berufung in das Glaubens- und Gehorsamsverhältnis gelten und sich auswirken zu lassen. Darum ist mit der Feststellung, daß gepredigt werden muß, nicht auch schon das Anliegen völlig beschrieben, das die Kirche mit der Predigt vertritt. „Ich höre, es sei unsere Aufgabe zu predigen. Ich antworte: Schweinen und Hunden soll man nicht predigen, d.h.solchen, die diese nicht wohl gekaute Speise, ich weiß nicht, wohin, verschwinden lassen. Hier ist so viele Jahre gepredigt worden; kann auch eine Frucht dieser Predigt aufgewiesen werden? Wir sehen den öffentlichen Götzendienst und die Abscheulichkeit der Mönche. Wir sehen jegliche kirchliche Zucht vernichtet und unterdrückt. Wir sehen fast alles gestohlen und zerstreut, was bestimmt war, den öffentlichen Dienst der Kirchen zu unterhalten und den Unterricht der Jugend zu bestreiten. Wir sehen einen Schlupfwinkel aller Sekten, und unter ihnen haben wir die Schnaken (wenn es Gott gefällt so, uns damit zu plagen) verfolgt, aber die Wespen und Hornissen nähren wir indessen, gegen die Raben muß Nachsicht geübt werden. Ebenso sehen wir so viel Geduld gegen die Laster, daß einer bald als Sektierer verschrieen wird, wenn er nur ein wenig einfacher leben will. Das sind die Früchte des so lange gepredigten Evangeliums, die wir hier sehen, und da heißt es für uns: er soll predigen!?“ 36 Die Predigt fordert zum Zeichen, daß sie gehört wird, bestimmte Bewegungen und Verhaltungsweisen. Wie sie nicht voraussetzungslos ist, sondern auf die Selbstbezeugung Gottes und damit auf seinen offenbaren Willen, das überlieferte Wort zurückweist37, so verklingt sie auch nicht ohne Folgen. Es kommt zu bestimmten Ausrichtungen und Entscheidungen. Hier ist in der Anschauung a Lascos der Ansatzpunkt dessen zu suchen, was gewöhnlich als die reformierte Gesetzlichkeit bezeichnet wird, ein Ausdruck, der den hier einschlagenden Sachverhalt keineswegs hinreichend klärt. 38 Wird die Kirche so gefaßt, wie a Lasco das tut, als ein Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 27 34 II, 565. 35 Weiteres im zweiten Teil im Kapitel über die theologische Auffassung von der Gemeinde. 36 II, 596f. vom 6. September 1545 an Lenth. 37 Es handelt sich in dem Brief an Lenth um die Beseitigung der Bilder. 38 Die übliche Auffassung z.B.Ritschl, Geschichte des Pietismus, I. Band, 61ff. Volk,das von Christus durch das Wort der Schrift und der Predigt regiert wird und das sich glaubend diesem Worte zuordnet, dann wäre es geradezu eine Verleugnung dieses Kirchenbegriffes, wenn dem Worte jede Auswirkung nach der ihm innewohnenden Richtung auf den Gehorsam des Gläubigen verwehrt würde. Ist die rechte Lehre schließlich nur eine Auswirkung des geschriebenen und verkündigten Wortes, warum kann es nicht auch die Ordnung des kirchlichen Lebens sein? Dabei gehört a Lasco nicht zu denen, die eine bestimmte Kirchenordnung mit bestimmten Verfassungsformen in der Bibel schon vorgegeben finden. An den drei Orten, wo er seine ordnende Tätigkeit auszuüben versuchte, ist er immer wieder anders verfahren. In Emden und Ostfriesland hat er die mit obrigkeitlicher Unterstützung regierte Kirche aufgebaut, in der der Kirchenrat nur das innerkirchliche Zuchtrecht besaß. Solange sich sein Einfluß auswirkte, blieb die Kirche in hohem Maße Gegenstand öffentlich-staatlicher Rechtsverhältnisse, wie es ja zu einer synodalen Verfassung im Sinne späterer Grundsätzlichkeit im reformierten Ostfriesland erst in der Neuzeit gekommen ist, und auch da nur mit stärkstem konsistorialen Einschlag. In London kam es zu einer Freikirche, die den staatlichen Schutz der Obrigkeit genoß, in Polen zu einer Kirche mit einer presbyterial-synodalen Verfassung. Dieses Schwanken ist keine Schwäche oder ein Steckenbleiben auf halbem Wege, sondern bezeichnet durchaus die Art, wie in den frühen Formen des reformierten Kirchenrechts sich Grundgedanken aus dem Kirchenbegriff auswirken. Danach ist das Kirchenrecht nicht unmittelbar göttliches Recht, es nimmt auch für seine Einzelausführung und Ordnungsformen nicht die Vollmacht in Anspruch, die aus der Behauptung stammt, göttliches Recht zu sein. Auch für diese Auffassung genügt zum Leben der Kirche in der Welt die Verkündigung des Evangeliums in Predigt und Sakramentsverwaltung. Aber dieses Genügen ist nicht eine Selbstbeschränkung des Wortes auf sein Lautwerden, sondern hat die seinem Wesen entsprechende Wirkung bei sich. Lehre und Ordnung sind nur zwei Seiten der einen Sache, in ihrer unauflöslichen Verbindung sind sie der Kirche mit der Herrschaft des Wortes aufgegeben. Beides liegt nicht als vorgegebenes Gesetz fest, sondern ist in ständigen Schritten, in Entwicklung und Prüfung, in Abwehr und Angriff, kurz in ständiger Zurückbeziehung auf das kirchenbegründende und -erhaltende Ereignis der Fleischwerdung des Wortes zu reinigen und zu vertiefen. Diese Auffassung von der Kirche und dem Ansatz ihrer Ordnung erklärt die Maßnahmen a Lascos, die sich nach drei Richtungen entfalten: 1. Die Gewinnung einer Lehreinheit in der ostfriesischen Kirche. 2. Die Grenzsicherung der Kirche gegen die Gefährdung durch das römische und wiedertäuferische Wesen. 3. Die Herstellung einer Ordnung, die die Geltung des in der Lehre bezeugten Evangeliums sichert. Diese Maßnahmen sollen hier kurz umrissen werden, bevor die Errichtung des Kirchenrates dargestellt wird. 28 Zweites Kapitel 1.Wie die Kirche das Evangelium versteht, hat sie deutlich zu machen durch die reine Lehre. A Lasco fand die beiden evangelischen Lehrformen nebeneinander herlaufend im Lande vor. Deshalb hat er dieser Aufgabe seine besondere Aufmerksamkeit und seine Kraft zugewendet. In einem Abriß der Lehre der ostfriesischen Kirchen hat er versucht, die allernötigsten Sätze zu entwickeln. 39 So wichtig die Schrift für das Verständnis der Theologie a Lascos in ihrem frühen Entwicklungszeitraum auch ist, so hat sie doch für die Lehrbildung der ostfriesischen Kirche keine Bedeutung gewonnen. Sie blieb wegen des allerseits erhobenen Widerspruches ungedruckt und unbekannt. 40 Die Aufgabe war für Ostfriesland durch Festlegung einer Lehrauffassung auf literarischem Wege allein nicht mehr zu lösen. Gingen auch von den Resten des römischen Kirchentums Anstöße nach dieser Richtung nicht mehr aus – ihre Erledigung war mehr eine Frage der Ordnung –, so gaben neben den Gegensätzen der evangelischen Gruppen die Wiedertäufer im Lande um so mehr Anlaß zu Bemühungen um Klärung. Im innerkirchlichen Streit war es die Vertretung der stark zugespitzten lutherischen Sätze, die die Lehrfrage nicht zur Ruhe kommen ließ. Es muß festgestellt werden, daß die Tätigkeit a Lascos nach keiner Seite hin vollkommen geklärte und beruhigte Zustände geschaffen hat; eine Einheit der Kirche durch Ausschaltung des Täufertums mit seinen Sondermeinungen und kirchlichen Gruppenbildungen, wie auch eine bleibende Einheit in der Lehre durch Beilegung der Bruderkämpfe unter den reformatorischen Gruppen hat sich nicht erreichen lassen. So haben a Lascos Versuche zur Herstellung der Lehreinheit den weitergehenden Zerfall in zwei Kirchen zwar nicht aufhalten können, sondern nur um Jahrzehnte hinauszuschieben vermocht. Während seines Aufenthaltes fanden die von Luther bestimmten und den Einflüssen des Südens und Westens verschlossenen, in einer Minderzahl befindlichen Kreise nicht mehr die obrigkeitliche Unterstützung, die noch Enno ihnen gewährt hatte. Die Gräfin Anna hat ihren Superintendenten walten lassen, sofern nicht höhere, und d.h.in diesen Jahren immer politische Notwendigkeiten den Vorrang vor kirchlichen Wünschen bekamen; denn zu sehr mußte die Gräfin immer noch mit der Nähe des brabantischen Hofes rechnen. Dem Geist und Wesen Wittenbergs war a Lasco nur in der Person Melanchthons begegnet, zu dem er Beziehungen unterhielt. Dagegen erneuerte er unmittelbar nach seinem Amtsantritt seine Verbindungen zur Schweiz, wo ihn in Basel einst Erasmus und Pellikan einige Zeit hatten festhalten können. Jetzt kam Bullinger in Zürich hinzu, und ein Briefwechsel mit Butzer ist für die Jahre 1544/45 nachzuweisen. Und sofort versucht er auch mit Calvin Verbindung zu erhalten. 41 Liefert der Süden jetzt die geistigen Anregungen Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 29 39 Epitome doctrinae Ecclesiarum Phrisiae orientalis I, 487-557. 40 Dalton, 257ff.; Hein, 3ff. 41 Die Verbindung mit Melanchthon schon 1534: Lasciana, 103.178. Briefe an Bullinger im Briefwechsel öfter. Über Butzer: Hein, 75. Briefe an Calvin im Briefwechsel beider Männer. Die Widmung des Genfer Katechismus 1545 an den Coetus ist bekannt. –denn a Lasco ist nicht der erste und bleibt nicht der einzige, der Beziehungen von Emden zur Schweizunterhält42–, so weichen unter dem Druck der Verfolgung aus den westlichen Gebieten des Reiches, die schon für den Anfang der Reformation in Ostfriesland so bedeutsam gewesenwaren43,jetzt Menschen und damit Träger neuen Lebens nach Emden wie nach anderen Gemeinden aus. Ununterbrochen sickert bis in die siebziger Jahre hinein, bald stärker, bald schwächer, ein Flüchtlingsstrom über die nassen und trockenen Grenzen der Stadt an der Ems. Ihr Schutzherr ist, auch dann, wenn es sich um erträgliche Wiedertäufer handelt, a Lasco; und manch einer der geflohenen Mönche oder Geistlichen hat in Ostfriesland Anstellung und Brot gefunden. 44 Noch nach 50 Jahren stellt Ligarius grollend fest, daß a Lasco „die erledigte Platzen vor und nach mit Westerschen Predikanten besetzet, die newlich auss dem Pabstthumb gekommen/ und in Euangelischen Lutherischen Vniuersitäten nicht gewesen/und derhalben mit den Sectarischen Büchern (damit die Westerischen Länder verfüllet gewesen) sich behelfen müssen“. 45 A Lasco hat versucht, der Kirche eine Form zu geben, um die Streitigkeiten zu beenden und die Einheit sicherzustellen: er versuchte die Menschen zusammen zu bringen, damit die notwendigen Auseinandersetzungen von Mann zu Mann vor sich gehen möchten und die Lehrer nicht mit sich und ihren Kampfschriften allein blieben, wodurch ja doch schließlich bloß aus hundert Behandlungen der Abendmahlsfrage die hunderterste entstand, selber wieder eine Quelle für neue Streitschriften. Nicht die gelegentliche Disputation, die selten in der Reformationszeit klare Verhältnisse geschaffen hat, sondern das ständige, geradezu amtliche Arbeiten am Wort und an der Lehre ist durch a Lasco für die ostfriesischen Prediger in der Predigerzusammenkunft des Coetus zur Behandlungsform der Lehre, auch der streitigen, gemacht worden. Indem a Lasco den Vorschlag der Lüneburger, einen Synodus der Pastoren zu bilden, ausführte, indem er diesem Coetus die Prüfung der Pfarramtsbewerber zuwies und dadurch die Pfarrerschaft selber über ihren zukünftigen Kollegen entscheiden ließ, hat er den Gemeinden über die bloß geographische und politische Zusammengehörigkeit in der Kirche der Grafschaft hinaus eine rein kirchliche Verbindung gegeben. Dreieinhalb Jahrzehnte hat der Coe- 30 Zweites Kapitel 42 Bereits vor a Lasco hat der Borssumer, später Oldersumer Pastor Hermann Aquilomontanus einen Briefwechsel mit den Schweizern. Seine Briefe, die bisher ungedruckt sind, bilden eine wertvolle Ergänzung zu dem geringen Material über den Aufenthalt a Lascos in Ostfriesland. Ein weiterer ungedruckter Briefwechsel Gerhard thom Camps mit den Schweizern wird hier zum ersten Male benutzt. Der II, 568 genannte Hermannus ist nicht, wie Kuyper vermutet, Hermann Brassius, sondern Aquilomontanus. 43 Kochs I, 160 über die Brüder vom gemeinsamen Leben, mit denen Aportanus zusammenhängt. 44 II, 595: „Optimi enim quique pastores utriusque huius ditionis (=Groningen und Westfriesland) relicta sua idololatria ad me confugiunt et mea opera hic nostris Ecclesiis praeficiuntur aliosque secum non paucos adducunt.“ 45 Gegenbericht, 110. tusdie feindlichen Brüder zusammengehalten, 340 Jahre bildete er für den reformierten Teil des Landes das wesentliche Glied der kirchlichen Verfassung. Der Einheit in einer bestimmten Lehrform hat a Lasco die Einigkeit der Prediger vorgeordnet und diesen grundlegenden Gedanken auch in den für uns noch greifbaren Lehrstreitigkeiten verfolgt. 46 Für seine Emder Gemeinde hat sich a Lasco vor dem August 1544 um eine Einigung der Prediger bemüht und auch den Kreis der Coetusmitglieder daran zu beteiligen versucht. Diese Bemühungen haben eine Spur zurückgelassen in einem ungedruckten Brief des Oldersumer Predigers Hermann Aquilomontanus an Bullinger. Nach einer in ihrer kindlichen Begeisterung rührenden Lobeshymne auf diesen unvergleichlichen Mann, der, wie er sich ein Jahr früher ausdrückt, „im Namen der Gräfin die friesische Kirche als Bischof leitet“, schreibt er: „Er hat hat die Regierung aufgenommen, die Vornehmeren zusammengerufen, zu denen er auch mich wegen meines Alters zählt, und hat begonnen, von der Einigkeit zu handeln. Was soll ich sagen, bester Mann? Alle hat er aufgeklärt durch seine Beredsamkeit und Gelehrsamkeit, so daß keiner etwas dagegen haben konnte, obschon er nicht alle wegen ihres Starrsinns von der vorgefaßten Meinung abgebracht hat.“ 47 Und unter dem 30. August 1544 schreibt a Lasco selbst an Pellikan: „Wir betreiben mit allen Mitteln eine Übereinstimmung in der Lehre.“ 48 Diesen Verhandlungen hat eine Art Bekenntnisschrift zugrunde gelegen, die wahrscheinlich im kleinen Kreis der Emder Prediger zuerst als Lehrformel anerkannt worden ist. 49 Von da aus ist sie auch dem Coetus unterbreitet worden und hat Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 31 46 Über die Einrichtung des Coetus: Emder Bericht, 305-311, daraus Meiners I, 279-282. Eine Monographie über den Coetus liegt noch nicht vor. Für die Emder Verhältnisse bleibt es wichtig, daß zumeist Emder Prediger in ihm den Vorsitz haben, und daß Emden der gewöhnliche Versammlungsort war. Daß der Coetus von sich aus irgendeine bedeutende Einwirkung auf die Emder Kirchenordnung ausgeübt hätte, wird nirgends sichtbar. 47 14. August 1543: „Hic satis valemus in Phrysia, quod nunc sub optima Principe vidua Deum timente agimus et divina favore nobilem, pium et eruditum virum Polonum nacti, qui Principis nomine Ecclesiam Phrysiae Episcopus moderatur.“ 25. August 1544: „Dignus enim est (a Lasco), Archiepiscopatu Germaniae (...). Accepit regimen, convocavit maiores, inter quos me ob canitiem numerat, et de concordia tractare coepit. Quid dicam, opt. Vir, omnes facundia et eruditione erudivit, ut nullus quid contra haberet quamquam non omnes ob pertinaciam a sententia concepta mutavit.“ 48 II, 584. 49 Hein hat das Verdienst, auf die Bedeutung der beiden Schriften Kuyper I, 465-479 und Lasciana I, 43-60 für die Lehrgeschichte der ostfriesischen Kirche hingewiesen zu haben. Siehe Hein, 63-71.Vgl. Kuyper, LXXI-LXXIV.Wir haben den Consensus oder, wie sie meist bezeichnet wird, die Moderatio doctrinae nicht mehr unmittelbar. Das Dokument ist in zwei Formen vorhanden: a) als ein Brief an einen Freund vom April 1545, den a Lasco dem von ihm herausgegebenen Traktat Bullingers über die Sakramente (Kuyper I, 465 findet sich der Titel der Schrift) anhängte unter dem Titel: Epistola per Ioannem a Lasco, Baronem Poloniae ante quinquennium scripta. Londini 1551, Mens. April. Wenn es erlaubt wäre, diesen Brief für den von Kuyper, LIIIf. vermißten Brief nach Bremen zu halten, dann wäre damit auch das II, 699 und I, 237 erwähnte Schreiben an die Bremer Prediger gefunden. Kuyper stellt diese Beziehung nicht her, auch Hein nicht. Allerdings läßt der Brief an Hardenberg einen bündi- sichals Einigungsformel unter Kämpfen weithin durchgesetzt, wenn es auch ohne ständigen Widerstand nicht abgegangen zu sein scheint. Am 25. August 1545 teilt a Lasco nämlich Bullinger mit: Konrad Pellikan, der zu Besuch in Emden 32 Zweites Kapitel gen Beweis nicht zu; a Lasco schreibt nämlich am 28. März 1554: „Neque vero ego mutavi quid in doctrina mea ab eo, quod nostris hic Ecclesiis ante meum hinc abitum in scripto meo traditum reliqueram, vel ad vestros istic ministros te autore scripseram. Sed scio, nusquam in utroque illo scripto id haberi, quod in hoc Catechismo (des Gellius Faber) habetur.“ Da wir die in Ostfriesland eingeführte Moderatio in der Form, die sie als ostfriesische Bekenntnisschrift hatte, nicht kennen, so steht die Form des gedruckten Briefes und auch die Ausdrucksweise a Lascos in dem Brief an Hardenberg der Annahme nicht im Wege, daß es sich bei dem 1551 gedruckten Schriftchen um den Brief nach Bremen handelt, da auch die Zeit (ante quinquennium = 1545 oder 1546) zu den Angaben a Lascos gut paßt. A Lasco hätte dann die Moderatio zu einem Brief nach Bremen benutzt, was durch den Hinweis Kuyper I, 237 gestützt wird: „Haec ipsa igitur doctrinae nostrae a me hic relicta moderatio, et epistola praeterea ad Bremenses Ministros a me paulo post unanimi interim collegarum hic meorum consensu scripta, facile ostendent, (...).“ Weiter ist b) die Moderatio doctrinae vorhanden in der Form einer Ansprache, die Hermann Brass im Sommer 1546 in Norden vor der Gemeinde zur Schlichtung der Streitigkeiten über die Abendmahlslehre hielt. Diese Ansprache hat Dalton in Wien aufgespürt. Sie trägt die Überschrift: „Ratio doctrinae in ecclesia Emdensi de re Sacramentaria Nordae pro concione exposita et quid controversia rei Sacramentariae inter doctos in se contineat.“ Siehe Lasciana I, 43. Beide Fassungen stimmen nicht genau überein, denn beidemal hat die Fassung in einigen Sätzen durch den verschiedenen Rahmen eine leichte Veränderung erlitten, abgesehen von den Ein- und Überleitungen, die sich aus der Form erklären, der wir die Erhaltung der Bekenntnisschrift verdanken. Nun will Hein, daß die Moderatio im Frühjahr 1545 ausgearbeitet sei. Sie umfasse nur die Äußerungen über die Sakramente in genere und specialiter (Dalton 47-49).Die Beschreibung der drei möglichen Anschauungen über die praesentia Christi gehöre nicht zur eigentlichen Moderatio. Hein, S. 66. Hein beweist das damit, indem er darauf hinweist, daß die beiden Teile mehrfach deutlich unterschieden werden: in dem Titel der Ansprache, in der Wendung, die in der Norder Ansprache die Wiedergabe der Moderatio einleitet: „Non abs re esse judicavimus, ut vobis nunc omnibus et moderationis nostrae et omnis item controversiae inter doctos de modo praesentiae corporis Christi in coena sua paucis exponeretur.“ Hier scheint mir das Subjekt zu „exponi“ zu fehlen. Die Wiener Handschrift hat mehrere Fehler, soweit der Text durch den Brief zu kontrollieren ist: Lasciana, 51, Zeile 4 v.u.ist „mysterii ecclesiastici“ verschrieben oder verlesen aus „ministerii ecclesiastici“ Kuyper I, 473, Zeile 11 v.o.Ein Fehler steckt wohl auch in dem vorletzten Wort Lasciana, 60 „purificationem“ für „pacificationem“ Kuyper Kuyper I, 479. Auch die weiteren Hinweise für die Zweiteilung der Schrift beweisen nur eben diese Zweiteilung, aber nicht, daß nicht die Bekenntnisschrift beide Teile umfaßt habe. Ich kann mich seinen zuerst so einleuchtenden Kombinationen darum nicht ohne weiteres anschließen. 1. Die Abfassungszeit der Moderatio muß schon vor dem August 1544 angenommen werden, und zwar nach dem Zeugnis des Aquilomontanus und a Lascos selbst, die ich im Text anführe. Wenn er am 31. August 1544 von dem Consensus redet, den er mit allen Mitteln durchzusetzen suche, dann ist nicht einzusehen, warum nicht schon in diesem ersten Stadium der Verhandlungen seinen Bemühungen ein Text wie der erste Teil der Moderatio vorgelegen haben soll. 2. Die Ausführungen über die Gegenwart Christi gehören schon darum zu der Bekenntnisschrift, weil sie der ganzen Darstellung ihre Aktualität geben. Um die praesentia Christi ging ja gerade der Streit. Hält man sich vor Augen, daß wir die Formel nur in zwei Formen haben, die eine verschiedene Einfassung bedingen, so brauchen die Bezugnahmen auf diese Formen nicht zu stören. Sie beschränken sich auf einige Sätze, die sich aus dem Fluß des Ganzen deut- weilte,„hat das bisher ungeordnete Wesen unserer Kirchen gesehen, hat auch von der Maßlosigkeit einiger gehört, die unsere Lehrvereinigung bislang zu verwirren suchen (...). Inzwischen schließen sich dennoch dauernd mehr und mehr unserer Lehrvereinigung an.“ 50 Dieser Consensus ist bereits im April 1545 in einer endgültigen Form vorhanden gewesen, denn aus dem April 1545 stammt ein Brief, den a Lasco 1551 in London zusammen mit Bullingers Schrift über die Sakramente veröffentlicht hat. In diesem Brief nimmt er auf eine Moderatio doctrinae Bezug, er gibt in ihm wörtlich den von Dalton in Wien entdeckten Text wieder, der in dem Entwurf einer Rede an die Norder Gemeinde aus dem Jahre 1546 enthalten ist. 51 Ich nehme an, daß a Lasco selbst bald nach Einrichtung des Coetus mit der Behandlung der Sakramentsfrage begonnen hat, und daß es ihm gelungen ist, seine Emder Amtsbrüder für eine Formel zu gewinnen, die als Einigungsband dienen konnte. Als solche ist sie durch den Coetus auch behandelt worden, denn 1554 kann a Lasco seinen ostfriesischen Amtsbrüdern schreiben: „Ich zweifle nicht, daß ihr euch der Übereinkunft unserer Lehre erinnert, die ich später in Form eines Briefes in England herausgegeben habe, und welche Dominus Hermann Brass, unser Kollege hier (d.h.in Emden), in öffentlicher Predigt in Norden vor fast acht Jahren oder mehr vorgetragen hat, und die die meisten von euch zuerst auch schriftlich zurückbehalten haben.“ 52 Die hier angedeuteten Kämpfe – ein Ergebnis der noch verbleibenden Gegensätze – und die Anstöße, die das Leben einzelner Prediger gab, veranlaßten a Lasco, die Hilfe der Obrigkeit anzufordern; 53 da ihm diese nicht im gewünschten Maße gewährt wurde, stellte er sein Amt zur Verfügung. Das muß Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 33 lich herausheben und leicht eliminieren lassen. Beide haben eine verschieden lange Einleitung und einen Schluß; die Ansprache bietet beim Übergang von der Darstellung der Sakramentslehre zur Wiedergabe der Ansichten über die Gegenwart Christi zwei ganze Sätze, die sich durch ihre Anredeform schon als Einschub kenntlich machen (Lasciana, 49). Und im Brief ist an derselben Stelle nur ein ganz kurzer Vordersatz eingeschoben, der gleichfalls eine Anrede an den Empfänger darstellt. Es läßt sich kein zwingender Beweis führen, daß nicht beide Teile von Anfang an oder doch von einem bestimmten Stadium der Einigungsverhandlungen an zusammengehören: Außerdem schreibt thom Camp am 26. Februar 1548 an die Züricher: A Lasco war das ganze Jahr krank, er ist jetzt wieder besser, kann aber wegen Arbeitsüberlastung euch nicht schreiben. „Misisset ad vos moderationem controversiae de Coena Domini, quae hic utimur, non tamen similem Bucerianae, cum (=de) qua Dominus (=a Lasco) cum Bucero conflictatur.“ Hier erscheinen auch die kontroversen Anschauungen als mit einbegriffen in die Moderatio. Ich möchte darum meinen, daß die Moderatio als ostfriesische Bekenntnisschrift die beiden Teile umfaßt habe, die „summa doctrinae de sacramentis“ und die „summa controversiae controversiae de modo praesentiae Christi in coena sua“. 50 II, 595. 51 Es sind die in der Anmerkung 49 genannten Schriften. 52 I, 237. 53 Vgl. den Brief an den gräflichen Sekretär Hermann Lenth vom 6. September 1545. II, 596f. Auf S. 597, Zeile 5 ist für „ retinendam“ „ retinendum“ zu lesen. Aus diesem Brief stammt das Zitat auf Seite 27 dieser Arbeit. vordem März 1546 gewesen sein. 54 Doch wurde ihm nahegelegt, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen, „nachdem die edle Gräfin und alle ihre hohen Herrn mir ihre Bemühung versprachen, die Autorität meines Amtes dem Worte Gottes gemäß zu schützen“55.Daraufhin hat er seine Anstrengungen fortgesetzt und unter ständiger Beziehung auf die Moderatio die Erweiterung des einigen Kreises versucht. Dem wirkten die noch vorhandenen Streitigkeiten in der Norder Kirche entgegen, und um diese beizulegen, wurde die Gemeinde zusammengerufen und ihr durch HermannBrass56in Gegenwart gräflicherBeamte57ein Hirtenbrief a Lascos vorgetragen, der nach einer Darstellung der voraufgehenden Vorgänge die Lehrformel und eine Beschreibung der Anschauungen enthält, die die Gelehrten über die Art der Gegenwart Christi im Abendmahl hegen. In dieser Moderatio haben wir nach der Summa von 1528, die auch die in Emden vertretene Lehre beschrieb, die zweite Bekenntnisschrift zu sehen, in der Emder Prediger, diesmal unter der Führung a Lascos, stellvertretend und wegweisend für die ganze Kirche in die verworrene Lage auf dem Gebiete der Lehre eingreifen. 58 Nach dieser reformierten Bekenntnisschrift sind die Sakramente Einsetzungen Christi, um durch sie unsere Seelen im Glauben an die Verheißungen des göttlichen Wortes zu versiegeln. Zugleich ermahnen sie uns, daß wir auch in unserem Leben ein Bild und Gleichnis dessen darstellen, was uns durch ihren Gebrauch in unseren Seelen als Teil und Erbe des Heiles versiegelt wird. So nennt Paulus die Beschneidung ein Siegel der Glaubensgerechtigkeit. Die Taufe versiegelt uns die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott. Und da Gott unser und zugleich unserer Kinder Gott ist, so geht es in der Taufe auch um die Versiegelung ihrer Gemeinschaft mit Gott. Darüber hinaus ermahnt uns die Taufe unser ganzes Leben hindurch, daß wir auch in unserm Wandel vor den Augen der Kirche das ausdrücken, in dessen Gemeinschaft wir durch den Gebrauch der Taufe versiegelt werden. Und da wir wohl wissen, daß wir in der Gemeinschaft des Todes, des Begräbnisses und der Auferstehung Christi getauft sind, so sollen wir auch 34 Zweites Kapitel 54 Niedergelegt hat er sein Superintendentenamt vor dem 23. März 1546, nachdem er schon am 6. September 1545 mit dem Rücktritt gedroht hatte. II, 602. 597. Am 16. Mai 1546 hat er sein Amt noch nicht wieder aufgenommen. II, 606. Aber am 15. Juni 1546 bezeugt er Hardenberg: „Das Bischofsamt, mein Albert, habe ich hier wieder aufgenommen, weil meine Brüder und auch die Gräfin selbst mich drängten. Es ist beschlossen, daß alle Pastoren abgesetzt werden sollen, die die Lehrvereinigung nicht beachten wollen.“ II, 607. 55 II, 606. Der Text steht Lasciana, 43f. 56 I, 237. 57 II, 607. Er wolle Hermann Lenth oder Hans Barth mithaben. 58 Lasciana, 43-60.Spätestens bis zur Norder Verhandlung ist der zweite Teil der Moderatio zu dem Ganzen hinzugekommen. Daß aber über die Gegenwart Christi im Abendmahl in Ostfriesland gestritten wurde, und daß bei den ganzen schon vorhergehenden Verhandlungen eine Äußerung darüber nicht zu umgehen war, zeigen die Ausführungen a Lascos in dem Brief an Hardenberg vom 30. September 1546. II, 609. nachunserm besten Vermögen versuchen, eine Art von Bild und Gleichnis dieser Tatsachen an uns aufzuzeigen. Ebenso lehren wir vom Abendmahl. Durch seinen Gebrauch wird uns die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi versiegelt. Und wir folgen Paulus, wenn wir lehren, daß das Abendmahl die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi sei, wie es der sakramentalen Einheit entspricht. Wir gestehen, daß alle Frommen wahrhaftig im Abendmahl an dem Leibe und Blute Christi teilhaben; die Gottlosen aber, die das Mahl ohne Glauben und mit Verachtung nehmen, werden schuldig an dem Leibe und Blute des Herrn. Wir anerkennen gern die Gegenwart Christi in seinem Mahle, wodurch es wirksam ist zum Heile allen, die durch den Gebrauch in seiner Kirche ihre Gemeinschaft mit ihm und die seinige mit ihnen bezeugen. Was die Art und Weise seiner Gegenwart angeht, so sind wir in ihrer Bestimmung nicht ängstlich. Da die Gelehrten sich darüber nicht eins sind, muß man sich vor einer vorwitzigen Behandlung dieses Lehrstückes vor dem Volke hüten. Es muß uns genug sein, Christus so zu haben, wie wir ihn haben sollen. Es mag daher jeder bei seinem Verständnis bleiben, wenn einer eine jeweils verschiedene Meinung von der Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl hat, da wir ja glauben, daß er anwesend ist. Nur soll man das nicht vor dem Volke anschneiden, denn daraus entsteht nur Streit. Man soll sich vielmehr bei der Behandlung der Lehre innerhalb der angedeuteten Grenzen halten. Über das Wort Gottes hinaus wird hier nichts gehalten, und das ist zum Heile jedes einzelnen genug. Darin ist auch die Einheit der gesamten Kirche gewahrt. Drei Möglichkeiten sind allerdings auszuschließen: zuerst die Umwandlung nach römischer Lehre, und ebenso die Anschauung, die Brot und Wein den Leib und das Blut Christi örtlich und wesentlich einschließend denkt. Und dann lehnen wir noch die Lehre ab, die die Sakramente zu bloßen Zeichen macht, zu Kennzeichen, die uns von Juden und Heiden unterscheiden. In der Sprache der Dogmengeschichte ausgedrückt, wird damit die römische Wandlungslehre nebst ihrer in lutherischen Kreisen vertretenen Nebenform der Consubstantiation und die zwinglische Lehre von den Sakramenten als bloßen Zeichen und Erkennungsmarken abgelehnt. Es folgt dann in bedeutend längeren Ausführungen der Bericht über die Anschauungen von der Gegenwart Christi im Abendmahl. „Darüber halten wir mit unserer Meinung ganz abgesehen von der bereits feststehenden Meinung des einzelnen zurück.“ 59 „Wir führen euch die verschiedenen Ausführungen vor, damit ihr seht, daß man wegen dieser Meinungsverschiedenheit die Kirche nicht spalten und das Band christlicher Liebe und Gemeinschaft nicht zerreißen darf.“ A Lasco glaubt drei Meinungen zu sehen, die hier in der Wertung des Abendmahls auseinandergehen. 60 1. Im Abendmahl wird mit Brot und Wein der Leib und das Blut Christi mit ausgeteilt und von Gläubigen und Ungläubigen mit Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 35 59 Lasciana, 49. Vgl. II, 609; vgl. Anm. 58. 60 Lasciana, 50. demleiblichen Munde genossen. Die Vertreter dieser Lehre machen die Zugehörigkeit zur Kirche von der Anerkennung dieser leiblichen Gegenwart und des leiblichen Genusses abhängig. 2. Die zweite Ansicht unterscheidet sich eigentlich nur durch eine andere Auffassung von der Verbindung, die zwischen Christus und den Elementen besteht. Sie sehen diese Verbindung nicht darin, daß die bezeichnete Sache mit den Zeichen selbst so zusammenhängt, daß die Abendmahlsgäste auch ohne weiteres die bezeichneten Sachen, also Leib und Blut Christi zu sich nehmen. Vielmehr gilt das Abendmahl nur denen, für die es eingesetzt ist, also nur den Gläubigen. Die sakramentale Verbindung geschieht in der Auswirkung des kirchlichen, vom Herrn selbst eingesetzten Dienstes. 61 Sie begründen das mit dem Beispiel des Judas, der zwar die Zeichen, aber nicht die Geheimnisse des Mahles empfing, weil er nicht glaubte. Durch Glauben und nicht mit dem Munde werden Leib und Blut Christi empfangen. Verneint auch diese Ansicht die örtliche und natürliche Gegenwart des Leibes, dann ist doch auch nach ihr Christus wirklich anwesend und wird allen Gläubigen mit den Zeichen und durch sie gereicht. 3. Die dritte Anschauung geht in der Erklärung der Verbindung von Zeichen und Sache noch einen anderen Weg. Für ihre Vertreter ist die Einheit nicht mit den Zeichen unmittelbar gegeben, wie in der ersten Ansicht, auch nicht als Auswirkung der Bedienung des Abendmahls, wie die unter 2 beschriebene Lehrform es will; sie halten die Vereinigung vielmehr für das eigenste Werk des Heiligen Geistes und begründen diese Ansicht mit der Lehre des Paulus von dem inneren und äußeren Menschen. So ist im Abendmahl ein irdisches Element, das für den irdischen, äußeren Menschen bestimmt ist, und ein himmlisches Element, das den inneren, durch den Glauben im Himmel bei Christus zu suchenden Menschen nährt. Sicher ist Christus gegenwärtig, aber von den Ungläubigen wird er auch nach dieser Ansicht nicht empfangen. Und da Christus gen Himmel gefahren ist, so wendet sich der Glaube zum Himmel und sucht nicht hier auf Erden die Gegenwart des Leibes Christi nach seiner Substanz. Weitere Ausführungen lassen ahnen, daß die größere Aufmerksamkeit a Lascos bei der dritten Lehrform ist, obwohl der berichtende Stil nirgendwo aufgegeben erscheint. Die Verschiedenheit in der Auffasung von der Vereinigungsweise von Sache und Zeichen verletzt die Würde des Sakraments nicht. Deswegen darf man auch die Kirche nicht spalten. „In strittigen Lehren, über welche die katholische Kirche noch nichts dem Worte Gottes gemäß geäußert hat, und ohne die es zu einer sicheren Anschauung vom Heile kommen kann, laßt uns unser Urteil anstehen lassen, und es mag ein jeder in seiner Meinung bleiben.“ 62 Die Bemühungen a Lascos um die Einigkeit der Prediger bedeuten also nicht Unterdrückung vorhandener Sonderanschauungen, solange sie im Rahmen des 36 Zweites Kapitel 61 Ich folge der Lesart IX, 473, Zeile 11 von oben. Siehe Anm. 49. 62 Lasciana, 60. 1545 fehlt dieser Satz. IX, 479. Vertretbarenbleiben. Nicht Lehreinheit ist sein eigentliches Anliegen, sosehr er auch gerade für die Herstellung der Einigkeit unter den Predigern die Hilfe der Obrigkeit in Anspruch genommen hat und selbst vor dem Äußersten, der Niederlegung seines Amtes, nicht zurückgeschreckt ist, als er sich von der Obrigkeit verlassen sah. Der Coetus sollte das Band christlicher Liebe und Gemeinschaft für die Prediger sein, die sich amtlich und zugleich brüderlich um die Erforschung der reinen Lehre mühten, und die Moderatio war als eine Grundlage für diese Bemühung gedacht. 2. Schon in den Emder Kämpfen um die Moderatio zeigt sich, daß a Lasco die Gemeinde Emden, deren Pastor er auch während seiner Amtsniederlegung blieb, rascher und gründlicher zu einer Wirkungsstätte seiner Lehranschauungen und Ordnungsgrundsätze hat machen können als die ganze Kirche. Nachdem in Emden einmal der Widerstand aus Gewohnheit und Gehenlassen überwunden war, kam die Durchführung der Maßnahmen, die a Lasco für erforderlich hielt, rasch weiter. Das erste, was ihm für Emden nötig erschien, war die Ausschaltung der Mönche aus dem gottesdienstlichen Leben der Stadt. Im Franziskanerkloster ging der Gottesdienst trotz des Umschwungs in der Stadt in alter Form weiter. Noch 1540 traten seine Insassen bei der Beerdigung Ennos mit gottesdienstlichen Handlungen auf. 63 Sie tauften Kinder und besuchten die Kranken, deren Testamente sie abfaßten. Mutmaßlich feierten sie auch die Messe noch bei offenen Türen. 64 Dem allen machte a Lasco ein Ende. Wie er es immer wieder auf den verschiedensten Gebieten versucht hat, so wollte er auch die Mönche durch ein Gespräch und durch Verhandlungen zum Abtreten bringen. Als das nicht gelang, rief er die Obrigkeit zu Hilfe. Doch konnte vorläufig nur erreicht werden, daß das öffentliche Auftreten der Mönche eingeschränkt wurde. Hand in Hand damit ging sein Bestreben, die Große Kirche von noch vorhandenen Bildern zu reinigen, und so auch die Gottesdienststätte der evangelisch Gesinnten äußerlich den neuen Auffassungen anzugleichen. Beides wurde erst durch starken Druck auf die Gräfin erreicht. 65 Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 37 63 Emmius, 908; Kochs, Grundlinien, 23. 64 Emmius, 916; II, 557.559; Meiners II, 233. Die ursprünglich lateinisch geschriebene Schrift I, 63-95: „Of het den Christenen, nadien zy het word Godes ende de godloosheit des Pauwstdoms bekent hebben, eenighzins verorloft is, dat zy zick in den Pauwstlicken godsdiensten, ende in zonderheit inder Missen, vinden laten“, scheint gegen die Zustände im Kloster gerichtet zu sein. Kuyper wird mit seiner Vermutung I, LXVI, daß sie ins Jahr 1546 gehört, recht haben. Die Schrift ist 1556 ins Französische, 1557 ins Niederländische und 1608 ins Hochdeutsche übersetzt worden. 65 Für die Ereignisse in Emden vgl. Emmius, 916ff. Emder Bericht, 138f. gibt die gräflichen Mandate über das Wegnehmen der Bilder vom 3. und 19. September 1543. Doch hat es den Anschein, als sei im allgemeinen mit der Säuberung der Kirchen sehr gezögert worden. Noch am 6. September 1545 klagt a Lasco über die „idololatria publica Monachorum“ und über die Bilder, die konservative Kreise anscheinend in den Kirchen zu belassen wünsch- Dieandere Abgrenzung der Gemeinde erfolgte gegen den linken Flügel, gegen die Wiedertäufer. 66 Teils schriftlich, teils mündlich setzte sich a Lasco mit den beiden Häuptern der täuferischen Bewegung, mit David Joris und Menno Simons auseinander. 67 Das Ergebnis war die Ausweisung der Radikalen und die Aufenthaltsgewährung für die Gemäßigten. 68 Allerdings erfüllten sich die Hoffnungen auf Gewinnung der milder gesinnten Kreise nicht; noch lange hatte sich der Kirchenrat immer wieder mit der Täuferfrage zu beschäftigen. 69 3. Indem a Lasco so die Lehrgrundlage der jungen Kirche umriß und den in seinen Augen unnötigen Bruderstreit aus ihrem Leben und Arbeiten zu verbannen suchte, und indem er weiter Grenzsicherungen nach rechts und links durchführte und dadurch das in der Lehre klargestellte Selbstverständnis der Kirche in bezug auf die sie beherrschende Sache zur wirklichen Geltung zu bringen suchte, gab er der Kirche die Möglichkeit und zugleich die Verpflichtung, in dem so aufgewiesenen Rahmen und auf der so abgegrenzten Grundlage ihre Kirchlichkeit nunmehr durch eine Ordnung zu erweisen, die das zu hörende Wort sich auswirken ließ. Das geschah für die Gesamtkirche durch die bereits erwähnte Einrichtung des Coetus und dann durch die Wiederaufnahme der Visitation70wie durch die Anregung zur Polizeiordnung, die allerdings, als Maßnahme der Obrigkeit bereits seit längerer Zeit vorbereitet, den rein kirchlichen Rahmen überschritt. In Verbindung mit diesen Maßnahmen stehen seine Bemühungen um die Schulen und die Versorgung der Armen. 71 38 Zweites Kapitel ten. Ja, noch im März 1546 erbittet a Lasco sich von Butzer einen Rat, wie er es mit den Abendmahlsfeiern halten solle, die einige Diener nicht an den Orten halten wollen, wo noch die Bilder stehen, die sogar von einigen Abergläubischen angebetet werden, weil die Behörden sie aus Furcht vor dem Brabanter Hof nicht wegnehmen wollen. II, 597 und 604f. Das braucht sich nicht auf Emder Verhältnisse zu beziehen, sondern kann von anderen Gemeinden verstanden werden. Aber möglich bleibt es immerhin, daß auch die Große Kirche noch 1545 und 1546 nicht völlig von Bildern gereinigt war. 66 Zum Ganzen vgl. Müller, Die Mennoniten in Ostfriesland und Blaupot ten Cate. 67 Die Schrift gegen Menno über die Christologie der Kirche siehe I, 3-60.Die Briefe an David Joris mit Berichten über Gespräche mit seinen Anhängern II, 566.570. 68 Emmius, 924f. 69 Weitere Einzelheiten gehören in den Rahmen der Arbeit nicht hinein. Die Darstellung der Lehrzucht wird Gelegenheit geben, Mitteilungen über das Verfahren gegen Andersgläubige und die dabei beobachteten Grundsätze zu geben. Der Einfluß des Täufertums, falls ein solcher überhaupt begründet nachgewiesen werden kann, wäre nur durch eine Darstellung der Lehr- und Ordnungsgeschichte unter dem entsprechenden Gesichtspunkt festzustellen – eine Aufgabe, für die das geringe und sehr schwer beschaffbare Material, soweit es bekannt ist, noch keineswegs ausreicht. 70 II, 581: „Ego orsus sum ecclesiarum visitationem.“ 30. August 1544. Beninga, 808. 71 Die Polizeiordnung bei Beninga, 744-783; Brenneysen II, 181-211.Über die Schulen: Bartels, Abriß einer Geschichte des Schulwesens in Ostfriesland. Dazu die ergänzenden Mitteilungen im Jahrbuch Bd. VIII, 41-55: Entstehung und Dotation der ostfriesischen Landschulen. Indemdie Polizeiordnung in der Einführung feststellt, daß alle Obrigkeit von Gott geordnet sei, die Frommen zu beschützen und die Übeltäter zu bestrafen, macht sie als Ausgangspunkt eine Erkenntnis sichtbar, die gemeinreformatorische Anschauung vom Amt der Obrigkeit ist. Eine solche Ordnung, wie die Obrigkeit sie hier erläßt, ist dazu da, „vp dat die Gemeine und Underdanen in die Fruchte des Heren gelehret/in guder Tucht underholden und ertogen/mit Justitie, Justitie, guder Ordnung und Politie stedes wohl geregert und vorgegahn werden“ 72.Sie stellt die Kirche und ihre Arbeit unter Rechtsschutz, schafft ihr die Freiheit der Verkündigung und bedroht durch Einschärfung der Gottesdienstordnung von 1535 das Versäumen des Gottesdienstes mit Strafe. Schwören bei den Wunden Christi, Gotteslästerung und Fluchen werden bei Strafe verboten. Die Aufsicht über diese Sünden sollen die Prediger, die Kirchgeschworenen und die Ältermänner der Gilden haben, jedoch können sie nur Ankläger sein. Strafen kann allein der ordentliche Richter verhängen, die einkommenden Strafgelder sollen den Armen zugewandt werden. Nach dreimaliger Geldstrafe droht beim vierten Male Haft. Ebenso wird das Versäumen oder das Stören des Gottesdienstes bestraft. Die Armenversorgung wird geregelt, ebenso der Schulunterricht der Kinder vom fünften oder sechsten Jahre an, „dat die den Geloven/ de tein Gebaden Godes und dat Vader Unser lehren“. Es herrscht Schulzwang, Schulgeld muß bezahlt werden, im Notfalle aus der Armenkasse. Nach Alter und Kraft sollen die Kinder nach der Schulzeit in Dienst gegeben werden. Begabtenförderung wird ausdrücklich vorgesehen. Darauf folgen dann genaue Vorschriften über die Maßnahmen gegen die Wiedertäufer. Anhänger des Joris und Batenburger werden ohne Prüfung ausgewiesen, die Mennoniten hat der Superintendent zu prüfen. Von den Täufern sind zu unterscheiden die um des Evangeliums willen verfolgten und vertriebenen Glaubensflüchtlinge, die gegen Stellung von Bürgen aufzunehmen und zu dulden sind, „um Vermehrung van Stadt und Landen willen“73.Ebenso wird dann die Ordnung der Ehesachen dargelegt. Die Ordnung verbreitet sich weiter über allgemeine Grundsätze in der Handhabung des Rechts, die die allgemeine Billigkeit und Gerechtigkeit als Maßstäbe der Rechtsausübung sicherstellen sollen. In Pacht, Land- und Hauskaufsachen soll gerechteres Verhalten der Parteien angestrebt werden. Zur Belebung des innerstaatlichen Handels wird Marktzwang vorgeschrieben. Die Stadt Emden erhält im Blick auf ihre besondere Stellung und bereits erhöhte Bedeutung als Hauptstadt einen besonderen Abschnitt gewidmet. Die städtische Verfassung in ihren allgemeinen Umrissen, das Verhältnis zur Gräfin und die Aufgaben wie auch die Pflichten der Bürgermeister und Ratsherren werden genauer dargestellt. Ausführlich wird darauf das Privatleben der Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 39 72 Brenneysen II, 182. 73 A Lasco war selbst 1554 Bürge für den als Bürger aufgenommenen Drucker Gillis van der Erven. Bürgermit Regeln über Kleidung, Feste, Trinksitten, Tauffeiern, Beerdigungen, Wirtshauswesen usw. bedacht. Münzwährungen und Verdienstspannen wie Löhne werden in Einzelausführungen festgelegt. Ein Brücheregister beschließt das Ganze. An der Entstehung dieser Polizeiordnung ist a Lasco maßgebend beteiligt gewesen. 74 Der Gedanke der Zucht gehört zu a Lascos Kirchenbegriff, und sein Ringen mit der Gräfin kreist um die Aufstellung und Durchführung einer Ordnung, die das Leben der Hörer im Sinne der neuen Lehre beeinflußt. Die Lebensordnung der Volksgemeinschaft ist ein fester Bestandteil der Zucht im Sinne wirksamer Geltung, die dem Worte Gottes zukommt. Sollten nun die einzelnen Zuchtmaßnahmen der zur Zuchtübung berufenen Organe nicht willkürlich werden oder in ihrer Bezugnahme auf die zu rügenden und zu strafenden Vergehen nicht schwanken, dann mußte der Zuchtübung eine feste Grundlage gegeben sein. Aus dem Briefwechsel a Lascos wird deutlich, daß er selbst sich mit etwaigen Entwürfen zu einer entsprechenden Ordnung beschäftigt hat, und es läßt sich nachweisen, daß aus ihm nahe stehenden Kreisen sachdienliche Schritte unternommen worden sind. 75 Aus einem Briefe Beningas, des ostfriesischen Chronisten, an den Jarssumer Prediger Reiner Melchers vom 30. Dezember 1543 geht hervor, daß Melchers Anregungen zur genaueren Festlegung einzelner Bestimmungen gegeben hat: „Ick bedancke Jw dat gy Jw tho Profit der gemenen Wolfart düsser Graveschup Ostfresland hebben beflitiget, umme eyne goede Ordeninghe und Polietie to macken“, schreibt Beninga, um dann seine eigenen äußerst wichtigen Anmerkungen zu etwaigen Bestimmungen über wirtschaftliche und sonstige allgemeine Verhältnisse zu machen. 76 Nun war aber Reiner Melchers auch einer von den beiden Predigern, die a Lasco in der Durchführung der Visitation der Gemeinden unterstützten. 77 Damit schaltet sich die Kirche in die bereits begonnenen Verhandlungen ein. 78 Durch ihre Männer gewinnt sie Einfluß auf den Inhalt einer Ordnung der sozialen und wirt- 40 Zweites Kapitel 74 Eine Mitwirkung a Lascos nehmen an: Bartels, Jahrbuch II, 23; Garrelts, Ligarius, 21; Wagner, Hof der Gräfin Anna, 12; Tjaden I, 98. 75 Die Polizeiordnung ist noch nicht besonders bearbeitet worden. Das Material für eine Darstellung ihrer Entstehung muß sich in einem Handschriftenbande der Bonner Universitätsbibliothek Nr. 336 befinden. Emder Jahrbuch, 14, 179.181.196.198.206. Kuyper II, 584.575. Auch hier sei noch einmal an den Brief a Lascos an Gräfin Anna erinnert. II, 558ff. Einen unmittelbaren Beweis für die Mitwirkung a Lascos an der Polizeiordnung bieten seine Briefe mit ihren Hinweisen auf die Bemühungen um Einführung der Zucht nicht. 76 Tjaden I, 98. 77 Emder Bericht aus einem verlorenen Briefe a Lascos an den Bürgermeister Lenth vom 30. August 1544. Die Emder vermuten, daß es sich um Reiner Dakma handelt, ich glaube, daß es Reiner Melchers sei, den a Lasco im Auge hat. Dakma war wegen der verweigerten Annahme der Lüneburger Kirchenordnung 1535 vertrieben worden. 78 Reimers, Gestaltung, 46, Anm. 1 weist darauf hin, daß die Vermengung von Geistlichem und Weltlichem erst zu den Zeiten der Gräfin Anna begonnen habe. Es bestehe in dieser schaftlichenVerhältnisse, ihm wird es zuzuschreiben sein, daß das Ganze mit Bestimmungen über das kirchliche Leben beginnt und die Einzelheiten von biblischen Gesichtspunkten durchsetzt sind. Das kennzeichnet genügend die Änderung der Gesamtlage. Die Kirche ist nicht mehr nur Gegenstand obrigkeitlichen Wirkens, sondern sie wird aus einem Gebiet staatlicher Regierung zu einer einflußreichen Macht. Damit ist der Eintritt a Lascos in die landeskirchliche Arbeit in seiner Auswirkung bereits deutlich gekennzeichnet. Die treibende Kraft dieses Einflusses ist allerdings die Sache, der sich die Kirche selbst unterworfen und verpflichtet weiß. Daß nun auch a Lasco selbst, abgesehen von dem Einfluß, den seine Mitarbeiter ausübten, auf den Verlauf der Bemühungen um eine Landesordnung eingewirkt hat, mag aus folgenden brieflichen Bemerkungen erwiesen werden. Er hält der Gräfin 1543 vor: „Ein öffentliches Amt in der Kirche Gottes hast du übernommen, erkenne dieses Amt an! (...) Bedenke, daß dir gesagt ist, was den Königen von den Propheten einst unter Gottes Befehl gesagt wurde, wie wir es lesen können.“ 79 Und während die Gräfin wohl für eine stärkere Handhabung der Zucht zu haben ist, findet a Lasco den nachhaltigen Widerstand in den Regierungskreisen. „Denen liegt nichts weniger am Herzen als die Religion, sie sind gewohnt, ohne Gesetze zu leben, nicht einmal das Wort Zucht ertragen sie.“ 80 Die Briefe des Jahres 1544 deuten immer wieder an, daß seines Bleibens wohl nicht lange sein werde, da seine Forderungen auf stärksten Widerstand stoßen. 81 Politische Bedenken lassen es zu keinen klaren und entschiedenen Maßnahmen kommen. 82 Um des Kaisers willen, nicht aber um Gottes willen werden die Wiedertäufer bekämpft. 83 Wenn es dann doch zu dem Erlaß der Polizeiordnung kommt, dann ist das hauptsächlich dem unermüdlichen und unerbittlichen Superintendenten zuzuschreiben. Bis ins 18. Jahrhundert hinein hat diese Ordnung in immer wieder gewandelter Form das öffentliche Leben der Grafschaft beeinflußt. 84 Die Polizeiordnung war keine Kirchenordnung; eine solche ist für die Gesamtkirche der Grafschaft nicht erlassen worden, weder unter a Lasco noch später. Nach seinen Äußerungen hat a Lasco in der Polizeiordnung die Grundlage für die Zuchtübung schaffen wollen; denn diese mußte eine Grundlage haben. Mit ihrer kräftigen Zuspitzung auf das sittliche und gesellschaftliche Leben der Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 41 Hinsicht ein charakteristischer Unterschied zwischen den Ortsstatuten für Norden (1537) und und Aurich (1539) auf der einen und der Polizeiordnung auf der anderen Seite. 79 II, 558ff. 80 II, 575.588. 81 II, 575.581. 82 II, 574. 83 II, 574; Jahrbuch VIII, 160: Lenth an Tido von Knyphusen, 21. Februar 1545. 84 Über die Schicksale der Ordnung siehe Beninga, 744, Anmerkung und Tjaden I, 131f., Anm. 56. gesamtenEinwohnerschaft läßt die Polizeiordnung erkennen, welches Anliegen a Lasco bei der Einführung der Zuchtübung bewegt. Im Zusammenhang mit seinen übrigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Lehre und der kirchlichen Ordnung ist die Polizeiordnung ein Beweis für die „reformierte“ Kennzeichnung der reformatorischen Bestrebungen a Lascos. Zugleich kann sie dazu dienen, den Umfang der von ihm veranlaßten Maßnahmen und begründeten Einrichtungen zu erweitern. Nicht nur der Coetus und der Emder Kirchenrat kommen auf die Rechnung a Lascos, sondern ebenso als neue reformierte Bekenntnisschrift von allerdings zeitlich beschränkter Geltung die Moderatio und, als Zeugnis seiner Absichten in bezug auf die Zuchtübung und die Durchdringung des Volkslebens mit biblisch begründeten Lebensformen und Verhaltungsgrundsätzen, die Polizeiordnung. Sieht man auch von den weiteren Einzelheiten, die von ihm veranlaßt waren, ab, so ergibt sich doch aus dieser Darstellung, daß a Lasco über Coetus und Kirchenrat hinaus weitergehende Pläne verfolgt und auch weitere Ziele erreicht hat. Zu einem Abschluß ist allerdings seine Arbeit nicht gekommen. Das ist nicht nur durch die Kürze seines Aufenthaltes, sondern ebenso durch die weiterbestehende konfessionelle Spannung bedingt gewesen. Dennoch läßt die Tätigkeit a Lascos alle bisherigen Ordnungsversuche nach Ansatz und Ergebnis weit hinter sich. Er ist der eigentliche Reformator Ostfrieslands gewesen. Eines muß hier nun besonders beachtet werden. Wenn a Lasco die Zuchtausübung nach Maßgabe der Polizeiordnung gefordert hat, dann bedeutet das nicht die Einrichtung von Kirchenräten in allen Gemeinden der Landeskirche. Ob a Lasco darauf gedrängt hat, sie einzurichten, wird nicht deutlich. Nach der Ordnung soll die Zuchtübung durch ein Kollegium ausgeübt werden, das seinen Auftrag von der Obrigkeit hat und dem keine Zuchtgewalt außer der Vermahnung zusteht. Die Zuchtstrafe ist eine Angelegenheit der Rechtspflege überhaupt. Für das Eherecht bleibt sogar die mittelalterliche Einrichtung des Send mit seinem Leiter, dem Propsten, die erste Instanz. 85 Die Presbyterialverfassung setzt sich allgemeiner erst durch, als der Einfluß Calvins und der Niederlande durch die Flüchtlinge und später in Menso Alting auch Ostfriesland ergreift86und die endgültige Trennung der beiden Konfessionen für Rechtsentwicklungen neue Verhältnisse schafft. Nur die Stadt Emden bildet eine Ausnahme. Hier hat a Lasco im Zusammenhang seiner Bemühungen um die Zucht schon vor dem Erlaß der Polizeiordnung die Einsetzung eines Kirchenrates erzwungen und damit der späteren Entwicklung einen fruchtbaren und als Vorbild wirkenden, ausbaufähigen Ansatzpunkt gegeben. Bei all seinen Arbeiten hat sich a Lasco trotz der Grundsätzlichkeit, die seine Bemühungen kennzeichnet, immer im Rahmen des Möglichen gehalten. Seine 42 Zweites Kapitel 85 Brenneysen II, 187. 86 Bartels, in: RKZ, 1870, 213-231. Maßnahmenstellen sich dar als einsichtige Notwendigkeiten, die durch die Zustände gefordert sind und aus dem Wesen der Kirche als einer Lebensgemeinschaft unter dem Worte Gottes als Forderungen eines gläubigen Gehorsams steigen. Es wird das noch deutlicher, wenn man von dem größeren Kreis seines Wirkens, der Landeskirche, sich der Gemeinde zuwendet, die stärker und länger als die Gesamtkirche die Spuren seines Aufenthaltes bewahrt hat. Die Darstellung wird jetzt zu den Emder Verhältnissen überzugehen haben. Die Berufung a Lascos und die Herausbildung der leitenden Grundsätze 43 DrittesKapitel Die Errichtung des Emder Kirchenrates Ohne den Rückhalt, den a Lasco an der Emder Gemeinde fand, ist seine Reformarbeit nicht zu denken. In der Gemeinschaft der Emder Prediger ist die Moderatio zuerst zur Wirkung gekommen. Hier wurde die Auseinandersetzung um die Reste des römischen Kirchenwesens und mit seinen Vertretern, den Mönchen, geführt, trotz der ständigen Bedrohung vom Brüsseler Hof. In Emden fand die Wiedertäuferfrage eine für jene Zeit vorbildliche Lösung, die ebenso klug und umsichtig wie tapfer war. Und in Emden konnte sich das Anliegen der Zucht zuerst und im eigentlich kirchlichen Sinne auswirken, hier bekam die Zuchtübung ihre vorbildliche Form und den ihr zustehenden Raum, den a Lasco für sie forderte. Vieles von a Lascos Arbeiten läßt sich überhaupt nur für Emden näher und greifbar belegen. Als Gemeinde des Superintendenten und als damaliger Sitz des Hofes hat Emden sofort eine Art Vorortstellung innegehabt. Emder Prediger waren neben a Lasco an der Visitation beteiligt. 1 Emder Prediger führten im Coetus den Vorsitz. Und was für die Kirche gilt, trifft ebenso für die weiteren Gebiete zu. Wessen Auge den Linien nachforscht, die Ostfrieslands Geschichte in Umriß und Einzelheit zeichnen, der wird immer wieder auf Emden geführt. Die Verwicklungen, die auf dem politischen, auch kirchenpolitischen Gebiet das letzte Viertel des Jahrhunderts so bewegt machen, beginnen bereits im Emden a Lascos. Seine Fürsprache schaffte den fliehenden Niederländern Schutz und Lebensraum in der Stadt. Damit legte er den Grund zu den festen politischen Beziehungen, die später in den Verhandlungen zwischen den Ständen und der Obrigkeit den Einfluß der Generalstaaten zu so wirksamer Geltung brachte. Er knüpfte das Band mit England und machte damit spätere Berührungen leichter, die für Emdens Wirtschaft und Handel in der Zeit der Merchant Adventurers wichtig wurden. 2 Dabei war das Emden a Lascos eine kleine Stadt mit ein paar Tausend Einwohnern. Die großen Gebäude, die noch heute an die erste Blüte Emdens erinnern, stammen alle, außer der Großen Kirche, aus späterer Zeit, deren Wegbereiter a Lasco in gewissem Sinne geworden ist. 1 Emmius, 926: „Hic a visitationibus exorsus, non sua tantum, sed et collegarum suorum opera, quorum alios alias in partes diversis temporibus mittebat.“ Emder Bericht, 109. Oben Seite 40, Anm. 77. 2 Eine hübsche Einzelheit, wie die Emder ihren Superintendenten auch in ihre geschäftlichen Pläne einzuspannen versuchten, siehe II, 644. Werdie Tätigkeit a Lascos in Emden darstellen will, findet sich auf Schritt und Tritt gehemmt durch den Mangel an Urkunden. 3 Außer seinen eigenen Schriften und Briefen sind in den Züricher Sammlungen einige Briefe des späteren Ältesten thom Camp aufbewahrt. Dazu kommt als eine Hauptquelle die Schrift Fabers gegen die Täufer, die hier zum ersten Male für die Darstellung Emder Zustände verwertet wird. Bevor nicht die Protokolle des Kirchenrates einsetzen (16.Juli 1557), bleibt das gleichzeitige Material zu dürftig, um aus ihm weitreichende Schlüsse zu ziehen und darauf ein umfassendes Bild der Emder Kirchenordnung aufzubauen. Dieser Mangel geht so weit, daß man für die Zeit a Lascos überhaupt nicht zu einer wirklich begründeten Aussage über die Tätigkeit des Kirchenrates kommen kann. Nur gelegentlich läßt das Blitzlicht eines kurzen Hinweises oder einer absichtslosen Bemerkung vermuten, daß die Schöpfung a Lascos die Wirren und Unvollkommenheiten ihrer Anfänge überstanden hat, um in dem Augenblick, da die Nachrichten über die Tätigkeit des Kirchenrates einen Einblick in seinen Aufbau und seine Gesetze geben, den überraschten Betrachter eine ergebnisreiche Entwicklung ahnen zu lassen. Die Einrichtung des Kirchenrates steht, wie schon gesagt, mit der Einführung einer Zuchtübung im Zusammenhang, die in der Polizeiordnung von 1545 ihre gesetzliche Grundlage erhielt, nachdem schon die Lüneburger eine Art von Gemeindevertretung bei den Predigerwahlen vorgesehen hatten. 4 Während in der Polizeiordnung das Zuchtorgan aus vorhandenen Organen gebildetwurde5 und zu der Einrichtung eines besonderen Kirchenrates keinen Anlaß und auch keine Handhabe bot, setzte a Lasco für Emden die Berufung eines Kirchenrates durch. Er berichtet darüber am 26. Juli 1544 an Hardenberg: „ Wir überlegen jetzt für diese unsere Kirche eine Art von Zucht. Ihr widersetzten sich fast alle, wie man sagt, mit Händen und Füßen, die mich gerade darin unterstützen müßten. Ich sagte, wir würden uns niemals der Sekten entledigen, wenn wir gegen andere streng und gegen unsere eigenen Fehler nachsichtig seien. Da nun solche unter uns verbreitet seien, müßten wir auch in unserer Kirche einen Unterschied machen, wenn wir denn schon gegen die andern streng sind; einen Unterschied zwischen solchen, die sich selbst zur Buße kehren wollen, und solchen, die die Kirche Gottes und ihre Zucht verachten. Kurz, nach vielem Geschrei habe ich es endlich erreicht, daß uns Dienern vier Bürger beigegeben sind, ernsthafte Männer im übrigen und, soweit wir urteilen können, mit frommem Eifer. 46 Drittes Kapitel 3 Vgl. die bewegliche Klage Kuypers über das Fehlen jeglicher Archivalien in Ostfriesland, die auf a Lasco Bezug hätten. I, XXXIIf. 4 Siehe oben Seite 12. 5 Brenneysen II, 209: „De Ordinantie, ernstlich tho underholden/wert man in folgenden Articulen befinden/wat den Karcken-Denern und Vorstandern der Armen anthoklagen und anthothekenen in de Ordinantie befahlen is.“ Seite 187 werden Ehesachen vor das Sendgericht verwiesen. Vgl. RE 9, 34. Auffallend ist, daß die Polizeiordnung öfter Pastoren, Prädikanten und Kirchendiener nebeneinander nennt, als wolle sie verschiedene Instanzen unterscheiden. Brenneysen II, 209f. Siehaben von der ganzen Kirche mit uns die Vollmacht, die Sitten der Bürger zu untersuchen, einen jeden seines Amtes halben zu ermahnen und im äußersten Falle im Namen der ganzen Kirche mit uns den Bann zu verhängen, wenn es sich um solche handelt, die unsere Ermahnung verachten. Wir bedenken darum nun eine bestimmte Form der Zucht in unserer Kirche, bei deren Erstellung uns die Ordinatio deines Kölner Erzbischofs eine große Hilfe sein wird. Gabriel hat sie mir in deinem Auftrage überbracht.“ 6 Auch bei Emmius wird die Nachricht von der Errichtung des Kirchenrates mit seinen Bemühungen um Zucht und Ordnung in der Kirche verbunden: „ Er verfolgte also das, was er unter den Händen hatte, eifrig und gläubig weiter, um die Kirche mit Zucht und Ordnung zu zieren. Aber, wie ich schon sagte, kränkte er damit viele und merkte, daß er zu Feinden und Widersachern hatte, die ihm eigentlich hätten helfen müssen. Nach Überwindung zahlreicher Widerstände gelang es ihm endlich, daß aus Willen und mit Zustimmung der ganzen Kirche vier tüchtige und ernsthafte Männer als Erwählte den Predigern beigegeben wurden. Ihrer aller Aufgabe und Vollmacht sollte sein: die Sitten der Kirchgenossen zu erforschen, alle zur Pflichterfüllung und zu tätiger Gottesfurcht zu ermahnen, Lastern Ergebene scharf zu strafen, zuletzt Verächter dieser Hilfen im Namen der ganzen Kirche vom Leibe der Kirche abzuschneiden. Das ist der Anfang des Kirchenrates, der nach der von den Lüneburgern angerichteten Verwirrung ins Leben gerufen wurde. Durch seine Bemühung ist er nachher (= 1554) in eine Form gebracht, die der Kirche zu großer Zierde und Nutzen gedieh.“ 7 Es ist ohne weiteres deutlich, daß Emmius seinen Bericht aus a Lascos Brief gibt. 8 Und es muß leider festgestellt werden, daß diese beiden Berichte die einzigen sind, die über die Errichtung des Kirchenrates Aufschluß geben. Keine weitere Spur weisen die Archivalien des Kirchenrates auf; wie und ob der Kirchenrat vor dem zweiten Aufenthalt a Lascos tätig geworden ist, bleibt völlig im Dunkel. Als die Gräfin auf a Lascos Drängen die Erlaubnis zur unauffälligen Entfernung der Bilder gibt, werden die Kirchvögte beauftragt, a Lasco behilflich zu sein. 9 In den Streitigkeiten mit den Lutheranern ( 1545- 1546), die neben anderm zum zeitweiligen Rücktritt a Lascos führten, wie in den Wirren des Interims, erscheinen die Prediger als einhellige und festverbundene Körperschaft, aber der Kirchenrat wird nirgendwo erwähnt. 10 Im Jahre 1547 wurde ein Teil des eingezogenen Pfarrvermögens der Großen Kirche zurückgegeben und von der Gräfin drei Verwaltern überantwortet, unter ihnen dem später auch als Ältesten tätigen Gerhard thom Camp; aber nichts verlautet, ob er oder sonst jemand aus der kirchlichen Verwaltung auch unter Die Errichtung des Emder Kirchenrates 47 6 II, 574. 7 Emmius, 926. 8 Reimers, Jahrbuch 16, 292-294. 9 Emder Bericht, 136f. 10 In thom Camps Briefen an die Züricher ist vom Kirchenrat nicht die Rede. denvier ersten Ältesten gewesen ist. Ihre Namen lassen sich nur aus späteren Angaben vermutungsweise erschließen. 11 Fragt man, wie die Ältesten zu ihrem Amte gekommen sind, dann antworten a Lasco und, ihm folgend, Emmius, daß sie ihre Vollmacht (potestas) von der Gemeinde haben. Dabei ist als selbstverständlich zu unterstellen, daß die Obrigkeit ihre Beauftragung gut hieß, da ja der Widerstand, den a Lasco zu überwinden hatte, im wesentlichen aus Hofkreisen kam. An eine Gemeindewahl darf dabei nicht gedacht werden. Wohl kennt die Geschichte des Emder Kirchenrates Bürgerversammlungen12,aber es hat sich kein anschauliches Beispiel aus dieser Frühzeit erhalten, das uns eine Wahl in irgendeiner Form durch eine offene Versammlung mit Abstimmungen irgendwelcher Art vorstellbar machen könnte. Während der ganzen hier behandelten Zeit hat die Gemeinde lediglich das passive Kontrollrecht, wenn man von den späteren, jedoch vergeblichen Versuchen absieht, der Gemeinde weitergehende Befugnisse bei der Bestellung ihrer Amtsträger einzuräumen. Das passive Kontrollrecht besteht darin, daß sie gegen die ihr genannten Männer Einspruch erheben kann. So mag a Lasco im Verein mit seinen Amtsbrüdern und vielleicht noch mit den ihm nahestehenden Männern aus den Regierungskreisen die in Frage kommenden Männer bestimmt und als Älteste benannt haben, während die Obrigkeit den Vorschlag bestätigte und die Gemeinde die ihr im Gottesdienst genannten Namen stillschweigend guthieß. Diese Auffassung von der Weise, wie die Ältesten ins Amt gekommen sind, wird durch Faber bestätigt, der in seiner Schrift gegen die Wiedertäufer sagt, „dat wy senioren edder olderlingen/alse richters auer der Kercken saken/ dartho erwelet hebben/ de beyde van vnser öuericheit vnde Gemene in erem ampte bestediget syn/“. 13 Wir, das werden die Pastoren sein; ihnen schreibt Faber die Erwählung zu, während er der Obrigkeit und der Gemeinde nachsagt, daß sie die Gewählten bestätigt hätten. Bei dem Mangel an Nachrichten erfahren wir auch nichts über Veränderungen in dem Personalbestand des Kirchenrates, obwohl solche bis 1558 stattgefunden haben, und zwar nach zwei Seiten hin; sowohl die Persönlichkeiten haben gewechselt als auch die Zahl ist vergrößert worden, wie später zu zeigen sein wird. Getragen allein von der Aufgabe, die ihm sein Schöpfer auf den Weg mitgab, mußte der Kirchenrat sein Lebensrecht durch die Tat beweisen, und erst die Folgezeit zeigt, daß er lebendig war. Wie allen großen und entscheidenden Ereignissen im Raum der Kirche, und dies Gesetz gilt wohl nicht nur für die Kirche, haftet der Gründung des Kirchenrates etwas von jener unauffälligen Zufälligkeit an, die im Augenblick kein Wissen um die Folgenschwere des ersten Schrittes haben kann. Der Kirchenrat wurde geboren aus einer klar erkannten 48 Drittes Kapitel 11 Magister Onne Ubben, Syabbe (Focken?),Johann Goltsmit, Johann Duerkop. 12 Z.B.die bekannte Versammlung vom 18. März 1595. Vgl. Hagedorn II, 274. 13 Faber, Antwert H i. Aufgabe,und so bekam er das Siegel einer echten Notwendigkeit, die der Stütze durch vorausgehende Bestimmungen und Gesetze nicht bedarf. Denn er war nicht das Ergebnis eines reinen Organisationswillens, der sich an dem Spiel mit Verfassungsplänen erbaut, sondern das Geschenk einer Not. Aber mit seiner Errichtung war die Emder Kirche an dem Scheidewege angekommen, der sie ihrer weiteren Bestimmung entgegenführen sollte, als der Kirchenrat seine Tätigkeit aufnahm und damit den ersten Abschnitt der Kirchengeschichte Emdens beschloß. Über den Zeitpunkt der ersten Ältestenberufung haben wir nur die angeführte Stelle aus a Lascos Brief an Hardenberg vom 26. Juli 1544. An diesem Tage ist der Kirchenrat also schon vorhanden. Zucht und Ordnung zu schaffen hat a Lasco zwar gleich im Anfang seiner Tätigkeit sich als Ziel und Inhalt vorgenommen. In dem Brief an die Gräfin Anna vom 8. August 1543 sind aber die Aussagen über die Zuchtübung noch zu allgemein, um bereits eine klare Zuspitzung des Erstrebten auf Einzelnes, etwa die Errichtung des Kirchenrates, erkennen zu lassen. Es darf angenommen werden, daß er das ganze erste Jahr mit den von ihm angedeuteten Widerständen aus staatlichen und kirchlichen Kreisen zu tun gehabt hat. 14 Wenn fernerhin in den Briefen oder in sonstigen Schriften a Lascos in diesen Jahren über den Kirchenrat nicht gesprochen wird, so kann das zufällig sein, könnte aber auch ein Beleg sein für die Fülle der Aufgaben, die seine Kraft auf vielen Wegen verbrauchten. Die Erneuerung des Pfarrerstandes durch Coetus und Visitation, die Mitarbeit an der Polizeiordnung, dann lange Reisen in den Jahren 1544/45, ein Jahr Krankheit 1547/4815,dazwischen von Anfang an die Lehrstreitigkeiten mit Lemsius und seinen Anhängern, der ständige politische Druck von außen und die dadurch bedingte Vorsicht der Obrigkeit, Rom und die Wiedertäufer – das alles in sechs kurzen und belasteten Jahren hat die Verfolgung einer einzelnen Aufgabe und eines einzigen Zieles nicht erlaubt. Es muß genügen, daß a Lasco selbst durch seinen Hinweis auf die erfolgte Berufung der vier Männer den Sommer 1544 als Beginn der Tätigkeit des Kirchenrates festlegt. Nichts spricht dafür, schon in das Jahr 1543 hinaufzugehen, so wenig auch die Zufälligkeit einer brieflichen Bemerkung eine unbedingte Sicherheit anderweitiger, hier nun einmal fehlender Belege gewährt. 16 Wie über den Tätigkeitsbeginn, so herrscht auch Unsicherheit über die Tätigkeit des Kirchenrates selbst. Es fehlen für die ersten dreizehn Jahre anschauliche Einzelheiten so gut wie vollständig. Dieser Mangel wird nur in etwa ausgeglichen durch die Mitteilungen, die Faber auf den Vorwurf der Täufer macht, daß in der Die Errichtung des Emder Kirchenrates 49 14 II, 588. 15 Thom Camp an Pellikan, 26. Februar 1548: „D.a Lasko per integrum annum decubuit, ita ut omnes desperaremus de illius sanitate.“ Vgl. II, 615. 16 Emder Bericht, 306. Kircheder Bann nicht gebraucht werde. „ Dat wy hyr ein weinich seggen/ van vser Kercken tho Embden/ so ysset der ganzen Gemene apenbar/ dat wy auer velen yaren flitigen darna geringet hebben/ dat wy de uthslutinge edder Bann mit Christliker ordeninge mochten wedderümme inuören/ Idt yß ungeuerlick auer söß/ söuen yar/ dat wy etlike predige int apenbar van gedan/ vnde senioren edder olderlingen/ alse richters auer der Kercken saken/ dartha erwelet hebben de beyde van vnser öuericheit vnde Gemend in erem Ampte bestediget syn/ ytem dat wy sodder der tydt/ de ordeninge vam vormanen vnde straffen/ na gelegenheit der sunde/ ynt heimelike edder openbar gescheen/ velen tho weddern geholden/ hebben vnd ock etlike dorch ernstlike vormoninge darhen gebracht/ vnde thor ruwe also bedröuet/ dat se ere auertredinge/ dar se ergerlick vor der Gemene mede geworden weren/ (2 Cor. 9) 17 vor der gantzen gemene im Auentmal öpentlick bekent/ vnde mit velen tranen bewenet hebben/ worher ein yder spören kan/ dat se nicht de warheit seggen/ noch seggen können/ wy wanen in einer öpenen stadt/ dar de düuel einen fryen inganck hefft/ alse dar/ noch porten noch dören/ ock nene wechters/ effte am weinigesten stumme hunde synt/ de nicht bellen können.“ 18 Das Büchlein ist 1551 gedruckt und wahrscheinlich 1550 geschrieben; es führt also auch auf das Jahr 1544 mit seiner Angabe, daß die Ältesten vor sechs oder sieben Jahren erwählt seien, und bestärkt, wie gesagt, die Vermutung, daß a Lasco oder die Prediger die Ältesten zur Bestätigung der Obrigkeit und der Gemeinde genannt haben, eine Vermutung, die durch die Beschreibung der Amtseinsetzung mit den Ausdrücken „ erwählen“ und bestätigen“ unterstrichen wird. Der Wahl und Einsetzung sind nach Faber Predigten voraufgegangen, die sich mit der Zucht und ihrer Ordnung beschäftigt haben. Das ist bezeichnend für die Auffassung von der Beziehung, die zwischen dem Kirchenrat und seiner Gemeinde bestehen soll. Die Gemeinde ist nicht einfach nur Gegenstand der Zucht und die Zucht nicht nur eine gesetzliche Polizeimaßnahme. Denn die Predigten haben doch den Sinn, der Gemeinde deutlich zu machen, daß es ihre Sache ist, wenn in ihrer Mitte das Ältestenamt neben dem Predigtamt von Gemeindegliedern besetzt wird. Sie bekommt in der Predigt die Aufgabe gezeigt, die diesem Amt nach dem Zeugnis der Schrift aufgegeben ist. Und ihr wird es zugemutet, sich die Zucht des Kirchenrates gefallen zu lassen. Eindeutig bestimmt Faber die Zuchtübung als den Tätigkeitsbereich dieser neuen Körperschaft. Wenn Faber sagt, daß die Ältesten Richter über die Angelegenheiten der Kirche sein sollen, dann läßt diese Bezeichnung jedoch sehr wohl den Schluß zu, daß der Kirchenrat schon in dieser ersten Periode seines Bestehens und Arbeitens nicht nur Zuchtsachen behandelt hat, er wird darüber hinaus, wie es die Protokolle später erkennen lassen, auch weitere Aufgaben versehen haben, wenn es auch unmöglich ist, Näheres über den Umfang und Inhalt dieser weitergehenden Betätigung auszumachen. 50 Drittes Kapitel 17 Gemeint ist wahrscheinlich 2. Kor. 2. Der Verweis auf Kap. 9 gibt keinen Sinn. 18 H i. Fabers Schrift ist nicht paginiert. DerKreis derer, die der Zucht unterstehen, wird von Emmius als Kirchgenossen (cives ecclesiae) bezeichnet. A Lasco redet einfach von den Bürgern. Faber läßt die Zucht sich über die „gemene“ erstrecken. In seiner Auseinandersetzung mit den Täufern hat er sich auch mit dem Einwand beschäftigt, daß die Gemeinde den Bann nicht anwende. Er widerlegt diesen Einwand mit vier Gründen. 1. Die papistischen Greuel sind sobald nicht aus der Welt zu räumen, wenn auch bekannt werden muß, daß hier bei vielen Kirchen Versäumnisse gesehen werden, die wir nicht loben können. Manchmal straft auch die Obrigkeit alle Sünden und Übertretungen so fleißig, daß die Pastoren der Meinung sind, ihnen werde „dorch den Bann weinich vth tho richtende gelaten“. Das liegt besonders daran, daß die Rotten und Sekten des Teufels die Kirchendiener so verachtet gemacht haben, daß sich wenige Gemeinden in Einigkeit des Geistes, die dazu nötig ist, unter ihre Pastoren beugen wollen. Auch ist die Obrigkeit meistens sehr säumig darin, den Pastoren in dieser Sache Autorität oder Gehör zu verschaffen. 2. Uns schreckt das Beispiel der Wiedertäufer, denn sie gehen mit unversöhnlichem Hasse vor. Ihr Bann dient mehr zur Spaltung und Zerstreuung als zur Bauung und Sammlung. Darum kommt es täglich vor, daß manch einer eilends zu den Davidianern und Epikuräern überläuft. Und da sie ihre Anhänger mit Haß gegen die Kirche und ihre Diener erfüllen, so wollen solche dann lieber Papisten als Christen werden. Und wenn sie schon vorgeben, sie hätten im Laufe der Zeit etliche Hundert gebannt, dann sind darunter nicht zehn, nicht fünf, die sie aus Liebe gebannt oder durch brüderliche Vermahnung zurechtgebracht haben. In diesem Falle ist es allerdings besser, den Bann überhaupt nicht, als ihn zur Verwüstung und Spaltung der Kirchen unrechtmäßig zu gebrauchen. 3. Niemand hat uns im Gebrauch des Bannes größere Schwierigkeiten gemacht als die Wiedertäufer, denn sie haben den guten Lauf der Kirche und den Fortgang ihrer Erbauung verstört und die Diener verachtet gemacht. 4. Zwei Ursachen haben uns noch besonders gehindert, es mit dem Bann so eilig zu haben als die Wiedertäufer. Zuerst weil unsere Versammlungen öffentlich von vielen Hunderten besucht werden, die man nicht alle kennen kann, während ihre Versammlungen heimlich und von wenig Menschen aufgesucht werden. Dann aber ist das Ziel der Zuchtübung bei uns die Erbauung einer ewigen Gemeinde für Christus, die den Teufel von allen Guten fernzuhalten versucht, während die Wiedertäufer durch ihre Handhabung des Bannes Sekten anrichten, was ein Werk des Fleisches ist (Gal.5) und dem Teufel besonders wohlgefällt. 19 Aber doch ist der Vorwurf unbegründet, daß in Emden die Zucht ganz eingestellt sei; ist doch „in Engelandt in der düdschen Kercken tho Lunden einer gebannen“, „vnde hyr in Embden nicht heel na gelathen/sunder ein anfanck gemacket/vnde de disciplyn an vormanent vnde Die Errichtung des Emder Kirchenrates 51 19 H ij. straffent“in Übung. 20 So dankenswert die Ausführungen Fabers auch sind, weil sie die grundsätzliche Haltung der führenden Emder Männer um 1550 in der Zuchtfrage aussprechen, so bleibt doch auch in ihnen unklar, über wen im einzelnen sich die Zucht erstreckt. Wenigstens an dieser Stelle tritt auch bei Faber der Begriff der Bekenntnisgemeinde als Zuchtgemeinde nicht ohne weiteres hervor, obwohl es nach späteren Ausführungen Fabers in dem gleichen Buch deutlich ist, daß die Abendmahlsgemeinde der Zucht untersteht. 21 Emmius meint mit dem Begriff „Kirchgenossen“ sicher die „ledematen“ der Protokolle. Von a Lasco aber könnte man eher behaupten, daß ihm bei Errichtung des Kirchenrates der Gedanke vorgeschwebt habe, die Zuchtausübung selbst solle eine Klärung der Zugehörigkeit zur Kirche herbeiführen; denn er stellt als den Zweck der Zucht heraus, daß der Unterschied hervortrete zwischen denen, die sich zur Buße begeben wollen und die die Kirche Gottes und ihre Zucht verachten. 22 Faber läßt etwas spüren von der immer neuen Schwierigkeit, in der Volkskirche die der Zucht des Kirchenrates unterworfene Gemeinde zu sehen und dementsprechend zu handeln, wenn er den Täufern gegenüber einwendet, daß die Versammlung der Gemeinde viele hundert Menschen umfasse, die man nicht alle kenne. Wie ganz anders war die Lage a Lascos in England, wo der Kreis der Gemeindeglieder durch einen verhältnismäßig idealen Auswahlgrundsatz bestimmt wurde, da die Flüchtlinge von vornherein um der Kirchlichkeit ihrer Fluchtgründe willen zur Gemeindebildung schritten und das Bekenntnis zur Kirche und ihrer Sache auch die Geltung der dazugehörenden Ordnung sicherstellte! Da die Stellung zum Evangelium hier ohne weiteres der Grund für die Zugehörigkeit zur Gemeinde war, konnte sich eigentlich keiner der als Bestandteil rechten kirchlichen Lebens anerkannten Zucht entziehen. In Emden lag zwar die römische Vergangenheit der Kirche noch nicht weit zurück, jedoch gingen von da keine wesentlichen, zur Bildung einer abgeschlossenen Bekenntniskirche drängenden Wirkungen mehr aus. Auf seiten der Evangelischen hatte der Übergang zur neuen Lehre nicht wie in den Niederlanden Blut und Tränen gekostet. So war die Zuchtübung wesentlich stärker als in London eine Erziehungsaufgabe. Nun war aber der Kirchenrat ausdrücklich zum Zwecke der Zuchtübung eingesetzt. Hatte aber schon der Superintendent bei der Planung der notwenigen Maßnahmen von allen Seiten Widerstand erfahren, so wird das bei dem Kirchenrat erst recht der Fall gewesen sein. Faber gibt das ja in der Auseinandersetzung mit den Täufern zu. Er weist anscheinend mit einer gewissen Erleichterung darauf hin, daß in London einer gebannt ist, was doch heißen 52 Drittes Kapitel 20 H ij. 21 Diese Arbeit Seite 79ff. 22 II, 575: „Statuendum etiam nobis esse discrimen in nostra Ecclesia, dum ita in alios severi sumus, inter eos, qui sese ad resipiscentiam volunt componere, et qui Dei Ecclesiam eiusque disciplinam contemnunt.“ soll,daß in der Gemeinde a Lascos die Zuchtübung sofort eingeführt worden ist, und fährt dann vorsichtig fort, daß die Handhabung des Bannes auch in Emden nicht ganz verschwunden ist. Letzte Klarheit scheint der Kirchenrat in dem ersten Jahrzehnt seiner Tätigkeit über die Ausübung seines Amtes noch nicht bekommen zu haben, und es mußte wohl erst die Erfahrung einer freien Gemeinde wie der Londoner sich mit den Möglichkeiten der Emder Kirche vereinigen, um zu jener Form der kirchlichen Zuchtübung zu kommen, die seit 1554 ein wesentlicher Bestandteil der Emder Kirchenordnung ist. Bezeichnend für den Zustand auf diesem Gebiete vor dem zweiten Aufenthalt a Lascos ist auch noch die Entschuldigung Fabers, mit der er die Einwände der Täufer abzuwehren versucht: „Scholde denn de Kercke des feyls haluen eren namen vorlesen/vnde vordan (wo se willen) nene Kercke Christi mehr syn/so moste moste twar vnse lyff dem de Kercke vorlyket wert/vmme eines sweren edder einer wunden willen/den namen lyff vorlesen. Ephe. 4. Rom. 12. 1. Cor. 12.“ Schließlich hat Christus den Bann auch nicht geübt. 23 So dürftig diese Nachrichten auch sind, was aus ihnen über die Tätigkeit des Kirchenrates mitgeteilt wird, geht weit hinaus über das, was die Polizeiordnung den Zuchtorganen zugestand. Zwar hat auch der Kirchenrat in Emden seine Zuchtgewalt fürs erste nur als Vollmacht von der Obrigkeit, der sich aber sogleich die Gemeinde, diese Vollmacht bestätigend, zur Seite stellte. So stand hinter der praktischen Amtsführung des Kirchenrates das Einverständnis der Obrigkeit und der Gemeinde, und seine Maßstäbe für die Beurteilung etwaiger Zuchtfälle nahm auch der Emder Kirchenrat praktisch aus der Polizeiordnung. Aber schon erscheinen hier die Stufen der „reformierten“ Zucht: die Aufsicht über das Leben der Bürger, die Ermahnung und der Bann. Die Zucht, insbesondere der Bann, geschieht nach a Lasco im Namen der Kirche. So wenig auch dabei die Deckung und Unterstützung des Staates entbehrt werden kann, so erweckt doch das Geringe, was wir über die Betätigung des Kirchenrates erfahren, den Eindruck, daß er sich nicht als Polizeiorgan der Obrigkeit wußte, sondern als Träger des Anspruches, den der Herr der Kirche an die Hörer des Wortes stellt. Daß dieses kirchliche Bewußtsein gerade in den führenden Kreisen um a Lasco lebendig war, zeigen einige Zeilen aus einem Brief thom Camps aus den Tagen, da a Lasco sein Amt niedergelegt hat, weil die Obrigkeit ihrem Amte in kirchlicher Hinsicht nicht gerecht wurde. Er schreibt am 7. April 1546 an Bullinger mit Beziehung auf die Lehrstreitigkeiten und Zucht unter den Pastoren: A Lasco „hat sein Superintendentenamt niedergelegt, weil er bei der Regierung nichts hat erreichen können und er das Amt Gottes nicht dem Gespött hat aussetzen wollen, wie er auch nicht hat leiden können, daß Drohnen und Bösewichter unter seinem Namen die Kirche leiten. Trotzdem arbeitet er als treuer Pastor der Emder Kirche, er wird sie nicht verlassen, bis er sich Die Errichtung des Emder Kirchenrates 53 23 H ij. vonder Kirche verlassen oder vertrieben sieht, was Gott verhüte! Er bessert, was er kann, obwohl von der Regierung im Stich gelassen, denn er hält dafür, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen“. Und ebenso in einem Briefe an Pellikan vom gleichen Tage: „Aber da er auch von der ganzen Emder Kirche zum Bischof gewählt ist, so will er ihr bei Gefahr und Verlust von Leib und Leben dienen, solange er wissen darf, daß sein Dienst seiner Kirche angenehm ist und sie ihm zu gehorchen begehrt, wenn er ihr aus dem Worte des Herrn Weisung gibt. Diese Kirche also hat er zu reformieren begonnen, dem Worte des Herrn gemäß, ohne sich über die Obrigkeit zu kümmern, ob es ihr gefällt oder nicht. Es ziemt sich, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Wenn ich ihm bei dieser Arbeit eine Hilfe sein kann, tue ich es von Herzen, denn ich liebe die Heimat und die Kirche.“ 24 Der junge Theologe wird mit seiner Auffassung des Verhältnisses von Kirche und Obrigkeit nicht allein gestanden haben; er läßt ahnen, wie das wirksam wird, was an der Kirche für die Obrigkeit Aufgabe und Grenze zugleich ist, ihr Lebensgrund und ihr Auftrag, das Wort Gottes, das einen gläubigen Gehorsam fordert. Die Errichtung und Tätigkeit des Kirchenrechtes mußte auf alle Fälle dahin wirken, daß die Kirche selbständiger wurde. Es darf nach dem Zeugnis Fabers angenommen werden, daß die Zuchtübung, wenn auch in kleinem Maße und gegen Ende der ersten zehn Jahre hin schwächer werdend, ihren Anfang und Fortgang genommen hat; um mit der ungewohnten Aufgabe vertraut zu werden, bedurfte es für die Männer des Kirchenrates einer gewissen Zeit. Sie mußten selbst erst hineinwachsen in die Lage, die für die Gemeinde mit der Einführung der Zucht entstand. Und nun erst die Gemeindeglieder! Wieviele mögen sich durch die Predigten über die Neuerung von ihrer Notwendigkeit haben überzeugen lassen? Wieviele oder - wenige mögen in dieser Tätigkeit ein Anliegen erkannt haben, das die Kirche nicht aufgeben kann und das sie, wenn es verloren gegangen ist, trotz aller Widerstände hervorholen und durchführen muß? Und doch kann Faber nach sechs Jahren bezeugen, daß das Strafen und Vermahnen je nach Art der Sünde heimlich oder offenbar vor sich gegangen sei. Es seien auch einige durch die ernste Vermahnung dahingebracht 54 Drittes Kapitel 24 „D.Joannes a Lasco muneri superintendentis renuntiavit, eo quod nihil apud magistratum efficere potuit nec ille Dei officium ludibrio voluit exponere neque fucos ac malos sub suo nomine Ecclesiae praeesse pati potuit. Nihilominus fidelem agit pastorem Ecclesiae Embdanae; non deseret illam, donec se ab Ecclesia deseri aut expelli videat, quod Dominus avertat. Corrigit quae potest, relicto Magistratu, nam iudicat Deo magis obediendum quam hominibus.“ „ Sed cum quoque a tota Ecclesia Emdana in Episcopum sit electus, huic etiam vitae ac facultatem periculo ac dispendio inservire vult, donec suum officium gratum Ecclesiae esse cognoscat et sibi ex verbo Domini praecipienti obedire studeant. Hanc igitur Ecclesiam reformare ad Verbum Domini incipit, nulla habita ratione Magistratus, sive placeat, sive displiceat. Deo enim magis obedire convenit quam hominibus. In hoc negotio si illi adiumento esse possum, ex animo facerem. Amo enim patriam et illam Ecclesiam.“ undso zur Reue betrübt, daß sie ihre Übertretung, mit der sie die Gemeinde geärgert haben, vor der ganzen Gemeinde öffentlich bekannt, ja mit Tränen beweint haben. Hält man die Polizeiordnung dagegen mit ihren Geldstrafen, die auf Antrag der Richter verhängen soll, dann wird der grundlegende Unterschied und Fortschritt gegenüber der Ordnung von 1545 deutlich. Wir befinden uns in Emden auf einer ganz anderen Ebene. Es ist die Ebene der Kirche, die nach Faber dann Kirche ist, „ alse se sichtlick/ vnde vör vnsen ogen de gemene Gaden vnnde Christi ys/ welcker öpentlike vorsammlinge helt/ dat wordt hört annimpt/ vnde prediget/ de Sakramente/ mit öpentliker bekenntenisse vnde anropinge des hilligen Gödtliken namens vth deylet/ vnde bruket/ vnde de ergerlike grouve mißdeders vnde halstarrige sunders bannet“.25Indiesem Zusammenhang hat der Kirchenrat seine Stelle. Er ist Träger einer Vollmacht, die sich auf die Berufung des Menschen in die Glaubens- und Gehorsamsgemeinschaft der Kirche bezieht. Am Anfang seines Wirkens erscheint diese Vollmacht noch klar begrenzt und inhaltlich gänzlich erfüllt durch die Aufgabe der Zucht. So gut wie gar nichts an dieser Körperschaft läßt schon jetzt deutlich werden, daß wir es hier mit jenem Kirchenrat zu tun haben, der später als Konsistorium die Emder Gemeinde und nicht nur diese Gemeinde leiten wird. Nirgendwo werden bei a Lasco Ansprüche für den Kirchenrat nach der Richtung auf Erweiterung der Befugnisse gestellt. Aber ein weitergreifendes Wirken wird sich notwendig aus der Selbstbesinnung ergeben, die dem Kirchenrat bewußt und unbewußt im Gange seiner Arbeit nahe gebracht und lebendig werden muß. Später wird der Emder Gemeinde dieses Organ aus Predigern und Laien als eine selbstverständliche Einrichtung erscheinen. Aber in diesem ersten Zeitraum wird auch die Einbeziehung von Gemeindegliedern in eine Regierungsgemeinschaft mit den Predigern nirgends bereits als unumgängliches Gottesgesetz ausgegeben. Faber, dessen Einfluß man neben a Lasco und besonders für die Zeit nach a Lasco nicht unterschätzen darf, kann sich die Möglichkeit, daß die Obrigkeit Aufgaben der Zucht übernimmt und die Sünder straft, durchaus neben der Emder Lösung vorstellen, ohne darüber Bedenken zu äußern, ob hier nicht eine unerlaubte und verdammenswerte Anmaßung des Staates vorliegt. Gefragt wird nach dem Zweck, dem man dient, und nach dem Ziel, das man erreichen will; die offenbare Verachtung des berufenden Wortes und die Übertretung des unwidersprechlich geltenden Gesetzes Gottes soll und muß durch die Zucht bezeichnet und abgewehrt werden. Die Form, in der das geschieht, ist noch keineswegs durch überall und immer geltende Maßstäbe und Vorschriften gefordert, sie kann wechseln. Das Zuchtorgan, das die Polizeiordnung einsetzte, ist, wenn es überhaupt wirksam geworden ist, sicherlich dem Emder Kirchenrat nicht gleich zu achten; es hat einen weiteren Weg zurücklegen müssen, um auch ein im späteren Sinne presbyteriales Organ zu werden. Aber doch finden wir in den reformierten Gebietsteilen Ostfrieslands später Älteste nach dem Emder und nieder- Die Errichtung des Emder Kirchenrates 55 25 H iiij. ländischenVorbild. Die Vorform hat sich unter dem Einfluß neuer verfassungsbildender Kräfte wandeln können. Im Vergleich zu den gleichzeitigen Zuständen im Lande ist also die Stadt Emden bereits einen Schritt voraus. Im Verhältnis allerdings zu dem, was sich später als Kirchenrat darstellen wird, ist auch Emden in diesem ersten Jahrzehnt noch Vorform. Der zuchtübende Kirchenrat, der sich aber schon aus Predigern und Ältesten zusammensetzt, bleibt hinter dem, der eine umfassende Regierungstätigkeit ausüben wird, zurück. Das Reden von einer Vorform soll nun allerdings nicht zu der Vorstellung verleiten, als sei der Emder Kirchenrat in seiner Frühgestalt noch nicht unter die reformierten Verfassungsgebilde zu rechnen. In dem Gesamtgefüge der Kräfte, die das kirchliche Leben dieser Zeit bestimmen, muß dem Kirchenrat neben der Obrigkeit mit ihren anerkannten Pflichten im Raum der Kirche und dem Superintendenten nebst der ihm zugeordneten und mit ihm verbundenen Pfarrerschaft eine durchaus vollgültige Stellung zuerkannt werden. Es wäre ein Vorurteil, das die Geschichte der reformierten Kirchenordnung in der Abfolge ihrer verschiedenen örtlichen und völkischen Verhältnisse nicht für sich hat, wenn man nur die anfänglichen Zustände in den westlichen Freikirchen Frankreichs, der Niederlande und Schottlands zum alleingültigen Maßstab für die echte reformierte Kirchenordnung machen wollte, oder sogar die späteren Theorien naturrechtlicher Art und puritanischer Fassung allein über Grundsätze und lehrmäßige Bedeutung der Ordnungsfragen entscheiden läßt. Für die Eingliederung dessen, was a Lasco in Emden erreicht hat, in größere Zusammenhänge, darf auch nicht übersehen werden, daß auf dem Gebiet der Lehre die Gräben zwischen den reformatorischen Gruppen mancherorts schon unüberbrückbar tief geworden waren. Auch in Ostfriesland waren die Gegensätze vorhanden, die Moderatio hat keine auf die Dauer beruhigten Zustände schaffen können, und die Bedrohung durch das Interim hat auf dem Gebiete der konfessionellen Trennung nur aufschiebend gewirkt. Aber über die Grundsätze der kirchlichen Ordnung war es noch nirgendwo zu entscheidenden Kämpfen oder gar Spaltungen gekommen. Es konnten in Emden ungesondert Bestandteile verschiedenster Ordnungsformen beieinander wirksam werden, die zu dem Gesamtbild der Zustände gehören, wobei dieses selbst keiner der nachmaligen Theorien völlig entspricht. 56 Drittes Kapitel ViertesKapitel Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos In dem Brief a Lascos an Hardenberg wird gesagt, daß die Kölner Reformation den Emdern für die Festlegung einer bestimmten Ordnung große Dienste leisten werde. 1 Es darf angenommen werden, daß a Lasco dabei nicht nur an die beiden Kapitel „Von bekerung von sünden, warer büß, vnd Christlichem Bannen“ und „ Von Bann“ 2 gedacht hat, er wird sich auch mit weitergehenden Plänen getragen haben, als sie in dem Zuchtauftrag festgelegt waren. Zu einer regelrechten Kirchenordnung, und darin eingeschlossen einer Gottesdienstordnung, ist es unter a Lasco nicht gekommen, weil offiziell die Lüneburger Gottesdienstordnung noch in Kraft stand. Auf das Verfassungswerk von 1535 bezog sich sogar noch die Polizeiordnung von 1545. In welchem Umfange die Lüneburger Ordnung in Emden eingeführt wurde und in welchem Ausmaße sie sich durch die kirchlichen Kämpfe hindurch wirklich behauptete, entzieht sich, wie gesagt, der näheren Erkenntnis. Sicherlich aber hat auch die Lüneburger Ordnung unter dem Gesetz gestanden, das wir bei allen Kirchenordnungen, soweit sie gesetzlich festgelegt werden, in Kraft sehen; sie wird in ihrer tatsächlichen Geltung starken Schwankungen unterworfen gewesen sein. Wohl wird sie 1545 noch wieder eingeschärft, aber es läßt sich nachweisen, daß sie teils gar nicht durchgeführt, teils sehr bald durch veränderte Formen ersetzt worden ist. 3 Hier soll versucht werden, das Wenige, was über die gottesdienstlichen Formen der Emder Gemeinde zur Zeit a Lascos vermutet oder auch begründet behauptet werden kann, zusammenzustellen. Für a Lascos Tätigkeit auf dem Gebiet der Gottesdienstordnung ist zu beachten, daß er in den Kämpfen um die Reformationserlasse der Regierung als Grundsatz festgestellt hat, „es genüge nicht, die Stände zusammengerufen und beraten zu haben, sondern die Beschlüsse müßten auch ausgeführt werden nach der Regel des göttlichen Wortes; allein das sei anzunehmen, was mit jenem ( dem Worte) übereinkomme, das Übrige, was nur durch menschliche Vernunftgründe gestützt wird, sei zu verwerfen, woher es auch immer komme“. 4 Die Berufung 1 II, 575. Diese Arbeit S. 46f. 2 Richter II, 45. 3 Bereits 1539 beschreibt Aquilomontanus seine Oldersumer Abendmahlsfeier mit Worten und Angaben, die schlagend beweisen, daß die Lüneburger Ordnung für ihn nur auf dem Papier steht. Vgl. die Mitteilungen aus seinem Brief vom 6./ 10. August 1539 bei Kochs III, 115f. Für Emden vgl. dies Kapitel und die unterschiedlich betonte Bedeutung des Jahres 1546. 4 II, 559. aufdas Wort Gottes in Sachen der Reformation, gerade auch der Ordnungsformen – denn es geht in dem Zitat besonders um die Stellung des römischen Gottesdienstes in der Stadt und um die Abstellung der Unordnung überhaupt –, teilt a Lasco mit allen Vertretern reformatorischer Bestrebungen. Daß er diese Berufung aber nicht so versteht, als wolle er die Bibel zur Quelle gesetzlicher Vorschriften über die Einzelheiten der Gottesdienstformen machen, zeigt sein Verhalten. Er schreibt 1544 an Pellikan: „Ich erstrebe nicht die gleiche Form der Zeremonien, damit unsere Nachkommen nicht wiederum durch ängstliche Beobachtung der Zeremonien zu einem neuen Pharisäismus herabgleiten. Viel lieber möchte ich, daß eine gewisse einträchtige Verschiedenheit in diesen Platz hätte, damit die Menschen einsehen, daß Religion nicht heißt: ein und dieselbe Form der Zeremonien, sondern Bemühung um ein frommes Leben.“ 5 Und in der gleichen Zeit schreibt er an einen Unbekannten (Entfelder?):„Wir schreiben schreiben hier keine bestimmten Gesetze über die äußeren Zeremonien vor, sondern gewähren den Kirchen Freiheit, sie verschieden zu halten, damit die Freiheit wirklich ihren Spielraum habe; so jedoch, daß eine gewisse Harmonie darin festgehalten werde, eine Harmonie in Mannigfaltigkeit, aber in keinem Fall in Verworrenheit.“ 6 Fragt man, welches das Band sei, das in der Verschiedenartigkeit die Einheit bestimmt und die gottesdienstlichen Ordnungen bei dem Worte festhält, so antwortet a Lasco später aus seinen Erfahrungen heraus in einer grundsätzlichen Besinnung zu der Londoner Kirchenordnung: „Es steht fest, daß in jedem Abschnitt kirchlicher Lehre vor allem der Gleichklang des Glaubens ( fidei analogia) notwendig ist, d.h.wenn alle Gebräuche des Gottesdienstes in der Kirche (insofern sie mystisch sind und zugleich in einer äußerlichen und sichtbaren Zeremonie bestehen) in gewisser Weise ein Teil der Lehre sind und in diesem Sinne dem Worte angehängt, dann kann es nicht zweifelhaft sein, daß bei der Annahme und Beobachtung aller Gebräuche des Gottesdienstes in der Kirche, weil sie ein Geheimnis umschließen (mystici), notwendigerweise der Gleichklang des Glaubens gewahrt sein muß, und das in dem gleichen Maße, als wir sehen, daß dieser in jedem Abschnitt der kirchlichen Lehre durchaus beachtet sein muß. Da nun aber dieser Gleichklang nirgendwo anders gewonnen und gesucht werden kann, als dort, woher nach unserer Lehre auch der Glaube selbst empfangen und gespeist werden muß, nämlich aus dem Hören des Wortes Gottes, wie Paulus lehrt, so wird sicherlich auch, wenn wir schon bekennen, daß bei der Erneuerung, Annahme und Beachtung der gottesdienstlichen Gebräuche der Gleichklang des Glaubens von uns vor allem, wie ja auch in jeder Lehre, zu beachten und zu erstreben ist, zugleich bekannt werden müssen, daß wir diesen nirgendwo andersher zu suchen und zu gewinnen haben, als woher wir nach 58 Viertes Kapitel 5 II, 584. 6 II, 765. göttlichemWohlgefallen den Glauben selbst suchen und haben können, wie wir es von demselben Apostel Paulus hören, nämlich nicht aus irgendwelchen Verordnungen oder Überlieferungen der Menschen, noch viel weniger aus den Vorschriften irgendeines Altertums oder von Stellen, die vor andern einen Vorzug haben, sondern aus dem Hören und der Beachtung des Wortes Gottes vorzüglich.“ 7 Im weiteren macht a Lasco deutlich, daß die Kirchenordnung gerade in bezug auf die gottesdienstlichen Gebräuche aus dem Gleichmaß des Glaubens zu gestalten ist. Dieser Zusammenhang zwischen dem Worte und dem Recht wie der Pflicht, die Analogie des Glaubens bei der Herstellung der Gottesdienstordnung zu beobachten, schließt das Zurückgehen auf die Gebräuche der alten Kirche durchaus nicht aus, sondern vielmehr ein, sofern die Gebräuche aus dem Sinne des Wortes sind (verbo Dei consentanea). Man kann sich kaum deutlicher gegen die Unterstellung verwahren, daß die Ordnung des Gottesdienstes die Würde eines unbeweglichen Gottesgesetzes beansprucht. „Und wenn wenn die Formen des Gottesdienstes in der Kirche nun einmal nicht, solange wir hier leben, bis zu dem Grade rein sein können, daß ihnen nicht immer etwas Menschliches anhängt, so darf man dann bei den einmal angenommenen menschlichen Formen nicht stehen bleiben, von denen wir eingesehen haben, daß sie einst mit den göttlichen Einsetzungen verbunden worden sind und nach Maßgabe der Zeitumstände gehandhabt wurden, wenn wir auch sehr wohl wissen, daß man sie einstmals mit öffentlichem Nutzen für die Kirche beobachtete.“ 8 A Lasco macht aus dem Vorgehen gegen die römischen Kirchengebräuche ein Gesetz, dem auch die neu gesuchten und gefundenen Ordnungen unterstehen, und indem er den Begriff der Glaubensanalogie in die Lehre von der Kirchenordnung einführt, gewinnt er einen fruchtbaren und beziehungsreichen Ansatzpunkt für die praktische Gestaltung der notwendigen Ordnungen. Denn dieser Begriff will besagen, daß die einzelnen Lehren sich nicht widersprechen können, ohne den Lehrzusammenhang der Kirche zu sprengen; und dasselbe wird von den einzelnen Ordnungen der Kirche zu sagen sein. Auch sie dürfen nicht im Widerspruch zueinander und zum Lehrzusammenhang stehen. Um nun die Einzelheiten der Emder Gottesdienstordnung zu beschreiben, müßte man reichhaltiger mit Quellen versehen sein, als es wirklich der Fall ist. Daraus würde zu den Grundsätzen a Lascos allein die notwendige Anschauung kommen. Aber auch das Wenige, was bekannt ist, macht sichtbar, wie a Lasco seine Grundsätze auf die praktischen Formen angewandt hat. Wenn Naunin von einer positiven und negativen Seite der Kirchenordnung a Lascos redet und die negative dahin bestimmt, daß die papistischen Einrichtungen und Zeremonien abgelehnt werden, während dagegen die positive Seite nach Genfer Art das allein bestehen lasse, was mit dem Worte Gottes übereinstimmt, dann ist Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 59 7 II, 6ff. 8 II, 7. daszwar die Formel, die für die Beschreibung der Eigenart reformierter Kirchenordnung allgemein üblich ist; aber damit ist doch in zu kurzschlüssiger Weise das bezeichnet, was als Auswirkung des kritischen Grundsatzes a Lascos beschrieben werden muß. 9 Unter dem Hören des Wortes kommt es zum Glauben, und im Fortschreiten mit dem wortgebundenen Glauben kommt es auch zu bestimmten entscheidungsschweren Erkenntnissen, die sich in den Ordnungen der Kirche so auswirken, daß bestimmte Formen kirchlicher Tätigkeit dadurch unmöglich werden, während andere als dem Glauben, seiner Entstehung und seinem Leben gemäße geradezu gefordert werden. Glauben ist die einzige Tat, die die Kirche dem Angebot und der Forderung Gottes gegenüber frei hat. Sie kann das gottesdienstliche Leben davon nicht lösen. Von daher ist es verständlich, daß a Lasco nicht auf strenge Einerleiheit der Kirchengebräuche dringt, wohl aber danach strebt, daß die einzelnen gottesdienstlichen Formen sich vor dem, was das Wort will und sagt, verantworten. Umso bedauerlicher ist es, daß das gottesdienstliche Leben der Emder Gemeinde während der Tätigkeit ihres zweiten Reformators so sehr unbekannt bleibt. Naunin versucht zwar in seinem Aufsatz über die Kirchenordnungen des Johannes Lasci ein Bild der Emder Kirchenordnung zu zeichnen, und er erweckt den Eindruck, als sei das ohne weiteres möglich. Er zieht für seine Darstellung außer den beiden Katechismen und der Schrift über die Meidung der römischen Gottesdienste die Londoner Kirchenordnung heran, die a Lasco 1555 in Frankfurt unter dem Titel „Forma ac ratio“ herausgegeben hat. 10 Was Naunin sagt, sind zumeist selbstverständliche und allgemeingültige Dinge ohne wirklichen urkundlichen Beweis. 11 Die Frage ist weiter, ob man die Londoner Kirchenordnung zur Beschreibung der Emder Verhältnisse in der Weise auswerten darf, wie Naunin das tut. Er meint dazu ein Recht zu haben, „soweit ihre Ausführungen nicht spezielle Londoner Verhältnisse betreffen“. 12 Aber das gerade ist strittig, wo in der Forma ac ratio Emder Verhältnisse in London vorbildlich geworden sind. Wenn auch Beziehungen zwischen den beiden Ordnungen bestehen, so ist es leider Tatsache, daß die Emder Zustände, wie sie sich durch a Lasco herausgebildet haben, zu unbestimmt bleiben, als daß man ohne weiteres von 60 Viertes Kapitel 9 ZKR 41, 27f. 10 A. a. O. 11 Z.B.ZKR 41, 35: Der Gottesdienst fand an den Sonn- und Festtagen am Vor- und Nachmittag statt. Er ist schlicht und einfach, völlig bilderlos. Die Messen sind als unbiblisch abgeschafft. Der Gottesdienst besteht aus Gesang (Psalm), Liturgie und Predigt usw. Naunin sagt nicht, woher er weiß, daß zum Gottesdienst a Lascos in Emden eine Liturgie gehört habe. Es wäre eine außerordentliche Bereicherung unserer Kenntnis, wenn wir in dieser Frage der Gottesdienstordnung Klarheit hätten. 12 ZKR 41, 27. Auch Naunin vermag den methodischen Gesichtspunkt nicht anzugeben, der es ermöglicht, die durch a Lasco in Emden geschaffenen Verhältnisse und die Londoner Kirchenordnung so aufeinander zu beziehen, daß dadurch die Emder Ordnung in ihren Einzelheiten beschreibbar würde. Londonauf Emden schließen dürfte. Dazu müßte die Entstehungsgeschichte der Londoner Kirchenordnung besser bekannt sein, und das würde wieder mit einer tieferen Kenntnis der Anfänge der Londoner Flüchtlingsgemeinde zusammenhängen. Sieht man von der Einrichtung des Kirchenrates ab, für den Emden das Vorbild gegeben hat, dann ist eigentlich nur an einer Stelle das Abhängigkeitsverhältnis zwischen London und Emden im höchsten Grade wahrscheinlich zu machen. A Lasco hat nämlich selbst die Emder Gottesdienstordnung beschrieben. Als er in Beziehungen zu dem Erzbischof von Canterbury trat ( besonders wohl durch Vermittlung des in Emden als Glaubensflüchtling lebenden Dr. Turner), hat er Cranmer als Hilfe für die englische Reformation die Emder Ordnungen mitgeteilt. „Ich habe dafür gesorgt, daß das, was ich über unsere Zeremonien nach England geschickt habe, abgeschrieben werde. Sobald die Abschriften da sind, werde ich sie dir übersenden,“ schreibt er am 19. Februar 1548 an Hardenberg. 13 Gerhard thom Camp bestätigt das in einem Brief an Pellikan vom 26. Februar 1548: „Die Engländer nehmen das Evangelium von Herzen an. D. Johannes a Lasco hat ihnen die Ordnung der Kirche vorgeschrieben, besonders in bezug auf das Abendmahl.“ 14 Danach hat a Lascos Darstellung besonders die Abendmahlsordnung berücksichtigt, und das ist allerdings aufschlußreich. Denn wir kennen den Emder Abendmahlsgottesdienst aus Fabers ausführlichem Bericht15, und dieser Bericht stimmt zu den Angaben der Forma ac ratio, so daß an diesem Punkte die Vorbildlichkeit Emdens außer Frage steht, und man darf annehmen, daß die 1548 den Engländern mitgeteilte Ordnung bis 1550, dem Jahr, in welchem Faber schreibt, nicht mehr verändert worden ist. Ob nun die Emder Ordnung auch für die andern gottesdienstlichen Einzelheiten vorbildlich geworden ist, läßt sich mit urkundlichen Beweisen nicht so eindeutig belegen, daß man von der Forma ac ratio einfach auf die Emder Verhältnisse schließen dürfte. Naunin verläßt sich wohl zu stark auf die Tatsache, daß in Emden und London derselbe Mann am Werk war. Für die Übereinstimmung der Grundsätze, die an beiden Orten wirksam wurden, mag das in Anschlag gebracht werden können. Aber ich möchte doch darauf verzichten, die Einzelheiten der Emder Ordnung nach der Londoner zu beschreiben. Anders liegen die Verhältnisse für die Zeit nach dem zweiten Aufenthalt a Lascos. Aber auch da sind die Emder Zustände nicht einfach ein Abklatsch der Londoner Sitten gewesen. 16 Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 61 13 II, 616. 14 „Angli ex animo recipiunt verbum Dei. D. Joannes a Lasko praescripsit illis formam Ecclesiae, praesertim de Coena Domini.“ 15 G ij ff. 16 Laut Protokoll vom 2. Mai 1558 hat z.B.Peter van Uphaer es bemängelt, daß man in England gelehrt habe, das Abendmahl sitzend zu feiern, während man nun so tut, als sei das nicht nötig. Dieverlorene Darstellung a Lascos kann nach keiner Seite hin völlig ersetzt werden. 17 Es kann deshalb, bevor die Protokolle herangezogen werden können, nur eine vorläufige Darstellung gegeben werden, die im späteren Zusammenhang wieder aufgenommen werden muß. Da die einzelnen Schritte unbekannt bleiben, die dazu führten, daß die Lüneburger Ordnung zurückgedrängt wurde, ist seit dem Weggang a Lascos nach London nirgendwo ein Bruch in der Gestaltung des gottesdienstlichen Lebens mehr festzustellen. Die Entwicklung und Ausbildung der Formen greift nunmehr stetig ineinander. Denn durch die Tätigkeit a Lascos wird auch auf diesem Gebiet eine grundsätzliche Klärung der einschlägigen Fragen und Maßnahmen erreicht. Und wenn man schon für die Geschichte des Kirchenrates selbst nur schwer gewisse Zeitabschnitte bilden kann, so gilt das erst recht von dem gottesdienstlichen Leben. Einschneidend wird für alle Verhältnisse die Aufnahme der niederländischen Fremdlinge aus London im Jahre 1553. Sie brachten die Erfahrungen mit einer durchgebildeten Gemeindeverfassung nach Emden und hatten auch für ihre Gottesdienste schriftlich niedergelegte Formen. Für die Zeit, die ihrer Anwesenheit und den durch ihren Einfluß bestimmten Entwicklungen voraufgeht und die keine greifbaren Zeugnisse hinterlassen hat, kann es sich nur darum handeln, die Grundlinien und Umrisse aufzusuchen, die dem späteren Gebäude seine Gestalt geben. Es ist auszugehen von den Bemühungen der Emder Prediger, ihrer Gemeinde das Interim zu ersparen. Denn das Interim sollte bereits überholte und endgültig abgetane Gottesdienstformen wieder einführen. Dagegen haben sich die Emder Prediger gewehrt mit dem Hinweis: „Es sei wirklich nicht nötig, sondern gefährlich, überall in den Kirchen die gleichen Zeremonien zu beobachten. Außerdem hätten wir keine barbarischen, sondern christliche und einfache, zum Nutzen unserer Kirche wohl geeignete Gebräuche ohne allen Aberglauben. Wenn wir nun völlig unnütze und abergläubische Gebräuche wieder herstellen würden, nachdem sie mit großer Mühe abgeschafft worden sind, sagten sie ( die Prediger), würden wir uns bei den Gegnern und den Unsrigen schuldig machen, weil wir dann zu wenig bedachtsam bei der Abschaffung gehandelt haben würden, oder wir würden durch die Wiederherstellung sündigen nach dem Worte des Paulus: wenn ich das, was ich zerstört habe, wieder bauen würde, mache ich mich selbst zum Übertreter.“ 18 Die neue Ordnung „haben sie (die 62 Viertes Kapitel 17 I, LXII. Eine erneute Nachfrage in England, die ich ans Archiv des Lambeth- Palace 1938 richtete, ergab keine Spur des verlorenen Schriftstückes. 18 Thom Camp an die Züricher vom 8. August 1549: „Imo non opus esse, sed periculosum, ubique in Ecclesiis easdem ceremonias. Praeterea nos non barbaricas, sed Christianas ac simplices et ad utilitatem Ecclesiae nostrae aptas ceremonias sine ulla superstitione habere. Si nunc vero inutiles ac superstitiosas ceremonias magno labore abolitas, rursum repeteremus, aiebant, nos ipsos et apud adversarios et nostros reos faceremus, quod parum considerate in abolendis egissemus aut sane peccaremus in restituendis, secundum Pauli dictum: Si ea, quae destruxi rursum aedificem, meipsum transgressorem facio.“ Thom Camp bezieht Gräfinund ihre Räte) den Unseren nicht unter dem Namen Interim, sondern der Reformationsordnungen dargeboten, die voreinst der verstorbene Graf aufgestellt hatte, damit wir uns dadurch den sächsischen Kirchen angleichen möchten“. 19 Daraus geht unwidersprechlich hervor, daß die Lüneburger Ordnung, von der Bremer ganz zu schweigen, für das gottesdienstliche Leben Emdens ihre tatsächliche Geltung bereits verloren hatte, als das Interim die verlassene Linie wieder einzuschlagen befahl. Da die Lüneburger Ordnung bekannt ist, so kann sie zeigen, wie die Emder Kirche ihre Gottesdienste nicht hielt, als der Befehl, das Formular vom 16. Juli 1549 den Gottesdiensten zugrunde zu legen, die Emder Prediger vor schwierige Entscheidungen stellte. Der Gottesdienst. Der Leiter des Gottesdienstes ist der Prediger, der sich allerdings spätestens seit 1547 nicht mehr durch eine besondere Amtskleidung aus der Masse der Gemeindeglieder heraushebt. Denn das Interim forderte von Priestern und Ministranten, daß sie in ihren Kirchenkleidern und Ornaten vor dem Altar stehen sollten. Da aber die Meßkleider weggekommen und in der Eile nicht herbeizuschaffen sind, so sollen die Priester einen weißen Chorrock im Gottesdienst anziehen. Das haben die Prediger abgelehnt, obwohl die Obrigkeit darauf hinweisen konnte, daß noch vor zwei Jahren einer der Diener bei der Austeilung des Abendmahls einen Chorrock getragen habe. 20 Die Lüneburger hatten die Messe nach ihren östlichen Vorbildern sehr zusammengestrichen, ohne jedoch etwas wirklich Neues an die Stelle zu setzen. Naunin behauptet, daß der Gottesdienst in Emden eine Liturgie umfaßt habe, ohne Einzelheiten anzuführen. 21 Wenn es der Lüneburger Ordnung gelungen sein sollte, sich in Emden ganz durchzusetzen, dann würde die Ordnung des Gottesdienstes so ausgesehen haben: 22 1. Ein oder zwei Psalmen in „dudesch“ (niederdeutsch); 2. 2. das Kyrie eleison mit dem Gloria in excelsis in der deutschen Form des Liedes: Allein Gott in der Höh sei Ehr; 3. Priester: Der Herr sei mit Euch! Volk: Und mit deinem Geiste! 4. Ein Kollektengebet, für das ein Beispiel mitgeteilt wird; 5. eine Epistellesung aus den Briefen oder der Apostelgeschichte in der Volkssprache zum Volke hingewandt; 6. Psalm oder Lied; 7. der Priester singt das Evangelium zum Volke hin; Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 63 sich mit diesen Sätzen, die die Äußerungen der Prediger der Obrigkeit gegenüber wiedergeben, auf das „Ostfriesische Interim“ vom 16. Juli 1549. Vgl. das folgende Kapitel. 19 „ Hancque non nomine Interim, sed veterum Reformationum nomine, quas olim defunctus Princeps condiderat, ut hoc modo Saxonicis Ecclesiis similes essemus, nostris obtulerunt.“ 20 A.a.O.:„(...) quoniam ante biennium in coena unus ministrorum superpelliceo uti solebat.“ 21 Vgl. Anm. 11. 22 ZKR 26, 146f. 8.das Glaubensbekenntnis in der Form des Liedes: Wir glauben all an einen Gott; 9. Predigt über das gesungene Evangelium; 10. das Gebet für alle Not der Christenheit. Die Litanei wird freigestellt, sie kann vor oder nach der Predigt eingeschoben werden. 23 Diese Form soll auch dann beobachtet werden, wenn man das Abendmahl nicht feiert. Das Interim geht über diese zerstörte Form der Messe wieder zurück auf die Meßliturgie, die mit wenigen Erleichterungen nebensächlicher Art verbindlich gemacht wird. 24 Die Prediger weigerten sich, diese Form zu beobachten, wofür ihnen die Kirchen verschlossen und die Kanzeln verboten wurden. Da ihnen aber erlaubt wurde, die Kinder in der Kirche zu taufen und die Trauungen dort vorzunehmen, benutzten sie diese Gelegenheit, die Ermahnungen vor den Handlungen zu kleinen Predigten auszuspinnen, und schoben auch die Lesung von Epistel und Evangelium ein. Daß die Lesungen dieser Stücke zum Gottesdienst der Emder Gemeinde gehörten, wird durch ihre Verwendung in einer Zeit, wo auch auf die kleinen Dinge als aufWerke des Bekenntnisses stark geachtet wurde, sehr wahrscheinlich. In der Interimsordnung sahen die Prediger Emdens die Gefahr der Rückkehr zur Messe, und was nach ihrem eigenen Wort zu andern Zeiten für unwesentliche Zutaten, für Adiaphora, gehalten werden darf, muß unter den augenblicklichen Umständen für eine Bekenntnisangelegenheit erklärt werden. 25 Werk des Bekenntnisses ist in dieser Lage auch die Gottesdienstordnung. Der kirchenpolitische Sieg, der dem Widerstand beschieden war, kam dem Selbständigkeitsbewußtsein zugute. Es ist nicht anzunehmen, daß nach dieser Kraftprobe noch an die früheren Zustände gedacht und gerührt wurde. Ein gesungenes Bibelwort ist schon in der Kirche a Lascos nach der Entfernung der Bilder von den Altären und vielleicht der Altäre selbst nicht mehr denkbar. Für den ganzen Altargottesdienst, bei dem die Lesungen nach der Lüneburger Ordnung zum Volke hingewandt gehalten werden sollten, war in dem Gottesdienst a Lascos eigentlich kein Mittelpunkt mehr; diesen nahm die Kanzel ein. Ob darum die liturgischen Wechselgesänge zwischen Priester, Volk und Chor noch gesungen worden sind, darf ebenfalls bezweifelt werden. Sobald die Einzelheiten später für uns greifbarer werden, ist das alles verschwunden, und geblieben sind nur die drei Bestandteile: Lied, Gebet, Predigt. 64 Viertes Kapitel 23 Faber soll die Litanei übersetzt haben. Das wäre ein weiterer Beweis für die Einführung der Lüneburger Gottesdienstordnung, denn in ihr wird gesagt, daß die Litanei baldigst allen Ämtern zugestellt werden soll, um von den Pastoren gebraucht zu werden. Sie steht noch im Enchiridion, 178; vgl. Goeman, 105. Die Geltung der Ordnung kann aber dadurch nicht mehr für die Zeit nach 1546 nachgewiesen werden. 24 Meiners I, 306f. 25 A.a.O.in thom Camps Brief: „(...) quae alio tempore essent adiaphora nunc vero opera confessionis (...).“ Fürden Gesang hatte die Emder Gemeinde seit dem Jahre 1529 ihr eigenes Gesangbuch, das in immer neuen und teilweise vermehrten Auflagen bis über die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus – es erschien 1652 noch einmal in sassischer Sprache – seinen Dienst getan hat, um dann den niederländischen Büchern endgültig zu weichen, nachdem schon mit dem Einströmen der Niederländer und dem Vordringen des Psalmengesanges in ihren Reihen die niederländischen Gesangbücher neben den niedersächsischen gebraucht worden waren. 26 Sehr reichhaltig war der Kirchengesang noch nicht, schon die geringe Anzahl der Lieder, die in niedersächsischer Sprache als Übersetzungen hochdeutscher Vorlagen oder als ursprüngliche Dichtungen vorhanden waren, ließ eine große Abwechslung nicht zu. Soweit das früheste Liedgut Psalmenbereimungen enthielt, sind sie in Emden gesungen worden; 27 von Gellius Faber stammt eine Übertragung der Utenhove’schen Fassung des 128. Psalms. 28 Daß Luthers Psalmen und Lieder in Emden gesungen worden sind, ist selbstverständlich. Da bisher nur das Gesangbuch von 1630 bearbeitet worden ist, obwohl frühere vorliegen, so bleiben Rückschlüsse auf die wirklich gesungenen Lieder dieses Zeitraumes unsicher. 29 Es muß genügen zu wissen, daß die Emder Gemeinde am Liederquell der Reformation teilgehabt hat. 30 Am Gesang war die Schule, sowohl Lehrer als Schüler, durch das Amt des Vorsängers und das Chorsingen führend beteiligt. 31 Und zwar wird es wohl die Lateinschule gewesen sein, die den Sängerchor stellte. Noch 1630 finden sich im Gesangbuch der Emder Gemeinde zwei lateinische Gesänge. 32 Undeutlich bleibt, ob die Orgel für den Gemeindegottesdienst, insbesondere zur Unterstützung des Gesanges, gebraucht worden ist. 33 Zum Gesang mußte die Gemeinde erst erzogen werden. Außer den Responsorien, dem Kyrieleis und dem Halleluja ließ der römische Gottesdienst gewöhnlich nur außerhalb der Kirche Gelegenheit zum selbsttätigen Singen. So war schon deshalb ein Chor und Vorsänger nicht zu entbehren; mußten doch Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 65 26 Die Einzelheiten bei Goeman, Das Emder Enchiridion aus dem Jahre 1630, in: Jahrbuch 17, 77-196; siehe auch Jahrbuch 21, 216f. 27 Noch das Interim sah das Singen der „dudesche Salmen Davids“ vor. Meiners I, 307. 28 Goeman, 190f. 29 Weiteres Material zur Gesangbuchfrage in Jahrbuch 18, 388; 21, 216ff; Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst, 1921, 225-230.Nach der Niederdeutschen Bibliographie von Borchling und Claussen, die ich im Augenblick nicht einsehen kann, befindet sich in Stockholm ein Gesangbuch mit einem Vorwort von Gellius Faber von 1551. 30 Noch ein mir vorliegender Druck des Emder Katechismus aus dem Ende des 18. Jahrhunderts bringt am Schluß die wichtigsten Festtagslieder des Enchiridions von 1630 in niederländischer Sprache, auf die man also auch während des Gebrauchs der niederländischen Psalmbücher nicht verzichten wollte. 31 ZKR 26, 153: Mitwirkung der Schüler bei den Vespern; 154: bei Begräbnissen; 151: bei den Gottesdiensten. Über den Vorsänger: Goeman, 176f. 32 Goeman, 168: „Dies est laetitiae“ und „Resonet in laudibus“. 33 Um 1552 wird ein Küster und Organist Gerd Smit erwähnt. Jahrbuch 14, 390; siehe auch Goeman, 171f. dieLieder einfach durch Vorsagen und Vorsingen der Gemeinde eingeprägt werden. Auch darf man sich das Gesangbuch wohl nicht in der Hand aller Gottesdienstbesucher denken. In diesen Anfangsverhältnissen hat die bis heute gerade in Ostfriesland nachwirkende Sitte ihren Ursprung, das angesagte Lied entweder ganz oder doch seinen ersten Vers der Gemeinde vorzulesen. Diese Sitte setzt Mangel an Gesangbüchern und an Lesefähigkeit bei der Gemeinde voraus. Zum Gemeindegottesdienst gehörte das Gebet. Schon die Verordnung von 1529 hatte darüber geklagt, daß viele Prediger das Gebet im Gottesdienst versäumten. 34 Die Ordnung von 1535 sah unter anderm das Kollektengebet vor, und noch das Gesangbuch von 1630 enthält zwischen den Gesängen eine Reihe kurzer Gebete, die nichts weiter als Kollektengebete sind. 35 Am Schluß des Gottesdienstes sollte nach der Lüneburger Ordnung das „gmeyne gebede tho Godt vor alle noettrofftigen saken der gantzen Christenheit vnd vor der ouericheit“ seinen Platz haben. Ein bestimmter Wortlaut ist nicht vorgeschrieben; das Formulargebet hat sich in Emden nicht eingeführt, Agenden und Gebetbücher bleiben unbekannt. Die Freiheit der ersten Jahre wird auch an diesem Punkte nicht überwunden. Der Gottesdienst war von Beginn der reformatorischen Bewegung an Predigtgottesdienst. Die Bremer Ordnung beschreibt die Predigt und ihre Bedeutung ausführlich und gibt zugleich den Inhalt der kirchlichen Verkündigung an, deren Wesen Lehre ist. 36 An Gottes Wort ist alles gelegen. Es tötet und macht lebendig. Darum sind Fleiß und Achtsamkeit nötig, damit keine menschliche Lehre und Mißverständnisse mit unterlaufen, Vorsicht und Bedachtsamkeit sind zu beobachten, damit die Predigt unter dem Volk keine Empörung und Zwietracht erregt. Die Auseinandersetzung mit den Täufern und die Erfahrungen mit den fremden Predigern zeigten die leidenschaftliche Anteilnahme des Volkes an der kirchlichen Bewegung und ließen auch in Emden die Predigt zu einer der wesentlichen Gelegenheiten der öffentlichen Meinungsbildung und manchmal geradezu propagandistischer Beeinflussung der Massen erscheinen. Nach der Bremer Ordnung hat sie dem Menschen die Hauptstücke der Lehre vorzuhalten: „wat de mensch doen und laten schal, (...) darto wat he gelöven, und wo he zick jegen Godt schicken schal, und tom lesten, wat und wo he bidden schal.“ 37 Darum müssen die zehn Gebote dem Volke und der Jugend oft vorgelegt werden, nicht nur, damit man sie äußerlich wisse, sondern im Sinne der Bergpredigt, inwendig und nach dem Geiste. Ihre unbedingte Geltung ist der 66 Viertes Kapitel 34 Meiners I, 579. 35 Im ganzen finden sich im Enchiridion 10 Kollekten, teilweise mit Eingangssprüchen. ZKR 26, 146, 151f. 36 Meiners I, 577-579. 37 Meiners I, 577. Gemeindedeutlich zu machen, ebenso die Strafe, die dem Übertreter droht, und die Ohnmacht des alten Adam, auch nur das Geringste davon vor Gott wirklich zu halten. Deshalb sind die Gläubigen auf Christus zu weisen und zum Glauben anzuhalten. Zur Predigt des Gesetzes gehört die des Evangeliums. Doch sollen sich die Prediger hüten, den Glauben roh und bloß ohne die Predigt des Gesetzes dem gemeinen Haufen vorzubilden. Der rechte Glaube, so wird es aus dieser Kirchenordnung auch in dem Interimwiederholt38,kann nicht ruhen, er muß wirken und hervorbrechen. Vom freien Willen und der Prädestination sollen die Prediger sehr weise und vorsichtig handeln, „wente de matery de Praedestinatione is ein afgrundt der wysheit und macht Gades, welchs de vornuft nicht begripen kan“. Prediger, die die Schrift nicht tief oder hoch genug erfahren haben, sollen davon kaum oder gar nicht reden. 39 Diese Anweisungen geben Einblick in die Predigt des ersten Jahrzehnts gerade auch dadurch, daß sie aus einer bestimmten Abwehrhaltung gegen gewisse Lehrformen gegeben sind. Zusammen mit den Lehrdokumenten und Berichten über die Streitigkeiten lassen sie ahnen, was die Prediger und Gemeinden bewegte. Daß die Regierung die Predigt in den Dienst der Volkserziehung stellen will, ist verständlich, war doch die Predigttätigkeit weithin ein Feld für wild wuchernde Lehre, und Einseitigkeiten in der Betonung einzelner Linien und Gegenstände waren nur zu sehr an der Tagesordnung. Die Erziehung zu bestimmtem Verhalten und zu klaren Einsichten in größere Zusammenhänge des biblischen Zeugnisses hat der Predigt sicherlich ihr Gepräge auch fernerhin gegeben. Auch die Fragen der kirchlichen Ordnung sind in den Predigten behandelt worden. Die fremden Prediger der Jahre 1529 und 1534 haben die durch ihren Auftrag zur Ordnung der Kirche bestimmten Erkenntnisse durch ihre Predigten zu wecken versucht. 40 Als in Emden Älteste ihren Dienst aufnehmen sollten, hielten die Prediger nach dem Zeugnis Fabers eine Reihe von Predigten zu diesem Thema. 41 Und die Erlebnisse mit den niederländischen Flüchtlingen mögen Hermann Brass veranlaßt haben, einige Predigten über das Kreuz Christi für den Druck fertig zu machen. Ob a Lasco selbst gepredigt hat, ist unsicher. Als in Norden der Streit über die Abendmahlslehre vor die Gemeinde gebracht wurde, hat Hermann Brass den Superintendenten vertreten. 42 Vielleicht ist es wegen der Sprache geschehen, obschon der Behauptung nichts im Wege steht, daß a Lasco als Ehemann einer Flamländerin die Sprache der westlichen Nordseeküste im Laufe der Zeit zu beherrschen gelernt hat. 43 Da die Gemeinde nur Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 67 38 Meiners I, 304. 39 Meiners I, 579. 40 Emmius, 881ff. 41 Antwert H i. 42 Jahrbuch 14, 477 gibt Titel und Inhaltsangabe der Brass’schen Sermone über das Kreuz, die 1560 nach seinem Tode in Emden gedruckt wurden. Über sein Auftreten in Norden I, 237; II, 607. 43 Hinweise auf a Lascos Sprachkenntnisse: II, 610.628. Daltons Schwanken, ob a Las- unterständigen Kämpfen nach rechts und links ihren Weg suchen konnte, dürfte der Widerhall davon in den Predigten ihrer führenden Männer nicht gefehlt haben. Daß die Prediger gewohnt waren, große Zuhörerscharen unter der Kanzel versammelt zu sehen, bezeugt Faber mit den Worten, „dat vnse vorsammelinge öpentliken van veelen hunderten syndt/de man althomal nicht wol kennen kan“. 44 Die Predigt war die Mitte des gottesdienstlichen Lebens. Durch sie wurde die Gemeinde zur Empfängerin einer Botschaft und dadurch Trägerin eines Willens, durch sie wurde sie sich ihres Auftrags in der Gabe Gottes bewußt. Naunin sagt vom Gottesdienst a Lascos, daß er an den Sonn- und Festtagen am Vor- und Nachmittag stattgefunden habe. 45 Damit sind aber Wochengottesdienste nicht ausgeschlossen. Die Lüneburger Ordnung sah „Metten und Vespern na der olden gewoenheit“ 46 vor und teilt die Ordnung dafür mit. Sie bestehen aus lateinischen Gesängen und Lesungen, denen eine Auslegung angehängt werden kann. Der Zweck ist besonders die Übung der Jugend, sie soll dadurch in lateinischer Sprache geübt und veranlaßt werden, zur Kirche zu gehen, um Gottes Wort zu hören und zu lernen. 47 Bereits im Großen Katechismus von 1546 werden aber diese Morgen- und Abendgottesdienste als Übertretung des dritten Gebotes verworfen, weil durch Messen und Vespern der Name Gottes zur Abgötterei mißbraucht wird. 48 An ihre Stelle sind schon zur Zeit a Lascos Wochengottesdienste getreten, was aus einem Brief des Emder Predigers Bramius an die Züricher geschlossen werden kann, in dem die Folgen des Widerstandes gegen das Interim beschrieben werden und als Maßnahme der Regierung angegeben wird, daß die Große Kirche geschlossen bleibt; nur am Sonntag gegen 10 Uhr wird sie geöffnet, „um die Kinder zu taufen und die Verlobten zu trauen. So auch am Dienstag und Freitag“. 49 Es ist nicht anzunehmen, daß ausgerechnet während des Interims diese Zusammenkünfte neu 68 Viertes Kapitel cos Brief an den Coetus vom 10. Juli 1556 niederländisch geschrieben sei oder lateinisch, muß zugunsten der letzten Sprache entschieden werden. Denn das Brieffragment stammt aus Outhofs „Waarschouwinge“, Emden 1718 und zeigt das Niederländische des 18. Jahrhunderts, das im 16. so nicht gesprochen wurde, erst recht nicht in Emden. Lasciana 1905, 298. Es ist doch auffallend, daß a Lasco in Norden seine Sache nach sechsjährigem Aufenthalt im Lande nicht selbst vertreten konnte, und daß seine lateinischen Schriften, soweit sie übersetzt wurden, von niederländischen Freunden übertragen werden mußten. Vgl. auch II, 577, wo er bekennt, daß er sich mit dem Boten Gabriel nicht habe unterhalten können, weil dieser kein Latein verstünde. Das läßt nicht gerade auf eine Beherrschung der Sprache zum Predigtgebrauch schließen. 44 H ij. 45 ZKR 41, 35. 46 ZKR 26, 152. 47 A.a.O.,153. 48 II, 371. 49 „(Templum) aperitur Dominicis diebus circa decimam propter pueros baptizandos et sponsas cum sponsis coniungendas. Ita quoque die Martis et Veneris.“ ermöglichtworden sind. Es wird sich vielmehr um die Fortsetzung bereits vorher eingerichteter Wochengottesdienste gehandelt haben, die zum Teil bis über die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus gehalten worden sind. Die genaue Ordnung, die für die Gottesdienste beobachtet wurde, läßt sich weder für die Versammlungen am Sonntag noch an den Wochentagen geben, obwohl gefragt werden darf, ob nicht die Gottesdienstordnung der Londoner Gemeinde, die a Lasco 1551 der lateinischen Erstausgabe des „ Kort Begrijp“ angehängt hat, Erfahrungen und Ergebnisse der Emder Zeit bewahrt. 50 Da immerhin diese Möglichkeit besteht, mag diese in der liturgischen Literatur unbekannte Gottesdienstform hier mitgeteilt werden; der Gottesdienst verläuft so: 1. Aufforderung zum Gebet und Eingangsgebet mit Unservater; 2. Eingangspsalm; 3. Predigt. Es wird über ganze biblische Bücher laufend gepredigt; 4. Gebet nach der Predigt; 5.-8.nur in den Gottesdiensten am Sonntagvormittag, ausgenommen das Gebet für alle Not der Christenheit, mit dem alle Gottesdienste geschlossen werden; 5. Verlesung der Zehn Gebote; 6. Sündenbekenntnis; 7. Löse- und Bindeformel; 8. Apostolisches Glaubensbekenntnis; 9. Gebet für alle Not der Christenheit; 10. Schlußpsalm; 11. Entlassung mit Segenswunsch und Einsammlung des Armenopfers am Ausgang durch die Diakonen. Ein Gebrauch des aaronitischen Segens ist nicht vorgesehen. 51 Beachtlich bleibt, auch wenn wir für die Emder Gottesdienstordnung keine ausreichend begründeten Rückschlüsse aus dieser Londoner Ordnung von 1551 ziehen können, ihre Übereinstimmung mit der Norder Gottesdienstordnung, die noch in die Zeit vor 1528 zurückreicht und ebenfalls die Zehn Gebote, ein Sündenbekenntnis und die Gnadenverkündigung durch das Glaubensbekenntnis und ein weiteres bekennntnisartiges Stück enthält, in dem die Heilswerte des trinitarischen Bekenntnisses aufgewiesen werden. Dieses liturgische Bekenntnis steht in der Norder Gottesdienstordnung anstelle der Absolution. Es gibt sich als eine Auslegung des vorhergehenden Glaubensbekenntnisses, an das es sich anschließt, und zwar mit den Worten: „Das ist, ich bekenne und nehme Vergebung meiner Sünden (...), ich verwerfe in diesem Stücke (des Bekenntnisses zu dem dreieinigen Gott) alles, was nicht Gott selbst ist und tut, halte auch anderes nicht für nötig und kräftig zu meiner Seligkeit. O Herr, hilf und Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 69 50 II, 334ff. Einleitung I, LXXIV-LXXXI. 51 Reimers, Gestaltung, 53f. vermehremeinen Glauben (...).“ 52 Bezeichnend ist, daß hier Sünden- und Vergebungsbekenntnis beide im Ich-Stil gehalten sind und die Zehn Gebote in lutherischer Fassung erscheinen. Die Norder Ordnung kann beweisen, daß ein etwaiger Aufbau des Gottesdienstes im Londoner Stil auch in Emden nicht fremd war. Sogar die Stellung der Liturgie haben beide miteinander gemein, indem sie beide die Bekenntnisliturgie der Predigt nachsetzen. Die Londoner Ordnung zeigt an einem praktischen Beispiel, wie a Lasco die Auswirkung seines Grundsatzes verstand, daß die Ordnungen der Kirche aus dem Gleichklang des Glaubens heraus gestaltet sein müßten; sie ist ganz aus der Mitte der biblischen Verkündigung im reformatorischen Verständnis herausgewachsen. Ziehen wir noch einmal den Brief an Pellikan zu Rate, dann dürfte er mit seinem Drängen auf reine Zeremonien, die die wenigste mühsame Arbeit erfordern, und auf endgültige Entfernung der papistischen abergläubischen Gottlosigkeit auch für Emden gottesdienstliche Formen erstrebt haben, die der Londoner Ordnung bedeutend näher kommen als der Lüneburger. 53 Die Taufe. Genauso unsicher wie die allgemeine Gottesdienstform bleibt die Antwort auf die Frage, wie zur Zeit a Lascos die Taufe verwaltet wurde. Wenn aus der später sichtbar werdenden Bedienungsweise Rückschlüsse erlaubt sind, dann haben die Emder Prediger mit der Taufe nicht viel Umstände gemacht, sondern das Sakrament in ziemlich freier Form bedient. Die Lüneburger Ordnung sah die Teufelsaustreibung und -absage durch die Paten vor. 54 Das „ belesen“ d.h.die Teufelsaustreibung ist aber nach der Auslegung des dritten Gebotes im Großen Katechismus Mißbrauch des Namens Gottes und darum verboten55, so daß damit die ganze Taufordnung von 1535 im einzelnen und im Zu- 70 Viertes Kapitel 52 A.a.O.,54. Ich gehe der Möglichkeit, für die Londoner Ordnung von 1551 die Emder als Vorbild zu denken, noch etwas weiter nach. A Lasco war am 13. Mai 1550 nach London gekommen und nahm sofort Beziehungen zu den Fremdlingen auf (van Schelven, 67). Die Gemeinde hatte sich noch nicht wirklich gebildet und besaß noch keine Ordnung. Sie hatte sich seit Mitte 1549 um einen Prediger bemüht, ohne einen zu finden. Langsam war Mikron, von Hause aus Arzt, zum Predigtdienst übergegangen, ohne schon fest angestellt zu werden. Was a Lasco an festen Ordnungen vorfand, bleibt also völlig ungreifbar, es wird so gut wie nichts gewesen sein, dürfte auf jeden Fall noch keineswegs die ausgebildeten Formen der Forma ac ratio erreicht haben. Die Beschreibung der Gottesdienstordnung in der Forma ac ratio II, 81-92 gibt dieselben Bestandteile und die gleiche Anordnung der Einzelpunkte wie der „ Kort begrijp“. Outhof, Waarschouwinge, 365 behauptet, daß die für Norden bezeugte Liturgie auch in Emden gebraucht wäre. Ob das stimmt, läßt sich aus gleichzeitigen Angaben nicht belegen, und die spätere Emder Gottesdienstordnung hat von der Bekenntnisliturgie nach der Predigt nichts bewahrt. So bleibt es unentscheidbar, ob a Lasco für London etwas völlig Neues schuf und was er schon vorfand oder aus Emden nach London übertrug. 53 II, 584: „Illud tantum ago, ut abolita superstitione et impietate Papistica, puras minimeque operosas caerimonias habeamus.“ 54 ZKR 26, 144. 55 II, 371. Neben Metten und Vespern wird auch das „belesen“ als Übertretung des 3. Gebotes verworfen. sammenhangerledigt ist. Sie hat auch in der Tauflehre a Lascos ihren schärfsten Gegner. Der Abriß der Lehre für die ostfriesischen Kirchen hatte gerade wegen der Tauflehre den Widerstand der Gelehrten, insbesondere Melanchthons, herausgefordert, obwohl sich a Lasco mit diesem Lehrstück im Blick auf die wiedertäuferischen Meinungen und ihren Einfluß in Ostfriesland viel Mühe gegeben hatte. Die Tauflehre ist auf dem Begriff des Siegels und des Bundes aufgebaut. Versöhnende und sündenvergebende Kraft hat nicht die Taufe als solche, sondern die Barmherzigkeit Gottes um Christi willen, die uns durch die Taufe versiegelt wird. Die Taufe ist nur das Zeichen dafür, daß wir in Christo eingeleibt sind. Die Kinder sind gerettet, bevor sie glauben und getauft werden. 56 Auf dem Grunde dieser Lehre ist die Notwendigkeit der Taufe nur durch das Gebot des Herrn zu retten. Und darum gehen auch die Fragen des Großen Katechismus in der Behandlung der Taufe von dem Befehl Christi aus. 57 Versiegelung der Erlösung aus Gottes Zorn und dem ewigen Tod, Vermahnung zum Gehorsam und neuen Leben als dem Bekenntnis unserer Gemeinschaft mit Christus und Unterscheidungszeichen gegen Juden, Heiden und Sekten, das ist die Taufe in ihrer Bedeutung für die Gemeinde. Die Kindertaufe ist gerechtfertigt durch die dem Glauben und Gehorsam voraufgehende Verheißung Gottes, sie wird durch die Beschneidung der alten Kirche vorweggenommen und hat mit dieser gleiche Bedeutung, beide umfassen das gleiche Geheimnis. In genau den gleichen Bahnen geht die Verteidigung der Kindertaufe in der Schrift Fabers. Die Kinder werden getauft auf den Befehl Christi. Sie stehen nicht schlechter da als die Kinder aus Israel, denn sie haben Gemeinschaft am Bund Gottes und an der Seligkeit der Kirche. 58 Mit der alten Kirche haben wir die Versiegelung und den Gnadenbund gemeinsam. Diese Anschauungen werden sich in der Bedienungsweise der Taufe ausgewirkt haben. Wir sahen, daß während des Interims für die Taufen die Kirchen geöffnet wurden. Danach sind die Kirchen der Ort der Taufe. Der Handlung ging eine Ermahnung vorauf, die die Prediger während des Predigtverbotes zu kleinen Predigten ausspannen. Ob es eine formulierte Ansprache war, wie sie die Lüneburger Ordnung vorsah, bleibt ungewiß, ist aber unwahrscheinlich. Daß an diejenigen, welche die Kinder zur Taufe hielten, Fragen gestellt worden sind, darf mit ziemlicher Sicherheit verneint werden, da sich solche während des ganzen Jahrhunderts nicht erwähnt finden. Paten scheint man zu dieser Zeit noch unbedenklich zugestanden zu haben. A Lasco hat es für einen nutzlosen Streit gehalten, als in London Walter Deloenus 1552 das Patenamt abgeschafft wissen wollte. 59 Und die Lüneburger Ordnung läßt auf die Absagungsfragen die Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 71 56 I, 514-549. 57 II, 463-469. 58 Antwert D i- G ij. 59 II, 676. Gevatternantworten. 60 Irgendwelche Erinnerungen an das Patenamt haben aber die mir bekannten Dokumente nicht bewahrt, wie überhaupt die Umgestaltung der Taufhandlung aus dem Sakramentsgedanken heraus grundsätzlich und tief gewesen ist. Der radikale Anfang der ostfriesischen Reformation hat sich auch hier eine nachhaltige Wirkung gesichert, und a Lasco war nicht der Mann, um gegen diese ihm verwandte Haltung aufzutreten. Das Abendmahl. Es wäre durchaus möglich, die Lehr- und Ordnungsgeschichte der Emder Kirche unter der Überschrift: „Der Kampf um das Abendmahl“ zu beschreiben. So sehr steht dieses Sakrament im Mittelpunkt der Auseinandersetzung der im Lande vorhandenen reformatorischen Gruppen. Auch für die Abwehr der noch wirksamen römischen Einflüsse und der Bemühungen der täuferischen Kreise um das Ohr und Herz der Bevölkerung rückt immer wieder das Abendmahl, sein Lehrgehalt, seine gottesdienstliche Form und seine Bedeutung für die Bildung der Bekenntnisgemeinde in die vorderste Front, an der wir gerade Emder Prediger in ununterbrochener Reihenfolge tätig sehen. 61 Die Waffengänge der Parteien haben vom ersten reformatorischen Jahrzehnt an Emden immer wieder auf dem Kampfplatz gesehen. Jede Wendung in dem Zusammenhang der Abendmahlsstreitigkeiten setzte auch hier nicht weniger als anderwärts die Herzen und Hände in manchmal leidenschaftliche Bewegung. Was an Schriften seit dem Oldersumer Gespräch erhalten ist, kreist mehr oder weniger um die Abendmahlslehre. Auch die Stellung und Maßnahmen der Regierung wurden stark von den Kämpfen bestimmt. Zeigen die Ordnungsversuche Ennos II. die lutherische Richtung im Vordringen, so bringt das Zeitalter der Gräfin Anna die Reformierten nach vorne, um dann in der Zeit der geteilten Herrschaft unter einem lutherischen und reformierten Grafen die Spaltung in der Landesregierung selbst darzustellen und für ihr Herrschaftsgebiet zu verewigen. Graf Enno versuchte unter Umgehung der eigentlichen Lehrfragen den kirchlichen Kampf durch die Lüneburger Ordnung in ruhige Bahnen zu lenken. Mit den Vorschriften aber waren nun einmal bestimmte Entscheidungen über die Lehre gefallen, und nicht ohne Grund wurde gerade aus Anlaß der Mitteilung des Ritus für die Abendmahlsfeier den Predigern aufgegeben, die Gemeinden dahin zu belehren, „dat dusse dyngen nicht geforderth werden alze nodich to der zeelen salicheit sunder als Christlicke gebrucke vorordenth to erholdynge Christlicker tucht in der gemeyne/doch ane vorstrickynge der conscientien.“ 62 Das ist gesagt im Blick auf die oben mitgeteilte Gottesdienstordnung, die das Herkommen nicht mehr für sich hatte, denn sie war nichts anderes als die verkürzte Meßliturgie, wie der so gefeierte Gottesdienst erst durch die Abend- 72 Viertes Kapitel 60 ZKR 26, 145. 61 Vgl. das erste Kapitel dieser Arbeit. 62 ZKR 26, 148f. mahlsfeiervollständig wurde. Darum sahen die Lüneburger sonntägliche Austeilung des Abendmahles vor. 63 Die einzelnen Vorschriften über die Benutzung ungesäuerten Brotes und Weines anstelle des zu Hause gebräuchlichen Brotes und Bieres oder Milch wie die Anordnung, daß der bedienende „prester“ einen Chorrock über die gewöhnlich getragene Bauernkleidung anziehen solle, deuten darauf hin, daß auch das Abendmahl wie die Taufe in einer freien Weise gefeiert sein mag. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß gerade für Emden mit einer gewissen Durchsetzung der neuen Ordnung für die Abendmahlsbedienung gerechnet werden muß, und daß noch a Lasco diese Ordnung in Emden beobachtet gefunden hat. Allerdings läßt sich das Ausmaß der wirklichen durchgeführten Einzelheiten nicht mehr feststellen. Wie nun die Abendmahlsfeier in den Gemeinden a Lascos eine außerordentliche Bedeutung für das Gemeindeleben gewinnt, weil auf sie die Zucht und der Bann bezogen wird, so hat er auch die Emder Gemeinde die Abendmahlsfeier als Höhepunkt des Gemeindelebens verstehen gelehrt und die Ordnung der Bedienung auf diese Stellung zugeschnitten. Nach dem Fehlschlag, den er mit seinem Lehrabriß für die ostfriesischen Kirchen erlebt hatte, hat er seine Anschauungen über das Sakrament durch eine eingehende Beschäftigung mit Calvin vertieft. Und so weit er die Abendmahlsauffassung in Emden neu geprägt hat, ist an diesem Punkt der Lehre Calvin in den Grundzügen zum Siege geführt. 64 Bedeutete auch die Aufnahme calvinischer Gedanken nicht die Anerkennung des ganzen Calvin, so war doch die Hinwendung zu eindeutig, als daß sie nicht einem späteren Eindringen weiterer Anschauungen aus dem Lehrganzen des Genfer Meisters die Tür geöffnet hätte. Die Moderatio doctrinae von 1544/45 hat diese Wendung endgültig gemacht, und wenn auch gerade dieses Bekenntnis einer verschiedenen Auffassung von der Gegenwart Christi im Abendmahl Raum ließ, so hat sie mit der Verurteilung der römischen Wandlungslehre und der Anschauung Luthers, wie sie sich im Kampf gegen Zwingli zuletzt ausgebildet hatte, wie mit der klaren Absage an Zwingli selbst und damit an die Vergangenheit der Emder Kirche, von jetzt an Calvin das Wort für die Belehrung der Prediger und Gemeinden über die rechte Lehrformgegeben65,und große Aufmerksamkeit wendet von jetzt an die Gemeinde der Stellung und Bedeutung des Herrenmahles in ihrem Leben zu. Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 73 63 A.a.O.,147f. 64 Hein, 75ff. 65 Allerdings bezog sich der Widerspruch gegen den dem Coetus gewidmeten Genfer Katechismus gerade auf die Fassung der Abendmahlsfragen; denn thom Camp schreibt am 7. April 1546 an Pellikan: Man wird Calvin amtlich danken „ et simul indicabitur, quid desideramus in tractatione de Coena Domini“. Über ein solches Schreiben ist nichts bekannt. Daß a Lascos Arbeit in Genf gewürdigt wurde, zeigt CR XII, 326. Trotzdem wird, auf die größeren Zusammenhänge gesehen, Hein mit seinem Urteil über den Einfluß Calvins auf a Lasco recht haben. Gerade aber thom Camp blieb zeitlebens bei früheren Lehrformen stehen. Diein Emden geltende Lehre in der Form, wie sie auf die Gemeindeglieder einwirkte, bringt der Große Katechismus in elf Fragen. 66 Die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi wird durch den Genuß des Brotes und Weines bezeugt und versiegelt. Das Abendmahl ist deshalb „geen bloot teeken“. 67 Bei der Austeilung ist der Herr vielmehr selbst gegenwärtig und wirkt kräftig. Weiter ist es für alle Gläubigen eine Ermahnung und Erweckung zu gegenseitiger Wohltätigkeit, Sanftmut, Freundlichkeit, Geduld und Liebe, weil wir wissen, daß Christus auch zu uns so gesinnt ist. Und drittens ist das Abendmahl das sakramentliche Zeichen, das uns von den Heiden und dem gottlosen Haufen unterscheidet, wie es uns gleichsam durch einen Eid zu dem Dienst Gottes verbindlich verpflichtet. Rechte Teilnehmer sind die Bußfertigen und Gläubigen, ihnen steht es allein zu, die „in der waerheyt tot den lichame Christi behooren, ende in warachtighe gehoorsaemheyt en vreese des Heeren, in warachtighe liefde haers naesten leuen. Ooc die bereyt staet de leere des heylighen Euangeliums midden int cruyce des noodts en doots te bekennen, belijden ende beschermen“. 68 Aus uns selber sind wir nie würdig, aber Gott hält uns dann für würdig, wenn wir die Vergebung der Sünden und die ewige Seligkeit allein in den Tod Christi stellen. Es soll uns auch nicht hindern, am Abendmahl teilzunehmen, wenn wir mit unwürdigen Gästen am Tische sind; doch sollen wir in ihre Sünde nicht einwilligen, sondern sie ermahnen und ermahnen lassen. Es steht dem einzelnen Glied nicht zu, jemanden auszuschließen, dazu hat die Kirche allein in ihrer Gesamtheit Vollmacht, die auch sonst allem wehren soll, was der Zerstörung der Einheit dienen könnte, damit nicht zur Verwirrung diene, was zum Aufbau vom Herrn gegeben ist. Das Bekenntnis von 1528 konnte den Wert und die Stellung des Abendmahles nicht im vollen biblischen Sinne deutlich werden lassen. Jetzt ist Ernst gemacht mit der Anschauung, daß Christus im Himmel ist, und daß er sich durch Wort und Sakrament im strengen Sinne vergegenwärtigt, daß er sich darum im Abendmahl selbst mitteilt. Nun gewinnen auch die Gedanken von der Gemeinschaft der Gemeindeglieder untereinander einen vertieften Sinn. Sie haben Anteil an den Gaben des Heils, das in Christus da ist, sie sind alle in gleicher Weise Empfangende, die einander nichts voraus haben, sondern alle von der Freundlichkeit und Geduld ihres Herrn leben; können sie anders, als untereinander durch Liebe und Sanftmut beweisen, daß sie den andern gegenüber keine Rechte anzumelden haben? Gerade im Abendmahl wird sich die Gemeinde ihrer Stellung zum Herrn und damit ihrer Stellung zueinander bewußt. Wird das Abendmahl so gefaßt, dann dürfte gegen die Aufnahme des Gedankens, daß das Abendmahl uns in Eid und Dienst nimmt, also gleichsam 74 Viertes Kapitel 66 II, 469-475. 67 II, 469, Frage 241. 68 II, 473, Frage 247. Heer-und Pflichtzeichen ist, nichts einzuwenden sein. Nicht dies letzte steht mehr im Vordergrund, um alles andere zu verdecken, sondern es ist jetzt nur noch eine Folge, wenn auch eine notwendige Folge der Abendmahlsanschauung in ihrem Gesamtzusammenhang. Auf der Linie dieser Lehrfassung ist die Gemeinde von jetzt ab unterwiesen worden. Sie lernte, daß das Abendmahl Tür und Schranke ist, Verheißung und Forderung. Aus der Forderung, am Abendmahl teilzunehmen, hörte sie zugleich, daß das Leben des Gemeindegliedes unter bestimmten Erwartungen steht und dem Urteil zu unterwerfen ist, das mit der Gabe und Aufgabe des Abendmahls über uns ergeht. Hatten die früheren Anschauungen wenig dazu tun können, daß der Sakramentsempfang nicht unterschätzt werde, so schlug jetzt das Pendel nach der anderen Seite aus, und je mehr die Zucht gerade auf das Abendmahl bezogen erschien, merkte die Gemeinde, daß die Teilnahme das Gewicht eines entscheidenden Schrittes bekam. Insofern barg der neue Ansatz, von dem aus das Abendmahl seine bedeutsame Stellung im Gemeindeleben wie im Leben des einzelnen Gliedes erhielt, Segen und Gefahr in einem. Seine Spuren sind in der Begründung der Teilnahme wie in der Abendmahlsscheu bis heute unverwischt. 69 Wie nun die Gemeinde während des ersten Aufenthaltes a Lascos das Abendmahl feierte, läßt der ausführliche Bericht Fabers erkennen, den er in seiner Schrift gegen die Wiedertäufer gibt. Die Täufer werfen der Gemeinde vor, daß sie das Abendmahl mit denen zusammen feiere, „de noch gesette/nocht löffte (Zusage) bewegen mögen etc. (...).“ 70 Auf diesen Vorwurf antwortet Faber, indem er die Ordnung der Abendmahlsfeier mitteilt, so daß die Einzelheiten deutlich erkennbar werden. Er beklagt, daß nicht in allen Gemeinden die Kirchenzucht wirklich gehandhabt werde, aber das könne von den treuen Dienern nicht gesagt werden, die mit Wissen und Willen die Unbußfertigen und Ungläubigen nicht zulassen. Die in ärgerlichen Sünden, in Zorn, Haß oder unversöhnlichem Zwist gegen die Mahnung ihres Gewissens leben und beharren, oder mit der Tat bezeugen, daß Christi Tod und Verdienst ihnen nicht zukommt, und in diesem Verhalten weder dem Gesetz noch dem Evangelium Gehör geben, werden vom Abendmahl ferngehalten. Die Prediger üben nach apostolischer Lehre die Strafe und ermahnen und prüfen die Gemeinde treulich, wenn sie das Abendmahl halten will. Die Abendmahlsordnung der Emder Gemeinde teilt die ganze Handlung in zwei auch zeitlich auseinander fallende Handlungseinheiten: sie unterscheidet die Vorbereitung und die Austeilung. In sich sind beide noch wieder gegliedert. Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 75 69 Zur Abendmahlsscheu in den Anfängen der Reformation s. Reimers, Gestaltung, 26f. Ein allgemeines Hinzutreten zum Abendmahl ist in Emden nach Einführung der Prüfung schon gar nicht mehr denkbar, weil durch die Ordnung unmöglich gemacht. 70 Antwert G ij. Die im Folgenden stark benutzte Darstellung Fabers umfaßt die Blätter G ij-G iiij. ZurVorbereitung gehört die Ankündigung, die öffentliche Beichte und die Prüfung, während die Feier selbst Austeilung und Danksagung umfaßt. 71 a) Die Ankündigung. Während das Abendmahl der Londoner Gemeinde a Lascos zwei Wochen vor der Feier angesagtwurde72,wird es in der Emder Gemeinde nach Ausweis der Protokolle und der Ordnung von 1594 von Anfang an eine Woche vorher der Gemeinde angekündigt. Nach Faber enthält die Vorbereitung eine Beschreibung dessen, was von dem rechten Gast erwartet und gefordert wird. Die Lehre des Gesetzes und des Evangeliums, dieses vornehmlich, sind der Lebensgrund für die gläubige Erkenntnis und das gehorsame Handeln. Die Abendmahlsgäste sollen keine „ Entechristische vorgeuinge/ sunder allene ere enige vnnde ware van Godt vorsegelde vorgeuinge in dem blode des Söns gades“ suchen. Doch genügt eine bloße Erkenntnis der Lehre nicht, es genügt nicht, sie im Herzen zu tragen und zu bewahren, sie muß öffentlich, selbst unter Gefahr für Leib und Leben, bekannt werden. Da der Teufel den Bekennern Jesu keine Ruhe lassen wird, müssen sie sich zum Kreuz und zur Anfechtung wappnen, und wenn Gottes guter Wille solches über sie verhängt, dann will das mit Geduld und Gehorsam getragen werden. Geht es doch um die Nachfolge des Bräutigams. Das Abendmahl löst uns aber nicht aus der Gemeinschaft der Brüder, seine Feier führt uns nicht in die Vereinzelung des mit dem Herrn allein Bleibenden, sondern ist eine Gelegenheit zur Gemeinschaft; darum gehört zu der Vorbereitung die Mahnung zum Opfer für die armen Christen. Zuletzt: Die am Mahl teilnehmen wollen, müssen „in der ütherlicken disciplyn vnde vthslutinge edder Ban tho holdende vnde tho richtende/ nicht allene vorwilligen sunder ock ere flith/rath/vnde dadt anleggen/ein dem andern vormanen/leren vnde straffen/ein van dem andern solckes dulden/vnde Godt helpen bidden/dat he syne Kercke wedderumme nha velen gruweliken missbruken vnde vorwöstinge wolle dartho helpen“. 73 Diese Vermahnung ordnet Faber unter fünf Punkten und fügt jedem Punkt Bibelstellen bei. Es wird sich dabei wahrscheinlich um Stichworte eines in der Vorbereitungspredigt zu entwickelnden Gedankenganges handeln, wenigstens ist ein feststehendes Vorbereitungsformular aus dieser Zeit nicht bekannt. Da jedoch auch die Londoner Kirchenordnung sich vor der Mitteilung formulierter Ansprachen scheut, aber sehr oft die Gedankengänge und Aufrisse der verschiedenen Handlungen mit entsprechenden Aufstellungen für die nötigen Anreden und Ermahnungen vorsieht, unter reichlicher Mitteilung übrigens von festen Gebeten, so haben wir auch in den Angaben Fabers mehr zu sehen als nur einen freien Gedankengang, dessen Inhalt nicht weiter verpflichtet. Im Gesamtaufbau der 76 Viertes Kapitel 71 Wie oft das Abendmahl gefeiert wurde, ist unbekannt. Wahrscheinlich hat der Kirchenrat es feiern lassen, wenn er es für tunlich hielt, wie es Mikron nach 1557 für Norden bezeugt. Gerretsen, 69f. 72 II, 122. 73 G iij. EmderAbendmahlsfeier enthält der Aufriß genau das, was einem Hörer angesagt werden muß, der zum Abendmahl kommen will. Der Besuch des heiligen Mahles ist nicht voraussetzungslos, er ist an Bedingungen geknüpft, die unumgänglich sind und darum niemandem erspart werden können. Heilserkenntnis, lebendiges Tatbekenntnis, Leidenswilligkeit, Opferbereitschaft, Unterwerfung unter die Zucht, das sind die Bedingungen und damit die Kennzeichen für einen rechten Abendmahlsgast. b) Die Beichte. Der Vorbereitungsgottesdienst hat den Sinn, der Gemeinde über den Entscheidungsgehalt des Hinzutretens zum Tisch des Herrn den nötigen Aufschluß zu geben. Denn die Taufe begründet keineswegs auch das Recht zur Teilnahme am Abendmahl, insofern sie die Unterweisung und das Bekenntnis des Getauften als Bedingung für die Teilnahme fordert. Sie geht dem Leben des Glaubens in dem einzelnen Gläubigen, es begründend und auf die Mitte des Evangeliums, den Tod Christi für uns ausrichtend, voraus als die Tat Gottes an uns. Wie die Taufe den Unreinen als rein darstellt, so kann es dem einzelnen nicht erspart werden, eine klare Einsicht in diesen Tatbestand zu gewinnen und die durch Lehre in Predigt und Unterweisung gewonnene Erkenntnis auszusprechen. Das geschieht in der Beichte und Prüfung. Beiden Handlungen ist ein weiterer Gottesdienst gewidmet, dessen Zeitpunkt später der Sonnabend vor dem Abendmahlssonntag ist. Ob es so auch von a Lasco gehalten worden ist, bleibt ungewiß. Dieser Gottesdienst ist im Chor gehalten worden. 74 Den Beichtgottesdienst beschreibt Faber mit folgenden Worten: „In der andern vormaninge leren wy/wat dat Auentmal sy/van weme ydt sy yngesettet/vnde tho wat ende ydt sy ingesettet/wo ein yder Christen dat tho holden/in ware gehorsam schuldig sy/wo se behören geschicket tho syn/vnde sick tho pröuende/de ydt ydt holden willen/vnde eren gelouen dardorch bekennen/Darna vordern wy der gemene bekentenisse/van warer ruwe/geloue/vnde nye gehorsam/vnde vorkündigen den bothuerdigen vorgeuinge erer sünde/dorch Jesum Christum den vnbothuerdigen auerst vpholdinge erer sunde/vnde den torne Gades.“ 75 Gehört der Vorbereitungsgottesdienst der ganzen Gemeinde, damit jeder wissen kann, was von ihm erwartet und gefordert wird, wenn er zum Abendmahl kommen will, so ist dieser Gottesdienst für die Teilnehmer bestimmt. Ihnen wird in der Predigt die Lehre vom Abendmahl auseinandergesetzt. Hier ist auch die Stelle, um die näheren Bedingungen zu erläutern: die Teilnahmepflicht für jeden, der sich gemäß den in der Vorbereitungspredigt genannten Punkten für teilnahmefähig findet, und die damit zusammenhängende Pflicht zur Selbstprüfung; bekennt doch jeder Gast durch die Teilnahme selbst seinen Glauben. Die Beichte wird in der Form der öffentlichen, allgemeinen Beichte gehalten. Faber Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 77 74 Am 6. Februar 1568 wird beschlossen, wegen der Menge der Prüflinge die Prüfung aus dem Chor in das Kirchenschiff zu verlegen. 75 G iij. läßtdeutlich werden, daß der Gemeinde Fragen gestellt werden, auf die sie mit „ja“ zu antworten hat. Die Fragen handeln von der Reue, dem Glauben und dem neuen Gehorsam, worauf die Löse- und Bindeformel gesprochen wird. 76 Schon die Lüneburger Ordnung hatte die Beichte vorgesehen. 77 Sie hatte hier die Form der Einzelbeichte, ohne daß eine bestimmte Form vorgeschrieben wäre. Und bereits hier klingt die Sorge durch, dem Sakrament jene Wirkkraft zu erhalten, durch die es Gemeinde schafft. Doch die zu große Nähe zu vergangenem Leben läßt diese Absicht zuletzt im Dunkel; vor dem grundsätzlich Neuen in der Ordnung a Lascos weicht die Lüneburger Ordnung ohne weitere Spur zurück. Das Anliegen wurde von der neuen Form aufgenommen. In der Gemeinschaft stand aber jetzt der Sünder mit dem Diener und den andern Abendmahlsgästen vor Gott, und über die Einzelheiten, denen die Einzelbeichte Raum zur Aussprache gab, hinweg ließ der Beichtgottesdienst das Bekenntnis der Sünde in den Sünden laut werden, um den Sünder mit diesem Bekenntnis an Christus zu weisen und sein Leben als geheiligtes und Gott geschuldetes aufzuzeigen. Man kann einwenden und dieser Form der Beichte entgegenhalten, daß sie nicht in Wahrheit den Sünder lossprechen könne, da sie ja die Entscheidung über die Echtheit des Bekenntnisses dem einzelnen überlasse und so den Trost der Beichte und der Lossprechung vermissen lasse. Diesem Einwand gegenüber macht die Form der Beichte als Tat der Gemeinde geltend, daß der Trost der Vergebung an der sakramentalen Gegenwart Christi hängt, die durch kein stellvertretendes Handeln, sondern nur durch ein zeigendes Tun der Kirche vermittelt werden kann. Soweit ich sehe, wirkt sich in dieser Form der Grundgedanke der Sakramentslehre formbildend aus. Die Beichte greift in die Majestätsrechte Christi nicht ein, sondern wahrt jene Zurückhaltung, die dem Menschen geboten ist. Der Priester, der Macht hat, Sünden zu vergeben, wird durch diese Form in der Gemeinde eine unmögliche Erscheinung. Die Entscheidung über Glauben oder Unglauben, über Aufrichtigkeit des Sündenbekenntnisses und Heuchelei wird vielmehr in die Begegnung des einzelnen mit dem Wort zurückverwiesen. Die so zutage tretende Auffassung von der Beichte läßt darum auch die Stellung der Gemeinde vor dem Abendmahl als Gemeinschaft der Sünder ganz anders hervortreten als die Einzelbeichte. Sie fordert für das Abendmahl 78 Viertes Kapitel 76 Korte Bekendtenisse, 145f. Es scheint mir, als ob diese liturgische Gestaltung der Beichte die Form des Kort begrijp doch schließlich für Emden unmöglich mache, wonach ja jeden Sonntag die öffentliche Beichte in der Bekenntnisliturgie gehalten wird. Doch kennt auch die Abendmahlsliturgie der Forma ac ratio II, 138ff. die öffentliche Beichte in der Emder Form nicht. Die sonntägliche Beichte und die Abendmahlsbeichte mit ihren Fragen scheinen einander auszuschließen. Falls diese Schlußfolgerung zutrifft, wird für die Emder Gottesdienstordnung schon in ihrer Form vor 1555 die Bekenntnisliturgie in Wegfall kommen. Der Emder Gottesdienst wäre dann nach Ausmerzung der Lüneburger Ordnung, also spätestens seit 1546, in der einfachen Form verlaufen, die den Gottesdienst der ostfriesischen reformierten Gemeinden kennzeichnet. 77 ZKR 26, 155f. selbstals entsprechende Form das Gemeinschaftsmahl und drängt von selbst auf die Tischgemeinschaft, auch wenn diese vorerst für Emden nicht eingeführt wird. Insofern hilft die Beichte mit dazu, daß die Gemeinde nicht aufgelöst wird in einen Haufen von Einzelnen und Einsamen, sondern zu der Einheit der Gemeinde verbunden wird. Sie verlegt den Antrieb zur Abendmahlsgemeinschaft in die entsprechende Gemeinsamkeit der Sünde unter Menschen, denen vergeben ist und die ihr Leben als neu geschenktes und darum dem Herrn geschuldetes begreifen dürfen. Die Beichte macht somit die Kirche sichtbar und hilft, wie die ganze Abendmahlsordnung, das Bekenntnis zur Gemeinschaft der Heiligen verwirklichen. c) Die Prüfung. „Dith gescheen“, fährt Faber nach Mitteilung der Beichtordnung fort, „holden wy ein flitige examinatie/wat ein yeder vam gesette vnde Euangelio/ vam gebruke der hilligen Sacramente/ vnde bedende gelert hefft/ holdt vnde gelöuet. Mat. 26. 1.Cor.10 vnde 11. Luc. 24. Ro. 1.2“. 78 Es fällt auf, daß die Prüfung auf die Beichte folgt. Denn die Prüfung spricht doch die neu Hinzutretenden an, die zum ersten Mal am Abendmahl teilnehmen wollen und durch die Ablegung der Prüfung ihre rechte Bereitschaft nachweisen wollen. Sinngemäß wäre es darum, daß die Prüfung der Beichte voraufgeht, da ja zu dem in der Beichte geforderten Bekenntnis bestimmte Erkenntnisse gehören. Wenigstens ist später die Reihenfolge der beiden liturgischen Teile in der Abendmahlsordnung umgekehrt. Die Prüfung bleibt dem Gottesdienst am Sonnabend, während die Beichte später auf den Frühgottesdienst am Sonntag morgen verlegt wird. Die Prüfung entsprang dem Grundsatz, niemanden zum Abendmahl zuzulassen, der nicht ein bestimmtes Maß an Erkenntnissen nachweisen konnte. Wenn es auch in den Angaben Fabers so klingt, als würde die ganze Gemeinde geprüft, die in der Beichte ein Bekenntnis ihres inneren Zustandes abgelegt hat, so darf doch im Blick auf den Brauch der späteren Zeit schon für jetzt vermutet werden, daß sich der Prüfung nur die Erstteilnehmer unterzogen. Denn schließlich war es für die Zugelassenen die Beichte, die dann das Anliegen der Unterweisung, die vollständige Heilserkenntnis, wieder aufnahm als das persönliche, ständig erneuerte Bekenntnis des einzelnen Tischgenossen. Die Prüfungsordnung hat später den Kirchenrat noch oft beschäftigt. Für den Anfang mag die Feststellung genügen, daß sie in der Kirche im Sonnabendgottesdienst stattfindet. Die sie ablegen, sind keine Kinder, sondern Erwachsene. Als Inhalt der Prüfung gibt Faber die Hauptstücke der christlichen Erkenntnis an: Gesetz, Evangelium, Sakramente und Gebet. Diesen Hauptstücken lag nach Ausweis der gesamten Katechismusliteratur der Reformationszeit ein bestimmter Text zugrunde. Die Zehn Gebote, das Apostolische Glaubensbekenntnis, das Unservater und die Einsetzung von Taufe und Abendmahl sind die Kernstücke des Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 79 78 G iij. „Katechismus“, d.h.der Unterweisung im allgemeinen Sinne. Wenn in der frühen Literatur das Wort Katechismus erscheint, dann ist damit nicht immer auch schon ein formulierter Text gemeint, sondern es klingt die ursprüngliche Bedeutung an, nach der der Katechismus eben die Unterweisung ist. Der Ausdruck überträgt sich dann auf den formulierten Unterweisungsstoff, und die Katechismen sind schließlich nichts anderes als mehr oder minder umfassende Erläuterungen der Grundbestandteile der katechetischen Bildung. Wie diese Unterweisung in Emden vor der Einführung des Großen Katechismus im Jahre 1546 geregelt gewesen ist, wissen wir nicht. Ob die Behauptung des Gegenberichts, daß in Ostfriesland vor a Lasco vielfach die Katechismen von Luther und Brenz gebraucht wordenseien79,auch für Emden zutrifft, oder ob die Vertreter der Emder Gemeinde auf der Dordrechter Synode mit der allgemeiner klingenden Behauptung recht haben, wenn sie in ihrem Gutachten über die Katechismuslehre in der Emder Kirche zu Protokoll geben, daß von Anfang der Reformation an auf die Unterweisung der Kinder und Jugendlichen in den Anfangsgründen christlicher Lehre besonders Bedacht genommen sei und „die Diener Diener zu dem Zweck zuerst eine bestimmte Form des Katechismus, jedoch eine kurze und einfache gehabt“ hätten, mag dahingestellt bleiben. 80 Feste Überlieferungen auf dem Gebiet der Unterweisung haben sich vor a Lasco noch nicht herausgebildet. Wenn die Emder Synodalen das Wort Katechismus gebrauchen, dann tun sie es mehr in dem Sinne von Unterricht. Das schließt nicht aus, daß manch einer sich für den Zweck der Unterweisung selbst das Nötigste zusammengestellt hat. Daß noch länger alles in Fluß blieb, läßt der Emder Bericht ahnen, wenn er sagt, eine Visitation würde ergeben, daß „vele Pastores erfunden scholden werden/ de gar nenen Catechismum lehren“ ( 1594!). 81 Von Emden berichten die Dordrechter Abgeordneten weiter: „Als allmählich in Emden und den umliegenden Gauen die Zahl derer wuchs, die das Papsttum verließen und zum Bekenntnis des Evangeliums kamen, haben sie (die Diener) einen ausführlicheren Unterricht schriftlich entworfen und den Hörern eingeprägt. Zur Zeit Johannes a Lascos aber ist es jener große und sorgfältig ausgearbeitete Katechismus gewesen, den der heute gebräuchliche in seinem Vorwort erwähnt und der in der Stadt Emden und auf dem Lande, wo die Lehre des Evangeliums angenommen war, der Gemeinde überliefert und ausgelegt wurde.“ 82 Damit ist für die katechetische Arbeit in Emden ein fester Ansatzpunkt gewonnen, der den freien Verhältnissen und der Willkür des einzelnen ein Ende macht. Die Entstehungsgeschichte des Großen Katechismus, dessen ostfriesische Fassung nie gedruckt wurde und verloren ist und der nur in der nieder- 80 Viertes Kapitel 79 Garrelts, 110. 80 Acta Synodi (...), 36f: „(...) primum habuere Ministri scriptam quandam Catechismi formam, brevem et simplicem, quam junioribus instillare paulisper coeperunt.“ 81 Bericht, 176. 82 Acta Synodi, 137. ländischenÜbersetzung Utenhoves erhaltenblieb83,führt in die Zeit, da a Lasco sein Superintendentenamt zum Protest gegen die mangelnde Unterstützung der Regierung in der Frage der Lehreinheit und der Zucht der Prediger niedergelegt hatte. Dieser etwa acht Wochen dauernde Zustand ist der Emder Kirche zugute gekommen, wie thom Camp in seinem Brief vom 7. April 1546 an Pellikan bezeugt. 84 Im unmittelbaren Anschluß an die vorhin wiedergegebene Stelle fährt er fort: „Schon schreiben sie einen Katechismus, und, wenn er herausgegeben ist, werden sie das Übrige, was der Kirche noch fehlt, reformieren. Bitte mit den Brüdern den Herren, daß der Herr seiner Kirche bei diesem so sehr schönen Unternehmen beistehen wolle.“ Er schreibt auch über die drei Gelübde gegen die polnischen Bischöfe. Außerdem verfaßt er in sehr gelehrter Weise Fragen über das Ganze der christlichen Lehre. Er plant noch zwei Büchlein gegen die Täufer und die Berufung der Diener jener Sekte, „was alles noch in diesem Sommer, wenn Gott will, in Emden gedruckt werden soll, denn wir haben aus Antwerpen einen guten Buchdrucker bekommen“. Nach der Mitteilung, daß Butzer einen Brief über das Abendmahl gesandt hat, „ davon wir, wenn ihr wollt, euch einmal ein Exemplar schicken könnten“85,wird berichtet, daß Calvin den Dienern seinen Katechismus gewidmet habe, und daß ihm amtlich geantwortet werden soll, „und zugleich wird angedeutet werden, was wir in der Behandlung der Abendmahlslehre zu bemängeln haben. Euer Katechismus hat vielen so gefallen, daß einige ihn in unsere Sprache übersetzt haben und ihrer Kirche vorlegen. In unserem Katechismus haben wir den eurigen aufs stärkste benutzt.“ 86 Diese aufschlußreiche Briefstelle erlaubt, die Fertigstellung des Katechismus in die Zeit des Frühjahrs 1546 zu setzen. Wie auch auf dem Gebiete der Gottesdienstordnung die führenden Männer der Emder Gemeinde sich in diesem Jahre an eine weitere Umgestaltung des Vorhandenen gemacht haben, ohne noch weiter auf die Regierung große Rücksicht zu nehmen, so haben sie auch die Aufgabe einer einheitlichen Unterweisungsgrundlage zu lösen versucht. Nach den Aussagen thom Camps scheint es, als ob zwei Unternehmen nebeneinander hergegangen seien; er redet einmal von den Predigern, die einen Katechismus schreiben, und, wenn man auf den letzten Satz der Briefstelle Gewicht legen Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 81 83 II, 341- 475; Einleitung I, LXXXI- XCVIII. Utenhove bezeugt die Übereinstimmung seiner Übersetzung mit dem Emder Katechismus. II, 347. 84 Siehe S. 54 dieser Arbeit, Anm. 24. 85 Über diesen Brief Butzers vom 16. April 1545 siehe S. 121 dieser Arbeit. 86 Ich setze die für die Geschichte des Großen Katechismus aufschlußreichen Sätze her: „Jam conscribunt (=die Emder Prediger) Catechismum, qui posteaquam aeditus est, reliqua, quae Ecclesia desunt, reformabunt. In Dominum cum fratribus ores, ut Dominus suae Ecclesiae in hoc pulcherrimo instituto adesse velit (...). Praeterea Erothematha totius doctrinae Christianae componit (=a Lasco) doctissime (...). Vester Catechismus ita multis placuit, ut in nostrum idioma transtulerint quidam ac suae Ecclesiae proponant. In nostro Catechismo maximo usui nobis est vester.“ darf,der von „unserem“ Katechismus redet, bei ihrer Arbeit den Katechismus Leo Juds von 1541 benutzt haben würden, und von a Lasco, der in höchst gelehrter Weise über das Ganze der christlichen Lehre Fragstücke (erothemata) verfaßt. Über diese Arbeit a Lascos spricht bereits am 23. März 1545 Hardenberg, der aus Bonn an die Züricher schreibt: „Wenn ihr die Lehrart des Abrisses nicht begreift, kann ich euch seine Fragstücke zur ganzen Lehre schicken, die die öffentliche Lehre enthalten.“ 87 Danach müßte a Lasco bereits 1545 zum Ersatz für den Lehrabriß der ostfriesischen Kirchen ein neues Lehrbuch in Katechismusform verfaßt haben, an dem er dann das ganze Jahr hindurch weiter gearbeitet haben mag. Wenigstens scheint a Lasco sehr bald nach seinem Amtsantritt sich an die Ausführung des Gedankens begeben zu haben, für den Unterricht ein katechetisches Werk zu schaffen. Zumindest von zwei geschriebenen Katechismen sprechen auch die Dordrechter Abgeordneten. Sie sagen ausdrücklich, daß die Diener einen ausführlichen Unterricht schriftlich entworfen hätten, aber sie unterscheiden diesen Katechismus ebenso deutlich von einem zweiten, von dem sie sagen, daß er zur Zeit a Lascos gebraucht worden wäre. Diese Äußerung aus dem Jahre 1620 braucht nicht unbedingt den geschichtlichen Tatbestand vollkommen richtig wiederzugeben, sie hätte dann aber eine Erinnerung daran bewahrt, daß der Unterricht jeweils nach verschiedenen Katechismen erteilt worden ist. Man kann natürlich thom Camps Angaben mit denen der Synodalvertreter zusammenhalten, muß dann aber dem Zeitgenossen thom Camp zubilligen, daß er den geschichtlichen Tatbestand richtiger wiedergibt, wenn er von zwei nebeneinander entstandenen Katechismen spricht. Da es nicht gut denkbar ist, daß thom Camp in dem gleichen Brief, beinahe in dem gleichen Satz, die Entstehung eines Katechismus verschiedenen Verfassern zuspricht, so bleibt nichts anderes übrig, als die Behauptung aufzustellen, daß auf alle Fälle an zwei Katechismen gearbeitet worden ist. Dadurch wird die ganze Katechismusfrage neu gestellt; denn bisher galt es als ausgemacht, daß der Große Katechismus a Lascos sich mit dem von Utenhove in London übersetzten deckt. Es würde vielmehr bereits 1546 genauso gegangen sein wie acht Jahre später, wo auch zwei Katechismen, nämlich von Gellius und von a Lasco, nebeneinander entstanden und gedruckt werden sollten. 88 Ich weise noch da- 82 Viertes Kapitel 87 „Si genus doctrinae non adsequimini ex compendio (=Epitome), mitto ad vos Erothemata ipsius in totam doctrinam, quae apertam habent doctrinam.“ Man kann die Angaben über die beiden Katechismen kombinieren, indem man der Arbeitsgemeinschaft der Emder Prediger die Übersetzung und Überarbeitung der sicher lateinischen Arbeit a Lascos zuschreibt. Das eine ist klar, daß auch die Emder Katechismen nicht die Arbeit eines einzelnen sind, sondern wie der Heidelberger aus gemeinschaftlichen Bemühungen um die rechte Fassung der Lehre und die passende Gestaltung der Form stammen. Damit verlieren sie zwar an Bedeutung für die Biographie a Lascos, gewinnen aber für die Lehrgeschichte Emdens erhebliche Wichtigkeit als Zeugnisse des damaligen reformierten Gemeindebewußtseins. 88 Siehe S. 123ff. dieser Arbeit. Zum folgenden Satz darf auch darauf hingewiesen wer- raufhin, daß die Synodalvertreter nicht sagen, daß a Lasco der Verfasser des zu seiner Zeit gebräuchlichen Katechismus gewesen sei. Dadurch stützen sie mittelbar thom Camps Angaben. Es bleibt noch eine Aussage zu prüfen. Thom Camp weist darauf hin, daß die Emder bei ihrer Katechismusarbeit den Züricher Katechismus benutzt hätten. Nun hat Lang aufs deutlichste nachgewiesen, daß der unter dem Namen a Lascos gehende Große Katechismus sich des Züricher von Leo Judae als Vorlage bedient hat. Es handelt sich dabei um einen Katechismus, der aus 213 Fragen besteht und selber eine weitere katechetische Arbeit des Südens zur Voraussetzung hat. Die Benutzung dieses Katechismus bezieht thom Camp auf den Emder Katechismus, den die Prediger verfaßt haben. Nach seinem und Hardenbergs Zeugnis hat a Lasco also mindestens bereits 1545 an einem katechetischen Werk gearbeitet, das man aber nach allen auf den Großen Katechismus bezüglichen Angaben von diesem letzten unterscheiden muß. Ich will nicht bestreiten, daß a Lasco an dem Großen Katechismus mitgearbeitet hat, aber seine alleinige Verfasserschaft ist durch alle Zeugnisse ausgeschlossen, ja, es gibt auch für seine Mitwirkung keinen ausdrücklichen Beweis. Zu der niederländischen Übersetzung des Emder Großen Katechismus hat Utenhove ein Vorwort geschrieben, das zwar angibt, es handele sich bei seiner Übersetzung um den Katechismus, den man in Ostfrieslandgebrauche89,aber mit keinem Wort deutet er an, daß es sich um ein Werk a Lascos handele. Kuyper hat gemeint, er könne eine briefliche Äußerung a Lascos vom 1. Januar 1554 als Beweis für a Lascos Verfasserschaft heranziehen, wo nämlich a Lasco an Hardenberg schreibt: „Und so sind wir unter uns überein gekommen, daß drei Katechismen zugleich herausgegeben werden: der größere, den wir hier alle miteinander gestaltet haben, der des Gellius mit wenigen Veränderungen und ein dritter ganz kleiner für die kleineren Kinder.“ 90 Unbestreitbar bezieht sich der Ausdruck „ der größere Katechismus“ auf das Werk von 1546, denn a Lasco war erst im Dezember 1553 nach Emden gekommen, und der zweite Emder Katechismus ist erst am 6. Oktober 1554 von den Emder Predigern bevorwortet worden. Es handelt sich also bei dem großen Katechismus um ein Gemeinschaftswerk der Emder Prediger. Wie weit die Sonderarbeit a Lascos in diesem Katechismus verarbeitet worden ist, läßt sich natürlich nicht sagen, da a Lascos Katechismus von 1545/ 46 unbekannt ist. Die erwiesene Verwandtschaft der beiden Katechismen von Zürich und Emden macht erneut die außerordentlich starken Beziehungen Emdens zu Zürich sichtbar, so daß man versucht ist, im Zusammenhang mit auch sonst allenthalben auftauchenden Verbindungslinien, die nach Zürich wei- Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 83 den, daß ebenfalls Utenhove nicht von der Verfasserschaft a Lascos spricht, sondern von dem Katechismus, den man in Ostfriesland gebrauche. II, 347. 89 II, 347. 90 II, 696; I, LXXXII. sen,von einem Zeitraum der Emder Kirchengeschichte zu reden, der unter dem vorherrschenden Einfluß Zürichs steht. Mit der Einführung des Großen Katechismus mündet die katechetische Arbeit der Emder endgültig, wie so manches andere in diesen Jahren, in den großen vielarmigen Strom der von Luthers Werk beeinflußten und doch bezeichnend unterschiedenen Lehrform, die auch einen selbständigen Typus reformatorischer Unterweisung hervorgebracht hat. Das Fragenbüchlein von 1546 hat den offenbar mehrfachen Wechsel in den Unterrichtsgrundlagenbeendet91, um in der neuen Form vom Jahre 1554 der Emder Kirche für mehr als drei Jahrhunderte ihr Lehr- und Unterrichtsbuch zu geben. In die Hände der Gemeinde ist der nicht gedruckte Katechismus nie gekommen. 92 Daß er deshalb auch nicht in seinem Wortlaut Gegenstand der Prüfung sein konnte, darf als selbstverständlich gelten. Als Handbuch für den Unterricht kann er nur dann gedient haben, wenn er durch Abschriften in die Hände der Lehrer gekommen ist. Vielleicht darf höchstens an eine Benutzung in einem Katechismusgottesdienst gedacht werden. Daß ein solcher Gottesdienst vor dem zweiten Aufenthalt a Lascos zu den Einrichtungen der Emder Gemeinde gehört hat, darf aus den Bemerkungen in der Einleitung des Katechismus von 1554 geschlossen werden. Es wird dort auf die Notwendigkeit katechetischer Unterweisung der Jugend hingewiesen und auf die Vermahnung der Prediger, sie möchten doch zur Heiligung des Sabbattages in ihren Kirchen nachmittags den Katechismus lehren. 93 Die Erfahrung habe gelehrt, daß der bisher gebrauchte Katechismus zu lang ist, um zweimal im Jahre, wie es wohl nötig wäre, behandelt zu werden. Danach war es die Absicht gewesen, im Katechismus der Katechismuspredigt einen Leitfaden zu geben. Die Emder Prediger würden ihre Amtsbrüder nicht zur Einrichtung solcher Katechismuspredigten aufgefordert haben, und sie würden nicht von Erfahrungen mit dem Großen Katechismus reden, wenn sie nicht selber Katechismusgottesdienste gehalten hätten. Die Einrichtung der Katechismuspredigt darf zu den Errungenschaften des Jahres 1546 gerechnet werden, denn die Äußerungen der Synodalvertreter bleiben doch zu unbestimmt, um darauf die Behauptung zu stützen, daß die Emder Gemeinde bereits früher die Katechismuspredigt als festen Bestandteil des gottesdienstlichen Lebens gekannt habe. Welchen Umfang daneben die katechetische Unterweisung der Schule über die Hauptstücke hinaus erreicht hat, muß bei dem Mangel an Quellen über den Schulbetrieb dieser Jahre dahingestellt bleiben. 84 Viertes Kapitel 91 Garrelts, Gegenbericht, 81; Acta Synodi, 36f. 92 Erst 1554 stellt a Lasco den Druck des Großen Katechismus von 1546 in Aussicht. II, 696. Vgl. die Bemerkung thom Camps über die Pläne in Betreff der Druckarbeiten in seinem Brief vom 7. April 1546: „(...) qui omnes (= die geplanten Bücher a Lascos und der Katechismus) hac aestate imprimentur, Deo volente, Embdae; nam Antwerpia impressorem bonum nacti sumus.“ 93 II, 497. DieKenntnisse, auch wenn sie einer gebundenen Form bis auf die Hauptstücke noch weiterhin entbehrt haben, dürfen als nicht zu gering gedacht werden. Die reformatorische Bewegung hatte für die geistig Regsameren in den Gemeinden eine unverkennbare Richtung auf das Wissen, die noch verstärkt wurde durch die ständige Berührung mit den sehr lebendigen Kreisen der Außerkirchlichen. Glaubensgespräche waren an der Tagesordnung, man kannte und besprach die Unterschiede in den Lehrfassungen, die unbestrittene Grundlegung aller Lehre durch die Schrift drängte darauf, sich auf die Bibel ständig zurückzubeziehen. So ging es in den Prüfungen nicht einfach nur um Angelerntes, sondern um die Erfragung eines lebendigen und beziehungsvollen Wissens. Schon die Tatsache, daß nur der Geprüfte zum Abendmahl kommen darf, mußte wie ein Sieb wirken. Die Prüfung war das Mittel, um die Übersicht über die Abendmahlsgäste zu gewinnen und zu behalten. In dieser Hinsicht wird die Prüfung für den Kirchenbegriff bezeichnend. Während die Predigt des Evangeliums an alle ergeht und im Blick auf die herzustellende Abendmahlsgemeinde zur Gemeinde herzurufen soll, läßt das Abendmahl diese Gemeinde sichtbar werden. Denn: „Wat segt ghi van den ghenen die dat Auentmael met den Ghemeynte Christi nummermeer houden? Antwoorde: Die behooren den lichame Christi nyet toe, wen sijt uut verachtinghe en hartneckicheyt achterlaten, namelije waneer sijt met des Heeren ordinancie becomen moghen, ende nochtans euen verachten te ghebruycken.“ 94 Daß irgendein Zwang zur Teilnahme an der Prüfung ausgeübt worden wäre, ist nicht bekannt. Von der Erwartung war allerdings jeder Predigthörer umgeben, daß er als getauftes Glied auch zu seiner Zeit den Schritt zum Tisch des Herrn tun werde. Auch wenn ständig bedacht wird, daß das Einflußgebiet der reinen Lehre das ganze Volk ist und das Bekenntnis der Lehre Obrigkeit und Untertanen verpflichtet, daß weiter die Kirche unter diesem Gesichtspunkt eine Veranstaltung ist, die dem Wählen und der Stellungnahme des einzelnen voraufgeht, so dringt mit der Ordnung, nach der die Abendmahlsgemeinde hergestellt werden soll, ein Gedanke in den Kirchenbegriff, der die Auffassung von der Kirche als Anstalt sprengt. Die Kirche im Sinne a Lascos ist gerade als Heilsanstalt wesentlich Genossenschaft. Und weil a Lasco über den Unterschied zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche nicht weiter nachdenkt, dringt das verkündigte Evangelium mit den in der Gemeinde bedienten Sakramenten auf die Bildung einer sichtbaren Bekenntnisgemeinschaft. Christliche Kirche und Gemeinschaft der Heiligen sind im Großen Katechismus als auswechselbare, gleichwertige Begriffe in einer Frage behandelt. 95 Ein Leib unter einem Haupt, das ist die sich in der Geschichte immer wieder neu verwirklichende Gestalt der Kirche. 96 In diesem Zusammenhang ist darum Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 85 94 II, 473, Frage 248. 95 II, 435, Frage 168. 96 Holstein, Grundlagen, 28ff. Zum Kirchengedanken der Emder Reformation vgl. Kapitel 11 im Teil 2. diePrüfung mehr als nur Feststellung des Wissens; als Tür zum Abendmahl bekommt die Aussage des Gefragten die Bedeutung, die Stelle zu bezeichnen, an der der Zuzulassende steht. Es ist ein Wissen, das verpflichtet. Da die Prüfung freiwillig abgelegt wird, bekommt Emden eine überraschende Nähe zur Gestalt der Freiwilligkeitskirche, dies Wort in dem Sinne genommen, daß die Prüfung die Bindung bejaht und ausspricht, welche bereits in der Taufe als bestehend bezeugt ist. d) Austeilung und Danksagung. Ich gebe wieder Faber das Wort: „In der drüdden vormaninge/de im handel des Auentmales geschüt/vormanen wy de Gemene/thom ersten/dat se ere herten tho dem Heren vorheuen/betrachten de geheimenissen des auentmals/in welckeren Christus yegenwerdich den botuerdigen spyset/ vnde drencket/ mit synem waren lyue vnde blode/ thom ewigen leuende/ vp dat he mit em voreiniget/vnde se in em yngelyuet mehr/vnde mehr fleisch van synem fleische/vnde knaken van synen knaken werden. Ephe. 5. Thom andern/ vp dat ein yder der woldadt Christi em gescheen/ vnde der vorgeuinge syner sunde am galgen des crützes em voruorwen/desto sekerer sy/vormanen wy wy em/ dat he mit warem vasten gelouen/ sunderliken vp de worde vnde thosage Christi mercke/ vnde sick desülue annemen/ vnde thoegene/ als he van synem lyue vnde blode spreckt/ dat vor yuw gegeuen vnde vor yuw vorgathen wert/ thor vorgeuinge yuwer sunde/ vnde seggen mit vastem vortruwende/ wo Paulus deyt Christus hefft my geleuet vnde hefft sick süluest vor my gegeuen. Gala. 2. Thom drüdden/ vp dat de gemene solcke vullenkamen vnde vnentlicke leue Christi ernstliker betrachte/ so vormanen wy er/ dat se by der brodtbrekinge vnnde vthdelinge des bekers gedencke/ dat de HEre Jhesus Christus sick am stamme des crützes hefft laten breken vnde syn blodt vorgathen/ vnde dorch dith einige opffer de ewige vorlösinge eruorwen/ vnde allent wat tho der minschen salicheit nödich was/ also dat wy im gelouen der vordenste Christi so rein/ hillich vnde rechtuerdich im gerichte Gades syn/ alse Christus/ vnde so weinich können vordömet werden alse Christus van der rechtern synes vaders vorscheiden/ mit vns scholde vordömet können werden/ des alles vns dat Auentmal ein sekere gewisse tüchenisse vnde vorsegelinge ys. Heb. 9.10. 1. Cor. 1. Rom. 8.“ 97 Diese vor der Austeilung des Abendmahls an die Gemeinde gerichtete Vermahnung hat nach Ausweis der Protokolle erst Jahrzehnte später eine schriftliche Festlegung erfahren. 98 Was Faber hier mitteilt, ist wieder wie in der Vorbereitung ein Gedankengang, der von dem Prediger aufgenommen werden soll. Die drei Teile der Vermahnung spielen in den Formularen, in deren Umkreis die Emder Liturgie ihre Stelle hat, eine bestimmte Rolle, aber ihr Inhalt ist weder in der Forma ac ratio a Lascos noch in den Ordinantien Mikrons noch auch 86 Viertes Kapitel 97 Antwert G iij-iiij. 98 Protokoll vom 9. Januar 1576. indem späteren Emder Abendmahlsformular der gleiche. 99 Daß bei Faber eine klare Gliederung erscheine, kann nicht wohl behauptet werden. Die Bibelstelle aus Epheser 5, die Faber im ersten Absatz seiner Vermahnung anführt, erhält auch in den Ausführungen a Lascos, besonders in den Abendmahlsfragen der Emder Katechismen zur Unterstützung des Gedankens über die Herstellung der Gemeinschaft des Herrn mit dem Gläubigen, eine ausgezeichnete Stelle. 100 Nach dem zweiten Absatz ist es die Absicht des Abendmahls, den Glauben auf die Worte und die Zusage Christi zu richten; die hat sich der Abendmahlsgast zuzueignen, an die hat er sich zu halten. Und im dritten Absatz heißt es dann geradezu, daß die Handlung des Brotbrechens und der Austeilung des Kelches ein Anlaß zum Gedenken an die Leiden Christi sei, ein Gedanke, der die Austeilungsformel der Londoner Kirchenordnung völligbeherrscht101,und der bei Westphal höchste Erregung hervorgerufen hat. 102 Ob nun schon damals in Emden bei der Austeilung des Abendmahls die Spendeformel gebraucht worden ist, die uns für das Jahr 1555 als Emder Brauch von Mikron bezeugtwird103, darf zwar angenommen, kann aber nicht bewiesen werden. Nach a Lasco würde es diese Formel gewesen sein: „Nehmet, esset, und gedenket daran, daß der Leib Christi für uns am Stamme des Kreuzes in den Tod gegeben ist zur Vergebung aller unserer Sünden.“ Ebenso lautet die entsprechende Formel bei der Darreichung des Kelches: „Nehmet, trinket und gedenket daran, daß das Blut Jesu Christi für uns vergossen worden ist am Stamme des Kreuzes für alle unsere Sünden.“ 104 Wenn der Hager Pastor Martin Faber 1555 Westphal über die Auslassung der Worte Jesu: das ist mein Leib usw. berichtet, so meint er damit sicherlich die Spendeformel, deren Wortlaut allerdings die Worte aus dem Einsetzungsbericht nicht hat und auch vor 1554 vielleicht schon nicht mehr enthielt. Doch bleibt es immerhin möglich, daß die Rückkehr a Lascos nach Emden erneute Veränderungen auch in Einzelheiten brachte, und daß darum die Spen- Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 87 99 II, 161f. Für Mikron s. Mayer’schen Druck, fol. 71-74.Richter, KO II, 108 läßt die Vermahnung aus. Das Emder Formular findet sich dem Enchiridion von 1630 beigebunden in sassischer Sprache. Ebenfalls ist es dem Warhafftigen Bericht über das Abendmahl beigegeben; in der Ausgabe von 1591 Seite 342-372. 100 II, 471, Frage 244; II, 531, Frage 67. 101 II, 163f. Richter II, 108. 102 In der Justa defensio von 1555 und noch in der Confessio fidei von 1557 kommt Westphal auf die Austeilungsformel der Ostfriesen zu sprechen. Die Schriften selbst waren für mich unerreichbar. Vgl. Gerretsen, Mikron, 97- 100; Sillem, 189ff. 198ff., besonders 215. Die Auseinandersetzung Mikrons mit Westphal und Martin Faber erfolgt erst nach 1554, so daß daraus geschlossen werden kann, daß die Emder erst jetzt die Londoner Formel kennengelernt haben. Faber war seit 1551 im Lande. Reershemius, 188-190; Bertram, a Lasco, 191- 195. 103 Gerretsen, Mikronius, 69ff. bringt die Beschreibung der Norder Ordnung. Bertram, 195, Anmerkung sagt von der Formel, „ daß sie zu Norden/ Emden und an andern Orten/ dazumahl gebraucht worden“, und beruft sich für seine Behauptung ausdrücklich auf Mikron. 104 II, 163. deformelvor 1554 anders gelautet hat. Gellius Faber bringt über die Mitteilung der Abendmahlsvermahnung hinaus nichts, weder die Austeilungsformel noch einen Hinweis, der erkennen ließe, was während der Austeilung geschieht. Ob gesungen worden ist oder ob einzelne biblische Kapitel gelesen wurden, läßt sich nicht sagen. Die Lüneburger Ordnung sah während der Austeilung den Gesang der Schüler vor. 105 Für Norden bezeugt Martin Faber die Lesung von Johannes 13 und 1. Korinther5106,was über die Norder Prediger Rhode und Reese als Überlieferung aus den Kreisen um Wessel verständlich wird, für die die Lesung von Johannes 13 bis 18 beim Abendmahl bezeugt ist. 107 Da zu der Abendmahlsfeier auch die Zucht gehört, werden vor der einleitenden Vermahnung auch die Zuchtfälle der Gemeinde vorgetragen worden sein. Faber redet nur von Schuldbekenntnissen, die einzelne Übertreter vor der Gemeinde abgelegt haben, aber da seine Mitteilungen sich gegen den Vorwurf der Wiedertäufer richten, daß überhaupt nicht ernsthaft auf Zucht gehalten werde, so darf auch an andere Maßnahmen, an die Fürbitte für Verstockte und an den Bann selbst gedacht werden, wenn auch die Zuchtfragen nach 1554 stärker behandelt sein mögen als vorher. War das Abendmahl beendet, dann hielt der Prediger eine Danksagung. „ Thom lesten/ dat ys/ vort na dem Auentmale reitzen wy de Gemene thor dancksegginge/ vnde vormanen se dat se Gade dem vader dancken.“ Die Danksagung stellt die Wohltaten der Sendung Christi noch einmal heraus und bezieht den Dank der Gemeinde auch darauf, daß Gott „de denst des hilligen Euangelions/ vnde de hillige Christlike Kercke/sampt der gewöntliken vorsammelinge/ der dyth Sacrament ein bandt ys/erholdet vnde beschermet“. 108 Ebenso richtet sich der Dank an den Sohn selbst für sein hohepriesterliches Werk. Überschaut man das Ganze der Abendmahlsordnung, so gewinnt man den Eindruck, daß bereits 1554 alle Bestandteile, die die Ordnung der Londoner Gemeinde auszeichnen, schon in Emden vorhanden gewesen sind. A Lasco hat das in Emden Geschaffene in London weiter ausgebaut, begünstigt durch die ungleich leichteren Bedingungen, unter denen die Fremdengemeinde in London arbeiten konnte. Die Emder Einrichtungen und Erfahrungen sind ihm Quelle und Vorbild geworden. Und wenn das auch von der Abendmahlsordnung allein begründet nachgewiesen werden kann, so stärkt das doch die Vermutung, daß die anderen Stücke des Gottesdienstes sich ebenfalls von den überlieferten Formen schon jetzt entfernt haben, und daß London zugute gekommen ist, was die Emder Zeit an Erfahrungen und Einsichten vermittelte. 88 Viertes Kapitel 105 ZKR 26, 151: „Vnder dem dat dat volck communicert wort, so moegen de scholer im choer syngen den sanck Jesus Christus/effte Gad sy gelauet effte dat dudesche Lam Gads vnschuldich.“ 106 Sillem, 190. Die Angabe stimmt nicht ganz. 1. Kor. 5 bildete die Einladung. 107 Isinck, 166. 108 G iiij. Leiderschweigen sich die Quellen, die für diese Zeit in Frage kommen, über die Trauung und die Beerdigung wie über die Seelsorge so gut wie ganz aus. Da die Messe für diese Handlungen ebensowenig wie sonst mehr in Betracht kommt, so bleiben auch hier die Belehrung aus der Schrift und das Gebet allein als formgebende Bausteine übrig. Die Seelsorge wird weithin durch die Zucht bestimmt sein, und darüber hinaus der Auseinandersetzung mit den Lehren gedient haben, die die Gemeindeglieder ständig in den vielfach sektiererischen Strömungen berührten. Stellt man die Frage, ob der Grundansatz a Lascos in der Durchführung zur Geltung kommt, so ist die Antwort mit der Darstellung bereits gegeben. A Lasco geht davon aus, daß aus dem Gleichklang des Glaubens heraus alles gottesdienstliche und kirchliche Handeln zu gestalten sei. Für den Glauben aber hängt alles an dem Lautwerden des Evangeliums, an der Lehre. Überall, bei der Taufe, in der Anlage des Gottesdienstes, in dem großen Aufbau der Abendmahlsfeier steht darum die Lehre im Vordergrund. Wie das Abendmahl in seinen Einzelheiten erkennen läßt, wurzeln die einzelnen gottesdienstlichen Bräuche in diesem Ansatz. Auch sie stammen aus dem Gehorsam, auf den die Lehre als Quellort des Glaubens zielt. Denn was hier als Lehre wirkt, ist mehr als einsichtige Belehrung, die den Anforderungen des Verstandes genug tut. Lehre ist eine Macht, und als überlegene Macht begegnet sie dem Menschen, ergreift sie das Leben. Lehre ist Widerfahrnis von Gewalten, die der biblischen Botschaft innewohnen. Und gerade die überlieferte Form des kirchlichen Lebens wird als das Hindernis entdeckt, das dem Strömen der Lehre den Weg versperrt und darum weichen muß. Die Lehre wird als gestaltende Kraft erfahren, und sie schafft sich ihre Formen, darin sie dem Menschen begegnet. Fendt hat einmal versucht, den Unterschied zwischen der lutherischen und reformierten Weise, den Gottesdienst zu gestalten, zu beschreiben, indem er die übliche Beurteilung der Wertung, die in beiden Konfessionen die Schrift im Blick auf die zu suchenden Gottesdienstformen genießt, so faßt: „Der eigentliche Grund dieser Verschiedenheit lag nicht an der Bibel, sondern an der Einstellung auf die Bibel. Luther war selbst eine ‚ biblischePersönlichkeit‘, geworden aus der Bibel; die Schweizer waren christliche Persönlichkeiten von keineswegs geringerer Höhe, aber geworden aus mehr als der Bibel, nun allerdings genährt an der Bibel. Sehr zugespitzt könnte man sagen: Luther war die Bibel, die Schweizer benutzten sie. Daher Luthers Freiheit, der Schweizer Gebundenheit in der Schrift, in Fragen des Gottesdienstes.“ 109 Dieses „ mehr“, um Fendts Ausdruck aufzunehmen, wäre dann das, was die Reformierten am Luthertum als das Fehlende empfinden. Ebenfalls zugespitzt und mit einer leichten Verzerrung der wirklichen Gegensätze könnte man sagen, daß Männer wie a Lasco die Schrift nicht nur lasen, um Lehrsätze zu gewinnen, die auswendig gelernt werden können. Ihnen begeg- Die Emder Gottesdienstordnung a Lascos 89 109 Fendt, Der lutherische Gottesdienst des 16. Jahrhunderts, 1923, 268. netedie Schrift so, daß sie ihre Lehre als einen Zwang zur Übung erfuhren. 110 Daher das Drängen auf Verlassen der Überlieferung und auf das Brechen mit unerträglichen gottesdienstlichen Formen. Daher das Halten auf Zuchtübung als Zeichen der Einübung in der Lehre, daher die frühe Form der Freiwilligkeitskirche als Zeichen für die gelernte und darin auch geübte Lehre. Diese Erkenntnis bestimmte nachwirkend das Leben der Gemeinde und die Tätigkeit des Kirchenrates. Sie ist der Schlüssel zum Verständnis der gottesdienstlichen Formen, zu denen a Lasco in Emden den Grund legte. Und sie wurde vertieft durch die Probe, der die Anfänge durch das heraufziehende Unwetter des Interims unterzogen wurden. 90 Viertes Kapitel 110 „Disciplina“ ist bei a Lasco nicht nur die Zuchtübung, sondern die Ordnung des kirchlichen Lebens überhaupt. Vgl. die „Discipline ecclésiastique“ der Franzosen. FünftesKapitel Das Interim Für die Erforschung der Emder Kirchenordnung bedeutet das Interim nicht nur deshalb einen wichtigen Entwicklungsabschnitt, weil seine politischen Verwicklungen Ostfriesland eine neue Kirchenordnung brachten – nach der Bremer und Lüneburger die dritte, die der Politik ihre Entstehung verdankte –, die Wirren des Interims lassen vielmehr wie in einem Spiegel als Strahlen eines zerstreuten Lichtbündels die verschiedenen Wirkungskräfte zusammengefaßt erscheinen. Da sind die Männer des kirchlichen Lebens, ihre Anschauungen, ihre Beziehungen, da sind die Gegenspieler der kirchlichen Politik, da sind Grundsätze, deren Überprüfung das Interim gebieterisch erzwingt, da sind Ordnungsformen, die in Frage gestellt werden; genug, um alles in Bewegung zu setzen, was bisher der kirchlichen Entwicklung Gepräge und Gefälle gegeben hatte. Nach thom Camps angeführtenÄußerungen1hat das Jahr 1546/ 47 die Dinge sehr im Sinne a Lascos gewandelt. Die Einführung des Großen Katechismus und der Katechismuspredigt, die Ablegung des Chorrocks, die Neuordnung der kirchlichen Vermögensverwaltung durch Errichtung einerPfarrkasse2werden nicht die einzigen Neuerungen gewesen sein. Dieses Jahr wird besonders dazu beigetragen haben, um, wie der lutherische Gegenbericht sich ausdrückt, die Lüneburger Ordnung noch weiter unter die Bank zu schieben. 3 Und da vom Hofe kein Widerspruch erfolgt zu sein scheint, da vielmehr zu ihm ein gewisser Gegensatz bestand wegen des Ausbleibens der Unterstützung in den gesamtkirchlichen Angelegenheiten, so wird dies Jahr das Selbstbewußtsein der Gemeinde in ihren führenden Männern weiter gestärkt haben. Ja, nach Überwindung der Streitigkeiten mit dem Norder Prediger Lemsius dürfte a Lasco das Gefühl haben, daß die größten Hindernisse für einen gedeihlichen Fortgang der Dinge beseitigt seien. Die beiden Jahre 1547/48 und 1548/49 haben keine erkennbaren Neuerungen mehr gebracht. Eine lange Krankheitszeit schaltete den Einfluß a Lascos in starkem Maße aus. 4 Dann begannen die Bewegungen in England ihn zu beschäftigen. 5 Am 25. August 1548 reiste er über 1 Siehe Seite 81 dieser Arbeit. 2 Nach Nellner, 345 erhalten thom Camp, Hermann Maler und Peter van Uthrecht am 30. April 1547 die Verwaltung der Pfarrgüter zugewiesen. 3 Siehe Seite 24, Anm. 21 dieser Arbeit. 4 Thom Camp an die Züricher am 26. Februar 1548: „D.a Lasko per integrum annum decubuit.“ 5 Thom Camp im gleichen Brief mit Beziehung auf England: „D.a Lasko, nisi a Rege Calaisnach England, drei Tage nach der Ankunft des kaiserlichen Boten, der das Interim nach Ostfriesland zu bringen hatte. 6 Noch am 26. Februar hatte thom Camp schreiben können: „Wir genießen hier noch guten Frieden, vor allen unseren Nachbarn, die schon die allgemeine Not erreicht hat.“ 7 Daß aber Ostfriesland dem Interim entgehen würde, war nicht anzunehmen; und die politische Lage des Ländchens war nicht günstig genug, um von der Gräfin überhaupt einen ernsthaften Widerstand erwarten zu dürfen. Dazu war der Druck des Brüsseler Hofes viel zu stark, und die Aufsicht Johanns viel zu rege. 8 Als der kaiserliche Befehl zur Durchführung der Beschlüsse, wie sie im Juni 1548 von der dazu eingesetzten gemischten Kommission formuliert worden waren, nach Emden kamen, befand sich die Gräfin im Augenblick außer Landes; sie war nach Heidelberg gereist, um ihre jüngste Tochter an den kurfürstlichen Hof zu bringen. Nach ihrer Rückkehr benutzte man den Herbst und Winter zu Verhandlungen mit dem Kaiser, die natürlich völlig ergebnislos blieben. Ostfriesland stand vor der Aufgabe, der Rückkehr des römischen Kirchenwesens die Tore zu öffnen, und wieder steht die Emder Gemeinde in den nun folgenden Ereignissen für das forschende Auge im hellsten Lichte. Bedeutungsvoll wurde der Kampf um das Interim dadurch, daß er vor allem das Verhältnis von Staat und Kirche in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen rückte. Die obrigkeitlichen Anordnungen trafen auf die Grundsätzlichkeit der kirchlichen Vertreter, die ihre eigene Ansicht über das der Kirche Zuzumutende hatten. A Lascos Schöpfung lebte sehr stark von dem Gedanken einer klaren Abgrenzung der staatlichen Gewalt und der kirchlichen Notwendigkeiten, die ein eigenes Recht und eine Auswirkung im kirchlichen Lebensraum beanspruchen können. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Maßnahmen und das Verhalten der Emder Prediger zu begreifen, die von Anfang an darauf gerichtet waren, das Interim von der Gemeinde fernzuhalten. Während des Herbstes 1548 hielt a Lasco von Antwerpen und Windsor aus die Verbindung mit den widerstandswilligen Kreisen aufrecht. 9 Am 19. März 1549 war er wieder in Emden und beriet die Gräfin. Vom 10. April bis Anfang September befand er 92 Fünftes Kapitel suo (=Sigismund August von Polen) vocabitur, eo est abiturus si poterit illis prodesse (...). Exules omnes (=die in Emden lebenden englischen Glaubensflüchtlinge) hinc in patriam redierunt.“ 6 Emmius, 955ff., dessen Bericht allen bisherigen Darstellungen zugrunde liegt. 7 „Nos hactenus bona pace usos, praeter omnes vicinos nostros, ad quos pervenit quoque publica calamitas.“ Ich ziehe für die Darstellung der interimistischen Wirren die bisher unbenutzten Briefe der Emder heran, die a Lascos eigene Angaben ergänzen. 8 Emmius, 939. „Solius Lasci viri summi dimissio odio Caesaris et sororis eius, comitisque Johannis stimulante clam Westenio data fuit.“ Hier sind die treibenden Persönlichkeiten alle bezeichnet. 9 Emmius nennt S. 936 Briefe aus Antwerpen und Windsor an den Coetus, die Emder Prediger und Hermann Lenth. sichauf einer Reise, die ihn über Bremen, Hamburg und Königsberg nach Danzig führte, und durch die er sich den Vorwurf zuzog, der kaiserfeindlichen Politik zu dienen. 10 Den kaiserlichen Drohungen nachgebend, entließ die Gräfin ihren Superintendenten aus ihren Diensten; das Entlassungszeugnis ist am 2. Oktober 1549 ausgestellt. 11 In Ostfriesland wurde damit a Lasco das erste, wenn auch nicht das einzige Opfer des Interims. 12 A Lasco hat durch sein Eingreifen im Frühjahr 1549 die ungünstige Entwicklung der Dinge nicht aufhalten können. Obwohl ein Beschluß der Stände vom 12. Februar154913durch den Kanzler ter Westen, einen „Sadduzäer“, wie wie Emmius ihn nennt, neue Verhandlungen mit Kaiser Karl in Brüssel aufzunehmen hieß, führten diese trotz einiger Milderungen nebensächlicher Art nicht zum Ziele. Ter Westen riet selbst, das Interim in leicht abgewandelter Form durchzuführen, nachdem ein Erlaß vom 6. April bereits den Wiedertäufern, diesmal auch den Mennoniten den Aufenthalt im Lande verboten hatte. 14 Während dieser mühsamen Verhandlungen haben die Emder Prediger auf der ihnen durch ihr Amt gewiesenen Linie der Gräfin beizustehen und in einem groß angelegten Schreiben die entscheidungsreiche Lage zu deuten versucht. Dieses Schreiben reiht sich würdig den früheren amtlichen Äußerungen der Emder Prediger an. Seiner ganzen Tonart nach gehört es in die Zeit, die den Beratungen der Stände voraufging, d.h.in den Januar oder Februar 1549. Die Emder Prediger versuchten unter genauester Beachtung der Lage und der möglichen Folgen, die eine Verweigerung des Interims haben kann, den Blick der Gräfin freizumachen für die unwägbaren Werte, die bei einer Annahme des Interims auf dem Spiele stehen. „ De beröuinghe van lande vnde lude“ und „ ghrote benouwheidt“ könnten vermieden werden, wenn das Interim angenommen würde, was „vns vnde allen framen christen woll drechliker weer, nha minschliken ordel, (...) vp dat vnder sulcken schyn de vramen hyr mochten yn vreden vnde wy ane Crutze blyuen“. Es wäre ein weiterer Ausweg, wenn die Gräfin die Regierung niederlegte, um sich selbst die Entscheidung zu ersparen und persönliche Glaubensfreiheit zu sichern. Die Folge würde aber sein, daß der Kaiser sich das Regiment anmaßen möchte „vnde einen tyranen yn J.G.stede stellen, affgoderye anrichten, vellichte ock bloeth vorgethen, vnde also J.G.veler bosheit schuldich, vnde eyn oersacke maken, vnde thom lesten mith swaricheyt J.G.kynder wedervmme dat regiment tho ehrer tydt averandworden (...) Vnde Das Interim 93 10 Klopp I, 425; Dalton, 302f.: „Es ist uns leider verborgen geblieben, was er die folgenden acht Wochen hier in der berühmten Hafenstadt seiner Heimat getan.“ Thom Camp gibt am 8. August 1549 darüber eine Erklärung: „D.a Lasko propter Ecclesiae utilitatem rediens ad nos ex Anglia profectus est in Prussiam, ubi hoc agitur, ut si propter Caesaris iram hic illi manere non licebat, Dantiscanae Ecclesiae praeficiatur, sin minus redibit in Angliam.“ 11 Das Entlassungszeugnis II, 635f. 12 Siehe Anm. 8 zu Seite 92. 13 Klopp I, 423. 14 Emmius, 938. schynetalle vornufte na, dat idt also schall volgen mothen“. Die Prediger sehen in der aussichtslos eingeengten Lage des Staates und der Kirche, der mit irgendwelchen Ratschlägen und Hilfsstellungen nicht beizukommen ist, ein Gericht Gottes und zugleich eine Prüfung. Gott selbst „druweth opentliken, J.G.landen vnde lude tho nemen, wo eder wo gy ock nha minschlycker kloekheit vnde vornuft radtschlagen“. Diese Sicht der Lage verpflichtet die Prediger „alse deners der rycken gnaden Gades, de wy einen yderen nha Godt tho raden, vnde tho troesten, van wegen vnses amptes, schuldich syn, hyr nicht vpthohören J.G. tho raden, tho voermanen vnde tho troesten, wo woll wy weynich gnade vnde günst by etlichen dar dorch wynnen vnde auerkamen werden“. Die Regel, unter die sich die Gräfin zu stellen hat, ergibt sich aus der Liebe zur Seligkeit und aus der Verantwortung der Mutter für die Seligkeit ihrer Kinder, sie hat darauf zu sehen, „dath Godt syn wordt vnde syne hilgen gades denste noch wth früchte der minschen de doch steruen vnde doch als hew vortereth werden Esaie 51. cap: noch wthlene yenigher tydtlycker dynghen voerlaten werden“. Die biblischen Geschichten sind das Bilderbuch für die Folgen solcher Verwerfung des einmal erkannten wahren Wortes; ihre Lehre ist, daß „Godt woll alle sünden vnde laster ein tydtlanck liden kann, so wyll he de vorachtinge synes woerdes yn de lenge doch nicht lyden (...). Wol (wer) scholde van allen framen Christen J.G.raden willen, dath ghy mith voerloechende des Euangelions Jesu Christi vnde des waren Ghades denstes vnde annheminge des Interims eyne kleyne tydtlgcke vrede scholden sucken tho vorderffnisse vnde vordoemenisse veler dusent selen, vnde nicht veel leuer mit J.G.allent wath Godt yw auer de bekentenisse synes Wordes werdt vpleggen, helpen draghen.“ Der andere Ausweg, die Niederlegung des Amtes, ist versperrt durch den Befehl Gottes, nach dem ein jeder in seiner Berufung zu bleiben hat. Wird die Gräfin schwach, dann ist die Folge: „berouinghe des Wordes, de laster der affgöderye, nha luth des Interims.“ Und in dem allen wird der Zorn Gottes sichtbar über dem Ungehorsam, der auch die Räte trifft, die jetzt „ wedder bestendicheyt ym worde raden“. Gott warnt nicht umsonst. Was die Antwort an den Kaiser betrifft, so raten die Prediger, daß die Gräfin das Interim einfach abschlage. Es gehe hier um das schlichte einfältige Bekenntnis. Und „geuorderth eft J.G.dath Interim wyl annhemen so mothen J. G. mit eyn starcken ghemoeth yn dem Heren slicht eintuoldighen antwerden J.G.wolde sulckes nicht doen. Vnde hanghen daer neen minschelicke vnschült (Entschuldigung) wth dem vornuffte an sunder slichtliken de oersake dat dit Interim (als zerstörter Text ist etwa zu ergänzen: nicht mit) dem godtliken worde auer ein dr(epe?).“Besteht der Kaiser auf die Einführung trotz aller Bitten, dann bleibt nur Beugung unter das, was Gott aus der Weigerung machen will. „Vnde so he schon nene vtherlike hulpe edder reddinge geuen sunder wolde mith J.G.vnde vnser aller dodt syn name herlick maken so wolde he J.G.yo vnde vns allen vth dessen yammerdall redden in welckerer wy yo nicht anders sitten vnde geschapen synth den dath wy de name Gades 94 Fünftes Kapitel hyrtho vnsern dagen eren fruchten vnde leuen/lauen prysen vnde dancken schölen.“ 15 Mit diesem Brief hatten die Prediger eine Stellung bezogen, vor der jede geforderte Entscheidung zu einer Glaubensentscheidung werden mußte. Sie sahen an die Ereignisse das Gewicht des ihnen widerfahrenen und aufgetragenen Wortes gehängt, und da nun die Einführung einer wortwidrigen Lehre und Gottesdienstordnung gefordert war, sahen sie die Entscheidung bis zu der Stelle vorgetrieben, wo sie nicht mehr im Netz vorletzter Möglichkeiten verfangen bleibt, sondern wo das Schwergewicht der kirchlichen Sache dem zur Entscheidung Geforderten seine von Spruch und Widerspruch freie Stelle erwirkt. Sie erkannten richtig, daß mit dem Einführungsbefehl die Gemeinde wieder einen Punkt erreicht hatte, wo der Glaube sein schwerstes Gesetz zu lernen hat, die letztliche Unverfügbarkeit des göttlichen Willens. Der Widerstand gegen das Interim bekam damit über alles Politische hinaus, das die Prediger sehr nüchtern beurteilen und erwägen, unmittelbar praktische Bedeutung für das Handeln der Kirche. Indem sie die Entscheidung der Gräfin als echte Glaubensentscheidung am Worte auszurichten suchten, mußten sie doch das Geschick der Gemeinde den Ereignissen überantwortet sehen. Damit blieb ihnen selbst für die Zukunft noch manche mühsame Entscheidung zu treffen, aber hinter die einmal bezogene Linie wichen sie nicht mehr zurück. Der Brief mag mit dazu beigetragen haben, daß die Stände es erneut mit Verhandlungen versuchten, die dann zuletzt für Ostfriesland zu einer eigenen Form des Interims führten. Ter Westen schrieb am Karfreitag 1549 aus Brüssel, daß „ höchstgedachte Kays. Majest. keinen Ungehorsam in Teutscher Nation haben“ wolle. Es möchten doch einige Änderungen im Sinne des Interims getroffen werden, etwa in den Gesängen in lateinischer Sprache und in einigen Zeremonien, zumal doch das Interim nichts fordere, was nicht in den Klöstern bisher noch gestattet gewesen sei. 16 Nach Beratungen mit dem Bruder der Gräfin, dem Grafen Christoph von Oldenburg, wurde am 16. Juli 1549 das Formular für die Änderung des gottesdienstlichen Lebens im Sinne des Interims erlassen. Wer die neue Ordnung aufgesetzt hat, ist ungewiß; sie stammt aus Hofkreisen17 und ist aus Anordnungen des kaiserlichen Erlasses und der Lüneburger Ordnung 1535 zusammengearbeitet. 18 Unmöglich ist es nicht, daß das Leip- Das Interim 95 15 Nellner, 320. Ein kleiner Abschnitt des im Entwurf erhaltenen Briefes ist abgedruckt bei Meiners I, 298-301.Er ist nicht vollständig erhalten, es fehlt mindestens ein Blatt in dem Ganzen; zwei Hände haben an dem Entwurf geschrieben. Der Stil gleicht durchaus den Briefen, die Faber 1554 und 1559 an die Gräfin Anna richtete. 16 Brenneysen II, 233-235; Emmius, 937. 17 II, 629: „Ad hanc formandam (ordinationem) designati sunt aulici quidam.“ 18 Der Text steht bei Meiners I, 303-308.Auf die Ordnung und das Mandat von 1535 wird dreimal ausdrücklich Bezug genommen. Daß man die Lüneburger Ordnung in so starkem Maße heranziehen konnte, um ein Interim aufzustellen, erklärt den Widerstand der Emder gegen die Lüneburger Ordnung noch nachträglich. zigerInterim vom 22. Dezember 1548 als Vorbild herangezogen worden ist. 19 In diesem Formular sind die zahlreichen Lehrartikel des kaiserlichen Interims in zwei zusammengezogen. Sie handeln von der Rechtfertigung und der Gewalt und Autorität der Kirchen. 20 Diese Artikel waren, abgesehen von ihrer Entstehungsursache, unverfänglich. Sie lehrten, was gemeinreformatorische Anschauung war: die Rechtfertigung als ein Gnadengeschenk Gottes, lauter und umsonst um der Wunden Christi willen, und die Gewalt und Autorität der Kirchen als eine durch die Schrift ermächtigte und begrenzte Gewalt. Die gottesdienstlichen Anordnungen aber gingen noch über die Lüneburger Ordnung hinaus, besonders beim Abendmahl. Den Kirchenrat mußte es treffen, daß „niemant darvan darvan geweret noch geholden“ werden soll. 21 Die Privatbeichte wurde erneut eingeschärft. Wieder war damit eine Kirchenordnung zustande gekommen als Ergebnis politischer Umstände, gegen den Gang der Entwicklung und ohne Rücksicht auf alles, was in der Gemeinde lebendig war. Es war zwar nicht das Interim selbst, aber doch sein Ersatz. Das legte den Predigern erneut Entscheidungen auf, die um so schwieriger waren, als die Lehre evangelisch ausgelegt werden konnte und die Zeremonien nach dem Gesichtspunkt beurteilt werden sollten, daß es auf sie nicht entscheidend ankäme. Die Prediger haben sich ihr Nein nicht leicht gemacht. Bereits vor dem Erlaß vom 16. Juli haben sie sich nach Hamburg gewandt und empfingen unter dem 16. Juli ein Schreiben des Hamburger Superintendenten Äpinus. 22 Daß gerade von Hamburg ein Gutachten über die zu treffenden Entscheidungen eingeholt wurde, muß überraschen, wird aber vielleicht durch den Umstand erklärt, daß a Lasco auf seiner Reise gerade in Hamburg freundliche Aufnahme gefunden hatte. Thom Camp berichtet darüber in einem Brief vom 8. August 1549: „Schon hören alle häuslichen Streitereien auf. Es hat auch D. a Lasco von seiner Reise nach Polen geschrieben, daß er überall von den sächsischen Predigern aufs freundlichste aufgenommen sei und daß man sich nach gemeinschaftlichen Unterredungen die Hand gegeben und ver- 96 Fünftes Kapitel 19 Tschackert, 505ff.; Müller, Kirchengeschichte II/1, 440. 20 Die dogmatischen Sätze über die Rechtfertigung umfassen im Augsburger Interim die Artikel I bis VIII, die Lehre von den Sakramenten steht in den Artikeln XIV bis XXVI, während Artikel IX bis XIII von der Kirche und dem Amt handeln. S. Gieseler, Kirchengeschichte III/1, 1840, 347-351.Dagegen beschränkt sich das „Emder Interim“ (Dalton, 308) 308) auf die wesentlichsten gottesdienstlichen Handlungen und Verfassungsfragen, verstärkt jedoch überall die Linien, die dem Interim entgegenkommen. Eine Reihe von Heiligentagen und das Fasten am Freitag, in der Passionszeit auch am Sonnabend, werden angeordnet. Vgl. Garrelts, Gegenbericht, 115. 21 Meiners, I, 307. 22 Das Schreiben befindet sich in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts im Konsistorialarchiv in Aurich, Archivalia Nr. 7 (Depositum im Staatsarchiv). Die Aufschrift lautet: „Venerabilibus Dominis Dominis et Doctoribus in Phrysia in Ecclesia Emdana.“ Die Emder haben sich außerdem noch nach Straßburg und Zürich gewandt. sprochenhabe, wegen der Sakramentssache keinen Zwiespalt mehr nähren zu wollen. Ich habe es immer gesagt, den Kirchen fehlt nichts als das Kreuz.“ 23 Ähnlich freundschaftlich war die Aufnahme a Lascos im Herbst bei seinem zweiten Aufenthalt in Hamburg. 24 Es mag sein, daß diese Milderung in den Streitigkeiten um das Abendmahl die Emder veranlaßt hat, sich gerade nach Hamburg zu wenden, um ihrerseits zu bezeugen, daß man den Ruf der Stunde verstanden habe. Die verlorene Anfrage der Emder hat sich bereits auf die neue Kirchenordnung vom Juli bezogen und in Verbindung damit nach Ausweis der allein erhaltenen Antwort Äpins anscheinend mit der Frage beschäftigt, welche Bedeutung in der augenblicklichen Lage die Forderung der Obrigkeit auf Gehorsam habe. Die Emder haben weiter gefragt nach dem richtigen Verhalten gegenüber den Mitteldingen. Dafür verweist Äpin auf die Schrift der Hamburger an die Wittenberger Theologen, die ihre Ansicht enthalte. „ Wir möchten wünschen, daß eine größere bestimmte Gleichmäßigkeit der Zeremonien in den Kirchen vorhanden sei, wenn sie mit reifem und frommem Rat an ihrem Ort und zu ihrer Zeit eingeführt werden könnte, und man keine Furcht vor diesen Betrügereien und Verderbnissen zu haben brauchte, die die meisten jetzt ersinnen, um den Mächtigen zu gefallen, und das unter schändlicher Unterdrückung Christi und des Evangeliums, während die wahre Religion zerstreut und verwüstet und das Papsttum wieder hergestellt wird. Möchten doch gewisse Obrigkeiten die Nachstellungen Satans besser erkennen oder erkennen wollen, die Ehre Christi mehr lieben, den Gehorsam gegen Gott den menschlichen Leidenschaften vorziehen und von Herzen das Heil der Kirche suchen.“ 25 Die Gründe, mit denen sie sich gegen das neue Interim wehrten, seien beachtlich. „Denn durch diese unreife und überraschende Neuerung wird zweifellos das eintreten, was ihr euren Bürgern voraussagt: durch das neue Interim werden sie die Kirche nicht reformieren, sondern eher zerstören. Unterwerfen sie sich, dann richten sie Zerstörung an und geben den gottlosen Papisten oder den alles verseuchenden Sektierern Raum, die leider so schon lange genug Ostfriesland angesteckt haben, Das Interim 97 23 „Nam iam omnes domesticae contentiones cessant; deinde D. a Lasko in Poloniam proficiscens scripsit, se humanissime ubique a concionatoribus Saxonicis exceptum et post mutua colloquia manus illi dedisse et promisisse, nolle propter rem sacramentariam discordiam alere amplius. Ego semper dixi, Ecclesiis nihil nisi crucem deesse.“ 24 Bereits vor der Abreise a Lascos im August 1548 bestanden Beziehungen zu Äpin. II, 617. Vgl. II, 637.663; Dalton, 313. 25 „Optaremus, omnia in Ecclesia ad utilitatem eius recte institui: Cuperemus, maiorem aliquam conformitatem esse ceremoniarum in Ecclesiis, si ex sano et pio consilio, suo loco et tempore introduci posset absque metu illarum fraudum et corruptelarum, quas nunc plerique in gratiam potentiorum meditantur, non sine Christi et Evangelii eius ignominiis ac profligatione, manifesta dissipatione ac vastatione verae religionis, et restitutione impii papismi: utinam magistratus quidam insidias satanae melius intelligerent, aut intelligere vellent, Christi gloriam magis amarent, Dei obedientiam humanis cupiditatibus praeponerent, et ex animo quaererent Ecclesiae salutem!“ Das Gutachten an die Wittenberger Theologen finde ich im Auszug bei Heppe, Luthertum, 10 und 37ff. sodaß von dort mehr Unheil droht, als man meint.“ 26 Wir können deshalb nicht raten, es anzunehmen. Drängt die Regierung auf die Annahme, dann ist sie unter Angabe der von den Emdern selbst entwickelten Gründe zu verweigern. „Ihr könntet versprechen, daß ihr jene Kirchengebräuche annehmen würdet, die andere Kirchen angenommen haben, bei denen die eine evangelische Lehre gelehrt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Ein neues und besonderes Interim könntet ihr nicht annehmen, weil es ein Saatbeet neuer Bewegungen und Spaltungen sein würde und die Kirchen dadurch nicht geheilt, sondern nur noch schwerer verwundet würden. Unter solchen Umständen werdet ihr euch anderen wohleingerichteten Kirchen eingliedern, und ihr entgeht zugleich den Verleumdungen, mit denen ihr bei vielen unter einem gewissen Schein des Rechtes belastet werden könntet.“ 27 Die Hamburger hatten über die Organisation des Widerstandes offenbar ganz bestimmte Vorstellungen; sie wünschen, daß auch Ostfriesland sich dem norddeutschen Protestantismus lutherischer Herkunft eingliedere und sein von vielen mißtrauisch beobachtetes Sonderdasein aufgebe. Ob die Emder solche Gedanken trotz der bedrohlichen Lage bei sich näher erwogen haben, ist doch sehr fraglich, wenn man es auch verstehen kann, daß thom Camp als Ergebnis der Bedrohungen eine gewisse Verträglichkeit freudig feststellt. Die hier empfohlene Linie haben die Emder nicht weiter verfolgt. Die Hamburger warnen weiter davor, einfach wegzugehen. Man müsse sich auf Kampf rüsten, und das Amt sei ja nicht ein willkürliches und angemaßtes, sondern sie gehorchen einem Auftrag. Vertreibt man sie, dann mögen sie in eine andere Stadt fliehen. Eine Obrigkeit hat allerdings nicht das Recht, einen treuen und frommen Pastoren zu verjagen. Die Gehorsamspflicht hat also auch nach Ansicht des lutherischen Superintendenten ihre Grenzen. „Mit Recht tadelt ihr die, welche wegen der Drohungen oder Befehle der Mächtigen heute ihre Kirchen so leichthin verlassen, für die sie doch ihr Leben einzusetzen haben.“ 28 Am gleichen Tage, da Äpin in Hamburg seinen Brief nach Emden schrieb, wurde die neue Kirchenordnung veröffentlicht. Ihre Durchführung begann 98 Fünftes Kapitel 26 „ Nam ista immatura et intempestiva innovatione proculdubio accidet, quod civibus vestris praedicitis, non reformabunt Ecclesiam novo Interim, sed aut deformabunt magis, aut ista inclinatione evertent dabuntque locum vel impiis papistis vel pestiferis sectis, quibus proh dolor! Phrysia iam diu ita est infecta, ut plus inde mali immineat, quam putatur (...).“ 27 „Promittatis, vos recepturos illas Ecclesiarum observationes, quas receperunt aliae ecclesiae, in quibus docetur pura Evangelii doctrina et sacramenta iuxta Christi institutionem administrantur. Novum et peculiare interim posse non recipi, quod sit seminarium novorum motuum et dissidiorum, eoque ecclesiae non sanentur sed grauius vulnerentur. Hoc pacto adiungetis vos aliis Ecclesiis bene constitutis, et effugietis calumnias, quibus apud multos aliqua justa specie praegrauari possetis.“ 28 „(...) recteque vos arguitis illos, qui hodie propter potentiorum vel minas vel mandata suas ecclesias, pro quibus vita ponenda est, tam faciliter deserunt.“ sofort. 29 Lemsius in Norden nahm siean30,die Emder lehnten sie ab und leiteten damit eine Auseinandersetzung ein, die für die Zukunft wichtige Ergebnisse brachte. Über die Emder Verhältnisse dieses Sommers unterrichtet sehr gut ein Brief a Lascos an den Herzog Albrecht von Preußen vom 18. September31, und weiter enthält ein sehr ausführliches Schreiben, das thom Camp im Namen und mit der Unterschrift sämtlicher drei Prediger unter dem 8. August nach Zürich sandte, aufschlußreiche Mitteilungen über die Vorgänge. Man wandte sich nach Zürich ebenso, wie man nach Hamburg geschrieben hatte, um ein ratendes und helfendes Gutachten zu erhalten. Thom Camp faßt die bisherigen Ergebnisse des Kampfes zusammen, wenn er ausführt: „Brüder, ich kann nur mit höchster Bewunderung darauf hinweisen, wie oft ich erwäge, daß Gott hier in unserem Friesland gegen den Willen der Obrigkeit die Lehre des Evangeliums gefördert hat. Als dann die Obrigkeit, die städtische sowohl wie die höchste, sich anstrengte, diese Lehre zu vernichten, konnte sie doch nichts ausrichten. Zuletzt, ich bewundere jetzt ständig, wie unter der sicher frommen Gräfinwitwe und unter einem unfrommen niederen Regiment Gott in diesen höchst gefährlichen Zeiten unsere Kirche gegen die Anläufe unserer Feinde so geschützt hat, daß sie weder eine äußere Gewalt oder einen Nachteil erfahren hat. Auch sah sie keine Veränderung in Religionssachen bisher, obwohl die Feinde toben.“ 32 Es ist Gottes Gericht über unsere Undankbarkeit, wenn die Gräfin und ihre Ratgeber sich jetzt den gegnerischen Drohungen öffnen. Die beabsichtigte neue Ordnung, die man unseren aufs beste geordneten Kirchen aufzwingen will, wird nicht als Interim eingeführt, sondern gibt sich als eine geänderte Form der einst vom verewigten Grafen erlassenen Ordnung, deren Bestimmung es war, „daß wir dadurch den sächsischen Kirchen gleich würden“33.Sie ist von den Predigern abgelehnt, trotz aller Überredungsversuche. Die Gründe ihrer Stellungnahme haben sie der Gräfin übermittelt. Sie unterscheiden in den Vorschriften unfromme, dunkle und zweifelhafte, abergläubische und erlaubte. Da nun aber alles das wegen der Widersacher der reinen Lehre ausgeführt Das Interim 99 29 Klopp I, 425. Emmius, 939. 30 In welchem Maße Lemsius das Interim annahm, zeigt der Bericht des Fusipedius vom Jahre 1553. Emder Bericht, 396. 31 II, 628-632.Vgl. 633f. und die folgenden Briefe aus dieser Zeit. 32 „ Fratres, non possum non in summam admirationem adduci, quoties cogito, quod Deus hic in Frisia nostra invito Magistratu Evangelii doctrinam propagarit primum, deinde, cum etiam Magistratus, non solum plebeius, sed etiam summus, eandem abolere studeret, nihil tamen efficere potuerit; postremo, nunc maxime deminari non desino, quod sub vidua Principe piasane, et plebeio Magistratu impio his periculosissimis temporibus ita Ecclesiam nostram contra adversariorum nostrorum minas tutatus sit, ut non solum nullam externam vim aut damnum experta sit, sed nullam penitus mutationem in religione viderit hactenus, furentibus tamen hostibus.“ 33 „ Hancque non nomine Interim, sed veterum Reformationum nomine, quas olim defunctus Princeps condiderat, ut hoc modo Saxonicis Ecclesiis similes essemus, nostris obtulerunt.“ werdensoll, werden auch die erlaubten Mitteldinge zu Werken des Bekenntnisses. „Es wäre nicht nötig, vielmehr gefährlich, überall in den Kirchen die gleichen Zeremonien zu beobachten. Außerdem hätten wir keine barbarischen, sondern christliche und einfache Ordnungen, die wohl geeignet wären, fern von jedem Aberglauben der Kirche zu nützen (...). Wenn ich das, was ich zerbrochen habe, wieder bauen würde, mache ich mich selbst zum Übertreter. Was würden erst die Sekten sagen, von denen wir bei uns so viele haben? Doch, daß wir Bauchdiener wären, und mit unserer Unbeständigkeit sehr viele zum Irrtum verführt hätten. Wir wären den auswärtigen Christen, die auf uns blicken, ein Anlaß zum Ärgernis.“ 34 Thom Camp führt als Gründe für die ablehnende Haltung der Prediger weiter an, daß das Ganze nur Schrittmacher des Papsttums sei, und wenn man ihnen vorhalte, sie könnten durch die Annahme Schlimmeres verhüten, so sei ihre Antwort, daß das nicht der goldene Weg sei, um Frieden zu erhalten. In diesem Sinne hätten die Prediger der Gräfin und ihren Räten geantwortet. Sie hätten ihr das im Ansatz bereits verfehlte Unternehmen zu Gemüte geführt: Entweder stelle die Gräfin diese Ordnung unter dem Begriff Interim wirklich vor oder sie führe nur eine neue Kirchenordnung ein, die aber den Kaiser in dem Glauben wiegen solle, daß sie das Interim eingeführt hätte oder doch einführen wolle. Beides lehnen sie als bekenntniswidrig ab. Die Behörden wollen alles annehmen. Die Regierung hätte dann noch einen Vorschlag gemacht: sie wolle einen Meßpriester anstellen; ob man das tragen wolle? Antwort: tragen müßte man das, aber billigen könnte man das nicht. 35 Auf die Forderung, wenigstens liturgische Kleidung, wie sie bisher beim Abendmahl getragen wäre, auch für die Predigt und Taufe anzulegen, gehen die Prediger ein. Obwohl diese Sitte bereits seit zwei Jahren abgeschafft wäre, wolle man das, wenn auch nicht mit der Begründung, daß das Interim es fordere, so doch als alte und freistehende Gewohnheit tun. „Die Gemeinde hat das einstimmig erlaubt, um ihre Prediger zu behalten, aber unter der Bedingung, daß die Kleidung mit derselben Freiheit, mit der sie zugestanden sei, auch wieder abgelegt werden könnte, wenn es tunlich sei, und daß die Gemeinde mit kei- 100 Fünftes Kapitel 34 „Imo non opus esse, sed periculosum, ubique in Ecclesiis easdem observari ceremonias. Praeterea nos non barbaricas, sed Christianas ac simplices et ad utilitatem Ecclesiae nostrae aptas ceremonias sine ulla superstitione habere. Si nunc vero inutiles ac superstitiosas ceremonias magno labore abolitas, rursum repeteremus, aiebant, nos ipsos et apud adversarios et nostros reos faceremus, quod aut parum considerate in abolendis egissemus aut sane peccaremus in restituendis, secundum Pauli dictum: Si ea, quae destruxi, rursum aedificem, meipsum transgressorem facio. Quid denique sectae dicerent, quarum apud nos maximus est numerus, nos videlicet animalia ventris, atque sic nostra inconstantia plurimos in errorem adduceremus essemusque et hic nostris et exteris Christianis, qui in nos intenti sunt, causa scandali.“ 35 So wurde es auch in Württemberg vorgeschlagen. K. Müller, Kirchengeschichte II/1, 441f. 441f. nerweiteren Zeremonie belastet werde.“ 36 Da aber die Regierung dies Zugeständnis mit beiden Händen ergriff und darauf drängte, daß man sich dieser liturgischen Gewandung auch bei der Taufe und der Predigt bediene, haben die Prediger zuletzt doch abgelehnt, da es nirgendwo Sitte sei. Bisher haben sie diese auch beim Abendmahl nicht angelegt. „Was weiter? Ihnen wurde der öffentliche Predigtdienst untersagt mit der Begründung, daß sie sich weigerten, den Chorrock anzuziehen oder den Dienst mit einem anderen zu teilen.“ 37 Die Prediger beriefen sich auf die Gemeinde, die auch ein Wort mitzureden hätte, da sie zwar von der Regierung, aber schließlich doch mit Zustimmung der Gemeinde berufen wären, und die Gemeinde im Gegensatz zu den Anordnungen der Gräfin die Predigt fordere. Die Gräfin legte ihnen darauf bis zur Regelung der Sache ein Redeverbot auf und erlaubte nur die Hausbesuche und die Vermahnungen bei der Taufe und den Trauungen, die weiterhin in der Kirche gehalten werden konnten. Die Prediger hätten nicht geschwiegen, wenn nicht einige unter den vornehmsten Gliedern sie dazu gebracht hätten, nachzugeben; der Dienst sei ihnen ja nicht untersagt. Nach dieser Darstellung der Verhandlungen und Vorgänge legt thom Camp den Züricher Freunden die Fragen vor, auf die sie gerne Antwort hätten und die sie, wie wir erfahren, auch an die Straßburger gerichtet haben. Eine Abschrift der gräflichen Kirchenordnung legten sie bei. 38 Was bei dem Brief nach Hamburg nur vermutet werden kann, geht aus diesen Ausführungen deutlich hervor: die Emder wünschen Aufklärung über die Frage nach den Rechten der Obrigkeit in der Kirche, über die Gewissensfrage, ob sie in derselben Kirche arbeiten dürfen, wo ein Meßpriester seines Amtes waltet. Was ist zu tun, wenn die Regierung zu schweigen befiehlt und die Gemeinde die Diener zu hören begehrt? Wenn die Regierung zur Landesverweisung schreitet? Wenn einige sofort schweigen oder fliehen? „Denn diese denken, das Amt sei nicht Gottes, sondern in den Händen der Regierung oder eines Menschen, sie seien also Menschendiener; weiter bedenken sie nicht, daß die Regierung, wenn sie nicht mit der Kirche übereinstimmt, nicht die Kirche ist, sondern nur ein Glied, und daß Das Interim 101 36 „Ecclesia igitur ut suos ministros retinere posset, unanimi voce concesserunt, tamen hac lege, ut rursum ea libertate, qua susciperetur, deponi, cum commode esset, posset neque pluribus ceremoniis gravaretur.“ 37 „Quid multis? Interdicebatur illis publico concionandi munere, eo quod neque superpelliceo uti neque suum ministerium velint cum alterius coniungere.“ 38 Diese Abschrift des Interims lag mir nicht vor. Wenn die Züricher ihre Antwort genau nach der Reihenfolge der von den Emdern angegebenen Punkte eingerichtet haben, dann hat ihnen nicht die Ordnung vom 16. Juli 1549 vorgelegen, sondern ein vorläufiger Entwurf. In der Simlerschen Abschrift S. 234ff. trägt die Beilage der Emder die Überschrift: „Ordinatio seu seu Reformatio Ecclesiae Embdensium“ und umfaßt 6 Seiten. Die Züricher beantworten die Artikel in der Reihenfolge, die die Emder Vorlage beobachtet. Die Reihenfolge ist folgende: De autoritate et potestate Ecclesiae. De baptismate. De satisfactione impii (= Beichte). De missa. Cantus Ecclesiasticus. De feriis. De delectu ciborum. De iustificatione. sie,wenn sie mit Gewalt gegen die Kirche vorgeht, überhaupt nicht teilhat an der Kirche, noch viel weniger Herr der Kirche ist.“ 39 Solche Pastoren geben den Gegnern und Sekten Gelegenheit zur Schmähung, wie „ich mit größtem Schmerz erfahre“. 40 Einige weitere Fragen schließen sich noch an. Darüber wird das Gutachten erbeten, denn die Emder entbehren schmerzlich ihren Superintendenten. Sollte es zur Auswanderung kommen, werden sich die Züricher zur Aufnahme vieler, gerade auch vornehmer Gemeindeglieder rüsten müssen. 41 Die Prediger haben also die durch das Interim aufgegebenen Entscheidungen wesentlich im Verhältnis der Obrigkeit zum Amt und Auftrag der Kirche gesehen. Darum kreisen ihre Fragen. Daß die Emder Kirche in der Forderung des Kaisers kein Gottesgesetz anerkennen will und der Stellungnahme der Landesregierung gegenüber eine eigene Haltung zu verantworten gedenkt, ist die Frucht der ganzen bisherigen Entwicklung, die aber durch a Lasco besonders stark bestimmt worden ist. Im Entscheidenden halten sie sich von Nützlichkeitserwägungen ebenso frei wie von steifer Verkrampfung. Die starke Beteiligung der Gemeinde, unter welche der Kirchenrat mit begriffen werden darf, wenn er auch nicht besonders genannt wird, läßt sich als Ergebnis einer bestimmten Auffassung von den Rechten der Gemeinde deuten. Und wenn die Obrigkeit ihr Recht in der Kirche durch die Kirchlichkeit ihrer Maßnahmen beweisen soll, dann zeigt sie in dieser Forderung, daß eine unbeschränkte Verfügungsfreiheit der Obrigkeit über die Kirche nicht anerkannt wird. A Lascos Mahnruf: „Bis an die Stufen des Altars!“ ist in Emden verstanden worden. Das Antwortschreiben der Züricher vom 8. September beleuchtet zuerst kurz die Ordnung selbst und nimmt zu den einzelnen Punkten Stellung. Sie raten nicht, die einmal abgelegten Zeremonien wieder hervorzuholen. Läßt man sich darauf ein, dann gibt es eine gemischte Religion. Für das Verhalten gegenüber der Obrigkeit gibt es keine allgemeingültige Regel, Klugheit ist immer geboten. Es wird auf Apostelgeschichte 3-5 verwiesen. Die Gräfin hatte das von ihr entworfene Formular ohne der Prediger Wissen dem Kaiser vorlegen lassen und in einer Bürgerversammlung angeblich versucht, Prediger und Gemeinde zu trennen. 42 So konnte eine Vermahnung an 102 Fünftes Kapitel 39 „Nam illi cogitant, ministerium non esse Dei, in quod vocati sunt, sed Magistratus et hominis, ergo hominum servi; deinde non cogitant, magistratum, si non consentiat cum Ecclesia, non esse Ecclesiam, sed agat vi, nullam partem habere in Ecclesia, multo minus Dominum Ecclesiae esse.“ 40 „Quam occasionem hi pastores quoque dent adversariis et sectis calumniandi, ac vere quidem experior maximo cum gemitu.“ 41 Der Brief ist von thom Camp geschrieben und von allen drei Predigern mit unterzeichnet. Das Antwortschreiben der Züricher ist recht kurz. 42 A Lascos Schreiben II, 628-632 ergänzt die Angaben thom Camps. Von a Lasco erfahren wir, daß ein erster Entwurf des Interims von den Predigern abgelehnt worden sei als unvereinbar „cum debito, fide atque officio ministerii“. Aus dem Bericht a Lascos das Folgende, das durch den Brief des Bramius vom 26. Februar 1550 bestätigt wird. dieGräfin keinen Erfolg mehr haben, nachdem die Gräfin sich bereits so weit mit den kaiserlichen Forderungen eingelassen hatte. Die Kirchen wurden geschlossen. Das beantworteten die Prediger damit, daß sie in Schulen und auf dem Friedhof predigten und tauften. Die Stadt geriet darüber in aufruhrartige Bewegung, was wiederum die Regierung nötigte, die Kirchen für Taufen und Trauungen und auch für die Leichenpredigten zu öffnen. Diese Gelegenheiten benutzten die Prediger, um zu predigen. „ Die Kirche ist geschlossen, die Glocken läuten nicht, aber an den Sonntagen wird um 10 Uhr aufgeschlossen, um die Kinder zu taufen und die Brautpaare zu trauen. So auch an Dienstagen und Freitagen. Hier versuchen wir die Gemeinde für das Fehlen öffentlicher Predigten zu bestimmten Stunden zu entschädigen, indem wir die Ermahnungen und die Belehrung über das Geheimnis der Taufe zu kleinen Predigten ausspinnen; auch schieben wir Epistel und Evangelium ein. So muß man mit den Wölfen heulen.“ 43 So schreibt Bramius 6 1/2 Monate später erneut an die Züricher und fügt hinzu, daß es noch kurze Zeit dauern würde, bis sie auch das Abendmahl wieder feiern würden. „Denn wenn wir in der Kirche sind, dann ist niemand da, der uns hinausweist, obschon die Regierung es nicht gern sieht, daß wir die Vermahnungen so lange ausdehnen. Denn sie wünschen, daß am Kaiserhofe das Gerücht umgehe, die Prediger seien ihres Dienstes entsetzt.“ 44 Dem kaiserlichen Hofe gegenüber wollte man das Gesicht wahren; denn noch im Sommer 1550 kam es erneut zu scharfen Durchführungsbefehlen, die Graf Johann im August vor den ostfriesischen Ständen auf einem Landtag in Leer vertrat, nachdem ter Westen vom Reichstag zu Augsburg ohne weitere Ergebnisse zurückgekehrt war. Die Stände wünschten sich über die kaiserlichen Befehle zu beraten und baten um Ausstellung der Antwort auf einen neuen Landtag, der am 1. September zusammentrat. Die Antwort war durchaus ein Sieg der Emder; denn die von den Emder Predigern eingenommene Haltung wurde von den Ständen gutgeheißen, wenn sie nach Emmius als die Meinung des Volkes feststellten: „ Sie zögen es vor, in die zornige Ungnade eines bloßen, sterblichen Menschen zu fallen, als in die des ewigen und unendlichen Gottes (...). Befehlen wir uns ihm (...) und bleiben ihm gehorsam, dann wird unser Hüter nicht schlummern, und was will uns ein Mensch tun, wenn Er uns beschützt?“ 45 In diesem Sinne wurde dem Kaiser geantwortet, man verwies auf die ergriffenen Maß- Das Interim 103 43 Bramius an die Züricher: „Templum tenetur clausum, nun pulsantur campanae: sed aperitur Dominicis diebus circa decimam propter pueros baptizandos et sponsas cum sponsis coniungendas. Ita quoque die Marti et Veneris. Hic studendum Ecclesiae repensare damnum publicarum concionum certis horis et extendimus admonitiones et doctrinam de mysterio Baptismi in longinculam concionem, interserentes Epistolam et Evangelion. Ita enim oportet cum vulpibus vulpinari.“ Siehe Seite 64 dieser Arbeit. 44 „Cum enim in templo sumus, nemo est, qui iubeat exire, tametsi Magistratum (sic!) male habeat, quod nimium extendimus nostras admonitiones, quandoquidem rumorem esse cupiunt in aula Caesaris concionatores suo ministerio destitutos.“ 45 Emmius, 943f. nahmen,auf die Schließung der Emder Kirche und die Entlassung a Lascos. Nach erneuten Verhandlungen mit dem Grafen gab sich dieser mit dieser hinhaltenden Antwort zufrieden. Die politischen Ereignisse im Reiche kamen auch Ostfriesland zugute, und das Gewitter des Interims verzog sich allmählich. Im Jahre 1551 gibt die Gräfin an ter Westen unter dem 15. Oktober noch eine Anweisung über die dem Interim gegenüber zu beobachtende Haltung: „ Daß ihr von unsertwegen die Antwort ( auf einen neuen kaiserlichen Brief) stellen wollt und der anderen Stände Meinung gleichmachen, darauf wir die Sache beruhen lassen.“ 46 Das Ergebnis für die Emder Gemeinde und ihre Ordnung ist kaum zu überschätzen. Ein solches Ereignis wie das Interim und die darin bewährte Haltung vergaß sich so leicht nicht wieder. Wenigstens für das eine Thema der kirchlichen Tätigkeit a Lascos, für das Verhältnis von Obrigkeit und Kirche, brachten die Erfahrungen aus dem glücklichen Widerstand eine Verstärkung der kirchlichen Selbständigkeit mit sich, die sich nicht mehr zurückdrängen ließ. Und da die Gemeinde Emden die Hauptlast des Kampfes getragen hatte, konnte thom Camp mit Recht davon reden, daß die Haltung Emdens nicht gleichgültig sei, da die einheimischen und auswärtigen Christen auf Emden schauten. 47 Den konfessionellen Standort hat auch das Interim nicht erschüttern können, gestärkt ging die Gemeinde aus den Kämpfen hervor, sie büßte in ihrer Lehre und auch in ihren Ordnungen nichts ein, gewann vielmehr überall eine schärfere Prägung. Nicht ganz ohne Spott stellt thom Camp mit deutlicher Beziehung auf die Werbungen Äpins fest: „Jetzt, da die sächsischen Kirchen gegen das Interim und die neuen Reformationen aus dem Interim schreiben, sagen auch sie, daß die Kirche in der reinen Predigt des Evangeliums, in der Bedienung des Abendmahls und der Taufe an notwendigen Zeremonien genug habe; alle übrigen seien nicht notwendig, um die Kirchen damit zu beschweren; es sei gar nicht nützlich für die Kirche, wenn überall dieselben Zeremonien beobachtet werden. Wir allerdings wurden wegen dieser Begründung als Schwärmer bezeichnet, und das von denen, die jetzt die Not auch anders zu können lehrt.“ 48 In den Wirren dieser Monate standen die Prediger so gut wie allein. Von der Regierung nur geduldet, setzten sie ihre Tätigkeit unter Hindernissen fort. Aber 104 Fünftes Kapitel 46 Abschrift eines gräflichen Reskripts vom 15. Oktober 1551. Archivalia Nr. 7 des Konsistorialarchivs. Wahrscheinlich ist der Reichstagsabschied vom 13. Februar 1551 gemeint, Gieseler, Kirchengeschichte III/1, 1840, 308, Anm. 25, der neue Verhandlungen auslöste. 47 Siehe Seite 100, Anm. 34 dieser Arbeit. 48 „Nunc quoque, cum contra Interim et novas reformationes ex Interim scribunt Saxonicae Ecclesiae, dicunt necessariarum ceremoniarum satis esse Ecclesiae in pura praedicatione Evangelii, in administratione Coenae Domini et Baptismatis, reliquas omnes non necessarias esse, ut illis Ecclesiae gravari debeant, nec utile esse Ecclesiae, ubique easdem observari ceremonias. Hactenus autem nostri hac ratione quoque Suermeri vocabantur ab illis, quibus nunc necessitas alia suadet.“ siewaren erfüllt von einem starken Bewußtsein ihrer Aufgabe und behaupteten ihre Stellung, getragen auch von der Unterstützung der Bevölkerung. Die Erziehungsarbeit a Lascos zeigte ihre Wirkung. Um so auffallender ist es, daß der Kirchenrat als solcher nirgends erscheint. Wenn Faber 1551 drucken lassen kann, daß die Zuchtübung nicht ganz eingestelltsei49,so klingt das eher als eine Entschuldigung für seine nachlassende Tätigkeit. Auch die Zeiten des Interims ändern nichts an der merkwürdigen Tatsache, daß die Tätigkeit der Ältesten sehr im Dunkeln bleibt. Ob unter den Männern, die den Predigern während ihrer mühsamen Entscheidungen mit Rat zur Seite standen, die Ältesten verstanden werden dürfen, ist nicht ohne weiteres klar. 50 Während des Sommers 1549 hat a Lasco die Versammlungen mit dem Coetus nochabgehalten51, vom Kirchenrat erfahren wir weiter nichts. Die Hindernisse in der Gemeindearbeit werden auch seine Tätigkeit in starkem Maße lahmgelegt haben. Aber untergegangen ist die Schöpfung a Lascos nicht. Die Zeit ihrer größten Lebenskraft brach vielmehr erst an, als a Lasco 1553 zu einem 15monatigen Aufenthalt nach Emden zurückkehrte und damit Entwicklungen einleitete, die den Kirchenrat aus seiner Verborgenheit heraustreten ließen und ihm an weithin wirkenden Ereignissen Anteil gaben. Das Interim 105 49 Siehe Seite 53 dieser Arbeit. 50 Thom Camp an die Züricher: „Nostri autem non tacuissent, nisi optimis quibusque placuisset, ut ad tempus tacerent (...). Acquiescunt ad tempus consilio Ecclesiae.“ Mit „gemene“ bezeichnet bezeichnet thom Camp im Protokoll regelmäßig den Kirchenrat. 51 II, 631. SechstesKapitel Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 1. Der Wegfall der Superintendentur Die Entlassung a Lascos vom 2. Oktober 1549 war endgültig. Auch sein zweiter Aufenthalt hat daran nichts geändert, seine Zeit in Ostfriesland war vorbei. Die Rückwirkungen dieses Ereignisses auf das kirchliche Leben Ostfrieslands sind sehr erheblich gewesen, sie zeigten sich vor allem in dem Wiederaufleben der konfessionellen Streitigkeiten, die das Bild der Gesamtkirchengeschichte der Grafschaft in den kommenden Jahren beherrschen. Für Emden wurde wichtig, daß mit dem Wegfall der Superintendentur eine Lücke in dem Verfassungsaufbau a Lascos entstand, daß weiter die Einigungsbestrebungen Fabers durch den zweiten Aufenthalt a Lascos und die Schaffung eines Bekenntnisses im Kleinen Katechismus von 1554 ohne Wirkung blieben, und daß zuletzt die Aufnahme der Londoner Flüchtlinge für die Tätigkeit des Emder Kirchenrats einen neuen Abschnitt einleitete. Diese drei Vorgänge wirkten auf die Kirchenordnung der Stadt nach verschiedenen Seiten stark ein. Die interimistischen Wirren legten die geordnete Tätigkeit aller an ihr beteiligten Kräfte in einem Maße lahm, daß der Ausfall des Superintendenten erst nach dem Passauer Vertrag in den Hofkreisen das Verlangen nach Wiederbesetzung des Amtes belebte. Das Interim in seiner ostfriesischen Form hatte sich mehrfach auf das Gesetzeswerk von 1535 bezogen. 1 So war es selbstverständlich, daß man den Gedanken, durch einen gräflichen Superintendenten den obrigkeitlichen Einfluß auf die Vorgänge im kirchlichen Raum nachdrücklich auszusetzen, sofort wieder aufgriff, da das Mandat von 1535 gerade den Superintendenten als Träger der Bemühungen um die kirchliche Ordnung vorsah. Und aus diesen Versuchen, a Lasco einen Nachfolger zu geben, erhellt, daß in den Kreisen, die a Lasco nahestanden, die Notwendigkeit dieses Aufsichtsamtes keineswegs verkannt wurde, aber auch, daß die verschiedenen Richtungen sich alsbald der Möglichkeiten bemächtigten, die für sie in der entsprechenden Besetzung des Amtes lagen. 1 Meiners I, 305.308. Meiners Behauptung, es handle sich um die Bremer Ordnung, läßt sich nicht halten; sie stammt aus seinem Bestreben, im Streit mit Bertram über die Geltung der Lüneburger Ordnung diese möglichst zu diskreditieren. Es handelt sich um die Bremer undum die Lüneburger Kirchenordnung. DieBerufung a Lascos war seinerzeit dadurch erleichtert worden, daß er das Amt eines Superintendenten als sachlich berechtigt und kirchlich notwendig ansah. Emmius weist ausdrücklich darauf hin, daß a Lasco den Plan des Mandats, einen Superintendenten zu berufen, gutgeheißen habe. 2 Und Bartels hat vollkommen recht, wenn er behauptet: „Daß a Lasco dem Superintendentenamt in seiner Lehre wie in seinen Einrichtungen eine selbständige Stellung und Bedeutung anwies, werden wir nicht für eine nothgedrungene Concession an lutherische und anglikanische Anschauungen ansehen dürfen: es erschien ihm nach der Schrift von großer Bedeutung zu sein (...). Aber auch das kann man nicht sagen, daß a Lasco mit seiner Empfehlung des Superintendentenamtes sich der deutsch-lutherischen Vorstellungsweise genähert und der consistorialen Kirchenverfassung eingegliedert habe.“ 3 In seiner Londoner Kirchenordnung hat a Lasco es für nötig befunden, die Kirchlichkeit und sachliche Notwendigkeit dieses Amtes zu begründen. Er schreibt unter Berufung auf Apostelgeschichte 1 und 1. Timotheus 3: „Das Amt des Superintendenten oder Inspektors – die Griechen nennen es Bischofsamt – ist eine göttliche Ordnung in der Kirche Christi. Durch den Herrn Christus selbst ist es schon unter den Aposteln selbst eingerichtet, als er dem Petrus besonders die Aufgabe übertrug, die übrigen Brüder im Glauben zu stärken. Nicht etwa, weil er dem Petrus eine andere Vollmacht oder Gewalt über die andern Apostel gegeben hätte, wie der römische Papst davon träumt, sondern weil es zweckdienlich war, daß die Vollmacht aller anderen Apostel, die im übrigen der des Petrus gleich und durchaus entsprechend war, durch eine gewisse bestimmte Ordnung der einen vor den andern in der Kirche behauptet werde, wie der heilige Zeuge Gottes Cyprian in Wahrheit und Klarheit lehrt.“ 4 Die folgenden Ausführungen zeigen, daß a Lasco das Superintendentenamt für nichts anderes als für eine besondere Seite am Ältestenamt gehalten haben will. Er wünscht durchaus die Einheit des einen Amtes festzuhalten, aber, „ damit eine gewisse Ordnung in der sonst gänzlich einen und der gleichen Kirchenregierung aller Ältesten in ihrer Gesamtheit bewahrt werde, und damit alles ordentlich und ehrbar zugehe, muß diese ( Regierung) von einem ausgehen“. 5 Mikron faßt die etwas undurchsichtigen und verschränkten Ausführungen a Lascos dem Sinne nach richtig zusammen in den Sätzen: „Derhalben ist ist ein Superintendens der Gemeine allein umb diser vrsachen willen vber die andere diener/daß er vmb seiner gaben will/mehr arbeit vnd sorgen tragen muß/denn die andern. Aber in dem dienst des worts vnnd der Sacramenten/ vnnd im gebrauch der Christlichen straffen/hat er gleichen gewalt mit den andern.“ 6 A Lasco hat also nicht ein neues Amt für die Kirche gefordert, 108 Sechstes Kapitel 2 Emmius, 915. 3 RKZ, 1871, 361f. 4 II, 57. 5 II, 58. 6 Heidelberger Ausgabe, fol. 6a. sonderneine bestimmte Seite an den Aufgaben des Ältestenamtes einem bestimmten beauftragten Ältesten zugeschrieben. Es ist ihm durchaus klar, daß die Bibel kein neues Amt einführt, wenn sie von Aufsehern spricht; er will nur die Arbeitsteilung, die schon in der Benennung von Predigern und Lehrern neben den andern Ältesten sichtbar wird, durch ein besonderes Aufsichtsamt noch weiter durchführen, so daß der Bischof neben die Doktoren, Pastoren und Presbyter tritt. Dem Bischofsamt weist er folgende Aufgaben zu: 1) die Aufsicht über die Amtsführung der Diener; 2) die Leitung der Versammlungen der Amtsträger und die Bewahrung der Ordnung und Einmütigkeit unter ihnen; 3) soll er seine ganze Aufmerksamkeit darauf richten, daß die Gemeinde vor falscher Lehre und sonstigen Angriffen auf ihre Einigkeit und ihren Frieden bewahrt werde; 4) soll er sich als Hüter der kirchlichen Ordnung vor andern der Kirchenzucht unterwerfen und ein Vorbild der Diener und der ganzen Kirche sein. 7 Den presbyterialen Grundzug seiner Verfassungsform hat a Lasco nicht verändern wollen, wenn er das Amt eines Superintendenten für schriftgemäß erklärte. Denn er löste dieses Amt nicht vom Ältestenamt ab, entwickelte es auch nicht aus Notwendigkeiten und Forderungen, die anderwärts zu dem Amt des Generalsuperintendenten oder des Konsistoriums hinüberleiteten. Trotzdem mußte sich dies Amt auch in der Fassung a Lascos gerade da empfehlen, wo die Regierung an der Kirchenregierung beteiligt war. Das war in Ostfriesland der Fall, und die wechselseitigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat faßten sich in der Gestalt eines Inspektors gerade auch zu Gunsten der Kirche um so besser zusammen, als sein Amt für ein kirchliches angesehen sein wollte und a Lasco die Kirchlichkeit seiner Stellung bei gegensätzlichen Auffassungen in schwierigen Lagen durchaus betonte. Wiederum hatte die Obrigkeit es leichter, ihre Anliegen im Raum der Kirche zu vertreten, wenn sie sich an einen Amtsträger halten konnte, der den kirchlichen und staatlichen Auftrag in seiner Person vereinigte. Deshalb wird es begreiflich, daß man in Regierungskreisen dieses Amt nicht ungern wieder zu besetzen wünschte. Ich verfolge die entsprechenden Bemühungen nur so weit, als sie zeigen, daß die konfessionelle Spaltung sich auch in der Frage der Nachfolgerschaft a Lascos bemerkbar macht und daß die Emder Verhältnisse durch sie berührt werden. Eine erste Gelegenheit, a Lasco zu ersetzen, bot sich noch vor dem Einsetzen der interimistischen Streitigkeiten. Rücktrittsgedanken hatte a Lasco schon 1546 geäußert; aber da die Regierung ihm versprach, die Mißstände in dem von ihm gewünschten Sinne zu beseitigen, hat er sein Amt weitergeführt, wenn es auch zu irgendwelchen Maßnahmen nach der Erstellung des Großen Katechismus und sonstigen allein Emden betreffenden Neuerungen nicht mehr gekommen ist. Am Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 109 7 II, 58. 7.Juni 1547 schreibt er an Hardenberg, daß sein Gesundheitszustand ihm die Besorgung seines Amtes erschwere; er begrüße es, daß die Gräfin Hardenberg berufen habe. 8 Am 29. Januar 1548 kommt er auf diese Berufung zurück: „ Ich habe mein Amt noch nicht wieder aufgenommen, mein Albert, sondern der Gräfin außerhalb der Befugnis des Amtes meinen Dienst angeboten, solange ich noch hier bleibe, und gebeten, beizeiten einen andern an meiner Stelle zu suchen.“ Hardenberg soll „ Ja“ sagen und den bereiten Platz einnehmen. 9 Nach dem Weggange a Lascos fand sich ein Bewerber um seine Stelle in Nikolaus Buscoducensis. 10 A Lasco spricht am 4. April 1550 den Emder Predigern gegenüber von dem Versuch Nikolaus’, sein Nachfolger zu werden, als über etwas schon Bekanntes: „Nikolaus Buscoducensis hat mir auf meinen Brief nichts geantwortet; Ihr habt mir den Brief übrigens noch nicht zurückgegeben, obwohl ich ihn sehr nötig brauche. Ich nehme an, daß D. Aepinus ihm schreiben wird. Weiter werde ich dafür sorgen, daß Bucer, Martyr, Ochino und Paul Fagius zusammen an ihn schreiben, wenn er weiter mit dem Gedanken umgeht, unsere Ernte einzufahren. D. Jacobus Propst hat mir versichert, daß ihm der Plan des Nikolaus in diesem Stücke nicht gefalle, weder er noch seine Kollegen hätten dem Nikolaus das geraten, und sie hätten ihm auch nichts Gutes in dieser Sache geweissagt. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, dann kann ich es bislang auch einfach nicht glauben, daß Nikolaus so vermessen und unklug ist, um trotz aller Mahnungen von Euch und von mir mein Amt zu erstreben.“ 11 Die näheren Umstände dieser Bewerbung bleiben leider dunkel. Aber die Tatsache, daß der Bruder des Kopenhagener Hofpredigers Heinrich Buscoducensis ostfriesischer Superintendent werden wollte, ist unbestreitbar und ein Beweis, daß das benachbarte Luthertum für sich in Ostfriesland neue Möglichkeiten sah. A Lasco hatte dem Bewerber gedroht: „ Erstrebe nur nicht meine Stellung, wenn Du nicht von Gott gestraft werden willst.“ 12 Nach a Lasco hätten die Emder Prediger auch sich der Bemühung des Nikolaus widersetzt; und ebenso müssen aus Bremen und Hamburg warnende Stimmen gegen den Plan erhoben worden sein, obwohl es begreiflich ist, daß die „ östlichen Kirchen“ 13 Ostfriesland so leicht nicht preisgeben würden. Vielleicht hat zu dem Widerstand a Lascos mit beigetragen, daß dieser sich auch nach seinem Weggang noch als Pastor der Emder Gemeinde 110 Sechstes Kapitel 8 II, 610. Ich weise noch einmal (s.Seite 23 dieser Arbeit) darauf hin, daß a Lasco bereits 1540 der Regierung Hardenberg empfohlen hat. 9 II, 610. 10 Über Buscoducensis Kuyper II, 638; RE 11, 62; Karl Krafft, Nicolaus Buscoducensis zu Wesel, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 1890; Harboe, 41; Gabbema, 78.91. 11 II, 637f. 12 II, 638, Anm. 2. 13 Petrus Campensis, ein mir sonst nicht bekannter Schreiber zweier Briefe an Bullinger über das Interim, spricht davon, daß „aliquas (...) ceremonias resumamus Ecclesiis Orientalibus conformeas“. fühlte;denn in den Tagen des ersten Abschieds sprach er es Albrecht von Preußen gegenüber aus, daß er seiner Gemeinde und der Gräfin sich weiterhin verpflichtet fühle. 14 Noch 1551 bemerkt er, daß er die Gräfin für seine Fürstin halte. 15 Während des Interims riß die Verbindung zu Emden nicht ab; zu raten und zu mahnen wurde er nicht müde. 16 Daß aber die Regierung anders dachte und sein Verhältnis zur ostfriesischen Kirche für beendet ansah, zeigen erneute Bemühungen um Hardenberg. Gegen Ende des Jahres 1553 haben Verhandlungen mit Hardenberg stattgefunden, an denen der Bruder der Gräfin, Christoph von Oldenburg, maßgeblich beteiligt gewesen ist. „Es ist mir angezeigt, daß Du vom Grafen Christoph berufen seist und hier auch erwartet werdest“, schreibt a Lasco am 12. Dezember155317und kommt auf diese Berufung und Erwartung noch mehrmals zu sprechen. 18 A Lasco nimmt zu dem Vorgang weiter keine Stellung, er wünschte den Freund in diesem Augenblick für seine Pläne im Streit mit Gellius Faber einzuspannen. So wird nicht deutlich, ob er diese Möglichkeit, Hardenberg als Superintendenten in Emden zu sehen, begrüßt hat. Ich will die allerdings nicht weiter begründbare Vermutung nicht unterdrücken, daß Verhandlungen über die Berufung Hardenbergs im Oktober 1553 in Rastede geführt worden sind. Denn 1564 erinnert Medmann den Grafen Edzard II. an die Versprechen, die sie sich am 13. Oktober 1553 gegeben haben. Das war kurz vor dem Tode Fabers und ein Jahr vor den dritten Verhandlungen, die 1565 mit Hardenberg geführt wurden. Es bleibt möglich, daß die Abreden zwischen Edzard und Medmann auch einen neuen kirchenpolitischen Kurs betroffen haben, der zu einer Einigung der streitenden Parteien auf einer mittleren Linie führen sollte. Sein lehrmäßiger Ausdruck sollte nach der Wirdumer Formel von 1552 der Katechismus Fabers von 1553 sein, dessen Druck Hardenberg in Bremen überwachte. Das scheint mir außer Zweifel zu stehen, daß die Berufung Hardenbergs solchen kirchenpolitischen Erwägungen entsprang. 19 Denn wenn auch Hardenberg noch nicht nach Emden kam, dann dachte doch die Regierung nicht daran, a Lasco einfach wieder in sein altes Amt einrücken zu lassen. Vielmehr wurde während der zweiten Anwesenheit a Lascos ein anderer Plan verfolgt, um zu einem Superintendenten zu kommen: man bemühte sich um Melanchthon, und das war ein mehr als deutlicher Wink an a Lasco, daß man auf ihn nicht mehr zurückzukommen gedachte. A Lasco hat Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 111 14 II, 631f. 15 II, 663. 16 II, 637.649. 17 II, 694. 18 II, 695f. Der Verweis Kuypers, 696, Anm. 4 bezieht sich auf S. 694, Anm. 1 und nicht auf Anm. 7. 19 Konsistorialarchiv, Archivalia 10. Briefe Medmanns an Graf Edzard II. ohne Angabe der behandelten Gegenstände. indem Versuch, Melanchthon nach Emden zu ziehen, so etwas wie eine Verschwörung gegen seine Person und gegen sein Amt gesehen. Denn er schreibt Hardenberg, der an der Bemühung um Melanchthon mitgewirkt hatte, aus Köln nach seinem Abschied aus Emden: „Ich habe mich in meinen Briefen über Philippus keineswegs so geäußert, als zweifelte ich daran, daß er, falls er berufen worden wäre, nicht alles recht und klug ausgeführt haben würde. Es geht vielmehr um deinen Rat, durch den du geraten hast, daß jener zur Erstellung einer Lehrvereinigung in unseren Kirchen berufen werden möchte. Das konnte ohne irgendeine Veränderung der Lehre nicht vor sich gehen. Und dann sollte das geschehen, ohne daß du mich vorher ins Bild gesetzt hättest, besonders, da du doch sehr wohl wußtest, daß ich bisher Pastor jener Kirchen gewesen bin.“ 20 Emmius glaubt neben Hardenberg auch den Grafen Christoph, Petrus Medmann und Gellius als Urheber des Planes angeben zu können. 21 Der Gräfin hatte Melanchthon sein Ordinandenexamen überreichen lassen. 22 Mit Medmann und Hardenberg stand er im Briefwechsel. Man muß wohl in den Kreisen der Verfechter dieses Planes Hoffnungen gehabt haben, durch Melanchthons Berufung die Zerwürfnisse unter den Predigern beilegen zu können. Seine Bestellung sollte den drohenden Zerfall der kirchlichen Einheit verhindern. Allerdings ist nirgendwo gesagt, daß Melanchthon geradezu a Lascos Nachfolger werden sollte. Seine Aufgabe wäre nach a Lascos Angaben eine beschränktere gewesen, er sollte eine neue Lehrvereinigung schaffen, die an die Stelle der Moderatio trat. Aber daß sein Name nach den Stürmen des Interims in Emden genannt worden ist, daß man gerade an ihn gedacht hat, ja, daß Freunde a Lascos die ganze Sache betrieben, das zeigt die veränderte Lage an, die auch, wäre der Plan ganz zur Durchführung gekommen, a Lascos Werk in Emden aufs stärkste getroffen haben würde. Aber Melanchthon kam nicht. A Lasco bekam keinen wirklichen Nachfolger, weder dem Amte noch der Persönlichkeit nach. Wohl hat Uniko Manninga, der Schutzherr Marnix' auf Lütetsburg bei Norden, 1565 noch einmal versucht, Hardenberg in das Amt eines Superintendenten zu bringen. Er schreibt an die Grafen, daß es ratsam sei, eine Visitation anzustellen. Für diese Arbeit wäre Doktor Albert ganz geeignet, wenn ihm noch einer oder zwei zugefügt würden. 23 Am 10. Juni 1566 kommt er darauf zurück: „Wider, Genedige Heren, als ick wegen der Inquisition vnd examination der predicanten vnd pastoren an J.G.ock ertytz geschreuen, so kame ick nhu in erffharinge, deweill hir jtz noch fast exspectanten (=Prediger, die die auf eine Berufung warten, besonders Flüchtlinge aus den Niederlanden) sind, dat alle daghe, alhyr, wth de westersche lannden, vmb predicanten geschreuen werdt. Vnd jn fall J.G.gein gebreck der pedicanten he(ben) wöl- 112 Sechstes Kapitel 20 II, 709. 21 Emmius, 949; Garrelts, Gegenbericht, 115.128. 22 Schmidt, Philipp Melanchthon, 1861, 548; Kruske, 101. 23 Archivalia 21. len,were woll hoichnödig, dat sodane examen vnd jnquisition erstes dages muchte jndt we(rck ge)stellet werden, deweill idt de gelegenste tydt (dartoe?)is, vnnd dar mit J. G. ock jn der vndücht( igen pa) storen plaetz, de darin woll etliche sind, (andere?)gelherde vnd gottfrüchtige menner wederüm(me) jntostellende, kein mangell dragen müchten, v(nd) vp dat die affgesetteden sich tegens michaelis oc(k) desto bether darna hadden mogen tho richten. Hirvp J.G.genedige andtwerdt ock dienstlich biddende. Doctor Alberdtus Gn. Heren, is hirto erbödich vnnd guetwillich van (?) welcker J.G.ick dienstlichen vnuörmeldet nicht hebbe sollen laten. Emedamam X. Junij anno i c LXVj.“ 24 Manninga hat also an die Wiederbesetzung des Aufsichtsamtes gedacht und ihm die Visitation und das Examen der Prediger zuschreiben wollen. Dieser dritte Versuch, Hardenberg für Ostfriesland zu gewinnen und ihn zum Superintendenten zu bestellen, geschah nach Fabers Tod. Zwischen 1554 und 1565 erfahren wir nichts über Bemühungen um einen Ersatz für a Lasco. Das läßt die Aufmerksamkeit für eine Tatsache wach werden, die bisher wenig beachtet ist. Welche Stellung nahm dieser Mann ein, der während des zweiten Aufenthaltes a Lascos als dessen Gegenspieler erscheint und in den Lehrstreitigkeiten eine Politik der einenden Mitte verfolgte? Am 5. Oktober 1562 wird er im Kirchenratsprotokoll „superintendent“ genannt. Natürlich ist er damit noch nicht im Vollsinne des Amtsbegriffes zum Träger der Pflichten und Rechte gestempelt, die a Lasco vertreten hatte. Um das zu behaupten, ist doch wohl die einmalige Benennung mit dem durch a Lasco geprägten und gefüllten Namen zu wenig beweiskräftig. Daß er aber eine ähnliche Stellung eingenommen hat, beweisen einige Briefe aus dem Konsistorialarchiv, die Reershemius für sein Predigerdenkmal benutzt hat und aus deren Inhalt er den Schluß zieht: „Man kann hieraus und aus andern von uns hie und da angeführten Umständen und Briefen sehen, welche genaue Acht Gell. Faber auf die Prediger gegeben, und man sollte fast glauben, daß ihm die Aufsicht darüber sey anvertrauet gewesen.“ 25 Schon 1554, also während a Lasco noch im Lande war, hat er der Gräfin einen Brief geschrieben, in dem er sich ganz im Sinne des Aufsichtsamtes über notwendige Eingriffe in Mißstände unter der Pfarrerschaft ausläßt. 26 Er spricht da über die Streitigkeiten in Norden, über den Pfarrerwechsel in Hinte, über den untauglichen Pastoren zu Hohegaste, den er im Winter in Leerort visitiert habe, wobei er habe feststellen müssen, daß der Mann nicht eines der Gebote der ersten Tafel auswendig gewußt habe, über den Pastoren von Siegelsum, der vom Coetus verworfen sei und über den Trunkenbold zu Veenhusen, die alle drei ihrer Ämter entsetzt werden müßten. Weil Visitation gehalten werden solle, Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 113 24 Ich habe die Lücken des beschädigten Blattes zu ergänzen versucht. 25 Reershemius, 722, siehe auch 237.480f.572.625.660. 26 Jahrbuch 22, 336-339. müsseman in Emden den vierten Diener bestellen, da den drei Emder Pastoren Faber, Veltmann und Brass die Arbeit sonst zu viel werde. Aus diesen Einzelheiten geht hervor, daß Faber visitiert hat; das wird durch die bestimmte Angabe des Coetus bestätigt, die in der Eingabe vom 13. Juni 1576 gemacht wird. 27 In Gemeinschaft mit dem Coetus hat er die Lehr- und Lebenszucht unter den Predigern wahrgenommen. So muß man ihn als den heimlichen Nachfolger a Lascos ansehen. Diese Behauptung wird nicht nur durch die angeführten Zeugnisse gestützt, sondern ebenso durch seine Bemühungen zur Erhaltung der Landeskirche in ihrer Einheit, die in der Haltung im Norder Kirchenstreit und in der Auseinandersetzung mit a Lasco zum Ausdruck kommen. Er war bei weitem die stärkste Persönlichkeit, die die Emder Kirche ins Feld zu stellen hatte, nachdem a Lasco aus seiner Arbeit geschieden war. Seine konfessionelle Stellung, die für die Tätigkeit des Kirchenrates und für die Richtung der coetualen Bemühungen wichtig wurde, wurde am Ende des Jahrhunderts Gegenstand der konfessionellen Auseinandersetzung, als man es für nötig hielt, das Ergebnis der langen und wechselvollen Entwicklung bereits in der Vergangenheit nachzuweisen, und kein Empfinden dafür hatte, daß die Gegensätze erst im Laufe der Richtungskämpfe ihre scharfe Prägung erhielten. Weil es galt, Zeugen und Beweise für den eigenen konfessionellen Standpunkt zu erhalten, mußte Faber Lutheraner im Sinne der nachkonkordistischen Zeit gewesen sein. 28 Es ist aber so, daß Faber eine vermittelnde Stellung eingenommen hat. Er hat seinen Blick nicht eng auf die Gemeinde gerichtet, der er diente, sondern hat sich der Gesamtkirche verpflichtet gewußt. Schon 1551 läßt er drucken: „(...) dar vnse leue hochbegauede vnde Godtfrüchtige Here vnde broder Joannes a Lasco seer vaken/vnde wy na synem affschede alle tydt auer geklaget hebben/vnde mit dem herten auer wenen mothen“, nämlich über die untauglichen Prediger, die im Amte sind und von denen sein Brief aus dem Jahre 1554 spricht. 29 Den Blick auf die Gesamtkirche hat er nicht nur in Hinsicht der Lebenszucht festgehalten, es ging ihm ebenso um die Einheit. Diese hat er aber auf seine Weise herzustellen versucht und dabei eine andere Linie eingeschlagen als a Lasco. Um in Norden Frieden zu stiften, hat er der Gräfin vorgeschlagen, mit den „Lutheranern“ Lemsius und Vorstius auch den „Reformierten“ Fusipedius Fusipedius abzusetzen; denn die Gräfin hat „nha einheit der lere und der ceremonien im lande“ zu trachten. Daß er noch 1554 Martin Mikron für die Predigerstelle in Norden vorschlägt, ist wahrlich kein Beweis für lutherische Haltung, wie sie von Lemsius in Norden und dem besonneneren Martin Faber in Hage vertreten wurde. Seine Vorbilder dürften weit eher Butzer und Melanchthon gewesen sein, und im Consensus Tigurinus hat er nach Ausweis seines Briefes von 1554, dem die obigen Angaben entnommen sind, auch für 114 Sechstes Kapitel 27 Meiners II, 25. 28 Gegenbericht, 109. 29 Jahrbuch 22, 337. Ostfrieslandeine tragfähige Grundlage der Lehreinheit gesehen. 30 Der Gegenbericht führt als Beweis für das Luthertum Fabers an, daß er die Lüneburger Ordnung beobachtet habe; er sei erst durch a Lasco zu andern Anschauungen bekehrt worden. Der Beweis ist genau so viel wert, wie die Behauptung Jherings, daß a Lasco ein guter Lutheraner gewesen sein müsse, weil er mit Äpinus in Hamburg gute Freundschaft gepflogen habe, da „aus Tümanni Farragine pag. 247 bekannt, daß derselbe (=Äpinus) gar ein Scriptum contra Sacramentarios Frisones ediret habe“. 31 Faber ist mit a Lasco in der Lehre von den Sakramenten nicht einig gewesen; aber so einfach liegen die Dinge nicht, daß dadurch ein schlüssiger Beweis für den Standort Fabers in den Reihen derer, die um 1550 die Vertretung des echten Luthertums für sich in Anspruch nahmen, gegeben wäre. Er hat theologisch eine mittlere Linie zu gehen versucht, auf der er sich die Gegnerschaft a Lascos zuzog und auch die Freundschaft lutherisch Gesinnter nicht erwarb. Umso mehr hat er aber das Erbe a Lascos auf dem Gebiete des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche zu wahren gewußt. Dafür sprechen zwei Briefe aus dem Jahre 1559, die er an die Gräfin Anna und den städtischen Rat richtete, als es galt, die Prophezei zu verteidigen. Hier ging es um eine Maßnahme, die nach seiner Anschauung der Gemeinde zum Segen gereichen mußte. Da hat er die strafende Mahnrede und Zurechtweisung im Stile a Lascos und des Briefes von 1548 nicht gescheut, um dem Kirchenrat Bewegungsfreiheit zu sichern. Faber hat die staatskirchliche Auffassung, die auch in Ostfriesland sicherlich von manchem vertreten wurde, wie die Annahme des Interims durch Lemsius beweist, nicht geteilt; denn er kann 1559 der Gräfin sagen: „ Etlicke reden spotlick mit vns, dat wy J. G. conscientien könen maken.“ Die Gemeinde ist nicht einfach Gegenstand obrigkeitlicher Anordnungen, ihre Regierung steht unter anderen Gesetzen. „ Wy mothen jo rekenschup vnses dondes der Gemene vorgeven, dat wy nicht könen don, ahne J. G. tho beschuldigende, dar vns den groter Ungnade van entstan würde.“ Die Gräfin hat Regierungsrechte in der Kirche nur als Glied. Sie muß die Befugnisse der Amtsträger anerkennen und die Selbständigkeit der Gemeinde in der Gestaltung ihrer Ordnung achten: „( J. G.) höret doch ein mal thom lesten vp, vns tho marteren, vmme der Kercken Ceremonien willen, de nu ein jeder, so ock buten der kercken ys, na syn wollgefallen regeren will, vnd syn doch vnsem ampte thobehörich, dat wy de na gelegenheit vnserer Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 115 30 Emder Bericht, 385-398.Die Emder geben einen ausführlichen Bericht über den Streit mit Urkunden. Daß Lemsius und Vorstius die Interimsordnung weiter beobachtet haben, beweist die Darstellung des Fusipedius, 396 ganz deutlich. Fusipedius bezeugt ausdrücklich, daß die Norden umgebenden, heute lutherischen Orte Hage, Nesse, Marienhafe, Siegelsum, Engerhave, Viktorbur, Aurich etc. in der Gottesdienstordnung mit Emden übereinstimmten. Weitere Nachrichten im Gegenbericht, 170. Vorstius hat die Züricher Übereinkunft bei seiner Amtseinsetzung anerkannt. Jahrbuch 22, 336. 31 Jhering, Kirchengeschichte Ostfrieslands, handschriftlich im Staatsarchiv § 5. Kerckenrichten vnd öven mothen, dar J. G. als ein levendig littmaht der kercken tho helpen schall, vnde vnse sake handthaven.“ 32 Das ist deutlich gegen jeden Anspruch über das von der Kirche Zugestandene hinaus gerichtet. Noch deutlicher spricht sich Faber in dem Brief an den Rat aus, der sich besonders an Medmann richtete. „ Dat se (= die Prophezei) ahne Wille vnd Weten vnser Gnädigen F. is angerichtet, ys nicht vth vorachtinge E. G. gescheen, sondern beneven andere oersaken vornehmlich daher, dat Gott sülvest vnse denste gesettet, E. G. dat vtherlicke Regiment, vns averst de Regeringe der Kercken hefft vpgelecht vnd bevolen, Act. 20, welcker E. G. sampt J. E. W. schüldig sick tho vnder werpende, so ferne wy buten Gades wort nicht treden, wo de Kaiser Constantinus Theodosius Valentinianus, mit mehr anderen gedaen, dartho ock schüldich sind vnse dienste vortostan vnd tho handhaven wo an densülvigen gespöret. De Könige, segt Jesaias ( am Rande: Jesaias 49) schölen dyne Plegers vnd ere Fürsten dyne Sögeammen seyn, se werden vor dy nedderfallen. Da Joseph van Arimathia, Nicodemus de twe Centuriones vnd Sergius Paulus Christen geworden, hebben se sich öhrer vocation, ahne tuiwelen flietig geholden, averst der Kercken Policie vnder sick nicht gelecht, sundern sick dersulvigen in gehorsamheit vnderworpen. Wente Gades wort moth alles fleisch richten vnde alle hoge vorstanden mothen sick dersülvigen gefäncklick ergeven vnd vnderwerpen. Willen nu Heren vnd Fürsten sampt anderen Magistraten den rath vnd willen Gades en geapenbaret dorch de hochbegaveden Menners Philippus Mel. Bucerum, Calvinum, Petrum Martiren nicht annehmen, vnde willen nha dem de pawest uthgestoten, nu ein jeder in synem rycke vnd gebede ein pawest syn, vnde de Religie vnder syn voeten leggen, wo de frame Bucerus vacken klachlicken geredet, wat ordel wert Godt darover fällen, wenn he den vnrechtferdigen Hussholder aver syne hussholdinge voer sick wert degen ( ziehen) vnd vorderen, waerlycken, dat werdt neen Christen synen ergsten Fyanden gunnen (...). Und du, lieber Freund Medmann, hast doch bei deinem Butzer über das Reich Christi gelesen, welche Autorität er den Dienern in ihrem Amt und Beruf zumessen will. 33 (...) Ghy willen doch Gott früchten, vnd griepen nicht wider als Juwe beropinge wendet.“ Ein Mann mit solchen Anschauungen war in dem Emden a Lascos an seinem rechten Platz. Daß er ein Mann des Übergangs ist, wird durch die Tatsache gekennzeichnet, daß er die Zufälligkeit des jeweils wechselnden Einflusses, den der einzelne oder das Beispiel ausüben kann, möglichst ausgeschaltet wissen will: „ Alle tydt moeten in der Kercken de regelen mehr als de exempeln gel- 116 Sechstes Kapitel 32 Ich benutze zwei bisher nicht benutzte Briefe im Konsistorialarchiv, die nur in Abschrift vorhanden sind. Die Briefe sind nach August 1559 im Namen und mit der Unterschrift der Kollegen Veltmann und Cooltuin an die Gräfin und den Emder Rat in Sachen der Prophezei geschrieben. 33 Dieser Satz lateinisch: „Et tu, mi Domine Medmann, legisti apud Bucerum tuum de regno Christi quam autoritatem velut ministris esse in suo ministerio ac vocatione.“ den.Nach Regeln, nicht nach Beispielen ist zu entscheiden.“ 34 Dieser Satz wirft ein Licht auf seine Stellung zu den Fragen der Kirchenordnung. Dem kirchlichen Leben kann es nicht gut bekommen, wenn ein ständiger Wechsel der Grundsätze und Ordnungsformen Platz greift. Es ist auch von diesem Satz aus wohl denkbar, daß Faber die Lüneburger Ordnung beachtet hat. Daß er sich aber notwendigen neuen Formen nicht feindlich gegenüber gestellt hat, beweist sein Eintreten für die Prophezei. Für die Festigung der kirchlichen Ordnung bot eine solche Haltung gute Gewähr. Im Grunde konnte a Lasco keinen besseren Vertreter seiner Anliegen in Emden zurücklassen. In treuer Sorge hat er sich der Gesamtkirche und seiner Gemeinde angenommen. In seiner Eingabe von 1559 beweist es seine Klage über den Tod Mikrons und Arnolds von Loppersum. Er sieht mit Sorge das junge Geschlecht heranwachsen und, wie in Pilsum und Wirdum, die Söhne die Plätze ihrer Väter einnehmen, ohne daß den Gemeinden damit wirklich gedient wird. 35 Man merkt es Faber an, daß er noch aus der ersten Zeit stammt, in der die Prediger im Schatten vieler Nöte kämpfen mußten, die die Absetzung von den alten Zuständen mit sich brachten, und die sie doch bildsam neuen Anregungen öffneten. Einsichtig und doch „ freimütig und durchgreifend“ 36 und in Grundsätzlichkeiten unbeugsam, so tritt uns das Bild des heimlichen Nachfolgers a Lascos in den wenigen Äußerungen entgegen, die seine Tätigkeit und Anschauungen erhellen und den Mann selbst aus einer unverdienten Vergessenheit wieder herausheben. Seine Art und Arbeit haben die Emder Verhältnisse sehr gefestigt, und, ganz anders als Hardenberg, den allein die Schicksale der Zeit vor seinem Aufenthalt in Emden bedeutsam erscheinen lassen, hat Faber den Lauf der Dinge beeinflußt. Er ist zwischen a Lasco und Alting das bedeutsamste Mittelglied, seine Bemühungen und Auffassungen verbürgten für Emden die Stetigkeit der Entwicklung auf einer Linie, die er durch Männer wie Melanchthon, Butzer, Calvin und Martyr vorgezeichnet sieht. So hat die Emder Kirche neben Aportanus, a Lasco und Alting in Faber einen ihrer bedeutsamsten Männer des sechzehnten Jahrhunderts gehabt. Darum ist es nicht zufällig, daß wir erst nach seinem Tode von einer Wiederbesetzung der Superintendentur hören. Das Anliegen dieses Amtes war auch ohne besonderen Auftrag bei ihm gut aufgehoben. Faber starb 1564. Alsbald aber wandelten sich auch die politischen Verhältnisse durch den Eintritt der gräflichen Söhne Edzard und Johann in die Regierung, und damit bekam der konfessionelle Streit einen neuen Auftrieb. Graf Edzard berief für sich und seinen Hof in Aurich einen lutherischen Hofprediger, der, wenn auch anfangs ohne fest umrissene Stellung, doch großen Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 117 34 Wieder lateinisch: „Juxta illud: regulis judicandum est, non exemplis.“ 35 Jahrbuch 22, 337. 36 Jahrbuch 22, 335, wo auch auf Hamelmann, Opera, 829 hingewiesen wird, der Faber unter die Sakramentierer zählt. Einflußausüben konnte. In dieser Stellung sind Johannes Ligarius, Gottfried Hesshusius und Michael Walther tätig gewesen, Männer, deren Namen eindeutig ein lutherisches Programm bedeuteten. Die Reformierten blieben, je stärker die konfessionelle Trennung in Erscheinung trat und durch solche Maßnahmen wie die Ernennung eines lutherischen Hofpredigers gefordert wurde, auf den Coetus als innerkirchliches Organ angewiesen. Als Vorsitzender des Coetus ebensosehr wie als Prediger der Hauptstadt hat Faber seine Aufgaben wahrgenommen. Am 13. Juni 1576 hat der Coetus in einer Eingabe an die Regierung festgestellt, daß seit dem Weggang a Lascos etwa 25 Jahre hindurch der Coetus anstelle des Superintendenten dessen Befugnisse ausgeübt habe. Den Vorsitz habe aber nach Angabe dieser Coetuseingabe nicht nur Faber allein innegehabt, sondern jeweils ein Emder Pastor, „ der unter den Pastoren der Emder Kirche an Alter und Gaben hervorragte“, als Metropolit, wie es hier heißt. In dieser Stellung haben Thomas Bramius, Gellius Faber, Hermann Brass, Cornelius Colthunius und Albert Hardenberg gewirkt. Das mag von den Coetussitzungen, in denen der Vorsitz jährlich wechselte, gelten. Es wird aber ausdrücklich festgestellt, daß die Visitationen Fabers die letzten gewesen seien, und dadurch bestätigt der Coetus die Vorrangstellung Fabers noch nach seinem Tode. Einen Superintendenten erhielt die ostfriesische Kirche nach a Lasco nicht wieder. Mit dem Manne ging auch das Amt der Gesamtkirche verloren. 2. Neue Streitigkeiten über das Abendmahl und die Entstehung des Kleinen Katechismus In der Gestalt des Superintendenten bzw. in der Arbeits- und Regierungsgemeinschaft des Coetus sollte sich die Einheit der Kirche und die Einigkeit der Pastoren darstellen. Nun waren aber die vergeblichen Bemühungen um die Wiederbesetzung der Superintendentur bereits ganz deutlich bestimmt durch den Kampf der konfessionellen Strömungen. Sie sind es, die die regelrechte Wiederbesetzung der leer gewordenen Stelle verhinderten. Und wenn Männer wie Faber und Hardenberg kraft ihres Amtes als Emder Pastoren, als „ Metropoliten“, in Tätigkeitsbereiche hineingezogen wurden, die dem Superintendenten zugefallen waren, dann ist dadurch die Stellung der Stadt, um deren Kirchenordnung es hier geht, mit gekennzeichnet. Sie hat Ergebnisse zu bewahren und Ansätze fortzubilden, die a Lasco schuf. Da aber diese Zeit alles am Maßstab der reinen Lehre bemaß, so mußte der neu einsetzende Kampf um die geltende Lehre die Emder Gemeinde vor allem treffen und auf den Kampfplatz rufen. Ihre Kirchenordnung stand und fiel mit der Lehrform, die durch die Kämpfe bedroht, aber zuletzt neu gefestigt wurde. Die Moderatio doctrinae hatte die auseinandergehenden Gruppen nicht wirklich zusammengebracht. Das zeigte sich an dem Streit, der ausbrach, sobald die Gefahren des Interims gebannt erschienen. Im Gegensatz zu Emden hatten die 118 Sechstes Kapitel PredigerLemsius und Vorstius in Norden die Interimsordnung eingeführt. Sie scheinen auch daran festgehalten zu haben, als das Interim in den Augen der Emder seine Berechtigung schon völlig verloren hatte. Denn der dritte Prediger, Fusipedius, weigerte sich, die ihm fremde und unerträgliche Ordnung zu beobachten. Im März 1552 feierte er das Abendmahl nach der Ordnung der Emder Gemeinde. 37 Darüber entstand ein großer Streit der Prediger untereinander. Die Gemeinde geriet in Bewegung, Bittschriften und Klagebriefe kamen an die Gräfin, Unterschriftensammlungen begannen ihre Rolle zu spielen. Zwar befahl die Gräfin am 8. April 1552 den Parteien, Frieden zu halten, richtete aber damit nicht viel aus. Sie erneuerte ihren Befehl, die ganze Sache „ thom Synodum vnde Censuram framer vnd gelehrter Pastoren“ zu verweisen, den sie schon am 8. April gegeben hatte, am 10. Mai. 38 Es ist dann in Wirdum ein Gespräch gehalten worden, als dessen Ergebnis die Wirdumer Formel die dem ganzen Streit zugrunde liegende Verschiedenheit in der Abendmahlslehre ausgleichen sollte. 39 Die Regierung hatte Faber und Brass zu Schlichtern des Streites bestellt. 40 Der Text der Formel, der 1594 den Emdern noch im Original mit den Unterschriften der Norder Prediger vorlag41,ist allein in hochdeutscher Sprache in der Studentenmissive erhalten. 42 Er lautet: „ Wir bekennen/ laut der Schrifft/ das Christus vnser Herr/ wahrer Gott vnd Mensch bey dem Abendmahl ist/ vnd krefftiglich da wircket/ vnd anbeuth vnd gibt vns seinen wahren Leib vnd Blut/ vnd kein anders/ dann dasselbe/ das am Galgen des Creutzes geopffert ist/ mit allen den Gaben/ die er vns damit verdienet hat/welche wir dennoch anders nicht können nützlich zur Seeligkeit empfangen vnd genießen/ denn durch den Glauben. Die aber mit vnbußfertigen Hertzen vnd Vnglauben das Würdige Sacrament genießen vnd darzu gehen/ die machen sich schüldig an dem Leibe vnd Blut des Herrn/ vnd essen jhnen selbst das Gericht/ darmit das sie nicht vnterscheiden den Leib des Herrn.“ Die Lutheraner haben später behauptet, daß die Erklärung mehr verdeckt als wirklich geklärt hätte. „Die Formula daselbst gemacht/darüber sind Gellius Faber vnd sein Collega, Harmannus Brass/gar vneinig gewesen. Gellius wolte Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 119 37 Siehe Anm. 30 zu Seite 115 dieser Arbeit. 38 Emder Bericht, 392f. 39 Meiners I, 334 setzt das Gespräch auf den 10. Mai 1552. Das ist falsch. Denn nach dem Emder Bericht, 392 hat die Gräfin am 10. Mai 1552 in einem „endtlicken vorsegelten Affscheidt“ den Befehl gegeben, „darna se sick in der Lehr vam Hilligen Auendmahl richten vnd vorholden scholden“. Dieser Befehl ist in Emden ausgestellt. Seien sonstige Zwistigkeiten in der Lehre da, dann sollte eine Besprechung stattfinden. „Darvp denn de Formula Wirdumana also balde gestellet.“ Gegen Reershemius, 252 und Ritter, Jahrbuch 22, 332 ist anzunehmen, daß das Wirdumer Gespräch nach dem 10. Mai 1552 stattgefunden hat. 40 Emder Bericht, 395 aus dem Brief des Fusipedius an die Gräfin. 41 A.a.O.,395. 42 Missive, 206. Aus ihr: Meiners I, 334f.; II, 337; Reershemius, 253; Garrelts, Gegenbericht, 171; Reu, Hist.-bibl.Einl., 724. sie/der Formulae zu Wittenberg/Anno 1536 gemacht/gleich vnd gut Lutherisch haben. Braß aber wolte sie gar Zwinglisch haben: Die anwesende Lutherschen haben sie taliter qualiter paßieren lassen.“ 43 Wie es mit der Meinungsverschiedenheit der beiden Emder Prediger gestanden hat, läßt sich schwerlich ausmachen, da die Unterlagen dafür fehlen, etwas über die dogmatische Stellung des Brassius auszusagen. Das verrät die Äußerung des Gegenberichts deutlich genug, daß die Emder die Formel als einen Einigungsversuch auf der Linie angesehen haben wollten, auf der Butzer in den dreißiger Jahren die Schweizer, Oberländer und Wittenberger zusammenzubringen versucht hatte.44Tatsacheist es, daß die Formel den Streit nicht beilegte; er brach ein Jahr später mit neuer Heftigkeit wieder aus, so daß die Regierung sich genötigt sah, alle drei Prediger ihres Amtes zu entsetzen. 45 Man darf bei der Beurteilung des Vorgehens, durch das Faber seine Aufgabe zu lösen versuchte, nicht vergessen, daß er einen Gesichtspunkt festhielt, der seine Verfechter immer in eine schiefe Lage brachte. Er wollte vermitteln. Das forderte Verzicht auf eine letzte Klarheit im Ausdruck, auf Eindeutigkeit der Aussagen. Christus ist im Sakrament gegenwärtig; es wird vermieden, von der Gegenwart im Brot und Wein zu sprechen, eine Vorstellung über die Art und Weise der Gegenwart Christi beim Abendmahl gibt die Formel nicht. Der ganze Christus nach seiner Gottheit und Menschheit ist da, er wirkt, er bietet an und gibt seinen wahren Leib, sein wahres Blut, eben seinen Leib, der am Kreuze geopfert worden ist. Bei den Gaben ist sicherlich an das Werk der Erlösung zu denken, an Gerechtigkeit und Heiligkeit. Ähnlich hatte Faber 1551 von der Taufe gesagt, daß den Kindern „de enden vnde segen“ der Taufe zukomme, „wente Christus ys krefftich/waschet/hilliget/vnde reyniget yn synen Sacramenten“. 46 Und obwohl nicht behauptet werden kann, daß er in dem Bericht über die Emder Abendmahlsfeier nur seine eigenen Gedanken wiedergegeben hat, so darf man doch auch wohl annehmen, daß der Aufriß dessen, was der Gemeinde in den einzelnen Vorbereitungshandlungen gesagt werden sollte, seine Zustimmung gefunden hat. 47 Da ist von den Geheimnissen des Abendmahls die Rede, in denen Christus gegenwärtig ist, um mit seinem wahren Leibe den Bußfertigen zu speisen und zu tränken. Auch in der Emder Abendmahlsvermahnung wird gesagt, daß die Wohltaten Christi und die Vergebung der Sünde, die er uns am Galgen des Kreuzes erworben hat, überhaupt alles, was zur Seligkeit nötig ist, in der Weise empfangen werden, daß wir im Glauben an das Verdienst Christi rein, heilig und gerechtfertigt im Gericht Gottes sind, genau so, 120 Sechstes Kapitel 43 Gegenbericht, 171. 44 Über die Wittenberger Konkordie Koldes Artikel in RE 21, 383ff.; Meiners I, 194. 45 Der Vorschlag, alle drei ihres Amtes zu entsetzen, ging von Faber aus. Weitere Einzelheiten gehören in die Kirchengeschichte. 46 Antwert F iij. 47 Die Texte der Inhaltsangaben siehe Seite 75ff. dieser Arbeit, besonders Seite 86. wiees in der Formel ausgedrückt wird, auch sie lehrt die Nießung durch den Glauben. Von den Unbußfertigen und Ungläubigen lehrt die Formel wie die Wittenberger Konkordie, daß sie sich das Sakrament zum Gericht essen; in Wittenberg wurde formuliert: „Leib und Blut des Herrn werden wahrhaftig auch den Unwürdigen dargereicht, und die Unwürdigen nehmen es, sofern die Worte und die Einsetzung Christi beobachtet werden; aber solche empfangen es zum Gericht, weil sie das Sakrament mißbrauchen, wenn sie ohne Buße und ohne Glauben es gebrauchen.“ 48 Ob auch die Gottlosen den wahren Leib Christi essen, hatte man in Wittenberg nicht weiter entschieden, auch die Wirdumer Formel schweigt darüber, die letzten Folgerungen aus der Lehre von der wahren Gegenwart Christi im Abendmahl wurden nicht gezogen, die letzten Schwierigkeiten durch überbrückende Formeln verhüllt. In Faber wird der Einfluß Butzers greifbar. Auch a Lasco hatte Beziehungen zu Butzer. Er hatte dem Straßburger Meister seine Epitome durch Hardenberg zustellen lassen. 49 Zwischen Butzers Formel „Im Abendmahl wird die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi gegeben und empfangen“ und seiner eigenen „Die Gemeinschaft wird uns im Abendmahle versiegelt“ sah er keinen allzu großen Unterschied. 50 Aber unangenehm war es a Lasco doch, daß Butzers Schreiben so vielen bekannt geworden war und daß Butzer wünschte, sein Schreiben dem Coetus bekanntzugeben. Am 22. August 1545 schreibt thom Camp nach Zürich: „Butzers Vielseitigkeit und gewandtes Wesen ist den Unsrigen verdächtig.“ 51 Daß trotz dieser etwas abwehrenden Haltung der Emder der Einfluß Butzers nicht gering gewesen ist, hat Hein betont, wenn ihm auch der große Brief, auf den sich a Lasco in seinem Schreiben an Butzer bezieht, nicht bekannt gewesen ist. Hein meint, der Briefwechsel a Lascos mit Butzer in den Monaten Juli 1544 bis zum September 1545 sei verloren gegangen. Das stimmt nicht ganz, denn das große Schreiben Butzers vom 16. April 1545 aus Straßburg ist erhalten. 52 Butzer hatte hier sich besonders über die Einheit ausgelassen, die zwischen dem Brot des Abendmahles und dem Leibe Christi bestehe. Es gibt nur eine „sakramentale Einheit, was auch Luther bekennt. Die Einheit ist hier nicht als natürliche, sinnliche, örtliche oder als irgendeine andere, die dieser Welt angehört, zu denken. Aber was ist denn diese sakramentale Vereinigung? Die des Vertrages: wer dieses Brot empfängt, wie Christus es gelehrt hat, der empfängt wahrhaftig mit Christus, wie er auch wahrhaftig Christo bekleidet und ihm eingeleibt wird und so auch ihn selbst empfängt, auf daß er (Christus) in ihm bleibe und dieser in ihm, wenn er nach dem Befehl Christi getauft wird. (...) Wir haben begonnen, eine Vereinigung ins Werk zu stellen: Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 121 48 RE 21, 396, Zeile 7-10; Müller, Kirchengeschichte, II/1, 402. 49 II, 582.586. Zu den Beziehungen beider: Hein, 72. 50 II, 591f. A Lasco an Butzer, 23. Juni 1545. 51 „Buceri varietas et ingenium callidum nostris est suspectum.“ 52 Simlersche Sammlung, Band 57, 60; Hein, 72ff. ZweiDinge werden im Abendmahl dargeboten, ein irdisches, Brot und Wein; ein himmlisches, Leib und Blut des Herrn, der Herr selbst.“ Diese Konkordie haben alle oberdeutschen Städte unterschrieben, die Schweizer ausgenommen. 53 Die hier gebrauchten Begriffe hatte a Lasco in diesen Jahren selbst oft gebraucht. 54 Es kann hier nicht weiter ausgeführt werden, wie a Lasco durch den Einfluß Calvins bestimmt worden ist, die Richtung der Butzerischen Formulierungen auf ein stärkeres Anpassen seiner Überzeugungen an Luther nicht weiter zu verfolgen. 55 In demselben Maße, wie er sich Butzer genähert hatte, entfernte er sich auch wieder von ihm, ohne daß die menschlichen Beziehungen bis zum Tode Butzers darunter gelitten hätten. 56 Kein Wunder, daß ein Mann wie Faber, der im kleinen Maße die gleichen Schwierigkeiten wie Butzer durchzufechten hatte, als er versuchte, die verschiedenen Strömungen zugunsten der landeskirchlichen Einheit zusammenzubringen, sich Butzer vor Augen hielt, dem doch die ostfriesische Moderatio von 1545 vieles verdankte. Er ist in einem stärkeren Maße bei Butzer stehengeblieben als a Lasco. Zum Lutheraner ist er darüber nicht geworden. Das Luthertum war schon bald nach der Wittenberger Konkordie über die Überbrückungsversuche Butzers hinweggegangen. Nichts deutet darauf hin, daß Faber diese Wendung mitgemacht hätte. Aber seine Liebe zu Butzer ist ihm geblieben. Noch 1559 nimmt er auf Butzers „ De regno Christi“ Bezug, er nennt nicht Luther, aber wohl Calvin, Melanchthon, Butzer und Martyr als Männer, durch die Gott seinen Willen offenbart habe. Er erinnert Petrus Medmann, mit dem er sich in der Verehrung Butzers einig wissen durfte, an dessen Anschauung über die Aufgabe der weltlichen Obrigkeit in der Kirche, an dessen Beschreibung der Autorität des geistlichen Amtes. Er weist auf Butzers Äußerung hin, nach der das Volk Israel erwählt sei, um Beispiele für den Zorn, die Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu geben. 57 Auf den Wegen dieses seines Meisters hat er die notwendige Aufgabe des Zusammenhaltens, so wie sie ihm wichtig wurde, angegriffen. 122 Sechstes Kapitel 53 „(...) scramentalis unio, quod et Lutherus fatetur. Non naturalis, non sensualis, non localis, non ulla alia, quae sit huius saeculi, hic cogitanda unio est. Sed quae ista Sacramentalis unio est? Pacti est: ut qui hunc panem ita percipit, ut Dominus instituit, vere Christum percipiat, sicut vere Christo induitur eique incorporatur, adeoque ipsum quoque recipit mansuram in se, ut is maneat in ipso, qui ex instituto Christi baptizatur.“ Butzer denkt hier an Bemühungen, die auf die Regensburger Tage von 1541 folgten und die er trotz des Kleinen Bekenntnisses Luthers von 1544 machte. Welche Formel er gemeint hat, konnte ich nicht feststellen. 54 Seite 74ff. dieser Arbeit. Über die Katechismusfragen hinaus ist Hein, Abschnitt 2-4 zu zu vergleichen. 55 Hein, 126. 56 Lasciana I, 331. 57 Aus dem Brief an den Rat: „Hefft nu Godt dat Israelitische Volck erwehlet, wo Bucerus secht, dat he Exempeln sines tornes, seine Gnädicheit vnd Barmherticheit in se settede, der Kercken beth thom uthgange der Welt thor Lhere, schreckinge vnd vertröstinge, (...).“ DieWirdumer Formel ist dafür in der überraschenden Nachwirkung der Wittenberger Konkordie, die sich in ihr bemerkbar macht, ein Zeugnis. Die Bemühung um den Kleinen Katechismus zeigt das noch deutlicher. Der Kleine Katechismus von 1554 ist das Ergebnis eines Kampfes, der zwischen a Lasco und Faber spielte. Vor a Lascos Rückkehr nach Emden hatte Gellius begonnen, den Großen Katechismus umzuarbeiten, da sich der Katechismus von 1546 als zu lang erwiesen hatte, um ihn zweimal im Jahr durchzupredigen. Er hat sich der Arbeit unterzogen auf Bitten vieler Amtsbrüder und im Namen seiner Emder Amtsbrüder. Besonders aber war der lange Katechismus ungeeignet, als Grundlage für den Jugendunterricht zu dienen. Das läßt sich aus dem Vorwort des Kleinen Katechismus erschließen, wo es heißt: „ So is velen unsen medehülperen under juw wol bewust, wo wy offtmals darvan geredet, vnde vast alle Brödern vermanet hebben, se wolden doch mith högesten flyte dar nha trachten, dat se thor hilliginge des sabboth dages, in eren kercken, nha middage den Catechismus mochten lehren, und dorch sodan middel, dat gemene volck uth den Krögen, unde die Jöget van der straten, unde also van aller ydelheit, untucht, unde schalckheit weren. Darover juwer vele uns offtmals gebeden hebben, wy wolden tho dem gebruke einen klenen Catechismum schryven, de der Jöget bequem, unde alle Predikern hyr im Lande mochten eindrechtigen lehren. Dat wy vor gudt angesehen, mit flyte uppet nye gedan hebben, dewyle de erfaringe idt uns geleret hefft, dat de Catechismus, den wy nhu etlicke Jaren her gebrucket hebben, lenger is, denn dat men en twehmal des Jahrs (wo der der Jöget wol nödich is) scholde vullen uth lehren können.“ 58 Zu diesem praktischen Anlaß trat nun für Faber ein lehrpolitischer. Er wollte durch seine Arbeit auf der Grundlage der Wirdumer Formel und der in ihr vertretenen Lehrweise der Kirche ein Buch in die Hand geben, das das Einigungswerk besiegelte. Diese Absicht Fabers ist uns bekannt aus den brieflichen Äußerungen a Lascos, die die einzige Quelle für den Streit und die Entstehung des Katechismus sind. Er schreibt am 3. März 1554 an Bullinger. Er spricht von seiner Absicht, Westphals Schrift zu widerlegen. „Warum?Weil auch hier nach meinem Fortgang einige allerlei hineinzupfuschen begonnen haben, was doch, wie ich hoffe, leicht zu bessern sein wird. Sie dringen auf den Darbietungsbegriff im Butzerischen Sinne, den doch nicht einmal Butzer selbst hat verständlich machen können, geschweige denn, daß man ihn mit irgendwelchen Zeugnissen oder Gründen hat befestigen können; aber darüber später mehr.“ 59 Damit bestätigt a Lasco nicht nur, daß Faber eine vermittelnde Abendmahlstheologie im Sinne Butzers vertreten hat, er sagt damit auch ganz deutlich, daß der ganze Streit sich um die Abendmahlslehre gedreht habe. Dies Zeugnis wird für das Urteil über den Verfasser des Katechismus wichtig sein. Den Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 123 58 II, 497. 59 II, 698. versprochenenausführlichen Bericht hat a Lasco seinen Züricher Freunden erst am 8. Juni 1555 gegeben. „Unlängst haben sich in meinem Friesland einige bewogen gesehen, in meiner Abwesenheit die sächsische Lehre einzuführen, bevor ich wieder aus England nach dort gekommen war. Das haben sie allerdings nicht offen bekannt, sondern sich den Anschein gegeben, als suchten sie einen Weg, den Sakramentsstreit beizulegen. Weil aber dieser Vorwand ohne Grund war, umso mehr, als der größte Teil der Prediger des ganzen Landes unsere Lehre einmütig unterschrieben hatte und nicht um Nagelsbreite davon abweichen wollte, wurde der Ausweg gefunden, mich zu verdächtigen, als hätte ich in England meine Lehrweise in der Sakramentssache geändert. Und es haben sich auch einige gefunden, und zwar meine eigenen Amtsgenossen, die das allmählich in vieler Ohren bliesen, ohne daß ich selbst auch nur mit einem Worte unterdessen gewarnt worden wäre; dabei hielten sie mich doch für ihren Pastoren! Bald gab es einige, die irgendeine Erklärung Philipp Melanchthons hervorzogen, um sie den Kirchen vorzulegen. Andere verdrehen aus der Abhandlung Petrus Martyrs gegen ihren Sinn einige Worte, ebenso einiges aus eurer Übereinkunft mit Calvin, worüber ich an Calvin geschrieben habe. 60 Und wenn ich auch einige andere Ausdrücke gebrauche, die doch auf ebendasselbe zielen, wie auch ihr richtig beurteilt, begannen sie trotzdem auszustreuen, ich sei mit Petrus Martyr und mit euch uneins, der ich doch vorher mit euch eins zu sein bekannte! Zuletzt endlich ist die Sache, ohne daß ich etwas davon wußte oder auch nur ahnte, dahin gebracht, daß man die Lehre vom Sakrament, die sonst alle meine Amtsbrüder unterschrieben hatten, zu verbessern begann; aber damit es nicht so aussähe, als sollte sie allein verbessert werden, wurde die Überarbeitung des ganzen Katechismus ins Werk gesetzt. Das nun wurde mir endlich noch während meines Aufenthaltes in England angezeigt, aber irgendeine Andeutung über die irgendwie zu ändernde Lehre wurde nicht gemacht. Daran dachte übrigens keiner der Mitarbeiter, der eine oder andere ausgenommen. So hatte ich auch nichts dagegen einzuwenden, daß der Katechismus überarbeitet wurde. Als er nun überarbeitet war, stieg den meisten die Schminke in die Nase, und darum wurde im Coetus durch einhelligen öffentlichen Beschluß aller Brüder angeordnet, daß dieser überarbeitete Katechismus nicht verbreitet werden dürfe, bevor er an mich geschickt sei und man meine Meinung über ihn eingeholt habe. Da fand der Bearbeiter Ausflüchte zusammen, damit er nicht an mich gesandt würde – und bald darauf wieder, daß es doch allzu lange dauern würde, müßte man meine Ansicht abwarten. Kurz, er wollte diesen Katechismus herausgeben, ohne meine Ansicht abzuwarten. Zuletzt hatte er dann gesorgt, daß er in Druck gegeben würde. Der Hof hier war ihm günstig, der doch auch schließlich nichts anderes als eine Änderung in der Lehre betrieb. Inzwischen komme ich nun aus England, weiß von alledem überhaupt nichts; aber bevor 124 Sechstes Kapitel 60 Lasciana, 335-338. ichnach Ostfriesland gelange, werde ich aufmerksam auf den Verdacht, der über mich ausgestreut ist, als hätte ich meine Lehre verändert; dadurch seien sehr viele verletzt und nicht mehr so wie früher für meine Lehre eingenommen, schließlich sei ja der neue Katechismus unter der Presse, der die von der meinigen verschiedene Lehre enthalte. Nach Ostfriesland gekommen, erfahre ich von einigen Freunden, wie es mit der Angelegenheit steht. Ich sehe einiges deutlicher. Von dem Bearbeiter fordere ich den Katechismus ein, dessen Druck schon zum Teil begonnen hatte. Ich kreuze an, was ich nicht gutheißen kann. Die Amtsbrüder werden zusammengerufen, bei dem Bearbeiter beschwere ich mich über die geänderte Lehre, ich ersuche darum, den Druck nicht fortzusetzen, da ich andernfalls dagegen schreiben müßte. Ich habe herausgestellt, was mich verletzte, und verlangt, daß er darauf antworte und inzwischen die Ausgabe verschiebe. Das findet den Beifall meiner Amtsbrüder. Der Bearbeiter nimmt die Verteidigung des Katechismus auf sich, während der Katechismus angehalten wird. Ich habe die Verteidigung widerlegt, so daß er keine Lust hatte, weiter zu antworten, und es wurde abgemacht, daß alle sich schließlich innerhalb der Ausdrücke eurer Übereinkunft mit der rechten Auslegung derselben halten sollten. So klang die Tragödie beruhigt aus.“ 61 Und der Kleine Katechismus? Über ihn verliert a Lasco kein Wort. Er stellt die ganze Sache in einer starken Beziehung auf seine Person dar. Er sah in dem Versuch Fabers wie in dem Werben um Melanchthon einen Angriff auf sich. Nimmt man den ersten Brief an Bullinger hinzu, dann muß es vor allem die Abendmahlslehre des neuen Katechismus gewesen sein, die ihn verletzte, und er hat darauf gedrungen, daß die ihm anstößigen Punkte geändert würden. Mit dieser Forderung ist er durchgedrungen, sowohl im Kreise seiner Emder Amtsbrüder wie im Coetus. Warum aber sagt a Lasco nicht, daß er eine völlig neue Bearbeitung des Katechismus zum Ersatz der Faberschen Arbeit ins Werk gesetzt hat? Weil er es nicht sagen konnte. Der Kleine Emder Katechismus ist ein Werk Fabers mit den Veränderungen, die a Lasco durchgesetzt hat. Diese Behauptung, die der bisherigen Ansicht widerspricht, nach der der Katechismus von 1554 ein Werk a Lascos ist, wird zu beweisen sein. Den Beweis liefert a Lascos Briefwechsel mit Hardenberg. Der Katechismus Fabers wurde in Bremen gedruckt, und Hardenberg beaufsichtigte diesen Druck. Daß der Druck bereits begonnen hatte, während a Lasco noch in England unterwegs war, sagt a Lasco selbst. Nach seiner Darstellung hat Faber gegen den Beschluß des Coetus vom Sommer 1553 a Lasco den überarbeiteten Katechismus nicht vorgelegt, weil er wissen mußte, daß a Lasco die in ihm vertretene Abendmahlslehre nicht gutheißen werde. Erst in Emden bekam a Lasco die Arbeit Fabers in die Hände. Er hat nicht die ganze Arbeit verworfen, sondern angekreuzt, was er nicht billigen konnte. Verhandlungen mit Faber und den Amts- Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 125 61 II, 711f. brüdernführten zu einer einstweiligen Einstellung des Druckes. Am 4. Dezember kam a Lasco in Emden an. In einem Briefe vom 12. Dezember sagt er noch nichts über die ganze Angelegenheit. 62 Einige Tage später aber, am Weihnachtstag, schreibt er: „ Ich würde dich gerne hier sehen, wenn es sich nur irgendwie ermöglichen ließe, um mit dir über den Katechismus unseres Bruders Gellius persönlich zu verhandeln. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, dann möchte ich nicht, daß er herausgegeben wird. Ich finde nämlich einiges in ihm, das ich, falls er herauskommt, nicht ertragen und übersehen kann. Ich hatte mir daher vorgenommen, mit dir über die Verhinderung seiner Ausgabe zu verhandeln, und jetzt wünschte ich, er würde wenigstens für einen Augenblick angehalten, falls es angeht. Sollte sein Druck aber schon begonnen haben und könntest du irgendetwas ausrichten, daß die Herausgabe unterbrochen wird, dann bitte ich dich, gib dir alle erdenkliche Mühe, daß das geschieht. Sollten Kosten entstanden sein, so werden wir sie gerne zahlen. Wir brauchen nur zu wissen, wie hoch sie sind. Je schneller die Herausgabe unterbrochen wird, desto besser und nützlicher ist der Gefallen, den du unseren Kirchen in dieser Sache tust. Doch das dir allein.“ 63 A Lasco will also unter Umgehung Fabers Hardenberg veranlassen, den Druck zu verhindern und einzustellen; die entstandenen Kosten will er ersetzen. Wieder ist es nicht der ganze Katechismus, den er ablehnt, sondern es ist einiges darin, was er beanstandet. In der letzten Dezemberwoche ist es dann zu Verhandlungen mit Faber gekommen und zu einem Beschluß, der deutlich verrät, daß man sich von beiden Seiten entgegengekommen ist. Denn am 1. Januar 1554 geht ein weiterer Brief nach Bremen: „Ich habe dir kürzlich über den Katechismus des Gellius geschrieben und möchte wohl, du würdest in der angegebenen Weise verfahren. Über die Kosten, die bisher erwachsen sind, wird es keine Schwierigkeiten geben. Auch sind wir übereingekommen, daß wir drei Katechismen zugleich herausgeben wollen: den größeren, den wir hier alle zusammen gemacht haben, diesen des Gellius mit wenigen Veränderungen, und einen dritten, ganz kleinen, für die jungen Kinder. Gellius wird dir aber selbst über diese Angelegenheit schreiben.“ 64 Nach diesen Briefstellen ist doch alles viel gedämpfter zugegangen, als es die Darstellung in den Briefen nach Zürich vermuten läßt. Man hat sich verständigt und beschlossen, drei Katechismen herauszubringen, den Großen von 1546, den Faberschen und einen ganz kleinen für die jüngeren Kinder. Auch hier sagt a Lasco, daß der Katechismus Fabers mit wenigen Veränderungen herausgebracht werden solle. Einige Monate später, am 28. März 1554, schreibt er an Hardenberg: „Ich habe von dir zwei Briefe empfangen, mein Albert, einen vom 12. März und den andern durch unseren Martin Mikron. Schriftliches, wodurch 126 Sechstes Kapitel 62 II, 694. 63 II, 695. 64 II, 696. du,wie du schreibst, mir über das Büchlein des Gellius geantwortet hättest, habe ich nicht empfangen, und ich weiß nicht, wie es verloren gegangen sein könnte; aber es ist mir recht, wenn es gedruckt wird (sed mihi satis, si libellus prematur). Mein Rat ist es nicht, es zu verändern; denn ich habe nie dazu geraten, es zu veröffentlichen. Sobald ich vielmehr erfahren und später auch selbst gesehen hatte, daß die Lehrart in dem Büchlein geändert sei und in ihm das dargelegt werde, was hier, solange ich da war, immer getadelt worden ist, und daß endlich noch unterstrichen werde, dieser Art Lehre sei hier immer überliefert und angenommen, da habe ich es im Blick auf die Vertrauenswürdigkeit meines Amtes nicht unterlassen können, Gellius dieserhalb zu vermahnen: es sei durchaus sicher, daß die Lehre, die sein Buch enthalte, hier in der Kirche während meiner Anwesenheit niemals ohne Tadel getrieben worden sei, geschweige denn angenommen wäre, und ich müßte gegen ihn schreiben, wenn er das Büchlein herausgebe. Da hast du meinen Grund, mein Albert, warum mir die Herausgabe dieses Büchleins unerträglich sein muß. Wenn du schreibst, dir scheine dieser Katechismus mit dem ersten völlig gleich zu sein, dann wünschte ich wohl, du könntest das beweisen. Ich kann das nämlich, wie ich offen gestehe, nicht sehen. Ich sehe wirklich in ihm nur das, was ich nie gebilligt habe noch jemals billigen kann. Und dabei habe ich doch nichts von dem geändert, was ich unseren Kirchen hier bei meinem Weggang in meiner Schrift (=Moderatio doctrinae) niedergelegt hinterlassen hatte und auch euren Dienern dort unter deiner Anschrift schrieb. Ich weiß vielmehr, daß in beiden Schriften (=Moderatio und Epistola Bremensis) niemals das enthalten war, was dieser Katechismus enthält.“ 65 Ich kann diese Auslassung nur so verstehen, daß Fabers Arbeit gedruckt worden ist. Und meines Erachtens ist der Schluß zwingend, daß der Katechismus von 1554 eben diese Arbeit Fabers ist. Denn in allen seinen Briefen kommt a Lasco auf ein neues Katechismuswerk, das etwa im Gegensatz zu Fabers Arbeit unternommen worden wäre, nicht mehr zu sprechen. Man kann allerdings behaupten, daß der Kleine Katechismus in dem dritten Katechismus, dem ganz kleinen für die jüngeren Kinder, gesucht werden müsse. So sieht es Emmius an, auf dessen Darstellung alle Behauptungen über die Verfasserschaft a Lascos zurückgehen. Er behauptet, nur der ganz kleine Katechismus sei, entgegen dem Beschluß in der letzten Dezemberwoche 1553, gedruckt worden. „Ich weiß nicht, aus welchem Grunde der Beschluß verändert worden ist und allein der letzte in eben dem Jahre, über das ich hier berichte, nämlich 1554, im Monat Oktober, in Emden gedruckt und veröffentlicht wurde.“ 66 Wenn Emmius recht hat mit seiner Angabe, daß der Katechismus in Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 127 65 II, 699. Es ist wohl anstelle des Großen Katechismus an die Epistola ad Bremenses zu denken. Andernfalls bezieht sich diese Stelle auf den Großen Katechismus und die Moderatio doctrinae, die ja in der Epistola ad Bremenses enthalten ist. 66 Emmius, 948. Emdengedruckt worden sei, dann müßte der Bremer Druck endgültig aufgegeben sein. Dagegen spricht a Lascos Brief, oder es müßten uns unbekannte Vorgänge doch zur endgültigen Einstellung der Herausgabe geführt haben. Auch Eilshemius, der einen Originaldruck der ersten Ausgabe aus dem Besitz seines Vaters in Händenhatte67,behauptet, der Katechismus sei zu Emden gedruckt worden. 68 Das war möglich geworden durch die Ankunft der Flüchtlinge, unter denen sich auch Drucker befanden. 69 Ein Beweis dafür kann nicht geführt werden, da weitere Unterlagen für die Behauptungen von Emmius und Eilshemius fehlen. Zu fragen bleibt, ob Emmius und Eilshemius sich zu ihrer Behauptung, der Katechismus wäre in Emden gedruckt worden, durch die Vorrede haben verleiten lassen, die am 6. Oktober 1554 zu Emden ausgefertigt ist. Für die Vermutung, daß der Katechismus von 1554 im wesentlichen dem Werk Fabers entspricht, muß es bei den entsprechend gedeuteten Zeugnissen a Lascos bleiben. Ich kann aus ihnen nur herauslesen, daß a Lasco Fabers Entwurf nicht völlig hat verdrängen können. 70 An einem Punkte hat er sich nun aber doch durchgesetzt, nämlich in der Fassung der Abendmahlslehre. Hier hat Faber nachgeben müssen, und zwar aufgrund von Coetusverhandlungen im Frühling 1554. A Lasco hatte Faber darauf hingewiesen, daß er gegen ihn schreiben müsse, wenn er darauf bestehe, daß sein Katechismus gedruckt werde. Diese Drohung hat er wahr gemacht. MitteMai71gab er ein kurzes Bekenntnis heraus: „Bekenntnis Johannes a Las- 128 Sechstes Kapitel 67 Im Vorwort des Handtboeck von 1610. 68 In der Vorrede zum Klenodt, fol. b 4 verso. 69 Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis, Deel XXXI, 106ff. meinen Aufsatz über Gottfried van Wingen. 70 Meine Hypothese von der Verfasserschaft des Gellius würde hinfällig, wenn sich herausstellen sollte, daß die Angaben über einen Katechismusdruck des 17. Jhdts. mit dem Katechismusstreit von 1553/54 zusammenzuhalten wären. In dem Harrassowitz'schen Antiquariatskatalog Nr. 327, die Jackson'sche Bibliothek betreffend, Leipzig 1910, wird unter Nr. 127 folgendes Werk angeführt: Gellius de Bouma, Catechismus oder kurtzer Unterricht christlicher Lehr, wie dieselbige in den reformiert- evangelischen Kirchen und Schulen gelehret wird. Aus dem Niederländischen übersetzt durch J.V.Reuser, Hanau 1658. Der vorliegende Katechismus ist nach manchen Berichten identisch mit demjenigen, dessen Drucklegung Joh. a Lasco, 1554(!) von Emden kommend, verhinderte, um statt desselben seinen eigenen einzuführen. Es wird verwiesen auf Kuyper I, Praef. 88.95. S. a. Nieuw Nederlandsch Biografisch Wordenboek Band VI, Dalton 176f. über Gellius Faber. Hier der Katechismus: G. de Bouma: Catechismus, mitogaders een samenspraeck van't H. Avondmaal, Haarlem 1636, herausgeg. von G. Udemans. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Schrift des Sohnes von G.F.,der 1604 in Zutphen starb (oder eines Enkels Gellius’ Petri de Bouma, gest. 1679?). 71 I, CIf. Kuyper beschuldigt den Emder Bericht zu Unrecht des Irrtums, wenn er behauptet, die Emder Prediger hätten das kleine Bekenntnis ins Jahr 1545 verlegt. Emder Bericht, 142. Das Bekenntnis von 1554 erwähnen sie nicht weiter, wie sie auf den ganzen Streit nicht eingehen. cosüber unsere Gemeinschaft mit dem Herrn Christo und die Darbietung seines Leibes in seinem Abendmahle an die Diener der Kirchen Ostfrieslands“. 72 Den paar Seiten geht eine kurze Vorrede voraus, in der er sich auf die Gerüchte bezieht, die über die Veränderung seiner Lehre ausgestreut seien. Er wolle nachweisen, daß er noch die gleiche Lehre wie früher vertrete und davon nicht um Nagelsbreite abgewichen sei. „ Ich zweifle nicht, daß ihr euch noch der Moderatio unserer Lehre erinnert, die ich später in England in der Form eines Briefes herausgegeben habe, und die auch Dominus Hermann Brass, unser Kollege hier, in öffentlicher Predigt in Norden vor fast acht Jahren oder mehr vorgetragen hat und die auch die meisten von euch zuletzt schriftlich dabehalten haben. Diese Moderatio unserer Lehre also, die ich hier zurückließ, und außerdem der Brief an die BremerPrediger73,den ich wenig später, mit einmütiger Zustimmung meiner Amtsbrüder hier indessen geschrieben habe, zeigen deutlich, da sie ja mit diesem meinem jetzigen Bekenntnis übereinstimmen, daß ich bei eben derselben Lehre und Meinung beharre, die ich hier bekannt habe. Dies mein Bekenntnis habe ich gerade euch umso lieber darbringen wollen, weil niemand anders über meine Unschuld in dieser Sache weder ein vollständigeres noch ein treueres Zeugnis ablegen kann als ihr, die ihr in dem gleichen Dienst mit mir zusammen gleicherweise gewandelt seid.“ 74 A Lasco will sich also gegen die Gerüchte wehren, die über ihn ausgestreut sind, und mit seinen Sätzen beweisen, daß er seine Lehre nicht verändert hat. Auch in diesem Vorwort führt er eine andere Sprache als in den Briefen nach Zürich. Viel zahmer und verbindlicher spricht er mit den ostfriesischen Amtsbrüdern, als einer, der in die Verteidigung gedrängt ist. Von dem Vorwort dürfte eher als aus den Briefen nach Zürich ein Licht auf den Charakter der Verhandlungen mit Gellius fallen; sie sind, wie auch die Briefe an Hardenberg zu erkennen geben, doch wohl nicht so stürmisch verlaufen als a Lasco es den Zürichern darstellt, und ihr Gegenstand muß wohl nicht für alle die große Bedeutung gehabt haben, die a Lasco ihm zuerkennen möchte. Wenigstens hat a Lasco es nicht der Mühe wert gehalten, die von ihm über die Auseinandersetzungen mit Faber gemachten Notizen zu veröffentlichen. „Ich habe alles gesammelt, was verhandelt ist, aber es scheint eine Veröffentlichung nicht zu verdienen.“ 75 Das kleine Bekenntnis ist zu einer Zeit erschienen, als die Verhandlungen mit Faber im Coetus im Gange waren. A Lasco glaubte Grund für die Beschuldigung zu haben, daß man ihm böswillig Änderung in der Lehre nachsage. Damit dürften seine Ausführungen gemeint sein, die er in dem großen Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 129 72 I, 235-241.Über das Anliegen des Streites vgl. den Brief a Lascos an Calvin. Lasciana 1905, 335-338. 73 I, LIIIff. 74 I, 237. 75 II, 708. Abendmahlstraktatvon 1552 gemacht hat. Diese Schrift gab er als Vorwort und Erläuterung der Züricher Übereinkunft in London heraus und stellte sich dadurch in die erste Reihe derer, die der zornige Angriff Westphals, Timanns und Albers traf. Seine Nähe zu Calvin war nicht mehr zu verkennen. 76 Auf die großen Zusammenhänge gesehen hat a Lasco recht, wenn er behauptet, er habe seine Lehre nicht geändert und vertrete noch dieselben Ansichten, die er in der Moderatio geäußert habe. Dagegen stimmt es, wenn man ihm vorwarf, daß er sich nicht genau und völlig in seiner Traktatio auf die Formeln der Züricher Übereinkunft festgelegt habe. Dieser Consensus war schon um 1551 in Ostfriesland in einigem Ansehen, wie der öfter angezogene Brief Fabers von 1554 beweist, worin er behauptet, der (1551 eingeführte) Norder Prediger habe die Züricher Übereinkunft für einen Ausdruck rechter Lehre gehalten. Wie es im einzelnen mit all den Ausflüchten und Nachreden steht, die Faber gebraucht haben soll, um a Lasco die Änderungen in dem geplanten Katechismus zu verheimlichen, muß dahingestellt bleiben; da a Lasco immer wieder auf sie zu sprechen kommt, müssen sie wohl auf ihn erregend gewirkt haben. Als er am 4. Juni 1554 dem preußischen Herzog die kleine Schrift vom Mai übersendet, tut er es mit den Worten: „Ich habe sie herausgegeben wegen der Nachreden einiger Verleumder, die indessen Freundschaft heucheln und für Brüder gehalten werden wollen.“ 77 Und ebenso erhält Bullinger ein Exemplar der Schrift mit den Worten: „Diese (Lehre) begannen einige wieder einmal zu bekämpfen; im öffentlichen Coetus ist sie zuletzt von mir verteidigt.“ 78 Bis zur Herausgabe des Bekenntnisses scheint alles zwischen den Emder Predigern und a Lasco verhandelt worden zu sein. Coetussitzungen fanden gewöhnlich nur während der Sommermonate statt. Die Verhandlungen über den Katechismus waren abgeschlossen, als im April 1554 die Coetussitzungen wieder begannen. Man war übereingekommen, den Gellius'schen Katechismus zu verändern und sich im übrigen an die Züricher Übereinkunft zu halten. Da gab a Lasco sein Bekenntnis heraus, wie er an Bullinger schreibt. 79 „Da hat wiederum der Bearbeiter gegen mich neue Bewegungen anzuzetteln begonnen. Mein Bekenntnis sei zu seiner Bekämpfung herausgegeben und was weiß ich sonst noch. Ich antwortete, ich hätte es nicht seinetwegen herausgebracht, sondern um bei allen Frommen das fälschlich gegen mich verbreitete Gerücht von mir abzuwehren. Wenn er nicht der Urheber dieses Gerüchtes sei, brauche ihn mein Bekenntnis nicht zu stören. Sei er aber der Urheber, dann sei es gegen ihn und alle geschrieben, die es guthießen. Sollte er oder sonst irgendein anderer sich 130 Sechstes Kapitel 76 Zu a Lascos Auslegung des Consensus Tigurinus Hein, 104f.140-165.Daß er den Consensus einer Auslegung für bedürftig hielt, zeigt seine Briefstelle II, 712. Die Traktatio II, 97- 232. 77 II, 701. 78 II, 708. 79 II, 712. davongetroffen fühlen, dann wollte ich wohl um Billigung nachsuchen. Zuletzt forderte er, daß es im öffentlichen Coetus der Pastoren untersucht würde. Es ist geprüft und gebilligt worden. Inzwischen hat jener trotzdem seine paar Artikel vorgebracht und wollte, daß ich darauf antwortete. Ich habe schriftlich geantwortet, so daß er zuletzt nichts dagegen einwandte und sich auch völlig beruhigte. Diese Sache traf aber jene Höflinge empfindlich. Bald darauf ist der Katechismus herausgegeben worden, mit Zustimmung aller, unter Verwerfung jener früheren Veränderungen, wodurch die Höflinge noch mehr als bisher getroffen wurden.“ 80 Nicht so sehr die Katechismussache, der a Lasco nur im Vorbeigehen gedenkt, als die Frage, um die es bei seinem Angriff auf den Katechismus ging, ist im Coetus verhandelt worden unter Zugrundelegung des kleinen Bekenntnisses. Zwei Punkte hat a Lasco herausgegriffen; auf sie sah er wohl die Vorwürfe und Verdächtigungen gerichtet, die in seinen Briefen eine so große Rolle spielen. Es ist schade, daß a Lasco die ganzen Auseinandersetzungen in so starkem, man muß schon sagen, ausschließlichem Maße auf sich bezogen hat; wir würden bei einer um Verständnis der Gegenseite bemühten Darstellung wohl deutlicher erfahren haben, was die Gegenseite behauptet hat. So bleibt die mißliche Notwendigkeit des Rückschlusses aus den Sätzen a Lascos. Hein glaubt sagen zu können, daß die kurze Konfession, „wenn sie für sich betrachtet wird, etwas hinter seiner sonstigen Abendmahlslehre zurückbleibt“. 81 Man kann ruhig sagen, daß a Lasco, auch wenn man die Opposition berücksichtigt, gegen welche er sich mit dieser Schriftwandte82,einfach an dem Anliegen Fabers vorbeigeredet hat, und daß er hinter seine eigenen Aussagen zum Zwecke einer kämpferischen Absetzung von den gegnerischen Ansichten zurückgegangen ist. Was soll das, wenn er seine Auffassung von der Gemeinschaft mit Christus dahin zusammenfaßt, daß er immer gelehrt habe und noch lehre, daß das Geheimnis unserer Gemeinschaft mit Christus verdunkelt und verletzt werde durch die, „welche sagen, Christus sei so unser Herr, daß er uns nicht nur aus seinem Eigenen seine Verdienste und seine Herrlichkeit, sondern auch die Wesenheit (substantiam) seines natürlichen Leibes in seinem Mahle schenke, nicht aber, daß er in unser Fleisch gekommen sei, und unser Bruder geworden, endlich in seinem Leibe jenes (Fleisch) geheiligt und zur Rechten seines Vaters Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 131 80 II, 712. Die Behauptungen Heins, die ganzen Verhandlungen mit Faber hätten im Coetus stattgefunden, der neue Katechismus sei vom Coetus approbiert worden – es handelt sich nach der im Text wiedergegebenen Stelle nicht um den Katechismus, sondern um die Confessio –, der Consensus Tigurinus sei auf Coetusbeschluß an die Stelle der Moderatio getreten – er stand schon 1551 in gewissem Ansehen –, gehen alle von unbeweisbaren Voraussetzungen aus. Von Coetusverhandlungen spricht a Lasco nur mit Beziehung auf die Verteidigung seiner Confessio. Hein ist noch zu wenig in die eigentliche Tendenz des Streites eingedrungen. Auch er bezeichnet 166 Faber als lutherischen Gegner a Lascos. Hein, 166f. 81 Hein, 161, Anm. 1. 82 Hein, 161, Anm. 1. inihm (dem Leibe) gesetzt habe?“ 83 Wo hatte Faber das je behauptet, daß wir Christi Fleisch essen nach der Substanz seines Leibes? Mit solchen Sätzen rannte er nur offene Türen ein. In der Wirdumer Formel war gesagt worden, daß wir Christi wahren Leib geschenkt erhalten mit allen Gaben, die er uns erworben hat, und daß wir sie erhalten nur durch den Glauben. Es mögen unter den Gegnern a Lascos solche gewesen sein, obwohl das nach der Absetzung der Norder Prediger kaum anzunehmen ist, die eine Nießung des Leibes Christi mit dem Munde lehrten; unter denen, die a Lasco treffen wollte, waren sie bestimmt nicht zu suchen. Die wichtigere Frage war allerdings die zweite: wie wird Christi Leib uns im Abendmahl dargeboten? „ Ich habe immer gelehrt und lehre noch, daß Leib und Blut Christi des Herrn uns im Sakrament des Abendmahles nicht nur bezeichnet werden, sondern auch dargeboten; allerdings auf eine ganz andere Weise, als, soweit ich sehe, jetzt viele davon lehren, obschon ich unter dem Wort ‚Leib‘ nicht einfach die Substanz seines Leibes, nämlich das Fleisch und die Knochen des Herrn Christi, sondern eher die Gemeinschaft seines Leibes verstehe, nach dem Worte des Paulus 1. Korinther 10: so daß das Geheimnis des Abendmahles nicht in dem Fleische und den Knochen Christi besteht, sondern in unserer Gemeinschaft mit dem Herrn Christus und in der Verbundenheit zu seinem Leibe.“ Er will nicht das Abendmahl oder Brot und Wein einfach eine äußere Zeremonie nennen, die äußere Handlung als solche mag man ein äußeres Zeichen nennen, er denkt sich mit der äußeren Handlung einen anderen Vorgang verknüpft, „nämlich das Wirken des Heiligen Geistes unter der Handlung selbst im Innern an unseren Herzen. Tut man diese hinweg, dann leugne ich rundweg, daß es das Abendmahl sei, wenn man auch seine äußere Handlung genauestens durchführt. Zuletzt gebrauche ich das Wort ‚darbieten‘ in in der Behandlung des Abendmahles ganz anders, als es die meisten tun. Darbieten ist hier nach meiner Meinung soviel als im Angesichte selbst hingestellt oder angehalten werden, nicht aber geschenkt, übergeben, ausgeliefert, eingegossen werden. Die Speise verstehe ich als eine Bestätigung und Versiegelung unseres Glaubens in unseren Seelen.“ 84 In der Traktatio hatte er erklärt: „Es ist klar, daß die Sakramente nicht nur in äußeren Zeichen bestehen, durch die uns die Gnadengaben abgeschattet werden, sondern in der Fortdauer des Schenkens (donorum perpetuatione), ja auch in der Darreichung (der Geschenke).“ 85 Er muß also sich veranlaßt gesehen haben, hier einen Schritt zurückzutun, wenn auch nicht verschwiegen werden kann, daß er einige Jahre vorher zum 2. Artikel der Züricher Übereinkunft erklärt hatte: „Wir sagen nicht gerne, daß durch 132 Sechstes Kapitel 83 I, 239. 84 I, 240. 85 I, 128. Am 10. April 1551 schreibt a Lasco über Butzers letzte, unvollendete Arbeit zur Sakramentsfrage, worin Butzer auch zu a Lascos Ansichten hätte Stellung nehmen wollen. II, 648. Ja, er behauptet, Butzer hätte seiner Lehre, wie er sie in Ostfriesland vertreten hätte, zugestimmt. II, 653. dieSakramente etwas angeboten, dargereicht und gegeben werde, obschon wir nicht leugnen möchten, daß man in gewisser Hinsicht das auch sagen kann.“ 86 Aus den Formulierungen der kleinen Verteidigungsschrift muß man entnehmen, daß ihm die Wendungen, die ihm bei Faber begegneten, zu weit gingen, daß er die Tätigkeit des Glaubens beim Sakramentsempfang gefährdet sah. Zu dem Ganzen darf nicht vergessen werden, daß a Lasco sich verteidigen wollte. Zugleich wollte er die Formulierungen Fabers in seinem Katechismusentwurf berichtigen. Das ist ihm gelungen. Gerade in den Abendmahlsfragen ging man in der Verbesserung auf die Fassung des Großen Katechismus zurück. 87 Ja, hatte der Große Katechismus auf die Frage nach dem Zweck des Abendmahles nur vom Versiegeln der Gemeinschaft des wahren Leibes und Blutes Christi gesprochen, so wurde 1554 formuliert: „Thom ersten dat idt alle gelövigen (dorch de krafft des hilligen Geistes) betüge, versegele und versekere, de salige gemeenschup des Lyues und Blodes Christi, mit allen fruchten und gauen, de he uns dorch syn Lyff unde Blodt veruorwen hefft.“ 88 Der Darbietungsbegriff der Wirdumer Formel war damit beseitigt. Ich will nicht behaupten, daß nur an diesen, allerdings entscheidenden Stellen a Lasco auf die Neufassung des Katechismus eingewirkt habe, aber es muß noch einmal auf die brieflichen Zeugnisse a Lascos hingewiesen werden, die von einer vollständig neuen Arbeit nicht reden, es sei denn, man folge der Auslegung des Emmius und nehme an, daß nur ein Kleiner Katechismus ausgearbeitet und gedruckt worden sei. Immer geht es a Lasco um die Abendmahlslehre, über sie traf er mit Faber zusammen und in ihr konnte er den Coetus von seiner gleichbleibenden Lehre überzeugen und dessen Zustimmung zu der Neufassung der Abendmahlsfragen erhalten. Dies Ergebnis ist von großer Bedeutung. Die Emder Kirche wurde dadurch auf den Weg und in die Grenzen zurückgerufen, die a Lasco ihrer Lehrweise gesteckt hatte. A Lasco erschien gerade in dem Augenblick auf dem Kampfplatz, als ein gewisser Bruch mit der Vergangenheit sich anbahnte. Das hat er unmöglich gemacht, und zwar von Erkenntnissen her, die er in der Traktatio und dem kleinen Bekenntnis niedergelegt hatte und von denen her er die Züricher Übereinkunft verstand und guthieß. Nun ist es allerdings nicht so, daß der neue Katechismus den Großen einfach ausgeschrieben und verkürzt hätte. Wie ein kurzer Katechismus aussieht, der aus dem Großen gearbeitet ist, kann Mikrons Kleiner Katechismus von 1552 beweisen, der in 134 Fragen etwa auf die Hälfte des Großen Katechismus von 1546 verkürzt ist. Bei aller Abhängigkeit des Emder Katechismus von 1554 von seinem Vorgänger und wohl auch von Mikron läßt sich ihm eine gewisse Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 133 86 Lasciana I, 322. 87 Kuyper hat in der Einleitung I, XCI die beiden Fassungen der Abendmahlsfragen zusammengestellt. 88 II, 531, Frage 65. Selbständigkeitnicht absprechen, die in der Anordnung der katechetischen Stoffe und in der Fassung der Einzelfragen sichtbar wird. 89 Er gibt sich als eine Gemeinschaftsarbeit der Emder Prediger, in ihrem Namen geht er aus. Kuyper hat gemeint beweisen zu können, daß a Lasco der hauptsächliche Bearbeiter der neuen Fassung gewesen sei. Daß er unter den Verfassern gewesen sei, will Kuyper daraus erweisen, daß a Lasco bei seinem zweiten Aufenthalt Emder Pastor gewesen sei, weil ja der Katechismus eine Gemeinschaftsarbeit der Emder Pastoren sei. „Also hängt die ganze Frage, ob a Lasco unter den Verfassern zu rechnen ist, davon ab, ob er in dieser Zeit Pastor dieser Kirche war. Das steht aber ohne allen Zweifel fest.“ 90 Leider steht das nicht fest, es ist im Gegenteil nicht so gewesen. A Lasco behauptet es zwar, er hat es nach einigen Briefstellen so angesehen, als bestehe noch ein amtliches Verhältnis zur Gemeinde. 91 Aber die harte Wirklichkeit sah ganz anders aus. Am 12. April 1554 schreibt Faber wegen des vierten Predigers für Emden an die Gräfin, „wente de saeck valt uns dreen tho lastig, und schalmen visitatien holden, wo noedich, so koennen wy ydt alles yo nicht uthrichten.“ 92 Die drei Prediger waren Faber, Brass und Veltmann, die Visitation hielt nicht a Lasco, sondern Faber mit Arnold Vischer von Loppersum. Während a Lascos Aufenthalt begann man die Verhandlungen mit Melanchthon. Das sind alles Beweise, die die Beteuerungen a Lascos über seine Stellung während seines zweiten Aufenthaltes in ein anderes Licht rücken. Und schließlich hat a Lascos Bemerkung doch auch einiges Gewicht, die er am 3. März 1554 den Zürichern gegenüber macht: „Ich habe nicht beschlossen, hier zu bleiben, sondern werde warten, bis die Unsrigen alle (die Londoner Flüchtlinge) zusammen sind, die meines Amtes hier nicht bedürfen. Denn sie schließen sich dieser Kirche an, die übrigens ihre Diener hat, so daß ich frei zu werden hoffe.“ 93 Er sieht es also selbst so an, daß er in Emden nichts mehr zu verrichten hat. Seine Stellung verdankt er in den 15 Monaten seines zweiten Aufenthaltes nicht seinem Amt, sondern seiner Persönlichkeit. Kuyper schreibt zwar: „ Wer will es also behaupten, daß a Lasco, derzeitiger Superintendent der ostfriesischen Kirche und Emder Pastor, dem die Pastoren selbst aus freien Stücken in seiner Abwesenheit alle Autorität zuerkannten, unter dessen Anleitung und Einfluß 134 Sechstes Kapitel 89 Einzelheiten s. Lang, XXXIX-LII; Kuyper I, LXXXI-CII; Reu, Hist.-bibl.Einl., 663- 773, besonders 724-734.Die Fassung der Einzelfragen trägt nicht unbedingt den Stempel a Lascos. 90 I, XCIII. 91 II, 632; II, 31; II, 638. Am 4. April 1550 spricht er von „meum ministerium mea statio“ im Blick auf die Bewerbung des Nikolaus Buscoducensis. Das Fragment des Briefes an Lenth bei Emmius, 940 (nicht 941, wie Kuyper schreibt) spricht von „meinem Amt“. II, 663 hält er die Gräfin noch für seine Fürstin. Seine Abreise aus Ostfriesland nennt er „inexspectata“ II, II, 35 trotz seiner Äußerung II, 708, daß er nicht entschlossen sei, in Emden zu bleiben. 92 Jahrbuch 22, 339. 93 II, 697. allesin der Faberschen Katechismussache erledigt wurde, der auch so scharf und nachdrücklich seine Lehre behauptet und verteidigt hat, der sich rühmt, daß alle in seiner Lehre befestigt wären und ihr zustimmten, – wer will behaupten, sage ich, daß dieser Mann anderen die Abfassung eines neuen Katechismus erlaubt hätte, dessen Herausgabe die Faberschen Streitigkeiten allein bewirkt hätten!“ 94 Behauptungen dieser Art sind keine Beweise, wenn die Tatsachen eine ganz andere Sprache sprechen. Dalton macht sich die Sache zu leicht, wenn er erklärt: „Kuyper hat schlagend bewiesen, wie derselbe (der Katechismus von 1554) in seiner gegenwärtigen Fassung nicht nur durchaus den Stempel Laskis trägt, sondern auch größtenteils aus seiner Feder geflossen ist.“ 95 Demgegenüber kann genausogut als Beweis gelten, daß a Lasco in den Briefen, die seinen Zusammenstoß mit Faber berühren, von dem Katechismus nirgendwo sagt, daß er sein Werk sei. Während er das kleine Bekenntnis häufig erwähnt und verschickt, läßt er sich über den Katechismus nicht weiter aus, als es die beigebrachten Briefstellen beweisen. Sicherlich bleibt ein Beweis aus dem, was nicht gesagt wird, immer fragwürdig. Aber es läßt sich nicht leicht erklären, warum a Lasco sich eine solche Waffe gegen seine Gegner und solch einen Beweis für seinen vollständigen Sieg, wenn es ein solcher war, entgehen läßt; hätte er sagen können: „Der neue Katechismus ist mein Werk, er ist der Beweis für eine vollständige Niederlage meiner Gegner!“, dann müßte doch wohl eine Spur davon zu entdecken sein. Er konnte das nicht sagen. Er hatte den Abendmahlsstreit in Emden abdrosseln können, seine Ansicht über das Abendmahl fand in dem neuen Katechismus noch einmal einen bedeutsamen Niederschlag, aber ihm deshalb den ganzen Katechismus zuzuschreiben gegen sein eigenes Zeugnis, nur um in dem Werk von 1554 ein Dokument seines Sieges zu haben, das führt über die hier gebotene vorsichtige Erwägung und Verwertung der bislang bekannten Unterlagen weit hinaus. Will man ein Ergebnis des Streites abgesehen von dem Katechismus herausstellen, dann darf man sagen, daß die anfänglichen Einflüsse des Südens durch a Lasco noch weiter verstärkt worden sind. Die Gleichschaltung der Emder Kirche mit der Lehre und Politik des Ostens hat a Lasco nicht nur für seine Zeit, sondern auch für später verhindert. Die größeren Zusammenhänge, in denen der Emder Abendmahlsstreit gesehen werden muß, machen es wahrscheinlich, daß a Lasco in seinen Gegnern Bannerträger von Gruppierungen gesehen hat, die sich in den schweren Zerwürfnissen der reformatorischen Bewegung neu bildeten und gegen alles Front machten, was auch nur von ferne an Anschauungen und Lehrweisen des Südens erinnerte. Es ist nicht zufällig, daß die schar- Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 135 94 I, XCVI. 95 Dalton, J. a Lasco, 450. Dalton geht über die Auseinandersetzungen mit Faber zu rasch hinweg und sieht sie zu sehr mit den Augen a Lascos. Zu dem Historisch-Bibliographischen des des Kleinen Katechismus siehe die Beilage auf S. 155-158 dieser Arbeit. fenund von einer gewissen Empfindlichkeit zeugenden Darstellungen des Streits nach dem Süden gingen, während in der unmittelbaren Auseinandersetzung und auch Hardenberg gegenüber ganz andere, gedämpftere Töne angeschlagen wurden. Die Erfahrungen seiner Irrfahrt mit seiner verjagten Gemeindeschar hatten ihm für Dinge die Augen geöffnet, die man in Emden nicht sah; hier glaubte man noch an Überbrückungen, während a Lasco wirkliche Klärung nur von dem Aufweis der Verschiedenheiten erwartete. Zu deutlich sah er die kirchenpolitische Bedeutung einer Lehrweise in ihrer Abhängigkeit von einer klaren Grundeinstellung, die ihm allein berechtigt erschien. Er hat sich auch im Streit mit Faber als der Vertreter einer Front gewußt, die ihr Daseinsrecht leidend und kämpfend behaupten mußte und die nach seiner Einsicht in den Stand und Gang der Entwicklung Veranlassung hatte, auf der Hut zu sein gegen jede Erweichung der einmal gewonnenen Erkenntnisse. 3. Die Aufnahme der Flüchtlinge und ihre Bedeutung für die Weiterentwicklung der Emder Kirchenordnung Durch den erfolgreichen Einsatz für die Lehrweise der Schweizer wahrte a Lasco nicht nur den Zusammenhang der Emder Kirche mit ihrer eigenen Vergangenheit, er schuf auch den Londoner Gemeindegenossen, die um dieser Lehrweise willen so viel Nöte hatten auf sich nehmen müssen, in Emden eine neue Heimat. Die Glaubensflüchtlinge kamen im Laufe des Frühlings nach Emden. Am 3. März 1554 schreibt a Lasco: „Martin Mikron ist mit einem guten Teil unserer zerstreuten Kirche in Wismar, im Herzogtum Mecklenburg, andere sind in Lübeck, weitere in Hamburg, aber in Kürze werden sie alle hier sein.“ 96 Sie waren nicht die ersten Glaubensflüchtlinge, die in Emden eine Zuflucht suchten, aber durch ihre Ankunft und Aufnahme wurde das Jahr 1554 geradezu ein Schicksalsjahr für die Emder Gemeinde, und mit diesem Jahre beginnt im Emder Kirchenrat eine Tätigkeit, die die bisherige weit hinter sich läßt. Ihre Ausstrahlungen erstrecken sich weit über die Grenzen der Stadt und des Landes; neben der Pfalz und dem Niederrhein wird Emden für eine Reihe von Jahren zum Rückhalt der werdenden Kirche der Niederlande. Für diese Entwicklung bedeutet der Einzug der Londoner Flüchtlinge nur einen Auftakt. Ihre Zahl war verhältnismäßig klein, und der Großteil von ihnen bildete außerdem noch eine durch ihre französische Muttersprache von der Stadtgemeinde getrennte wallonische Sondergemeinde, die allerdings neben der Gemeinde des Emder Kirchenrates für die Emder Kirchengeschichte keine erhebliche Bedeutung gewinnen konnte, wenn sie auch, umstrahlt von dem Glanz ihres opfervollen Anfangs und geschützt durch den Panzer einer besonderen Ordnung, bis 1897 ihr Sonderdasein bewah- 136 Sechstes Kapitel 96 II, 697. renkonnte, um dann in die deutsche Gemeinde aufzugehen. 97 Aber von 1554 an wird der bisher nur kleine Flüchtlingsstrom immer stärker, um dann von 1567 an außerordentliche Maße anzunehmen. 98 Die Bedeutung des Jahres 1554 hat niemand besser erkannt als der scharfe Blick des Gegners. Im lutherischen Gegenbericht und in den Briefen Martin Fabers an Westphal kommt das öfter zum Ausdruck. 99 Die Fremdlinge brachten das mit, was Emden entbehrte, eine durchgeführte Kirchenordnung, die von der Last geschichtlicher Entwicklungen nicht beschwert war. Zwar hatte diese Ordnung in den zwei Jahren ihrer Anwendung noch nicht jene Schmiegsamkeit erlangt, die längere Geltung einer Ordnung zu geben vermag. Wohl aber hatte a Lascos ursprüngliche Darstellung in der Forma ac ratio von 1551/ 1555 bereits eine erste Umsetzung in Mikrons Ordinantien gefunden, die 1554 in Emden bei Nikolaus van den Berge erschienen und 1565 in Heidelberg bei Mayer in deutscher Sprache herauskamen. 100 In dieser Form hat a Las- Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 137 97 Die Geschichte der franz.-reformiertenGemeinde im Abriß bei Wenz, Reformationsjubelrede nebst Geschichte der französisch- reformirten Kirche in Emden, 1819; Pleines, Kurze Geschichte der französisch- reformirten Kirche in Emden, in: Jahrbuch I, Heft 1, 37- 54. Zeugnisse ihres Bestandes: Gabbema, 111; Kuyper II, 703 an die Gemeinde zu Wesel, mit den Unterschriften a Lascos, des ersten Predigers der Gemeinde Pierre du Val und Utenhoves 1554; II, 746 ein französisch geschriebener Brief Utenhoves aus dem Archiv der wallonischen Gemeinde in Amsterdam an die Emder über a Lascos Schicksale in Polen vom 21. Februar 1557. 98 Über den Umfang des Flüchtlingsstromes liegen genaue Zahlen nicht vor. Für die Einwanderung bis 1567 gibt Hagedorn I, 123 aufgrund seiner Kenntnis der Emder und Auricher Archivalien die Zahl von etwa 500, „eher weniger als mehr“, an. Die Emder Bürgerbücher sind aber nicht gerade mit äußerster Genauigkeit geführt worden. Für die Zeit um 1567 bringt die Literatur die Zahl von 6000 Flüchtlingen, die von Grotius stammt. Jahrbuch I, Heft 3, 78. Hagedorn I, 209 vermerkt aus einer Emder Chronik 1574 3300, 1578 1000 Rückwanderer. „Das sind die einzigen Anhaltspunkte.“ 99 Über die Bedeutung des Jahres 1554: Gegenbericht 110.170. Martin Faber an Westphal 8 Briefe bei Sillem 189f.198f.201.215.293.311f.316-318.496f.Martin Faber, wohl zu unterscheiden von Gellius Faber, war bis 1588 Pastor in Hage bei Norden (nicht Hagen, wie Sillem passim und Bauer, Poullain, 211 schreiben). Er hat besonders die Tätigkeit des Mikron im Auge, wenn er 1555 den Einbruch der reformierten Ordnungsgrundsätze beschreibt, und seine Darstellung klingt so, als sei erst jetzt eine von den östlichen Städten abweichende Ordnung des kirchlichen Lebens in Übung gekommen. Siehe dazu Seite 115 Anm. 30 dieser Arbeit. Faber sah sich gegen seinen Willen in den Sakramentsstreit hineingezogen durch die teilweise Veröffentlichung des Briefes Nr. 119, Seite 215ff. bei Sillem in Westphals Confessio fidei 1557, wodurch Mikron zur Veröffentlichung seines apologeticum scriptum 1557 (Gerretsen, 97.100) gezwungen wurde. Diese Schrift blieb mir unerreichbar. Im Allgemeinen zeigt Faber eine vornehme, um Frieden besorgte Zurückhaltung, ohne seine Zugehörigkeit zur sächsischen Lehrweise zu verwischen. Viel lebhafter gebärdet sich sein Kollege aus Nesse (Reershemius, 201) in einem (bei Sillem Nr. 120, Seite 219ff. anonymen) Brief. 100 Daß Mikron bei seiner Bearbeitung der Londoner Kirchenordnung a Lascos Forma ac ratio vorliegen hatte, sagt er selbst in der Vorrede: „Bittende euwer Lieb/jr wollend dise vnsere arbeit danckbarlich auffnemen: in wel ich fast (=sehr) grossen behilff gehat hab/auß dem cosKirchenordnung großen Einfluß gewonnen. Für die Beziehung der Londoner Kirchenordnung zu dem Emder kirchlichen Leben, das eine feste, geschriebene Ordnung nicht bekommen hatte, darf an das oben über die Abendmahlsordnung und auch die Gottesdienstordnung Gesagte erinnert werden. 101 Ist auch die Londoner Ordnung ein Entwurf aus einem Guß, dann verleugnet sie doch nicht die Erfahrungen und Ergebnisse der Emder Zeit a Lascos in Einzelheiten. Bei dem trümmerhaften Zustand der Emder Überlieferungen ist es ein müßiges Unterfangen, den Umfang des Emder Vorbildes genau festlegen zu wollen. Ein unbeabsichtigter Beweis ist die Bemerkung Fabers, der 1551 darauf hinweisen kann, daß auch in London einer gebannt sei und in Emden das Bannen nicht ganz aufgehört habe. Faber hat also eine Übereinstimmung zwischen Emden und London gesehen. 102 Und er berührt gerade das Gebiet, über das wir aus dem Emden a Lascos am wenigsten wissen, die Zuchtübung. Gerade hier ist es aber offensichtlich, daß der Zuzug aus London wirksam geworden ist. Über Einzelheiten des Zuchtverfahrens bringt erst die Zeit nach der Ankunft der Flüchtlinge für Emden Klarheit. Aber auch für diese Arbeit der kirchlichen Organe darf an die Anfänge des Emder Kirchenrats erinnert werden und an die besonderen Zielsetzungen, denen er sein Entstehen verdankt. So brachten die Londoner Emder Ansätze und Erfahrungen a Lascos gewandelt und ausgebaut nach Emden zurück, und der Titel „Moederkerk“ ist mehr als ein Schmeichelname der schon damals und erst recht in der späteren Zeit an ausschmückenden und überhöhenden Benennungen und Titeln nicht gerade armen Ausdrucksweise der geschichtlichen Darstellung; er enthält das Korn Wahrheit, das Emdens Stellung in der Frühgeschichte der niederländischen Kirche diesem Ehrennamen mitteilt. Schon die Londoner Gemeinde vor 1554 ist ohne Emden nicht zu verstehen. 138 Sechstes Kapitel buch welches obgemelter Herr Johannes a Lasco/ vnser Superintendent/ von der ordnung vnser gemeine in Latein auffs lengst geschrieben hat.“ Ausgabe Mayer biij. Vgl. aber über die Schwierigkeit, die durch die Nennung Utenhoves als des Übersetzers einer Gottesdienstordnung als Vorlage für die Ordinantien, wahrscheinlich der dem Kort begrijp angehängten Gottesdienstordnung, für die Klarstellung der Tätigkeit Mikrons auf diesem Gebiet entsteht, Gerretsen, 80-84.Die Ausgabe der Forma ac ratio erfolgte 1555 in Frankfurt, nachdem sich der Druck über längere Zeit hingezogen hatte. Wegen des Druckes hat sich a Lasco auch an Petrus Braubach gewandt, der aber die Fertigstellung des Buches, das ihm „sine principio et sine fine“ gezeigt wurde, abgelehnt hat. Sillem, 195f. Für die Einzelheiten Kuyper I, CII-CX. Die Ordinantien, keineswegs eine bloße Übersetzung, sondern eine Bearbeitung unter dem Gesichtspunkt der praktischen Verwertung, sind 1554 in Emden gedruckt worden. Der Drucker ist nicht, wie Kuyper I, CIX nach le Long, Kort historisch verhaal der kercken onder't kruis, 1751, 55, Gerretsen, 84, Reu, 713 behaupten, Gillis van der Erven, sondern Nikolaus van den Berge, er verbirgt sich unter dem Pseudonym Collinus Volckwinners. Die deutsche Übersetzung benutzte ich im Original, Auszüge bei Richter II, 99-115.Zu Gerretsen siehe die Rezension von Cramer in Theologisch Tijdschrift, 1895, 311. 101 Siehe Kapitel 4 dieser Arbeit 102 Antwert H ij. DieFlüchtlinge brachten die Erfahrungen einer staatlich gesicherten Freikirche nach Emden, die durchgebildeten Ämter, die ausgewogene Ordnung. Und weiter sprach für sie, daß ihr Schicksal von der Kirchlichkeit ihrer opferbereiten Entscheidungen geformt war. Darin vereinte sich ihr Einfluß mit denen, die unmittelbar nach Emden flohen und sich der Ortsgemeinde anschlossen. Wohl waren unter diesen Flüchtlingen aus den Niederlanden viele Wiedertäufer, die den Rat und den Kirchenrat sehr beschäftigten. 103 Jedoch die Kirchlichen unter den Flüchtlingen bekamen für Emden die gleiche Bedeutung, die den flüchtigen Franzosen für das Genf Calvins zugesprochen wird. 104 Sie waren trotz mancher Ausnahmen zuerst kirchlich eingestellt, sie forderten Freiheit des Glaubens und ungehindertes kirchliches Leben, für das sie die Heimat verlassen hatten. Sie lehrten die Emder die Schärfe des Tones in dem, was der Kirche zustehendes Recht war, und zusammen mit den einheimischen Kreisen, die ihnen theologisch, gesinnungsmäßig, aber auch durch sonstige Gemeinsamkeiten, wie die wirtschaftlichen und sehr bald auch verwandtschaftlichen Beziehungen, nahestanden, bestimmten sie bald weithin Weg und Ziel der Gemeinde, wie das alles im Emder Kirchenrat, in dem die Fremden rasch stark vertreten waren, Gegenstand großer Anteilnahme und aktiven Handelns war. Die treibende Kraft in dem Verhältnis der Fremden zu der Emder Gemeinde wurde ihr Wille, die verlassene Heimat zu missionieren und ihr das Licht des Evangeliums zu bringen. Ihre Flucht bedeutete nicht Selbstbescheidung mit der gewonnenen Freiheit, sondern war ihnen Mittel zum endgültigen Sieg. So viele unklare und oberflächliche Anlässe auch der Kampf der Niederlande gegen Spanien haben mochte, so wußten die Handwerker, Kaufleute, Prädikanten und Adligen, die Emden und die weitere Umgebung beherbergten, um ein klares Ziel, und dieses Ziel überragte bald alle Gründe, die einzelne oder ganze Kreise bis hin zum Prinzen für ihren Kampf in Anspruch nahmen. Emden wurde für bestimmte niederländische Landschaften und Städte zum Missionshaus. Hier wurden die Prädikanten geschult, Bibeln und Traktate gedruckt, hier wurden Weisungen erteilt und Richtlinien aufgestellt. 105 Liegen auch Betrachtungen über die Einzelheiten dieser Tätigkeit und besonders ihrer geschichtlichen Auswirkung nicht im Rahmen der Aufgabe, wie sie hier gestellt ist, dann muß doch darauf hingewiesen werden, daß neben der Wechselwirkung, die zwischen London und Emden besteht, diese fürsorgerische, missionarische und damit kirchenbauende Tätigkeit auf die Gestaltung der Emder Kirchenordnung großen Einfluß gewinnen mußte. Hagedorn sieht diesen Einfluß in einer eindeutigen Calvinisierung der Emder Kirche wirksam Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 139 103 Van Schelven unter Berufung auf a Lascos Äußerung II, 574: „Onder deze eerste vluchtelingen zijn veel wederdopers geweest.“ (41). 104 Walker, Jean Calvin, 1909, 323. Über die Bedeutung der Flüchtlinge nach 1553: S. 373. 105 Über Emden als Druckort van Schelven, 116f. werden. 106 Ebenso urteilt Hinrichs. 107 Soll diese Kennzeichnung zu Recht bestehen, dann darf sie nicht gepreßt werden. Die Spannweite der vom Luthertum der deutschen Landeskirchen sich abhebenden Kräfte fällt nicht mit der Wirkung eines Mannes, und sei es auch Calvin, zusammen, insbesondere nicht mit der ausschließlichen Geltung seiner Lehrweise und Ordnungsgrundsätze. Zwar waren von Bullinger bei seinem außerordentlich tief gehenden Einfluß auf die Niederlande wie auf Emden so gut wie gar keine Anregungen für die Einzelheiten der Kirchenordnung gekommen. Aber Straßburg, Calvins eigene Lehrstelle, hat auch ohne den Umweg über Calvin unmittelbar auf die Leiter der Emder Kirche gewirkt. Faber hat von Butzer nachwirkende Eindrücke empfangen. 108 Aber es geht gar nicht nur um die Feststellung literarischer Einflüsse, einschließlich der Vorbilder in der Gestaltung der Emder Kirche. Es handelt sich in dem Vorgang, den Hagedorn, Hinrichs und in gewisser Weise auch Bredt und Boer als Calvinisierungbezeichnen109,um ein Geschehen, in das viele Fäden 140 Sechstes Kapitel 106 Hagedorn I, 128-130: „Wenn auch die gleiche Religion um Emder und Emigranten ein vereinigendes Band schlang, so waren doch die Ankömmlinge ganz andere Schüler Calvins als die Emder selbst. Sie erst machten Emden zur zweiten Stadt Calvins. Sie bildeten den eigentlichen Rückhalt des Emder Kirchenrates. Sie waren die echten Konsistorialen.“ Auch Hagedorn sieht, daß trotzdem zwischen dem Emden Altings und Fabers ein Unterschied besteht, aber er deutet ihn falsch, wenn er meint, es sei im wesentlichen die Anhänglichkeit an das Grafenhaus, die den Kirchenrat gehindert habe, bereits in seiner ersten Periode die Rolle zu spielen, die ihm Alting später zuwies. Es sind die Unterschiede in der Haltung und Entwicklungsergebnisse verschiedener Quellen, die 1554 mit 1595 verbinden, wie sie Anfang und Ende einer Periode auch wieder trennen. Hagedorn meint: „So führt die Aufnahme der Emigranten in direkter Linie zur Emder Revolution. Wohl haben die meisten von ihnen den Umschwung nicht mehr erlebt. Aber ihre Anschauungen waren es doch, die ihn schufen.“ Der „Geist des Radikalismus“, den nach Hagedorn die Emigranten verkörpern, hat „ auch den Boden zerstört, auf dem Emdens Handelsblüte erwachsen ist. Das Emden des 16. Jahrhunderts war ein rechter Handelsplatz, eine Stadt der Toleranz und Freiheit gewesen (...). Der Kalvinismus hat der Freiheit und Toleranz ein Ende gemacht. Das Emden des 17. Jahrhunderts mahnt oft an ein Beinhaus.“ Bei solcher Beschreibung der Entwicklung wird der Begriff der Calvinisierung zu einem Schlagwort, das nicht mehr die Abfolge der verschiedenen Stufen erkennen läßt. Die Monarchomachen und auch die Geusen waren andere Calvinisten als die Genfer und Emder der sechziger Jahre. Hagedorn sagt selbst II, 235: „Daß das alte Emden schon vordem (vor 1554) reformiert gewesen sein soll, ist eine tendenziöse Erfindung. Es war ebensowenig lutherisch. Noch in den siebziger Jahren war es vorwiegend melanchthonisch. Erst Menso Alting brachte den Kalvinismus zur Herrschaft.“ Ohne diesen Dämpfer fehlt allerdings dem Emigrantenmotiv der rechte Klang. 107 Jahrbuch 22, 31: „Diese Bewegung der Emder Bürgerschaft (zur Opposition gegen den Landesherrn) war letzten Endes geistiger Natur, sie entsprang den politischen Ideen des ausgebildeten Kalvinismus, wie ihn die niederländischen Emigranten zuerst nach Emden gebracht und wie ihn die neu erwachsene Kaufmannsaristokratie der Stadt angenommen hatte.“ 108 Zu Bullingers Einfluß vgl. außer den Briefen thom Camps und Aquilomontanus u. a. auch II, 586 über das Buch Bullingers gegen Cochläus: „ Mihi sane magno erit usui, ut qui nondum satis restitutae Ecclesiae hic habeam, de quarum reformatione non pauca commemorasti. 31. August 1544.“ Über das Verhältnis Fabers zu Butzer die Bemerkungen dieses Kapitels Seite 113ff. 109 Boer, 7: „(...) daar kwam bij, dat de Calvinisten een machtige versterking hadden gekregen. Slechts ten deele is deze gegrond op de reeds genoemde steun die de regentes Anna het verflochtensind und das nur die verkürzende Sicht der Typenbildung ohne weiteres auf einen Generalnenner bringen kann. Gibt man dieser Deutung für den Einfluß a Lascos und seiner Flüchtlinge ohne Vorbehalt oder doch ohne nähere Erläuterung nach und macht das Jahr 1554 zum Stichtermin für eine so eindeutige Hinwendung zu den kirchlichen Anschauungen Calvins, dann wird das viel reichere, ja vieldeutige Bild leicht seiner Farben beraubt. Calvin war unbestreitbar durch die Gedanken seiner Institutio von 1543 an der Kirchenordnung a Lascos in Emden beteiligt. 110 Diese Ausgabe brachte die Lehre von der Kirche und ihrer Ordnung in einer Erklärung des Artikels von der Kirche an Hand des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. 111 Bedeutend ausführlicher als etwa 1539 behandelte Calvin in dieser Ausgabe gerade die Zucht, von der a Lasco in seinen Bemühungen um einen Kirchenrat ausging, und brachte die Leitung der Kirche in Verbindung mit Ältesten als Bischöfen der Gemeinde. Ob die praktisch geltende Genfer Ordnung selbst schon a Lasco ein Vorbild sein konnte, bleibt doch sehr fraglich, einmal, weil er von den Genfer Zuständen kaum eine eindringendere Kenntnis haben konnte, und dann, weil in Genf erst von 1541 an wirklich von einer Tätigkeit des Konsistoriums gesprochen werdenkann112,und was den einfachen Gottesdienst angeht, so hat Henry recht, wenn er sagt, daß seine Ordnung nicht von Calvin stamme, sondern daß er sie schon vorgefunden habe. 113 Während so Calvins unmittelbarer Einfluß sich mehr auf Anregungen beschränkt haben wird, redet a Lasco ausdrücklich von Vorbildern, die ihm bei der Emder Ordnung und auch bei der Abfassung der Forma ac ratio vorgeschwebt haben. Er nennt für Emden die Kölner Reformation und für London die Genfer und Straßburger Kirchenordnung. 114 Dazu Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 141 Calvinisme geboden had, voraal moeten we haar verklaren uit de grote toevloed van vluchtelingen uit de Nederlanden.“ Bredt, Neues Pr. Kirchenrecht I, 463. 110 II, 576 vom 26. Juli 1544 unter den Bücherwünschen a Lascos: „praeterea Calvini postremam Institutionem“. 111 Opera selecta, Band V, Caput XII, 212. Vgl. die Jahreszahl 1543 am Rand dieser Ausgabe gerade in diesem Kapitel. 112 Henry II, 109-120. 113 Henry II, 94: „ Die große Einfachheit des reformirten Gottesdienstes stammt nicht allein von Calvin her; er fand sie schon vor, ist ihr aber auch zugethan.“ Für den zweiten Aufenthalt Calvins in Genf s. Bauer, Poullain, 138-142.Ab 1541 kam die Straßburger Ordnung zur Geltung. Das literarhistorische Stemma: 1539 Psalter mit aller Kirchenübung von Köpfel in Straßburg. 1542 La manière des prières von Pierre Brully, die pseudorömische Ausgabe. 1551 Liturgia sacra von Poullain in London bei Steven Mierdman. 1552 die französische Ausgabe der Liturgia sacra in London. 1554 die Frankfurter Kirchenordnung Poullains; bei Braubchius in Frankfurt. Auszüge bei Richter II, 194ff. bis 1554 die (teilweise handschriftliche und gedruckte) Forma ac ratio a Lascos. 1554 die Ordinantien Mikrons in Emden, 1565 bei Mayer in Heidelberg. 1555 die Forma ac ratio a Lascos in Frankfurt. 114 II, 575; II, 50: „Nos id quidem in nostris Ecclesiis pro nostra virili conati sumus sumpto wirdgewöhnlich nach v. Hoffmanns Vorgang die Züricher Prädikantenordnung genommen. 115 Es ist völlig unwahrscheinlich, daß a Lasco nach 1546 noch die Kölner Ordnung von 1543 als vorbildlich für die Änderungen in der Emder Kirche, die thom Camps Bemerkungen in dies Jahr verlegen, benutzt hat. Sie war in ihren Einzelheiten doch zu sehr im Stile der lutherischen Ordnungen gehalten, die Sakramente wurden nach ihr noch in Formen gefeiert, die teilweise zwar der Lüneburger Ordnung von 1535 entsprachen, z.B.die Taufe mit Teufelsabsage und -austreibung, das Abendmahl mit Privatbeichte, die Firmung durch die Visitatoren. Über das alles war aber a Lasco schon hinausgegangen. Für seine Gottesdienstordnung konnte er aus der Kölner Reformation wenig lernen, umso mehr aber für die kirchliche Arbeit auf dem Gebiet der Zucht, des Armenwesens, der Schule, der Vorbildung und Visitation der Prediger. Hier gab die Kölner Ordnung manche Anregungen. 116 Und sofern nun die Straßburger Butzer und Hedio an dem Entwurf des einfältigen Bedenkens beteiligt waren, kamen neben Melanchthon Männer zu Wort, die a Lasco nahe standen. Da aber auch Calvin wesentliche Anregungen der Straßburger Kirche verdankte, die in der Genfer Arbeit, auch in den Genfer Ordnungen nachwirkten, so bleibt der ostfriesische Ordnungsversuch a Lascos eindeutig in der Nähe des später calvinisch oder reformiert genannten Typus der Kirchenordnung, ohne gleich calvinistisch zu sein. 142 Sechstes Kapitel exemplo Genevensi et Argentinensi peregrinorum Ecclesia.“ Das „id“ bezieht sich auf die Kirchenordnung, besonders die Zuchtübung. Die Frage bleibt offen, ob a Lasco die manière des prières erst durch Poullain in London oder schon früher kennengelernt hat. Wären die Emder Verhältnisse bekannter, würde sich diese Unsicherheit klären. Die Einrichtung des Kirchenrates allein genügt nicht, um auch die Bekanntschaft mit der Gottesdienstordnung Straßburgs und Genfs schon um 1543 zu behaupten. 115 v. Hoffmann, 1-13, besonders 4; siehe auch Garrels, 28. 116 Richter II, 36-40 die Taufe, 40-41 die Firmung, 42-44 das Abendmahl, 45 der Bann. Er soll 46 über die Unbußfertigen durch den Superintendenten, den Pastoren des Ortes und „anderen verordneten“ verhängt werden. Der Emder Kirchenrat bestand 1544 auch aus dem Superintendenten, den Pastoren und den 4 „adiuncti“.In der Kölner Reformation haben sie keinen besonderen Namen, 45 wird von ihnen als von „etlichen, so nu solchen sachen, in jeden Stetten und Dörffern sollen verordnet werden“ gesprochen. 1551 heißen die Emder „adiuncti“ bei Faber „senioren edder olderlingen“. Der Aufgabenkreis wird in der Kölner Reformation wie bei a Lasco und Faber beschrieben. Auch in Köln bezog sich die Zucht auf öffentliche Sünden; die Grundlage war wie in Emden eine Polizeiordnung; 46: „die mess solle darinn gehalten werden, wie derwegen in vnserer fürihest aussgangner Reformation, der gerichten versehung beschehen.“ Varrentrapp, 84 erwähnt das hier gemeinte, von Gropper aufgestellte Landrecht; eingehender werden die hier einschlagenden Maßnahmen, besonders die Gerichtsordnung, 41-48 besprochen. Die Veröffentlichung der Reformation erfolgte 1538 (Ref.= Gerichtsordnung). Soweit sich aus den Angaben bei Varrentrapp ersehen läßt, enthielt sie ähnliche Stoffe wie die ostfriesische Polizeiordnung. Das braucht keine Abhängigkeit zu bedeuten, sondern kann aus der Natur der Sache folgen, doch bleibt zu berücksichtigen, daß die Vorgeschichte der ostfriesischen Polizeiordnung noch reichlich ungeklärt ist. Siehe das sehr zurückhaltende Urteil Daltons über die Beziehung beider S. 286. Nochstärker konnte sich das alles in der Ordnung der Londoner Gemeinde auswirken. Allerdings blieb auch hier die eigentümliche Stellung des Superintendenten erhalten, aber daneben wurde die Einrichtung des Ältestenkollegiums so weit wie möglich entwickelt und ausgebaut. Wie in Emden wurden am 5. Oktober 1550 vier Älteste gewählt. Dazu kamen am 12. Oktober vier Diakone. 117 Ihr Amt war die Regierung der Gemeinde durch Aufsicht und Zucht. Unter ständiger Beteiligung der Gemeinde entstanden die kirchlichen Formulare für die gottesdienstlichen Handlungen. Wie es 1544 in Emden mit der Einrichtung des Ältestenamtes geschehen war, dessen Notwendigkeit und biblische Begründung der Gemeinde auseinandergesetzt wurde, so geschah es auch in London mit der Gottesdienstordnung. 118 Auf die Zustimmung der Gemeinde wurde großer Wert gelegt; sie lernte so die Gottesdienstordnung wie die Ordnung ihres kirchlichen Lebens als ihre eigene Sache begreifen und behandeln. Die Männer, die 1554 nach Emden kamen, wußten, was sie meinten, wenn sie von der Gemeinde und ihrer Ordnung sprachen. Noch in diesem ersten Zeitabschnitt der Londoner Gemeindegeschichte kamen so gut wie alle Ordnungen zusammen, die in der Forma ac ratio und in den Ordinantien beschrieben sind, – wieder wie in Emden keine Ordnung aus vorhergehender Schreibtischarbeit, sondern ein Ergebnis der Forderungen des Tages, und doch aus einem Guß, weil gewachsen aus dem Grundsatz, daß die Ordnungen der Kirche nach dem Gleichklang des Glaubens geformt werden müssen. 119 Von diesen Ordnungen sagt a Lasco, daß ihnen die Ordnungen der Genfer und Straßburger als Beispiel gedient hätten. 120 Da in Genf eine Fremdlingsgemeinde nur kurze Zeit bestanden hat, die es zu eigenen Gemeindeordnungen nichtbrachte121,so muß bei der Nennung Genfs an die Ordnungen der Genfer Kirche gedacht werden, während für Straßburg nach van Schelvens Auffassung Poullains Ordnung, die Liturgia sacra, gemeint ist, die 1551 in London gedruckt wurde. 122 Da nun bereits für die Emder Ordnung die Institutio, die Kölner Reformation, vielleicht auch die Straßburger Ordnung von 1534 und die Züricher Prädikantenordnung von 1532 vorgelegen hatten, so ergab sich für die Londoner Verhältnisse eine bedeutsame Reihe von Quellen und Vorbildern. V. Hoffmann und van Schelven haben für die Einzelheiten den Nachweis geführt, daß die Ausführungen der Vorlagen von a Lasco durchaus nicht Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 143 117 Van Schelven, 70. 118 A.a.O.,79 unter Hinweis auf Kuyper II, 12: „Postea rituum forma quaedam conscribebatur et, priusquam institueretur, coram Ecclesia tota per partes suas explicabatur scripturarumque testimoniis confirmabatur, facta etiam potestate omnibus, ut nos amanter admonerent, si qua parte sibi quispiam satisfactum non esse existimaret.“ 119 II, 6ff. 120 II, 50. 121 Van Schelven, 330ff. 122 A.a.O.,80. einfachübernommen worden sind. 123 Er ist in vielem seine eigenen Wege gegangen. Den jeweiligen Umständen entsprechend mußte er es tun. So ist die Superintendentur, wie a Lasco dies Amt auffaßte, ein ihm eigentümliches Gebilde. Der Kirchenrat kann zur Not mit der Konvokatz in Straßburg und mit dem Konsistorium Genfs verglichen werden, soweit es sich um Beteiligung von Laien handelt. Aber die Konvokatz hatte keine Banngewalt, war überhaupt nur ein 144 Sechstes Kapitel 123 Van Schelven, 81. Die Einflüsse der Genfer liturgischen Einrichtungen sind in London handgreiflich. Aber die Verfassungseinrichtungen Genfs waren doch, abgesehen von der Tatsache, daß die Presbyterialverfassung durchgeführt war, nicht so einfach auf London übertragbar. Die Ordonnances ecclésiastiques von 1537 (CR X, 6-14) sehen die Kirchenzucht durch ein gemischtes Organ aus Predigern und Ältesten, den Psalmengesang, den Jugendunterricht nach dem Katechismus und die Ordnung der Ehesachen als Haupterfordernisse der kirchlichen Neuordnung an. Auch hier kann gesagt werden, daß sich wie bei der Kölner Ordnung diese Forderungen mit denen a Lascos unmittelbar berühren; Zucht, Jugendunterricht und Ehesachen regelt auch die ostfriesische Landesordnung von 1545. Aber in welchen Kirchenordnungen dieser Zeit wäre von diesen Dingen nicht die Rede? Zum Psalmengesang kam die Londoner Gemeinde durch Utenhoves Psalmenbereimung, die bis 1566 in mehreren Etappen vollendet wurde. Die Emder Gemeinde hatte ein Gesangbuch, dem wenigstens später auch Psalmen angehörten. Die Ordonnances ecclésiastiques von 1541, die auch im Druck erschienen (CR X, 15-30), führen den Entwurf von 1537 umfassend aus. Die vier Ämter sind alle besonders behandelt: Prediger, Doktoren, Ältesten und Diakonen; dazu enthält die Ordnung Anweisungen über die Feier der Sakramente, die Trauung, den Gesang (die Angaben über ihn unterbrechen auffallenderweise die Angaben über die Ehe!), das Begräbnis, den Krankenbesuch, die Gefangenenseelsorge, die Schule und den Katechismusunterricht, die Versammlungen des Kirchenrates an jedem Donnerstag, Angaben über die Vergehen, die der Zucht unterliegen. Dieser Entwurf ist in der schlichten und praktischen Grundsätzlichkeit das Programm aus den Gedankengängen der Institutio. Die Zucht im weiteren Sinne beherrscht die Ordnung gänzlich: die französischen Kirchen reden bezeichnenderweise von discipline, wenn sie die Kirchenordnung meinen. In dem Anliegen sind Calvin und a Lasco eins, in der Ausführung gehen sie eigene Wege, wie es den jeweiligen, verschiedenen Umständen entspricht. Wenn auch eine Bekanntschaft a Lascos mit den Ordonnances von 1541 möglich ist, so möchte ich doch den Einfluß calvinischer Gedanken für Emden auf die Institutio beschränken, während zur Klarstellung Londoner Verhältnisse auch diese Genfer Kirchenordnung heranzuziehen ist, wie a Lasco das II, 50 ausdrücklich bezeugt. v. Hoffmann hat 1-13 die Entstehungsgeschichte der Londoner Ordnung gegeben. Er läßt erkennen, wie die verschiedenen Vorbilder von a Lasco aufgenommen und ausgewertet sind. Die Züricher Prädikantenordnung ( Richter I, 168.173), deren Verwertung für Emden v. Hoffmann, 4 und Garrels, 28 behaupten, kommt eigentlich nur für die Bestellung der Prediger, ihre Tätigkeit und ihre halbjährliche Synode in Betracht. Das Kapitel zur Einrichtung dieser Synode liest sich allerdings wie ein Entwurf für die Einrichtung des Coetus. Für die eigentliche Emder Kirchenordnung bietet es nichts Neues. Ob sie gedruckt war, bleibt fraglich. Wenn nicht, dann wird eine Bekanntschaft a Lascos mit ihr doch sehr erschwert. Die Straßburger Ordnung (Richter I, 231-239) ist ebensowenig wie die Züricher Prädikantenordnung geeignet, irgendein Vorbild für Emder Einrichtungen zu sein. Nur die Bestimmungen über die Konvokatz erinnern an den Coetus. Ich sehe keine nähere Beziehung zwischen der Straßburger Ordnung von 1534 und dem Emden a Lascos und möchte wünschen, daß die Angabe dieser Ordnung unter den Quellen der Emder Ordnung unterbliebe. Wo ich sie angeführt fand, beschränkt man übrigens den Vergleich auf die Ähnlichkeit zwischen Konvokatz und Coetus. Organ,das die kirchlichen Anliegen unter ständiger Beziehung zum Rat der Stadt behandeln konnte. Das Genfer Konsistorium hatte das Zuchtrecht, zu dessen Ausübung der Emder Kirchenrat gegründet war, während in London die gesamte Kirchenregierung hinzu kam. In Genf und Straßburg aber regierten beide Behörden die Kirchen des gesamten Stadtgebietes, während der Emder Kirchenrat nur für die Kirche der Stadt bestellt war. In dieser Beziehung erinnern Genf und Straßburg, abgesehen natürlich von der Laienbeteiligung, an den Coetus, und für diesen hatte sich a Lasco auch von der Kölner Reformation anregen lassen. 124 Auch die Predigerversammlung der Genfer Kirche kann hier vorbildlich gewesen sein und erst recht die Züricher Predigersynode. 125 Die Behauptung von der Calvinisierung der von a Lasco betreuten Kirchen führt also auf einen sehr verschlungenen Vorgang. Es gehen die verschiedensten Verfassungsformen durcheinander. Die Begründung der in Frage stehenden Formen hat zwar in Calvin ihren Meister, aber die wirkliche, lebendige Praxis schließt sich an mannigfache, auch verschiedene Vorbilder an. Bei der Verwertung und selbständigen Ausführung der Anregung bleibt a Lasco doch ein Eigener. In London hat er die Kirchenräte der französischen und niederländischen Gemeinden zu einer Art Synodezusammengesetzt126,und die Beteiligung der Gemeinde in Emden und noch mehr in London findet sich so weder in Genf noch in Straßburg, von Zürich ganz zu schweigen. Für eine weitere, eingehendere Bestimmung des Charakters der jeweiligen kirchlichen Ordnung müßte auch die verschiedene Stellung und Anteilnahme der Obrigkeit zu den Aufgaben und der Arbeit der Kirche und damit verbunden ihre verschiedene Stellung in dem Verfassungsganzen der Kirche berücksichtigt werden. Dazu ist festzustellen, daß inGenf127undStraßburg128die Beteiligung der Obrigkeit durch die festgelegte Ordnung bedeutend stärker war als in Emden und erst recht in London. In den Wirkungskreisen a Lascos ist von Anfang an eine Bewegung spürbar, die Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 145 124 Richter II, 47 über das Examen; 53 über die Predigersynoden. 125 CR Xa, 20; Richter I, 172. 126 v. Hoffmann, 11ff; II, 230: „ conventus Ministrorum omnium simul peregrinarum Ecclesiarum Seniorum ac Diaconorum“ – die Vorform der späteren Synoden stammt aus der Kirchenordnung a Lascos und nicht aus Genf. Keines der von ihm verwendeten Vorbilder kannte die Verbindung von Presbyterien zu einer neuen Körperschaft. Auch der ostfriesische Coetus ist nicht mit dieser Instanz zu vergleichen. 127 Die Geschichte der Genfer Kirchenordnung läßt tief hineinsehen in die Bedeutung der Obrigkeit für das Werden und die Geltung einer reformatorischen Kirchenordnung. Die Genfer Kirchenordnung kam nur durch die Behandlung in Genfs staatlichen Instanzen zu ihrer endgültigen Form. Es muß in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Amadeus Roget, Kirche und Staat in Genf zu Lebzeiten Calvins, RKZ, 1872, 129ff.161ff.193ff.hingewiesen werden, die sich gegen Galiffe richtet und in der aktenmäßig dargestellt wird, welchen Einfluß die Genfer Obrigkeit auf den Gang der kirchlichen Dinge wirklich gehabt hat. Vgl. Walker, 287. 128 Richter I, 231, Einleitung zur Straßburger Kirchenordnung von 1534: „(...) Es wurden die erforderlichen Verfügungen von dem Rathe in einzelnen Mandaten erlassen.“ denobrigkeitlichen Einfluß auf Formalitäten zu beschränken sucht, ohne darauf zu verzichten, die Obrigkeit für kirchliche Aufgaben und kirchliche Zielsetzung zu Hilfe zu rufen. Dem geht entsprechend das Bemühen zur Seite, der Gemeinde im Rahmen einer presbyterialen Verfassung bestimmte Mitwirkungsrechte zu sichern, die Smidt als „die Ausübung gewisser Kontrollrechte“ beschreibt. 129 Diesen Rechten wohnt aber eine Richtung auf die tätige Mitarbeit an der Erhaltung der kirchlichen Ordnung und der Wahrnehmung ihrer Aufgaben inne. Van Schelven weist dabei hin auf die Herkunft der Glieder, die die Londoner Gemeinde bildeten, aus den südlichen Niederlanden; es sei eine Eigenart der südlichen Städte im Unterschied zu den nördlichen, „dat hunne regeering vrij democratisch was, dat de burgerij er grooten invloed had op de verkiezing der magistraatspersonen“, es erscheint ihm nicht unmöglich, daß a Lasco deshalb als „een wijs man“ „van de verschillende practijken, die bij zijn beginsel mogelijk waren, de meer democratische heeft gevolgd“. 130 Das gleiche darf von Emden gelten, wenn auch die Mitwirkung der Gemeinde über Einspruchs- und Vorschlagsrechte nicht wesentlich hinausging. Und auch das bleibt, wie so vieles, für diesen Zeitraum wenig greifbar. In Emden führte die Ältestenverfassung in jedem Falle eine neue Lage herauf, weil eine ganz neue Beziehung der Gemeinde zu ihrer Regierung entstand. Gilt von der Ordnung der Ämter, von dem Verhältnis zwischen Kirche und Obrigkeit wie von der Stellung der Gemeinde im Ganzen der Kirchenordnung, daß der Begriff der Calvinisierung den Gesamtverlauf und auch das vorläufige Ergebnis der Grundlegung nicht eindeutig macht, da auch bodenständige und sonstige Einflüsse sich nachhaltig bemerkbar machen, so ist Ähnliches von der Gottesdienstordnung zu sagen. Da aus Emden nur die Abendmahlsordnung näher bekannt ist, so läßt sich nur diese mit der Londoner Ordnung und den für sie vorbildlichen Ordnungen vergleichen. Die Hauptteile der Emder Ordnung waren die Vorbereitung, die Beichte, die Prüfung mit der voraufgehenden katechetischen Unterweisung, die Austeilung und die Danksagung. Als a Lasco 1544 die Kölner Ordnung in Händen hielt, wurde er mit folgender Ordnung bekannt131:Das Abendmahl soll nur an gut berichtete Gemeindeglieder, und zwar nach einer gewissen Anlaufzeit, sobald die Nachwirkungen des römischen Meßwesens einigermaßen überwunden sind, nur an Sonn- und Festtagen ausgeteilt werden, und zwar wenn die ganze Gemeinde versammelt ist. Wer teilnehmen will, soll sich vorher anmelden und beichten. Am Abend vor der Austeilung soll ein Vorbereitungsgottesdienst gehalten werden, dessen Lesung einer der Abendmahlstexte aus den Evangelien, Paulus oder Johannes 6 sein soll. 146 Sechstes Kapitel 129 Reinh. Smidt, 58. Das Verhältnis von Kirchenrat und Gemeinde blieb ein Spannungsfeld. Siehe Kapitel 7 über die Entwicklung des Bestellungsrechtes. 130 Van Schelven, 84. 131 Richter II, 41-44. Anihn soll sich die Vermahnung aus derKasseler132oderNürnberger133Ordnung anschließen. Vor und nach dem Gottesdienst und, wenn die Zeit nicht reicht, am Sonntagmorgen sollen die, „so sich anzeigen, das sie begeren zum Tisch des Herren zu gehen, (...) verhöret, vnd vnderricht werden“. 134 Das ist ganz deutlich die Beichte, und zwar als Privatbeichte, die sich in Emden nicht mehr findet, sondern der Gemeindebeichte und der Prüfung im Gottesdienst ihren Platz hat einräumen müssen. Dafür hat die Kölner Ordnung die selbstwillige Begebung der getauften Kinder in den Gehorsam Christi. 135 In der Abendmahlsfeier selbst beginnt die Handlung mit der öffentlichen Beichte. Eine verhältnismäßig reiche Liturgie vor und nach der Predigt leitet das Abendmahl ein, das den Männern zuerst und dann den Frauen nach dem Gesang der Einsetzungsworte mit der Formel gespendet werden soll: „Nimm hin, vnd iss zu deinem heil, den Leib Christi, der für dich gegeben ist.“ Die ganze Form steht nahe bei der Lüneburger Ordnung, die mit ihr als Grundlage die Nürnberger Ordnung gemeinsam hat; aber die Emder Ordnung von 1546 bzw. 1550 hatte die Bestandteile, die naturgemäß fast überall in den evangelischen Ordnungen der Zeit vorkommen, ganz anders eingeordnet. Insbesondere hat sie der Konfirmation keinen Platz in ihrer Ordnung gegönnt. Daß dadurch die Unterweisung der Jugend nicht aus den Augen gesetzt wurde, versteht sich eigentlich von selbst. Gerade unmittelbar vor der Rückkehr a Lascos hatte ja die Emder Gemeinde durch Faber den Versuch unternehmen lassen, den zu langen Katechismus von 1546 durch eine neue Arbeit zu ersetzen. Aber zu einer Konfirmation im Sinne Butzers und nach dem Vorbild der Kölner Ordnung wurde die Zulassung nicht. Dagegen hat nun die Londoner Gemeinde die Konfirmation in ihre Abendmahlsordnung eingefügt. 136 Acht Tage vor der Abendmahlsfeier werden die unterwiesenen Vierzehnjährigen der Gemeinde vorgestellt und legen, wie es ausdrücklich heißt, ihr Bekenntnis vor der ganzen Gemeinde ab. Die Konfirmation, oder wie sie in Mikrons Ordinantien heißt, die Zulassung zum Nachtmahl wird an zwei Fragen geknüpft: 1. an die Bekenntnisfrage, ob sie gewillt sind, in dem eben abgelegten Bekenntnis des Glaubens beständig zu verharren und ihr Leben einfach danach einzurichten, 2. ob sie sich der kirchlichen Zucht dem Worte Gottes gemäß willig unterwerfen wollen. 137 Den Fragen vorauf geht die Prüfung im Katechismus. Das ist schon nicht mehr im Sinne der Kölner Ordnung, die doch nahe bei der Firmung bleibt. Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 147 132 Richter II, 42; vgl. I, 300. 133 Richter II, 42; vgl. I, 207. Es ist dieselbe, die die Lüneburger Ordnung auch für Ostfriesland vorschrieb. 134 II, 42. 135 Richter II, 40f. Sie soll durch den Visitator vorgenommen werden. 136 Lond. KO 1565, fol. 38-40.Cap. XI: „Form/wie man die erwachsenen Kinder zu dem gebrauch des Nachtmals auffnimpt.“ 137 Kuyper II, 98-100.Die Fragen II, 99; LKO, fol. 38v. DieLage der Londoner Gemeinde als ausgesprochener Bekenntnisgemeinde und die sinnvolle Beziehung, in die das Glaubensbekenntnis zur Unterweisung in der Lehre und dann auch zur Zuchtübung der Gemeinde tritt, lassen die Übung der Londoner Gemeinde erträglicher erscheinen als den Butzerischen Ersatz der Firmung in Köln. Von einem Glaubensbekenntnis der Kinder redet auch die Genfer Ordnung, und auch hier ist das Glaubensbekenntnis auf die Zulassung zum Abendmahl bezogen. 138 Poullains Ordnung von 1554 sieht ebenfalls die Zulassung nach abgelegtem Glaubensbekenntnis vor. Es liegt im Zuge der reinen Freiwilligkeitskirche, daß alle Handlungen der Kirche und alle Rechte in ihr von dem abgelegten Bekenntnis abhängig gemacht werden. 139 In Glastonbury scheint Poullain nur Erwachsene aufgenommen zu haben. 140 Aber er kann von der Straßburger Gemeinde Calvins auch die Möglichkeit gekannt haben, Kinder der Gemeinde durch Ablegung eines Glaubensbekenntnisses zum Abendmahl zuzulassen. 141 Die Abendmahlsordnungen des ganzen hier in Frage kommenden Kreises gehen zurück auf Calvins Anregungen in den verschiedenen Ausgaben der Institutio. 142 A Lasco ist seit der Abwendung von der Epitome in zunehmendem Maße Schüler Calvins geworden, was die Abendmahlslehre angeht. 143 Und das mag auch auf den Grundriß seiner Abendmahlsordnung in Emden und erst recht in London zurückgewirkt haben. A Lascos Arbeit ist ein Beweis für die alles durchdringende Klarheit und Umsicht, die Calvins Gedanken allen denen empfahlen, die die Bahn der sächsischen Kirchen nicht betreten wollten. Aber der Spielraum bleibt auch auf der gemeinsamen gedanklichen Grundlage groß und läßt Unterschiede zu nicht nur im Wortlaut der Vermahnungen, die die Sakramentsordnungen dieses Kreises kennzeichnen, oder in den Gebeten, sondern auch, wie sich ergab, in einer so wichtigen Frage wie der Zulassung der Kinder zum Abendmahl. Emden wahrte sich, wie ich vermute unter dem Einfluß der Abwehr täuferischer Kreise, an diesem Punkte die Form der Freiwilligkeitskirche stärker als Genf, während London beides kannte, den Zuwachs aus den Kindern in der Gemeinde und die Ablegung des Bekenntnisses in reiferen Jahren. 144 Für diese letzte hatte man in London eine kurze Form, den Glauben zu bekennen. 145 Mit dem Blick des kirchlichen Praktikers 148 Sechstes Kapitel 138 Richter I, 351. 139 Richter II, 160. 140 Bauer, Poullain, 163. 141 Bauer, Poullain, 41, Anm. 5; Henry I, 215. 142 Die erste „Abendmahlsordnung“ gibt Calvin 1536 CR I, 139, 1543 mit wenig Veränderungen CR I, 1037. Die Feier soll möglichst jede Woche stattfinden. Als Ordnung schlägt er vor: Gebet, Predigt, Einsetzungsbericht, kurze Auslegung desselben, Zuchtfälle, Gebet, Austeilung unter Gesang oder Schriftverlesung, Schlußvermahnung, Danksagungsgebet und Gesang. Es ist der Grundriß auch der Emder Abendmahlsfeier bis auf den heutigen Tag. 143 Hein passim, bes. 63ff. 144 Seite 147 dieser Arbeit. 145 Kuyper II, 127-145; Ordinantien 1565, fol. 54v.-65v.Die beiden Katechismen sind hatMikron diese Form möglichst kurz zu halten versucht, wie es unterrichtlichen Notwendigkeiten und der Prüfungspraxis entsprach. Als er nach Ostfriesland kam und in Norden Pastor wurde, hat er mit Vincentius Phrisius zusammen einen kleinen Katechismus herausgegeben, der sich dem kleinen Emder Katechismus gegenüber allerdings nicht einführte. 146 Die Prüfung fand in London am Vorbereitungssonntag vierzehn Tage vor dem Abendmahl statt und endete ebenso wie die Zulassung der Kinder mit der Frage nach dem Bleiben an der Lehre und der Unterwerfung unter die Zucht. Die Vorbereitungspredigt am Tage vor der Feier dient dazu, der Gemeinde die Selbstprüfung anzubefehlen und Zucht zu üben. Die Zuchtübung wird im Abendmahl selbst vor der Austeilungwiederholt147,ein Brauch, den die Londoner nicht nach Emden verpflanzt haben. Der Abendmahlsgottesdienst hat keine weiteren liturgischen Bestandteile als Predigt, Gesang, Gebet und eine kurze festgelegte Vermahnung, die die Austeilung einleiten. Zumindest seit 1554 hat die Emder Gemeinde die Austeilungsformel der Londoner Ordnung in der Fassung Mikrons gebraucht. 148 Die Londoner Ordnung sieht keine Beichte vor dem Abendmahl vor, wohl aber die an jedem Sonntag übliche Verlesung der 10 Gebote und das Sündenbekenntnis, während die Emder Ordnung die Gemeindebeichte bereits um 1550 nach dem Zeugnis Fabers enthält. 149 Weitere Vergleichspunkte fehlen bei dem Mangel weiterer Kenntnisse über die Emder Gottesdienstordnung zur Zeit a Lascos. Es mögen die wenigen gedrängten Hinweise auf die Verfassung und Gottesdienstordnung genügen, um das Urteil über die Calvinisierung der Emder Kirche durch den Zuzug der Fremden zu beleuchten. In allem ist zwar der Geist Calvins spürbar, die Institutio beginnt Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 149 nicht gleich. Mikrons Text ist auch gesondert als „Een korte ondersoeckinghe des gheloofs“ erschienen. Über Mikron (nicht a Lasco) als Verfasser dieser niederländischen Zulassungsfragen vgl. Gerretsen, 24-33.73-75.Die Geschichte der Katechismen aus dem Lascischen Kreise ist nicht nur in Emden verwickelt. 146 Er ist erhalten als Beigabe zu der Predigt Gerhard Outhofs über Offenbarung 3,11; veröffentlicht als „Waarschouwinghe aan all Kristenen (...)“. Die Predigt umfaßt 75 Seiten, worauf auf 620 Seiten allerlei Nachrichten über reformationsgeschichtliche Themen folgen. Als Anhang bringt er, wie schon auf dem Titel angekündigt, den Mikron'schen Katechismus vom Dezember 1554: „ Ein kort Vnderricht voor den Eentfoldigen Christen ... dorch Mart. Mycronium, vnde Vincentium Phrysium.“ Einzelheiten bei Reu, Einl., 734-736.Der Katechismus behandelt die Hauptstücke in 32 Fragen. Ob das der in der letzten Dezemberwoche in Emden 1553 beschlossene kleine Katechismus für die Kinder sein sollte? 147 LKO 1565, fol. 67r.: In der Vorbereitungspredigt „gibt der Diener zu uerstehen/wem das das Nachtmal verbotten wird (so fern deren sind)“. Am Abendmahlstag wird das Verbot wiederholt: fol. 68: „Vnnd so jemand ahm vorgehenden tag der gebrauch des Nachtmals verbotten were: denen wird abermals verbotten zum Nachtmal zu kommen.“ 148 LKO 1565, fol. 75r. A Lasco hat in der Spendeformel das „glaubet“ nicht. Vgl. Richter II, 153: Die Emder Spendeformel im Emder Abendmahlsformular von 1630. 149 LKO 1565, fol. 35v. Nach Bauer, Poullain, 142 hatten auch die beiden Straßburger Gemeinden, die deutsche wie die französische, die Absolution. Vgl. Richter I, 150. Über das Fehlen der Beichte in Genf Calvin CR X/1, 213. ihrenWeg anzutreten, ihre Sätze werden wirksam. In Emden verfestigt sich aber im Grunde durch den Einzug und die Mitarbeit der Fremdlinge nur die bereits eingeschlagene Richtung. Die im Gegenbericht beschriebene Einstellung der Fremden zu den Mitteldingen wie den Altären, Taufsteinen, Oblaten, Kelchen, Chorröcken, besonders zu den Orgeln, gegen die sie „ einen sonderlichen eyffer gebrauchet“ – es sollen mehrere Orgeln von ihnen zerstört wordensein150–, ist schon für das Emden zwischen 1540 und 1550 bezeichnend. In alledem liegt nicht das Kennzeichnende für die Calvinisierung, sondern für die Entwicklung der reformatorischen Bewegung zu einer Strömung, die sich von dem Luthertum des norddeutschen Protestantismus schon früh abgesetzt hat. Dazu kommt weiter, daß durch die Tätigkeit der Fremden im Zusammenhang mit der Wiedererweckung des Sakramentsstreites durch Westphal, der die Unterschiede in der Lehre als kirchentrennende bewußt machte, Emden sich nun erst recht der Einwirkung vom Osten her verschloß. Man würde auch Fabers Bemühungen ganz falsch deuten, wenn man in ihnen mehr sähe als Versuche, die Gemeinden der Landeskirche beieinander zu halten. Ein Calvinist, wie man ihn sich gerne vorstellt, ist er nicht mehr geworden. Man kann mit ihm nicht rechten, weil er seine Aufgabe darin sah, unter Abweisung der äußersten Flanken die feindlichen Brüder zusammenzuhalten. Darin stand er nicht allein. Auf seiner Seite hatte er unter anderen Medmann, von dem thom Camp am 30. März 1554 an die Züricher schreibt, daß er in höchstem Ansehen bei der Gräfin stehe und deshalb wohl verdiene, von den Zürichern vorsichtig und aufmerksam behandelt zu werden. „Medmann ist kein Feind unserer Lehre vom Abendmahl, aber er setzt sich für Butzer ein.“ 151 So war auch Mikron kein Calvinist. Solche Männer, die sich wie Medmann und Faber mit Hardenberg zusammen noch 1554 um Melanchthon bemühen konnten, hielten die reformierte Gruppe stärker bei früheren Überlieferungen und vermittelnden Formen der Lehre fest, als es sich mit der Behauptung von der Calvinisierung der Emder Kirche verträgt. Dazu kamen die Beziehungen zur deutschen Schweiz, die noch lange fortdauerten. Ihr Träger, thom Camp – aber er ist nur einer aus einer ganzen Reihe von Männern, die mit Zürich in Verbindung standen –, begrüßt den Tod Luthers mit einer gewissen Erleichterung: „Ich glaube doch, daß die Lutheraner auch nach dem Tode Luthers etwas günstiger sein werden als vorher.“ 152 Ebenso Aquilomontanus: „Hier geht das Gerücht, das allerdings noch unbestimmt ist, M. Luther sei gestorben. Wenn es wahr ist, möchte ich auf Frie- 150 Sechstes Kapitel 150 Garrelts, Gegenbericht, 110. 151 „(...) qui in summa existimatione est apud nostram Principem (...) Medmannus non est hostis nostrae sententiae de Coena Domini, sed Bucerum agit.“ 152 Thom Camp an Rudolf Walther am 7. April 1546: „Puto tamen post Lutheri mortem iam Lutheranos vobis aequiores fore, quam antea.“ An Bullinger am gleichen Tage: „(...) utinam humana omnia illius cum illo sepulta post hac (vita?)iacerent et veritas interim vivere in Ecclesiis posset.“ denhoffen, wenn nicht die, die auf die Worte des Meisters schwören, den Sieg mehr als die Wahrheit wünschen.“ 153 Solche Äußerungen lassen auf ein deutliches Bewußtsein für die Tatsache schließen, daß man sich bereits gegenüber steht. Man sieht in Luther die starke Hemmung für die Einigkeit. Und in der Beurteilung Luthers steht man bei den Zürichern. Wie ganz anders klingt noch am 25. Februar 1567 das Urteil über Zwingli: „Man kann es gar nicht beschreiben, wieviel wir euch wegen des einzigen frommen Huldreich Zwingli, jenes Lehrers und Urzeugen heiligsten Angedenkens schulden. Und wieviele Schweizer, und unter ihnen wieder besonders Züricher, diese Gelehrten und Frommen, dienen nicht nur uns Friesen, sondern fast ganz Europa mit Mühen und Wachen.“ 154 Unter diesen Zeilen stehen die Namen der Emder Prediger Arnold Veltmann und Cornelius Cooltuin und des Ratsschreibers Hinrich Gerdes wie auch des Lütetsburger Burgherrn Unico Manninga. Man hat es also 1567 in den einflußreichen Kreisen noch nicht vergessen, was man Zürich verdankt. Um die falschen Vorstellungen abzuwehren, die sich so leicht an typenbildende Begriffe festhaken, wäre es nötig, die Lehrgeschichte der Emder Kirche mit einer hier nicht möglichen Ausführlichkeit darzustellen. Nimmt man die Zeit von 1520 bis 1554 als einen zusammenhängenden Abschnitt, dann sind alle erreichbaren Äußerungen zur Lehre, abgesehen von den obrigkeitlichen Eingriffen im zweiten Jahrzehnt der Reformation mit ihren vorsichtigen Wendungen in Lehrfragen, dann sind weiter eine ganze Reihe von Tatsachen eine einzige Kette von Zeugnissen für den dauernden Zusammenhang mit dem Süden. Wie man die Geschichte der Gottesdienstordnung unter der Überschrift „Der Kampf um das Abendmahl“ schreiben kann, so auch die Lehrgeschichte. Angefangen mit Aportanus und Oldeguil, „ den Zwinglianern“ aus der Schule Wessels, bis hin zu Thomas Bramius, dem thom Camp bei seinem Tode nachsagt, er habe „zweimal die die Verbannung wegen des Herrenmahles von den Lutheranern erlitten“155,und schließlich auch bis zu Gellius Faber, der den schönen Traum vieler Zeitgenossen mitträumte, wenn er hoffte, es möchte sich das durch die Namen Butzer, Melanchthon, Calvin gedeckte Gemeinevangelische als verbindende und versöhnende Macht erweisen, bis zu Cornelius Cooltuin, dem Gesinnungsgenossen des Anastasius Veluanus und PetrusBloccius156,und Albert Hardenberg, dem Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 151 153 „Hic fama fertur sed incerta, M. Lutherum vita defunctum, quod si verum fuerit, pacem sperarem, ni quidam in verba Magistri coniurati victoriam plus ac veritatem desiderant.“ 154 „Quantum vobis ob unicum pium illum doctorem et Protomartyrem sanctissimae memoriae D. Huldrychum Zwinglium debeamus, nihil attinet scribere: cum tot Helvetiae, ac inter eos praecipue Tigurini docti et pii quidam illi, non nobis tantum Frisiis sed tot prope modum Europae, suis laboribus et vigiliis inserviunt.“ Außer den im Text Genannten haben dies Empfehlungsschreiben für einen Sohn des mit 12 Kindern gesegneten Pewsumer Predigers Arnold Borxwier unterschrieben: Adolf Empen und Johannes Aportanus. 155 „(...) qui bis exilium passus est propter Coenam Domini a Lutheranis.“ 156 Hoofstede de Groot, 144-154. FreundeMelanchthons – alles Männer, deren Haltung und Lehrweise eine Zeit des Übergangs kennzeichnen, bei aller Ablehnung dessen, was sich im Kampf um die Abendmahlslehre mit dem Namen Luthers schmückte. Aber Calvinisten waren sie nicht. Erst mußte die Verfolgung in den Niederlanden und die Entstehung der reformierten Kirche vom Süden Walloniens her neue Männer und neue Grundsätze schaffen, damit auch Emden von dem neuen Geist berührt werden konnte, der von Genf seinen Ausgang nahm. Dazu mußte vieles vergessen und noch mehr neu hinzugelernt werden. Es mag sein, daß dieser neue Geist schon in dem einen oder andern der Flüchtlinge in Emden einzog, aber seine sichtbare Verkörperung bekam er erst zwanzig Jahre später in Menso Alting. Es bleibt a Lascos Verdienst, daß er dieser Entwicklung die Tore geöffnet hat und durch seinen Einsatz im Emder Abendmahlsstreit geöffnet hielt. Er selbst kam über diesem Einsatz zu Fall. „ Als ( die Höflinge) sahen, daß in meiner Anwesenheit ohne große Aufregung des ganzen Landes keine andere Lehre eingeführt werden könnte, faßten sie den Entschluß, mich von hier zu entfernen. Ich sei dem burgundischen Hofe so verhaßt, daß ich ohne Gefahr für das Land hier nicht länger geduldet werden könne. So bin ich ihrem Wüten gewichen auf Anraten der ganzen Kirche, die mich indessen noch durchaus für ihren Pastoren hält. Sie hat mich mit soviel Diensten verfolgt und tut es noch, daß ich ihre Liebe und Treue gegen mich nicht genug aussagen kann. Ein Buch wäre nötig, wollte ich alles ausführen.“ 157 Sein Scheiden ist der Preis für eine weitere vorläufige Friedenszeit. Aber bald stehen neue Sturmzeichen am Himmel des kleinen Landes. A Lascos Werk geht in ihnen nicht unter. Es setzt sich in Emden und den benachbarten Gebieten in dem ihm gesteckten Rahmen, den nicht zu bewältigende politische und weiterwirkende wie neu auftretende kirchenspaltende Einflüsse ihm geben, endgültig durch. Für seine Emder Schöpfung, den Kirchenrat, bekam die Aufnahme der Flüchtlinge eine Bedeutung, die nicht leicht übertrieben werden kann. So wenig wir in der Zeit, die für die Grundlegung der Kirchenordnung so entscheidend wurde, 152 Sechstes Kapitel 157 II, 712. Bereits am 20. Februar 1550, also beim ersten Abschied, schreibt thom Camp an Pellikan: „(...) cogebantur (die führenden Männer) D. Joannem a Lasco dimittere, qui tamen discedere noluit, nisi Ecclesia illi copiam faceret, quod aegerrime fecit, sed ne illi simul cum suo pastore in periculum venirent, permiserunt, ut ad tempus furoribus adversariorum cederet, tamen, ubi esset, pro pastore agnoscere volebant neque in alterius electionem assentiri quod publice literis apud Magistratum protestati sunt (...).“ Er ist jetzt in Bremen. „Ibi conscribit conscribit apologiam, qua se purgat ab hostilitate Caesaris atque haeresi: dabitque ibi dilucidam fidei confessionem et quae cum illa pugnant, explicabit. Addit quoque formam externam seu ritus Ecclesiae nostrae rationesque dabit, cur nihil hoc praesertim tempore mutandum sensuerit, postremo modum et causam discessus sui hinc explicabit. Absolutam autem dabit typis imprimendam, quam ad vos Deo volente transmittemus.“ Es wäre zu schön, wenn man mit den hier skizzierten Plänen a Lascos die Entstehung des Kort begrijp und der seiner lateinischen Fassung angehängten Gottesdienstordnung und der Forma ac ratio zusammenbringen dürfte. Siehe Seite 60, Anm. 12 und Seite 70, Anm. 52 dieser Arbeit. überihn erfahren, so sehr tritt er von jetzt an als Träger der Kräfte, die die Emder Kirchenordnung formen, hervor. Ja, wenn es einen Beweis gibt für den Einzug eines neuen Geistes, der in der Ankunft der Fremden sich ankündigt, dann ist es nicht das Gebiet der Lehre oder der kirchlichen Ordnung, soweit sich diese in Formen der Verfassung und des Gottesdienstes ausspricht. Hier bleibt auf die großen Linien gesehen alles beim Alten. Aber die Tätigkeit des Kirchenrates als solche wird bald verspüren lassen, daß sich die Lage gewandelt hat. Daß die Schaffung des Kirchenrates eine Tat war, wird sich zeigen in seinem Tun. In seiner Wirksamkeit finden wir den Willen wieder, der zur Gründung im Jahre 1544 führte. Der Kirchenrat hat in den ersten zehn Jahren ein Leben im Verborgenen geführt. Die Schwankungen in der Stellung und dem Einfluß a Lascos mögen auch seine Arbeit gefährdet haben, geschichtliche Ereignisse wie das Interim haben auf ihn zurückgewirkt. Aber in dem Augenblick, der einen neuen Abschnitt der Emder Kirchengeschichte beginnen läßt, ist auch der Kirchenrat wieder da. Der Blick für die Aufgaben, die er wollen mußte, um sein Lebensrecht zu erweisen, ist erst jetzt wieder ganz klar. Und hat das Jahrzehnt der Grundlegung die Gebiete, auf die sich die Tätigkeit des Kirchenrates beziehen wird, die Lehre, die Verfassung, die Gottesdienstordnung, die Zusammensetzung der Gemeinde, das Verhältnis zur Obrigkeit, eines nach dem andern, eines neben dem andern, im Grundriß festgestellt, so wird es jetzt darauf ankommen, ob es dem Kirchenrat gelingt, die Keime zur Entfaltung zu bringen, das Errungene zu erhalten und auszubauen. Die Darstellung wird dieser Tätigkeit des Kirchenrates in der Weise folgen, daß die einzelnen Linien der Bemühungen ausgezogen werden, und zwar unter Gesichtspunkten, die nicht mehr, wie es im ersten Teil der Arbeit der Fall war, durch allgemeingeschichtliche Entwicklungen bestimmt sind, sondern den Sachgebieten entsprechen, auf die eine kirchenrechtliche Darstellung Anspruch hat. Diese kirchenrechtlichen Tatbestände werden allerdings nicht durch eine vorhergehende rechtssystematische Besinnung auf das, was kirchenrechtliche Sachgebiete sind, gewonnen werden können, sondern werden sich, wie es in der Absicht der Arbeit liegt, durch die Darstellung dessen, was im Kirchenrat verhandelt und durch ihn geschaffen wurde, nach ihrer Entwicklung und Grundsätzlichkeit ergeben. Dabei soll in einem zweiten Teil von dem Kirchenrat und seiner Gemeinde gesprochen werden. Die Einigungsversuche Fabers und der zweite Aufenthalt a Lascos 153 Beilage Zu den reichen Angaben Reus als des letzten Bearbeiters des Kleinen Katechismus über das Bibliographische möchte ich noch einige weiterführende Ergänzungen bringen. 1 Der älteste Druck ist verloren. Den bisher frühesten Druck haben wir in der lateinischen Ausgabe des Johannes Gerobulus für den Gebrauch in der Lateinschule. Reu hat eine Ausgabe von 1587 entdeckt, die in Emden gedruckt ist und die Beigaben enthält, die auch Eilshemius in der, wie er angibt, genauen Ausgabe des ersten Druckes in seinem Handboeck des waren Gelouens 1610 bietet. Das dort mitgeteilte Gebet vor der Katechismuspredigt stammt aus den Ordinantien Mikrons, vgl. LKO 1565 fol. 25- 27, wo es als Eingangsgebet für den Gottesdienst bestimmt ist. Für die Emder Zwecke wurde es stark geändert. Das Gebet nach der Katechismuspredigt hat einige entfernte Anklänge an Mikrons Gebet nach dem Examen der kleinen Kinder, vgl. LKO 1565 fol. 37, Richter II, 105. Der Traktat von der Wahrheit und Autorität der Heiligen Schrift, den Reu, Einl., 730 abdruckt, ist in späteren Ausgaben noch zu finden. Die von Reu, Einl., 732 erwähnte französische Übersetzung von 1650 – die früheren sind mir nicht bekannt –, angefertigt von dem Emder Prediger Samuel de la Vigne, ist ein zweisprachiger Druck, er enthält auch den Katechismus in niedersächsischer Sprache. Ihm sind die fünf Hauptstücke, die im Katechismusgottesdienst regel mäßig vorgelesen wurden, und französische Gebete beigegeben. Zwischen der Ausgabe des Eilshemius, die Müller, Bekenntnisschriften nachdruckt, und der französischen von 1650 ist 1630 noch eine niederdeutsche erschienen, für die Ritzius Lukas Grimershemius verantwortlich ist. Sie ist darum bedeutsam, weil sie die ursprünglichen biblischen Beweisstellen enthält. Die Frage nach den ursprünglichen Beweisstellen ist bisher noch nirgendwo behandelt, sie ist aber wichtig, weil sie Einblick in das Schriftverständnis der Verfasser und damit auch in die biblische Begründung der einzelnen Lehraussagen gewährt. Eilshemius bringt in seiner Ausgabe nicht die originalen Beweisstellen. Er sagt, er habe mit größter Mühe „ de beste vnde dütlichste tüchenissen der Schrifft/ dar de Text des Catechismi kan beweret werden“ zusammengestellt und sie durch Verweisungsbuchstaben abcd etc. auf den Text des Katechismus ausgerichtet. Der ursprüngliche Text von 1554 hat Beweisstellen gehabt, weil Eilshemius bezeugt: In den späteren Drucken haben die Drucker schlechtes Papier gebraucht („ velicht vmme des gewins willen“) und auch die Schriftzeugnisse, „ so im ersten druck am randt gesettet weren“, ganz ausgelassen. Der Druck von 1650 bringt den Text des Eilshemius, auch seine Beweis- 1 Siehe oben S. 135. stellen;aber eine alte Hand hat in dem mir vorliegenden Exemplar, das mit Schreibpapier durchschossen ist, zu einer Reihe von Fragen Bibelstellen beigeschrieben. Diese Bibelstellen stimmen überein mit den bei Eilshemius fehlenden Stellen der Ausgabe von 1630 und der amtlichen Ausgabe von 1677. Grimershemius schreibt in dem Vorwort seiner Ausgabe von 1630: „(...) hebbe ick uth guder Lüde gudtachten, de vornehmste getüchenissen der hilligen Schrifft/ darmit de lehre unseres Catechismi bevestiget wert/ so bether alleine up de kante getekent/ gantz uthgeschrieben/ unde achter ein jede Frage und Antwort gestellet.“ Durch diese Angabe erweisen sich seine Beweisstellen als die ursprünglichen, und für eine Ausgabe müßte Grimershemius zu Rate gezogen werden. Sein Text ist mir nur in einem Exemplar bekannt: es ist dem Enchiridion aus demselben Jahr beigebunden, das sich im Besitz der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer befindet. Im Jahre 1676 sah sich der Kirchenrat genötigt, den Katechismus für den Gebrauch der Emder Gemeinde ins Niederländische übersetzen zu lassen, da sich in diesem Jahre die Umstellung vom Niedersächsischen zum Niederländischen als der Kirchensprache vollzog. Die Übersetzung lieferte der Lehrer der Lateinschule Georgius Erastus; Joachim Mennen druckte sie 1677. Reu kennt diese Ausgabe nicht. Auch dieser Druck enthält den Traktat über Wahrheit und Autorität der Heiligen Schrift, die Katechismusgebete und ein Morgen- und Abendgebet. Auf dem Titelblatte heißt es: „ Door de Dienaers des H. Godtlycken Woorts tot Embden/ eertyts in de Saxsche Taele op het kortste vervattet/ ende met uytgedruckte Schriftuerplaetsen bevestiget. Nu door last en ordre van het erwaerde Consistorie, in onse tegenwordige Tale ende de Schriftuerplaetsen na de nieuwste oversettinge/ getrouwelyck overgeset/ en van Fauten gesuyvert.“ Die Sonntagseinteilung in 26 Sonntagsabschnitte hat schon die älteste Ausgabe gehabt, denn schon das Vorwort zur ersten Ausgabe sieht die Behandlung des Katechismus zweimal im Jahre vor. Reu kennt die niederländische Übersetzung nur in der van Sendenschen Ausgabe von 1717 und meint von ihr Einl., 732, sie sei für die Fremdlingsgemeinde gedruckt. Das ist ein Irrtum, der im übrigen viele falsche Angaben über die Emder kirchlichen Zustände verschuldet hat. 1. Es hat niemals eine niederländische Fremdengemeinde in Emden bestanden, es gab nur Niederländer, die sich der Ortsgemeinde anschlossen. Vgl. II, 697. Daneben gab es eine französische und bis längstens 1559 eine kleine englische Gemeinde. 2. Die Sprache der Ortsgemeinde war grundsätzlich niederdeutsch ( sassisch). Das Friesische war um diese Zeit schon ausgestorben in Emden, und das Niederländische wurde wohl verstanden, aber nicht gesprochen. Erst gegen Mitte und Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich das Niederländische als Kirchensprache in den reformierten Gebietsteilen Ostfrieslands durch. Ein Niederländer wie Gellius Faber schrieb als Emder Pastor sassisch, und noch er bemerkt nach 14jährigem Aufenthalt im Lande, daß zwar in deutscher und lateinischer Sprache manches gegen die Wiedertäufer geschrieben sei, aber wenig in unserer Sprache; „ so 156 Beilage hebbeick vornemliken vth desser orsake willen/ modt geypen/ vnde yo etwes wedder ere Erdome vp desse sprake ( so veel ick daruan geleert hebbe) lathen vthgan.“ Er hat also das Sassische erst lernen müssen. Erst recht haben die später lutherischen Gebietsteile Ostfrieslands niemals niederländisch gesprochen, diese Sprache war bei ihnen nicht „ beliebt“ ( gegen Reu, 744). Vielmehr vollzogen sie im Gegensatz zu den reformierten Gemeinden etwa zu der gleichen Zeit den Übergang von der niederdeutschen zur hochdeutschen Sprache. Damit entfallen auch alle Vermutungen Reus über eine etwaige Verwendung der von ihm für Ostfriesland beanspruchten Katechismen Luthers und des Rhegius in niederländischer Sprache ( Einl., 684- 694, Texte 1197- 1227, 1705- 1712). Zu deutlich erweist sich doch auch der Rhegiusdruck mit den alten Vätern auf dem Titel und der Verordnung des Bischofs Guido von Utrecht für katholische Leser bestimmt oder als getarnte Ausgabe für Evangelische in katholischen Landen. Und dasselbe gilt für Luthers Kleinen Katechismus, der Luthers Namen verschweigt. Reu hat deshalb auch in der Einleitung seine Behauptung über lutherische Katechismen erheblich eingeschränkt und Einl., 694 festgestellt: „ Als Beweisstück für den lutherischen Charakter der offiziellen Kirche in dieser Zeit kann er ( der Rhegiusdruck) nicht verwendet werden.“ Ebenso erledigt sich damit die Bemerkung von Reimers, Gestaltung, 47, die sich wahrscheinlich auf die ganz unzuverlässigen Angaben bei Bünger stützt: „ Wenn (...) ( in Emden), wie dies viel Wahrscheinlichkeit für sich hat, um das Jahr 1540 ein ausgeprägt lutherischer Katechismus zum Druck gelangte, (...) so sind das alles Anzeichen, daß das Luthertum in diesen Jahren selbst in Emden wesentlich festeren Fuß gefaßt hat.“ Gemeint ist hier: „ Den Cleynen Cathecismus oft een onderwijs ende fundament des Christeliken Gheloofs.“ Bünger, Seite 95ff. Dieser Katechismus hat mit Ostfriesland nichts zu tun, denn er ist in niederländischer Sprache abgefaßt, auch er kann nicht als Beweis für eine irgendwie wesentliche Stärkung des Luthertums gelten. Es hat vor Michael Walther keinen landeseigenen lutherischen Katechismus gegeben. Für die Geschichte der Konfessionen in Ostfriesland ist es nicht unwichtig, daß es in dieser Zeit zu einer eigenen Katechismusbildung nur im reformierten Lager kam. Auch das Büchlein von 1554 bestätigt, wie so viele Dokumente der Lehrgeschichte in der ostfriesischen Kirche, daß die später konfessionell als reformiert zu bezeichnende Gruppe durchaus mit ihren Ansichten im Vordergrunde stand. Ihre Vorkämpfer waren, wie sich Reimers, Gestaltung, 19 ausdrückt, auch jetzt noch, wie in der ganzen vorhergehenden Zeit, „ die literarisch und agitatorisch Regsameren“. Anhangsweise möchte ich noch einige Bemerkungen zu der von Reu, Texte 993- 1196, Ostfriesische Katechismen unter Nummer 20 mitgeteilten hochdeutschen Übersetzung des Großen Katechismus von 1546 machen. Der Titel lautet: „ Der grosser Catechismus. Das ist Christliche klare vnd einfältige inleitung in den willen vnd in die genade Gottes, darin nit nun ( muß heißen: nur) die Jugent, sonder auch die ältern vnderricht, wie sie jre kinder in den gebotten Beilage 157 Gottes,in Christlichem glauben vnd rechtem gebätt vnderweisen mögendt. Geschrieben durch Martinum Micron (...). Gedruckt in der Stadt Freiburgk durch Martinum Mundanum.“ Die Vorrede ist vom 24. März 1563, in welchem Jahr Mayer in Heidelberg auch den Katechismus Calvins deutsch herausbrachte. Über Reus Angaben Einl., 120 hinaus ist darauf hinzuweisen, daß dieser Übersetzung die niederländische erweiterte Ausgabe von 1553 zugrunde liegt, daß es sich also nicht im eigentlichen Sinne um den Emder Katechismus handelt. Das wird schon bewiesen durch die Fragen, die die Ausgabe von 1553 über die von 1551 hinaus hat: z. B. Reu, 1129f.; Kuyper II, 425f. die Ausführungen über die Hölle. Daß es sich nicht um eine Übersetzung aus dem Niederdeutschen handelt, zeigt die Einzelvergleichung; Kuyper II, 471 „ offerhande = Opfer“ wird Reu, 1144 einfach mit „ opferhandt“ wiedergegeben. Die Beweisstellen stammen aus der editio secunda von 1553, doch sind einzelne Stellen in der deutschen Ausgabe verändert oder ausgelassen. Den kleinen Norder Katechismus von Mikron und Phrysius hat auch Reu, der ihn als Nummer 23 bringt und Einl., 734-736 beschreibt, nur in Outhofs Ausgabe kennengelernt, obwohl er meint, einen Abdruck des 16. Jahrhunderts vor sich gehabt zu haben. Ich schließe das aus der Angabe des Titelblattes: „Gedrukt na na het Original van 1554 den 8. Dez.“ 158 Beilage ZweiterTeil Die Dienste und die Gemeinde Einleitung Es soll versucht werden, auf den folgenden Blättern eine Arbeit weiterzuführen, deren ersten Teil ich vor vier Jahren zum Zwecke meiner Promotion fertigstellte, nachdem langjährige Forschungen vorausgegangen waren. Der erste Teil, mit dem diese Arbeit zusammengehört, behandelte die Grundlegung der Emder Kirchenordnung, die ein Werk Johannes a Lascos gewesen ist. Die Geschichte der Emder Kirchenordnung im Reformationsjahrhundert ist im Grunde die Geschichte des Kirchenrates dieser Gemeinde. Im Jahre 1544 errichtet, ist er das erste Gebilde seiner Art auf deutschem Boden; die reformierte Gemeindebildung des mittleren deutschen Westens, etwa des Niederrheins, setzte erst später ein. Während ich für den ersten Teil, der die Jahre 1540- 1555 umfaßte, mich, gezwungen durch den Zustand des Materials, mehr auf allgemein kirchengeschichtlichem Boden bewegen mußte, kann jetzt unter ungleich günstigeren Vorbedingungen des Stoffzustandes in Längsschnitten ein Hauptgebiet der Emder Kirchenordnung behandelt werden, das die Bestellung des Prediger- und Ältestendienstes und die Probleme der Gemeinde und der Gemeindegliedschaft umfaßt. Ein dritter Teil hätte die Zuchtübung, die gottesdienstlichen Ordnungen und weitere Gebiete des Gemeindelebens zu behandeln, damit das Ziel erreicht werde, ein möglichst umfassendes Bild von der Tätigkeit des Kirchenrates und dem Werden der Kirchenordnung seiner Gemeinde zu geben. Die Arbeit beschränkt sich auf eine einzelne reformierte deutsche Gemeinde. Dennoch ist es nicht die Absicht dieser Arbeit, lediglich ein Beitrag zu der noch nicht geschriebenen Gemeindegeschichte Emdens zu sein. Im Vordergrund steht nicht ein ortsgeschichtliches Anliegen, sondern ein kirchenrechtsgeschichtliches. Auf diesem Gebiet ist für die Forschung noch viel Arbeit; es gilt nicht nur Stoff zu sammeln, um die kirchenordnenden Vorgänge zu verdeutlichen, es gilt vielmehr noch, die Aufstellungen grundsätzlicher Art über die treibenden Gedanken und Anschauungen zu stützen oder kritisch zu überprüfen. Die kirchenrechtliche Forschung hat der reformierten Kirchenordnung seit jeher Aufmerksamkeit geschenkt. Daß aber für die Grundlagenforschung, alle anderen früheren Theoretiker fast erdrückend, meist nur Calvin beachtet wurde, daß ein Mann wie Wilhelm Zepper kaum genannt, aber ganz unbekannt ist, obwohl wir ihm die erste deutsche Monographie über die Kirchenzucht von der Hand eines deutschen Reformierten verdanken ( Siegen 1596), wenn man von Butzers „ Von der waren Seelsorge“ ( 1538) einmal absieht, daß zwar ausländische reformierte Kirchenordnungen in ihrer Entstehung und ihrem Funktionieren auch in deutscher Sprache dargestellt sind, daß aber deutsche reformierte Kirchenordnungen bisher mit Ausnahme der Rheinlande und Westfalens durch Jacobsons und Bredts Forschungen überhaupt noch keine zureichende Darstellung gefundenhaben, daß die letzte, allerdings immer noch sehr verläßliche Geschichte der Presbyterial- und Synodalverfassung, die von Lechler, aus dem Jahre 1854 stammt, muß jedem Betrachter, der nach dem Stand der allgemeinen Forschung auf diesem Gebiete fragt, auffallen. Hier sind noch große Ungleichmäßigkeiten, Lücken und manchmal auch schiefe Urteile zu überholen. Ich bekenne dankbar, daß die bisherige Arbeit an den Problemen jedem Neuling gute Anleitung geben kann, besonders weil sie sich bemüht, dem Nichtjuristen die Begriffswelt des Rechtlichen nahezubringen. Doch erscheint es mir je länger je mehr fraglich, ob das wegweisende Buch Riekers über die Grundsätze reformierter Kirchenverfassung ( 1899) angesichts der veränderten theologischen Lage noch ausreicht. Es fragt sich sehr, ob der von Rieker ( S. 59) als Mangel bezeichnete Tatbestand, daß „ die dem Calvinismus eigentümliche Vermischung von Religion und Recht ... vielmehr den Theologen als den Juristen verrät“, nicht gerade einen ausgezeichneten methodischen Ansatzpunkt für die Erforschung reformierten Kirchenrechts darbietet, der für die Auffassung der entscheidenden Gedanken und Gestaltungen ständig wirksam bleiben muß. Gerade auch der rechtliche Gehalt des Kirchenrechts bietet theologische Probleme in solcher Fülle und von solchem Gewicht, daß es nicht gut ist, die hier entstehenden Aufgaben länger im kirchlichen Forschungsbetrieb zu vernachlässigen. Daß unsere theologische Ausbildung dem amtlichen und wissenschaftlichen Interesse an den Fragen dieses Gebietes nicht entspricht, habe ich an mir selbst erfahren. Mängel in der Auffassung und Darstellung der Tatsachen und Anschauungen fallen nicht so sehr dem guten Willen zur Sachgemäßheit als der Schwierigkeit zur Last, mich erst in die Probleme einarbeiten zu müssen. Für die orts- und landeskirchliche Geschichte der behandelten Zeit ist wenig getan. Moderne Darstellungen der Kirchengeschichte reichen nur bis 1540; einige Biographien bedeutender ostfriesischer Theologen der späteren Zeit können den Mangel nicht ersetzen. Für das Gebiet der Kirchenordnung fehlt schlechthin jede zureichende Vorarbeit, stofflich wird mit dieser Arbeit völliges Neuland betreten. Auch jetzt noch bleiben Lücken in der Stoffermittlung, da die Schwierigkeiten in der Benutzung anderer Archive als des ortskirchlichen während der Materialsammlung nicht zu beheben waren. Besonders der Mangel an gedruckten Quellen war ständig fühlbar. Doch machte sich das bei der Bearbeitung dieses Teiles nicht so stark bemerkbar, da hier mehr innergemeindliche Vorgänge zu behandeln waren. Die Aufgabe dieser Arbeit soll nicht sein, in die Auseinandersetzung über systematische Fragen des Kirchenrechts auf dem Umweg der Geschichte einzugreifen. Wo an einzelnen Stellen solch ein Anliegen zum Vorschein kommen sollte, soll das nur der Klärung dienen. Und so brennend auch das Gegenwartsinteresse an der Kirchenordnung tatsächlich ist, so will das Gebotene nicht verstanden werden als ein Spiegel für die Gegenwart. Jedoch gestehe ich gerne, daß es mir in den vergangenen Jahren tröstlich und hilfreich gewesen ist im Dienst an der 162 Einleitung Gemeinde,deren Ordnungsgeschichte hier behandelt wird, die Väter bei der Arbeit aufsuchen und, wie ich hoffe, auch finden zu dürfen; wir haben für die Aufgaben unseres kirchlichen Alltags kaum bessere und uns näher stehende Lehrmeister als sie. Einleitung 163 SiebtesKapitel Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger im Rahmen der Emder Predigergeschichte 1. Mittelalterliche und frühreformatorische Ansätze Wie anderwärts hatte die Reformation auch in Emden mit der Verkündigung der neuen Lehre begonnen, und im Zusammenhang damit kam es zur Neuordnung des gottesdienstlichen Lebens. Es entsprach der Sachlage, wenn damit die Männer in den Mittelpunkt der öffentlichen Anteilnahme traten, die die Träger dieser neuen Verkündigung wurden und von denen die Anregungen zum Neubau der Kirchenordnung ausgingen. Der Emder Kirchenrat bestand im Sinne a Lascos aus den Predigern, denen die Ältesten beigegeben waren. 1 Während nun aber für die Bestellung von Ältesten neue Formen zur Ausbildung des werdenden Kirchenrechtes gesucht werden mußten, war die Bestellung von Predigern von vornherein in starkem Maße an das gewordene Recht gebunden, und es bedurfte längerer Entwicklung, um hier ein neues Recht zu schaffen, das den neuen Ansätzen in der Auffassung von der Kirche und ihrem Amt Rechnung trug. Wollte man rein systematisch vorgehen, mußte man zuerst wohl die Anschauung von der Kirche darstellen, mit der diese Entwicklung zusammenhängt, und in Verbindung damit auch das Verhältnis von Staat und Kirche klarstellen, auf das ebenfalls die Anschauung vom Wesen und von der Ordnung der Kirche Einfluß gehabt hat. Nun dürfte es aber so liegen, daß die Lehre von der Kirche ihre Darstellung durch die geschichtliche Entwicklung erhält und dadurch anschaulich wird, und auch das Verhältnis von Stadt und Kirche liegt nicht einfach beim Beginn der Entwicklung so klar zu Tage, daß es die Rechtsentwicklung von feststehenden Grundsätzen her beeinflußt, sondern es entwickelt sich mit, es ist selbst noch wieder geprägt durch die Macht, die die neue Anschauung von der Kirche gewinnt. Und weiter wäre darauf hinzuweisen, daß auch die Auffassung von der kirchlichen Mitgliedschaft sich in der Neuformung des Bestellungsrechtes für Prediger und Älteste auswirkt. Aber auch wenn wir den Kirchenrat die Aufgaben der Gemeindeglieder erwägen sehen, erleben wir das Werden neuer Ordnungsgrundsätze mit und nicht die Handhabung von Paragraphen. Die hier gewählte Darstellungsweise geht von 1 II, 575. demGesichtspunkt aus, daß das Geschehen beschrieben werden soll, durch das die neue Kirchenordnung gestaltet wurde. Und dabei ziehen die Männer die Aufmerksamkeit auf sich, die mit dem Amt der Verkündigung betraut wurden und durch ihre Arbeit in der Gemeinde entscheidend zum Neuwerden der Ordnungsverhältnisse mit beitrugen. Es würde weit ausholender Darstellung bedürfen, um das Bestellungsrecht des frühen und späten Mittelalters zu beschreiben. 2 Das eine ergeben alle Darstellungen deutlich, daß das mittelalterliche Kirchenrecht in seiner Ausbildung zum kanonischen Recht sich in Ostfriesland nicht in allen Einzelheiten durchsetzen konnte. 3 Laienpröpste in der Leitung der unteren kirchlichen Verwaltungsbezirke, der Propsteien, die Priesterehe und vor allem das Wahlrecht für die Gewinnung eines Priesters am Altar der Gemeindekirche entsprechen an der Nordseeküste nicht den Grundsätzen des kanonischen Rechts. Das Bauernrecht, das die Gemeindeverfassung der ostfriesischen Bauerngemeinde ähnlich wie andernorts bestimmte, faßte auch die kirchlichen Rechtsverhältnisse in seinen festen und dauerhaften Rahmen. Dabei ist davon auszugehen, daß der Besitz von Grund und Boden in der Gemeindefeldmark alle Rechte und Pflichten mit sich brachte, die an dem landwirtschaftlich genutzten Boden hingen. Grundlage aller Rechtsäußerungen des Gemeindelebens war nicht die einzelne Person, sondern der Boden, die Feldmark, die in Höfe aufgeteilte Gemeindemark. Der Anteil am Boden bestimmte auch die Stellung des Gemeindegliedes innerhalb der Rechte und Pflichten, wie sie das kirchliche Leben mit sich brachte. Die im späten Mittelalter niedergeschriebenen Sendrechte kennen deshalb kein Pfarrwahlrecht, das auch nur von ferne an die personalrechtlichen Verhältnisse erinnerte, die mit dem Eindringen neuer Rechtsanschauungen etwa die Kirchengemeinden zu rechtlichen Personen machte; Kirchengemeinde und Gemarkungsgemeinde fallen zusammen. Nur das Kirchengut erscheint von Anfang an als Rechtsperson. Das friesische Bauernrecht macht von dem alten deutschen Recht keine Ausnahme, wenn es nur die Gemeinde kennt, die von den grundbesitzenden Bauern gebildet wird. Diese übernehmen die kirchlichen Pflichten. Sie bauen auf ihren Warfen in der Marsch die Kirchen und Priesterhäuser, sie statten die Kirchen und Altäre mit Land aus, und was zum Gottesdienst gehört an Geräten, an Schmuck des Gotteshauses, das wird von ihnen aufgebracht, alles nicht anders, als sie auch von ihren Höfen, wie naturgemäß auch die Kirche von ihrem Grundbesitz in der Feldmark, die Lasten tragen, die dem Lande durch den Deichbau oder sonstige Gemeinschaftsverpflichtungen auferlegt werden. 4 Die selbstverständliche 166 Siebtes Kapitel 2 Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 38ff.; Bartels, in: Jahrbuch VI/2, 51ff. Vgl. auch Dirksen, Über das Predigerwahlrecht der Interessenten, das kirchliche Stimmrecht und die kirchliche Beitragspflicht in Ostfriesland, Aurich 1889. 3 Jahrbuch XVII, 105ff. 4 Die entsprechenden Stellen bei Kochs und Bartels siehe oben, Anm. 2. Das Kir- Folgedieser Gemeinschaftsleistung zugunsten der Kirche war das gemeinschaftlich ausgeübte Recht, den Priester an den Altar der so gestifteten Kirche zu wählen. Damit kam ein Wahlrecht zustande, das allgemein als Genossenschaftspatronat bezeichnet wird. 5 Festzuhalten ist, daß die Zugehörigkeit zu dieser Genossenschaft nicht durch geistliche Gesichtspunkte bestimmt wurde, sondern dingliche Grundlagen hatte. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern dieser Zustand durch das Entstehen von Einzelpatronaten kirchlicher oder weltlicher Stellen durchbrochen wurde. 6 Grundherrschaften bildeten sich seit der Karolingerzeit auch in Ostfriesland aus. Klöster und Adlige gewannen durch ihren manchmal großen Landbesitz, der ganze Dörfer umfassen konnte, erhebliche Rechte. Auch Kirchenpatronate sind darunter. 7 Sogar der Rat der Stadt Emden hat sich solche Patronate zu erwerben gewußt. 8 Die einheimische Rechtsform der Bestellung der Priester wurde dadurch nicht aufgelöst. Im Genossenschaftspatronat hatte Ostfriesland ein Bestellungsrecht, das den Begriff der Gemeinde als einer Summe von Einzelpersonen nicht kennt. Die Befähigung zur Beteiligung an einer Wahl wurde nicht durch die Kirche bestimmt, nicht sie setzte die Bedingungen, die zur Betätigung der Gemeindezugehörigkeit auf dem Gebiete des Bestellungsrechtes berechtigten. Vielmehr haben hier völkische Rechtsformen das Rechtsleben der Kirche geprägt. Wohl ist durchaus anerkannt und gewinnt in den alten Rechten einen starken Ausdruck, daß Kirche sein muß, aber die Kirche ist Anstalt, Einrichtung zur Vermittlung des Heiles und keine Personengesellschaft. Die Kirche ist eine Anstalt, die Anerkennung fordern kann und findet; sie erfreut sich der besonderen und willig gewährten Unterstützung des Volkes. Kleinste Gemeinden machen sich im Mittelalter durch Gründung eines Kirchenwesens kirchlichselbständig9,aber eine Gemeinde im Sinne einer selbständigen Körperschaft mit besonderem theologischen oder soziologischen Sammlungsprinzip bleibt im Geltungsbereich dieses Rechtes lange fremd. Es ist deshalb auch abwegig, dieses dinglich begründete Genossenschaftspatronat ohne weiteres als Gemeindewahlrecht zu bezeichnen. Der Gemeindebegriff hat gerade im Umkreis Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 167 chenland steuert auch später noch unverändert zu den Deichlasten, wie die Belege zu den Kirchenrechnungen von 1607 beweisen, nach denen die Kirchenvögte seit 1602 den Deichschoß schuldig geblieben sind. 5 Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 43. 6 Swart, 219; ein Beispiel für die Schollengebundenheit des Wahlrechts Jahrbuch VI/ 2, 69. 7 Jahrbuch VI/ 2, 56. Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 44. Kochs, Reformationsgeschichte III, 56, Anm. 5. 8 Jahrbuch VI/2, 71 spricht Bartels von einem quasi-Hoheitsrecht des Magistrats. „Die Stadt Stadt hat aber in verschiedenen Gemeinden in der Nähe Emdens patronatsähnliche Rechte besessen.“; siehe Dirksen, 172; Jahrbuch XIV, 431; XVII, 206. Die Bewerbung hatte politische Gründe: die Stadt wollte durch den Besitz von sogenannten Herrlichkeiten zum Landtag berechtigt sein, und zwar zum Stimmrecht mit dem ersten, dem Adelsstand. 9 Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 39. derreformatorischen Theologie und – so ist im Blick auf Weiterbildungen gegen Ende des Jahrhunderts hinzuzufügen – der naturrechtlichen Gesellschaftslehre solche Einwirkungen erfahren, daß er nicht geeignet ist, die ganz andersgearteten Rechtsverhältnisse zu decken, denen das Wahlrecht zum kirchlichen Amt in Ostfriesland seine Entstehung verdankt. Bis an die Schwelle der Kirchenverfassung von 1922 mit ihren Bestimmungen über die Pfarrwahl hat mit ziemlich genau bestimmten Ausnahmen das gewordene Recht die Pfarrwahl in reformierten Gemeinden Ostfrieslands bestimmt. 10 Es wäre nun die Frage zu beantworten, wie das mittelalterliche Recht bei dem Übergang von einer Bauerngemeinde zur Stadtgemeinde mit ihren andersgearteten Verfassungszuständen sich gestaltete. Denn dadurch würde deutlich werden, wie dies Recht in Emden gehandhabt wurde, als die Reformation mit ihren wirksam werdenden neuen Grundsätzen Einfluß gewann. Das ist für Emden in Einzelheiten nicht möglich, da die kirchlichen Verhältnisse der vorreformatorischen Zeit noch keineswegs soweit geklärt sind, daß in diesem Zusammenhang auftauchende Fragen eindeutig beantwortet werden könnten. 11 Der Grundsatz, daß Grundbesitz in der Gemeindemark zum Wahlrecht befähigte, läßt sich aus dem mir bekannten Material für Emden etwa um 1500 nicht belegen. Wie etwa Johannes Ludemann oder Poppo Manninga, um zwei Namen von Pastoren zu nennen, die vor der Reformation oder auch noch während der ersten Jahrzehnte im Amt waren, in ihr Pfarramt gekommen sind, weist keine mir bisher bekanntgewordene Urkunde aus. Es gab mindestens drei Pfarrstellen an der Großen Kirche und eine ganze Reihe von Priesterpfründen an den verschiedenen Altären. Da Emden aus drei Dörfern zusammengewachsen ist, für die ein eigenes Pfarrsystem vermutet werden darf, die aber auch eigene Häuptlinge gehabt haben, so muß wohl weiter vermutet werden, daß auch entsprechende Rechtsverhältnisse für die Pfarrstellenbesetzung bestanden haben. 12 Ob aber die Häuptlinge auch Kirchenpatrone waren, ob die 1442 erfolgte Änderung derStadtverfassung13Einfluß auf die Kirchenverfassung der Stadt hatte, bleibt im Dunkeln. Eine Mitwirkung des Propsts ist nach dem Emsländischen Sendrecht, das auch für Emden galt, anzunehmen. 14 Wie weit diese ging, läßt sich im Einzelfall nicht ausmachen. Weiter bleibt es unausgemacht, wer in der 168 Siebtes Kapitel 10 Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt für die evang.-reform.Landeskirche der Provinz Hannover, Band V, 412, § 54: „Soweit Rechte Dritter nicht entgegenstehen, wählt die Kirchengemeinde den Pfarrer.“ Giese, 82 nennt die bis zur neuen Verfassung durch Patrone zu besetzenden Stellen, es waren für die ganze Landeskirche acht Gemeinden. Über das bis 1922 geltende Recht siehe Giese, 84. 11 Emmius, 210; Brenneysen I/2, 25. 12 Reershemius unter Emden, 461-475.Die drei Pfarren: Emden, Groß- (Nord-)Feldern, Klein- Klein- Klein- (Süd-)Feldern.Siehe Jahrbuch XI, 173; XIV, 391.395. 13 Loesing, 57. Es werden 1442 vier Bürgermeister gewählt anstelle des Richters und der Ratmannen, denen aber (später?)auch wieder Ratmannen zur Seite stehen. 14 Borchling, 132-145: Das Sendrecht der Münsterschen Propsteien im Emsgau. Stadtden Wahlkörper bildete, da in der Stadt mit einer Umschichtung des Vermögens vom Landbesitz zum Kapitaleigentum oder zum bloßen Haus zu rechnen ist. Diese Unsicherheit hat in den Landesverträgen ein Jahrhundert nach der Reformation in langen Verhandlungen eine Klärung gefunden, die erkennen läßt, daß die beteiligten Kreise schon lange auf die Notwendigkeit aufmerksam geworden waren, die Verschiebung der Vermögensform vom Grundbesitz zum Kapital zu berücksichtigen. 15 In diesen Landesverträgen beanspruchten die Emder Verhältnisse jeweils eine besondere Berücksichtigung. Und es waren mehrfach die kirchlichen Verhältnisse, die im Blick auf Emden zur Sprache kamen. 16 Die Bestimmungen in den Landesverträgen beziehen sich aber im Falle Emdens bereits auf die Zustände, wie sie durch die Entwicklung seit der Reformation geworden sind und lassen keine sicheren Rückschlüsse auf die vorreformatorische Zeit zu. Daß es aber in Emden völlig anders gehalten sein sollte als in den benachbarten Dörfern, ist nicht gut denkbar. Hätte nicht das neu entstehende Recht gerade in Emden die alten Verhältnisse so völlig umgestaltet, so hätten sich sicherlich wie in so vielen anderen ostfriesischen Gemeinden auch in Emden deutliche Spuren und Restbestände der alten Ordnung erhalten, die auch Aufschluß darüber geben würden, wie die Vermögensumschichtung und Entwicklung zur städtischen Verfassung auf die Zusammensetzung des Wahlkörpers eingewirkt haben wird. Damit entsteht für die geschichtliche Darstellung der Rechtsentwicklung eine empfindliche Lücke, die aber kaum Zweifel daran zuläßt, daß Emden teilgehabt hat an den alten Formen des Rechts. Ein Beispiel dafür ist die Gründung einer Pfründe an dem Katharinenaltar der Emder Pfarrkirche durch den Pfarrer Johannes Ludemann. 17 Nachdem das Pfründengut beschrieben ist, heißt es weiter: „Der vorbenannte Stifter hat gewollt und angeordnet, daß das Patronatsrecht bzw. das Recht, eine geschickte und geeignete Person zu präsentieren, für die vorbeschriebene Stiftung vom Tage seines Ablebens an bei seinem Oheim und Blutsverwandten Ludolf von Duten verbleiben soll, sooft und wann diese (die Stiftung) nach dem Ableben und Tode des oben benannten Herrn Stifters frei werden sollte, und nach dem Tode Ludolfs dessen Söhne und die Söhne seines verstorbenen Bruders Nikolaus und deren Erben, und zwar immer die dem Verwandtschaftsgrad nach näheren, die rechten Patrone und Verleiher dieser Pfründe und Stiftung dauernd bleiben sollen.“ 18 Bei anderen Pfründen Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 169 15 Dirksen, 21ff. 16 Brenneysen im Register unter: Geistliches Wesen in specie in Emden. Receß vnd accordbuch/ das ist Zusamen-verfassung aller ordnung/decreten/resolution/recessen/accorden vnd verträgen/(...), Emden 1612. Bericht vnde Abdruck vorgelauffener handlung vnd verabscheidungen, Norden 1620. 17 Friedländer II, 224-226 vom 11. August 1485; 25. September 1492 vom Münsterischen Offizial bestätigt. 18 Friedländer II, 225. magdie Sache ähnlich liegen. Aber über die Besetzung der Pfarrstellen ist damit noch nichts gesagt. Auch eine Betrachtung des frühesten reformatorisch bestimmten Rechtes führt über die Feststellung nicht hinaus, daß das mittelalterliche Recht durchaus noch lebendig ist. Bereits die Bremer Ordnung von 1529 sah die Bestellung eines Superintendenten nebst einem Helfer (Adjutor) vor. 19 Es wird dabei als selbstverständlich hingestellt, daß der Graf selbst die Sorge um einen fähigen Mann für dieses Amt übernimmt. Im Auftrage der Landesobrigkeit soll er die Aufsicht über Prediger und Lehrer ausüben, und zwar ausdrücklich zu dem Zweck, die Lehre zu reinigen und zu festigen und Sekten, Parteien und falsche Anschauungen fernzuhalten. Der Abschnitt über die Prediger handelt nur von ihrer Tätigkeit und dem Inhalt ihrer Predigt, ohne auf die rechtlichen Fragen ihrer Berufung und Bestätigung auch nur mit einem Worte einzugehen. Das Gesetzgebungswerk von 1535, bestehend aus einer Gottesdienstordnung und einer Einführungsverordnung in 20 Artikeln, nimmt ebenfalls auf die hier berührten Fragen nicht Bezug. Doch sieht Artikel II vor, daß die Zulassung eines Predigers zu seinem Amt von einer Prüfung abhängig gemacht werden soll, die vor dem verordneten Superintendenten und den Examinatoren zu Emden abzulegen ist und über die ein Prüfungszeugnis von der Obrigkeit ausweisen wird. 20 Wie die Amtsausübung zustande kommen soll, erhellt aus den amtlichen Anordnungen nicht. Sollte man sich gescheut haben, dies heiße Eisen anzufassen, weil, wenn es im Sinne der Ordnungen von 1529 und 1535 zu irgendwelchen Bestimmungen darüber gekommen wäre, sicher das alte Recht sich durch stärkeres Geltendmachen der obrigkeitlichen Gewalt eingreifende Veränderungen hätte gefallen lassen müssen? Oder hat man durch das Stillschweigen über die Stellenbesetzung das geltende Recht einfach bestätigen wollen? Ihrer Gottesdienstordnung haben nun aber die Lüneburger Prediger ein ausführliches Gutachten beigegeben, das ihre Kenntnis des Landesrechts ebenso wiederspiegelt, wie es die Maßnahmen beschreibt, die zur Ordnung des kirchlichen Rechtslebens notwendig sind. 21 Sie schlagen vor, daß niemand ohne Wissen und Willen des Superintendenten zum Predigtamt zugelassen werden soll. Dazu ist dem Superintendenten ein Examenskollegium beizugeben, aus Predigern und Räten des Grafen bestehend, die die kirchlichen Verhältnisse kennen, gerade auch im Blick auf die Kirche, die der Kandidat bedienen soll. „Und up dat de gemene zick nicht to beklagen hebbe, alze wolde men ze oerers gerechticheit gar und gantz beroven in der wale der Kerkendeneren, zo zehen wy vor guedt an, dat ock etliche uth der Gemene, to welcke de examinandus schal togelaten werden, nömelick de Godtfruchtigste und ervarentste, dre eder veren, de dar toe erwelet schoelen werden mit weten der Overicheit, ock jegenwoerdich 170 Siebtes Kapitel 19 Meiners I, 576. 20 Meiners I, 143. 21 Meiners I, 591. zyn,dat he ziner vocation ein gewisse tuchenisse hebbe.“ Weist das Examen ihn als befähigt aus, dann soll er der Obrigkeit als fähig vorgestellt werden „mit demoediger demoediger biddende, zyn G(naden) denzulvigen dorch zyn G. etlichen deputaten perzonen inzetten wil laten in de administration und bezittinge der kercken, to welcker he ein dener geropen is, cum mandato dat de Rentener dem zulvigen henvoert geven zullen und upboeren laten alle upkumste, zo to dem zulvigen denste gehoeren, und nemandt anders“. Stellt sich bei der Prüfung heraus, daß der Kandidat untüchtig ist zu dem „kerkendenste, to welken he geprezenteert gewezen, schal he alsdan als ein unweerdiger rejiciert werden, und mit nicht(en) to gelaten, zunder ein ander, de geschicket is, denzulvigen denste to bedenen, an zyn Stadt erwelet, edder prezenteert werden“. Der Superintendent und die Examinatoren sollen ihr Amt ohne Menschenfurcht und Menschengefälligkeit ausüben. Gottes Ehre, der Kirche Nutzen und ihre wie der Gemeinde Seligkeit sollen ihnen vor Augen stehen. „Wy willen averst hyrmede nemant praejudiceeren in suo jure patronatus, welck he van oldinge gehadt, alze dan ock dusse unze raetslach van nemant beschuldiget kan worden tanquam praejudicialis.“ Ist es doch nichts Neues, was hier vorgeschlagen wird, sondern der alte rechte Brauch, „de van der Apostelen tiden an beth uns gewheret“. Den wollen sie wieder ans Licht bringen, wie aus 1. Tim. 5 und Titus 3, den alten Canones und dem Brauch der alten Kirche zu ersehen ist. 22 Diese Ausführungen lassen erkennen, daß die Gutachter eine konsistoriale Kirchenordnung vorgeschlagen haben, die durch die Berücksichtigung der noch in Kraft stehenden Gemeinderechte und Patronatsverhältnisse einen presbyterialen Einschlag erhalten soll. Denn die Gemeindeglieder, die zur Prüfung des von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten zugezogen werden sollen, stellen eine Gemeindevertretung dar, die gleichsam die alte Wahlgerechtigkeit der Gemeinde wahrzunehmen hätte. Aber auch, wenn der Kandidat für die Gemeinde von der Examenskommission oder nur dem Superintendenten oder auch der weltlichen Obrigkeit in Aussicht genommen sein sollte, dann beweist die Zuziehung von Gemeindegliedern, daß die Gemeinde Rechte hatte, die man nicht übersehen wollte. Denn gerade dadurch, daß das Gutachten sich dagegen verwahrt, die alten Wahl- und Präsentationsrechte irgendjemandem zu nehmen oder auch nur streitig machen zu wollen, beweist es das Bestehen dieser Rechte. Und wenn diese Rechte keinen Niederschlag in dem Gesetzgebungswerk von 1535 gefunden haben, dann ist das nicht nur der schwierigen politischen Lage zuzuschreiben, in der sich Enno befand, sondern es darf vermutet werden, daß dem Grafen diese Rechte überhaupt zuwider waren. Der Gedanke der Superintendentur ist in dem Mandat festgehalten, aber die Gemeinderechte finden keine Erwähnung; und auch die Superintendentur ist nicht sogleich eingerichtet. Erst a Lasco hat die Anregungen des Gutachtens auf seine Weise verwirklicht. Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 171 22 Meiners I, 592ff. Bleibtnun auch die Form und Handhabung des Bestellungsrechtes für Priester in Emden im Dunkeln, so läßt sich doch ein erster Versuch anstellen, die eigentlichen Besetzungsverhältnisse an der Großen Kirche zu klären. Bisher ist nur den Personalangaben der verfügbaren Dokumente einige Aufmerksamkeit zugewandt, besonders hat das Propstengeschlecht Abdena Beachtung gefunden. Hier muß es sich darum handeln, dem Amtsschematismus auf die Spur zu kommen, der den Besetzungsverhältnissen zugrunde lag, da er einige Rückschlüsse erlaubt auf die Übergänge in der Reformationszeit. 23 Das Gebiet der reformierten Gemeinde Emden, deren Ordnungsgeschichte hier verhandelt wird, erstreckt sich über drei Siedlungen: Emden, die Siedlung an der Mündung eines Nebenflüßchens derEms24,und, zu beiden Seiten der Faldernmuhde, das südliche Kleinfaldern und das nördliche Großfaldern. Alle drei Siedlungen waren im späten Mittelalter Häuptlingssitze und besaßen Kirchen. 25 Ob in den Kämpfen der Hanseaten mit den Vitalienbrüdern, denen die Burgen zum Opferfielen26,auch die Kirchen mit zerstört worden sind, ob sie im späteren 15. Jahrhundert bestanden, wann sie aufgegeben sind, meldet keine Urkunde. Irgendeine Schenkung oder ein Rechtsgeschäft, das auf die Kirchen in Faldern Bezug hätte, wird nirgendwo gemeldet. Wohl aber hat die Große Kirche Grundbesitz in der Gemarkung Faldern. Und es ist auffällig, daß bis an die Schwelle der Reformationszeit Priester der Großen Kirche sich ausdrücklich als Pfarrer von Groß- und Kleinfaldern bezeichnen, so daß man von drei Pfarrstellen reden kann. In einer Urkunde vom 10. November 1468 erscheinen alle drei Pfarrer mit voller Amtsbezeichnung: Johannes Ludolphi ( Ludemann), Kirchherr zu Emden, Herr Reiner, Kirchherr zu Großfaldern und Harman, Kirchherr zu Kleinfaldern. Geht man von dieser Angabe aus rückwärts und vorwärts, so lassen sich für alle drei Pfarrstellen Reihen aufstellen, die trotz aller Lückenhaftigkeit erkennen lassen, daß alle drei Pfarrstellen dauernd besetzt gewesen sind. Läßt man die Pröpste Emdens, von denen nachweislich nur drei ( unter zehn bekannten) von 1255 bis mindestens 1547 zugleich geistlichen Standeswaren27und nur einer ausdrücklich als Pastor der Emder Kirchspielskirche bezeichnet wird, beiseite, und 172 Siebtes Kapitel 23 Besonders die Urkunden bei Beninga und Friedländer sind benutzt. 24 Über den Namen der Stadt siehe Jahrbuch XI, 412ff. 25 Siebern, 84-86.Weitere Einzelheiten siehe Upstalsboomblätter VII, 30f.; VIII, 16; XIV, 82; Jahrbuch XVII, 291. 26 Friedländer, Urkunden Nr. 185. 1748.1749.1401.1406. Siehe Babucke, Wilhelm Gnapheus, ein Lehrer aus dem Reformationszeitalter, Emden 1875. Hier eine Übersetzung des Encomion des Gnapheus, Vers 103-106: „Zwar hat frühere Zeit zwei Kirchen in Faldern errichtet/Aber die spätere drauf wieder zu Boden gestürzt/Daß nicht der Stadt von des mächtigen Baus Steinquadern und Mauern/ Welche in drohener Näh ragen, einst komme Gefahr.“ (1557 geschrieben). 27 Geistliche Johannes Vredewold, Poppo Manninga, Johannes Hornemann. Houtrouw, Ostfrieslands kirchliches und weltliches Regiment vor der Reformationszeit, Emden 1920, gibt S. 10 die Zahl von 14 Pröpsten an; vielleicht hat er die drei Vizedekane und den designierten Enno nimmtman die drei bekannten Vizedekane als Priester und Pfarrer der Emder Kirchean28,dann ergeben die Urkunden folgende Reihe Emder Pfarrer: Gheraldus, 1353-136129,Aylwardus 1376, Ulbodus, vicedecanus et curetus ecclesiae in Emeda 1396- 1444, Johannes Ludemann, curatus parrochialis 1455- 1492, Hermann Wessels, 1494- 1507, Poppo Manninga, 1511- 1540. Für Kleinfaldern lassen sich nur zwei Pfarrer nachweisen: Harman 1468, Hinricus Kompenye 1500- 1512. Der letzte bezeichnet sich 1500 als pastor tho Lutteke Phalleren, praebendaten der karspelkercken tho Embden. Für Großfaldern ergeben die Urkunden: Johann Schulte, curet to grote Phalren 1468, Reiner Nikolai ( Clawessen) 1439- 1477, Johannes Moermann 1484- 1494, Boyo Meyens, decret. doctor 1494- 1505, Jacobus Canter, 1511- 1528. Welchem der beiden Kirchen der 1255 erwähnte dominus Ulgerus de felerne zuzuweisen ist, läßt sich nicht sagen. Daß die Pfarrstellen auf Faldern bestehen, zeigen auch zwei Listen aus der bischöflichen Kanzlei. 30 Die beiden Listen sind nicht datiert, mögen aber in dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts angefertigt sein. 31 Das erste Register muß, nach den darin vorkommenden Namensformen, auf älteren Aufzeichnungen beruhen. Es nennt beide Pfarren. Im zweiten Register kommt nur Großfaldern vor, was um so wichtiger ist, als dies zweite Register tatsächlich gezahlte Abgaben verzeichnet, danach wäre in Kleinfaldern nichts zu holen gewesen, obwohl ein Pfarrer im Jahre 1500 bezeugt wird. Die Existenz einer Kirche in Großfaldern ist für das Jahr 1486 verbürgt durch die Bezeichnung des Johannes Moermann als eines Curaten der Alten Kirche in Großfaldern. 32 Das hier gebrauchte Wort „ vetus“ kann einen Gegensatz zur „ neuen“ Klosterkirche bedeuten, die auch in Großfaldern lag, wenn sie auch schon 170 Jahre alt war, oder die gerade in den Jahrzehnten vorher erweiterte Große Kirche im Auge haben. Aber auch die Übersetzung „ ehemalig“ ist nicht auszuschließen, die Kirche wäre dann 1486 nicht mehr vorhanden gewesen, aber ihre Pfarrstelle blieb erhalten. Auf die lange Reihe der an der Großen Kirche tätigen Priester, die 1429 mit einem Winoldus beginnt, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Eine Besprechung der dürftigen Notizen über sie würde nur das Bild ergeben, das auch anderwärts sichtbar wird. Schon die Amtsbezeichnungen verraten ihre soziale Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 173 Cirksena mitgezählt. Eine Geschichte der Propsteien in dem Münsterschen Anteil an Ostfriesland fehlt noch. 28 Nach Friedländer passim waren Vizedekane Gheraldus, erwähnt 1353-1361, Aylwardus, erwähnt 1376, Ulbodus, erwähnt 1409-1438. 29 Die Jahreszahlen bezeichnen die Zeit ihrer Erwähnung in Urkunden bei Friedländer, wo im Register die Urkunden verzeichnet sind, in denen sie erwähnt werden. Mehrfach sind sie als Priester auch schon vor ihrem Auftreten als Pfarrer bezeugt. 30 Friedländer II, 961; vgl. Bartels, in: Jahrbuch I/1, 1-28. 31 Freisenhausen, 94-107.Woebcken, 17ff. setzt die Vorlage des etwa 1492/93 geschriebenen Dokuments um 1430 an. 32 Friedländer II, 1175: „curati ecclesiae veteris in maiori Falernae“. Stellungim Gesamtgefüge der Besetzungsverhältnisse: Altaristen, Praebendaten, capellarius, medepreester, preester et notarius, secretarius et notarius – es waren Meßpriester, die zugleich Rechtsgeschäfte als Rechts- und Schreibkundige abschlossen und im übrigen danach strebten, wenn Gelegenheit war, eine Pfarrstelle zu erhalten; so ging es mit Hermann Wessels in Emden selbst, der 1487 nur medepreester ist, 1490 aber bereits als commissarius des bischöflichen Offizials erscheint, wahrscheinlich in der Nachfolge des Uphuser Pastoren Johann Cleynsmit, der noch 1485 vom Münsterschen Official curatus noster in Embda commissarius genannt wird; 1494 wird er dann wahrscheinlich der Nachfolger Ludemanns im Emder Pfarramt geworden sein. Die Zahl der geistlichen Hilfskräfte schwankt. Eine späte Notiz weiß von einer Zeit, in der Emden einen Pfarrer und drei priesterliche Mithelfer an der Großen Kirche amtieren sah33,zur Reformationszeit werden uns dreizehn Priester genannt, die zu gleicher Zeit tätig sind. 34 Auf eines bleibt in diesem Zusammenhang noch hinzuweisen. Die Pfarrer von Faldern standen zu der Emder Kirche in einem bestimmten Verhältnis. Wenigstens der Pfarrer Hinrich Kumpenye von Kleinfaldern war Praebendat der Großen Kirche. 35 Ein besonderes Verhältnis zur Großen Kirche hatten sämtliche bekannten Pfarrer von Großfaldern: von Johann Schulte an sind sie alle Vikare gewesen. 36 Und wenn auch ein erster Vikar schon 1409 genannt wird, dessen Siegel bestätigt, daß er Vikar in Emden gewesenist37,ohne daß deutlich wird, ob auch für ihn schon zutrifft, was für die andern gilt, die die Doppelstellung innegehabt haben, nämlich ob auch er schon Pfarrer von Großfaldern gewesen ist, und wenn auch die Gleichsetzung eines 1434-35 erwähnten Vikars Johann Schulte mit dem 1438 als curet tho grothe Phalren siegelnden Geistlichen nicht unmittelbar bezeugt wird, sondern nur vermutet werden kann, so steht fest, daß jeder der drei folgenden Kirchherren von Großfaldern vicarius perpetuus gewesen ist, daß also ein fester Zusammenhang zwischen beiden Ämtern angenommen werden darf. Nichts steht der Behauptung im Wege, daß der Pfarrer von Großfaldern als solcher ständiger Vikar der Großen Kirche war. Man ist versucht zu sagen, daß die Pfarrstelle von Faldern dem Vikariat der Großen Kirche angegliedert war. Wenn die Reformationszeit keine Pfarren und Kirchen auf Faldern mehr kennt, wenn auch die politische Selbständigkeit der Dörfer gegenüber Emden 1595 endgültig zugunsten einer Eingemeindung nach Emden verlorenging38,dann war die Große Kirche diemoderkercke39,wie sie 174 Siebtes Kapitel 33 Jahrbuch XI/1, 173. 34 A.a.O.,174. Beninga, 513. 35 Friedländer II, Urkunde 1626. 36 Über Vikariatsverhältnisse siehe RE 20, 645. 37 Friedländer I, Urkunde 220. 38 Fürbringer, Adreß- und Stadt-Handbuch der Stadt Emden, Emden 1877, 155f. 39 Friedländer II, Urkunde 1259 um 1489. vonden Franziskanern auf Faldern schon 1489 genannt wird. Emden hat nicht nur die Orte in den Stadtbezirk mehr oder weniger zwangsläufig und gewaltsam einbezogen, auch die Pfarrsysteme verloren im Laufe des 15. Jahrhunderts ihre Selbständigkeit. Aus den Gemeinden wurden Seelsorgebezirke, für die Priester der Großen Kirche zuständig waren, deren Rechtstitel es blieb, als Pfarrer der beiden ehemaligen Nachbardörfer und späteren Vorstadtgemeinden zu gelten. Eine Kirche erhielt Faldern erst im Ausgang des Dreißigjährigen Krieges, aber als am 8. Februar 1648 sich die Pforten von Falderns Bethel, der Neuen Kirche, zum ersten Gottesdienst öffneten, läutete vom Turme die Glocke der Kirche von Kleinfaldern, die der Rat der Stadt für den neuen Bau geschenkt hatte. Die urkundlichen Zeugnisse verraten aber nicht nur den Übergang von Pfarrstellen an die Große Kirche, sondern darüber hinaus noch die Entstehung einer anderen Einrichtung, die mit der Vermehrung der Zahl von Priestern im engsten Zusammenhang steht. Die Priester der Großen Kirche bilden eine bestimmte Einheit. Zur Gründung eines regelrechten Kollegiatstiftes ist es in Emden nicht gekommen. 40 Aber gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts behandeln verschiedene Urkunden die Priesterschaft der Großen Kirche mit Einschluß der Pfarrer von Faldern als eine Einheit in vermögensrechtlicher Hinsicht. So vermacht Johann Ludemann in seinem Testament vom 30. August 1492 „den zehn zehn Priestern“, die nach seinem Tode in der Emder Kirche Lehen innehaben (beneficiatis), Grundbesitz und belastet sie mit Abhaltung einer wöchentlichen Seelmesse „für ewige Zeiten“. Zur bequemeren Bedienung mögen die Priester einen bestimmten Wechsel in der Abhaltung der Messe anordnen. Ebenso vermacht eine Witwe am 23. April 1494 „deme ersamen unde eerlyken achte preesteren der Kercken“ in Emden eine Rente aus Grundstücken im Groothuser Hammrich. 41 Und in einer Urkunde vom 22. September 1491 wird nicht viel später zu einem in der Urkunde selbst beschriebenen Vermächtnis gesagt, daß die Rente aus einem Rentenkauf zum Teil „den 9 preestern“ der Emder Kirche zugefallen sei. Dazu stellt ein Transfix vom 26. Juni 1560 fest, daß die Rente, die auf ein neues Haus übertragen sei, den „advocaten des gremii binnen Embden tho nutzung des gremii und underholdung der kerckendenere“ bezahlt werde. 42 Der hier gebrauchte Ausdruck für die Priestergemeinschaft der Großen Kirche erscheint zu Beginn des 16. Jahrhunderts mehrfach. So heißt es 1509: Es ist eine Rente verkauft „denen eerenhaftigen negen Priesteren Altaristen der Kercken tho Emeden, und oeren nakomelingen die men heetet dat Gremium, als dem Pastor und dem Vicario tho des hilligen Crucis altaar und Prebendaten“ von sieben weiteren Altären. 43 Und 1511: „ An den eerenaftigen gemeenen Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 175 40 Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 48f. 41 Friedländer II, die Urkunden unter den Daten. 42 Friedländer II, Urkunde 1294. 43 Beninga, 513; die gleichen acht Altäre nennt Friedländer, Urkunde 1494. Weitere Altä- preesterenin der karspelkerken to Emeden, besonder de genoemt sint dat gremium“, wird eine Rente verkauft. 44 1524 werden ebenfalls Poppo Manninga, dem Pastoren, und den ehrenhaften Präbendaten und Priestern, deren insgesamt neun sind und die sich das Gremium nennen, drei Emder Gulden verkauft als Rente. 45 Dieser Begriff ist nicht mehr verloren gegangen. Noch aus dem Ende des Jahrhunderts liegen Zeugnisse vor, die zeigen, daß man in den verantwortlichen Kreisen der Gemeinde unter Gremium die Gemeinschaft der Priester verstand. 46 Doch scheint sich mit dem Wort zuletzt doch wesentlich die Vorstellung zu verbinden, daß es sich bei dem Gremium um eine Gemeinschaft in vermögensrechtlicher Hinsicht gehandelt habe. Das Gremium ist eine Art Anteilhaberschaft an den Einkünften, die der Gesamtpriesterschaft zustanden, es ist die Pfarrkasse. So nennen sich Albert van Haren, Gert van Geldern und Johann Kuel um 1570 „vorstender des gremii und der kercken“. Dieser Begriffswandel war erleichtert durch die Einrichtung der Pfarrkasse am 30. April 1547, aus der die Gehälter bezahlt wurden. Die Prediger verwalteten nicht mehr selbst ihre Pfründeneinnahmen, sondern bekamen ein festes Gehalt. Und im Jahre 1572 warf Hans Everdes beide Kassen, die Kasse des Gremiums und die Kirchenkasse, zusammen, um seine Verwaltungsarbeit zu vereinfachen. 47 Das Gremium war eine geschichtliche Größe geworden. Aber seine Entstehung hat die Gleichstellung aller Prediger erleichtert und angebahnt. Es hat dem Gang der Entwicklung auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung den Weg gewiesen. Die Entstehung des Gremiums läßt in Verhältnisse hineinschauen, die Vergangenheit und Gegenwart auch über unüberbrückbare Gegensätze hinweg verbanden, wie das Vorhandensein von drei Pfarrstellen im Gebiet der werdenden reformierten Kirche in Emden eine gleichsam selbstverständliche Fortsetzung in drei evangelischen Predigern fand, die wir nach Festigung der Reformation in Emden wirken sehen. Wohl bildet sich an der Oberfläche des Geschichtsraumes ein immer tieferer Graben zwischen dem vergehenden und werdenden kirchlichen Leben; unter der Oberfläche aber geben dem forschenden Fragen doch Verbindungslinien zu erkennen, daß der Neubeginn auch Fortsetzung ist – ein Widerspruch, der geschichtliches Leben kennzeichnet. 176 Siebtes Kapitel re dürften nach 1509 infolge der Umbauten an der durch Fluten beschädigten Kirche dazugekommen sein. 44 Beninga, 516. 45 Beninga, 624. Die Angaben über die Zahl der zuletzt amtierenden Priester schwanken. Nach dieser Urkunde wären es neun gewesen. 46 Jahrbuch XI, 175. Nellner, 1388, Nr. 8: „(...) daß also diesem vnsern hochnotrefftigen gremio nach schluß von Rechnung an heuer 1008 vnd 144 derselbigen thaler als zweyen meyden von Ergemelten Gräffen pillich competieren vnd zukommen sich erfinden lasset.“ 47 Nellner, 346, fol. 78; 345, fol. 1. 2.Erste Schritte auf neuen Wegen Der Beginn der reformatorischen Bewegung brachte fürs erste andere Fragen und Aufgaben ans Licht als Bemühungen um die Ordnung der Predigerbestellung. Es gilt den Gedanken abzuwehren, als sei der Übergang plötzlich vor sich gegangen, etwa in der Form eines deutlichen Bruches zwischen den Besetzungsverhältnissen von gestern und heute. In den wenigen erhaltenen Urkunden des ersten Jahrzehnts der Reformation, die für die Predigergeschichte herangezogen werden können, tauchen die alten Bezeichnungen für die Geistlichen weiter auf. Von Aportanus wird geredet als dem Praebendaten „ sanct Barbaren altaris“, der von dem Gremium eine Rente auf sein Pfarrhaus aufnimmt. 48 Und noch thom Camp nennt Hermann Henrici um 1547 „her hermen prebendaet“. 49 Und gerade diese beiden Priester sind nach der Überlieferung die ersten Vertreter reformatorischer Anschauungen in Emden. Der eigentliche Inhaber der Pfarrstelle bleibt der alten Kirche treu, er ist während der dreißiger Jahre im Besitz der Pfarreinkünfte und gehört den Ständen weiterhin an. 50 Der Pastor von Großfaldern verschwindet erst seit 1528 aus den Emder Akten. Die Reformation geht vom unteren Klerus aus. Je stärker aber die reformatorische Strömung wurde, desto mehr verschwand der Priester, nach 1520 scheint kein Priester mehr an einen der Altäre der Großen Kirche bestellt zu sein. Neue Männer treten erst auf, nachdem Aportanus tot ist ( Herbst 1530). Die Nachrichten über sie stammen erst aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, als die konfessionellen Streitigkeiten es wichtig erscheinen ließen, sich über die Anfänge der Reformation Klarheit zu verschaffen. Man suchte Zeugen für den Tageskampf in der Vergangenheit. Brauchbare Forschungen begannen erst mit dem 18. Jahrhundert, aber für die Männer der ersten beiden Jahrzehnte wurde wenig ans Licht gebracht, woraus deutlich würde, wie sie ins Amt kamen. Bezeichnend ist vielleicht, daß ein in Aurich abgesetzter oder wenigstens gefänglich eingezogener Prediger, der sich der Bremer Kirchenordnung widersetzte, in Emden nach dem Zusammenbruch dieses ersten umfassenderen Ordnungsversuches sofort wieder ins Amt kam. Das dürfte kaum für eine unumschränkte Verfügungsgewalt des Grafen über die Stellen sprechen. Aller- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 177 48 Jahrbuch XVIII, 154; Nellner, 225; die Urkunde ist von 1526. 49 Nellner, 315, fol. 1 ganz unten. 50 Poppo Manninga, siehe Reershemius, 648f.; Nellner, 262: Urkunde über einen Verkauf von Kirchenland durch die Kirchvögte mit „raedt des erbarn hoichghelerten vnses pastoren Poppii Manninga doctoris vnd vrome borgherscopp“. Nach Reimers, Gestaltung, 47 hat Joh. Hornemann schon am 2. Dezember 1534 den Huldigungsrevers für den Bischof von Münster unterschrieben. Ob Manninga, der nach der Überlieferung noch bis 1540 lebte, resigniert hat? Oder wollte sich Hornemann die Nachfolge sichern, wie es auch in anderen Propsteien vorkam, daß der Nachfolger noch bei Lebzeiten des Stelleninhabers bestätigt wurde? Hornemann hat 1537 mit Hikko Howerda, einem Anhänger Karlstadts, eine Art Aufsicht über das Kirchenwesen gehabt. dingswurde der gleiche Prediger dann zusammen mit einem anderen Emder Prediger, dessen Amtsantritt nicht feststeht, 1536 im Zuge der Durchführung der Lüneburger Kirchenordnung doch seines Amtes entsetzt. 51 Ein weiterer Prediger, Johannes de Brune, starb 1538 in Emden, ohne daß seine Bestellungsverhältnisse deutlich werden. 52 Doch spricht manches dafür, daß er zum Hofe in Beziehung stand und wie Hornemann ein wenig tüchtiges Instrument der gräflichen Kirchenpolitik war. Hornemann wird in der ersten großen Liste der Emder Prediger bei Eilshemius 1612 nicht als Prediger gezählt. Er hat damit eine Tradition begründet, die die Tatsache richtig wiedergibt, daß Hornemann in den Augen der Zeitgenossen kein Prediger der Emder Gemeinde war, obwohl er der Reformation beigetreten ist, wenigstens war er verheiratet. 53 Etwas weiter führt eine Urkunde vom 3. November 1542, die sich mit Gehaltsfragen des Gellius Faber beschäftigt. 54 Sie ermöglicht die Feststellung folgender Tatsachen: Gellius ist anstelle des verstorbenen Hinrich van Steenwyck „ presentiert“ worden; nachdem Hinrich verstorben ist, ist er nicht in den Genuß des Lehens getreten, sondern hat das nachträglich gezahlte halbe Jahresgehalt den Erben Hinrichs auszahlen müssen, da Hinrich noch den ganzen Winter über gelebt hat, nachdem Gellius bereits angenommen worden ist. Gellius hat also noch ein halbes Jahr mit Hinrich zusammengearbeitet. Eine unmittelbare Zeitangabe, die das Jahr seines Dienstantrittes ergäbe, enthält das Dokument nicht. Ob er sogar selber der Vikar des Hinrich gewesen ist, geht aus 178 Siebtes Kapitel 51 Johannes von Groningen oder Oldeguil und Reiner Dakma. Von Dakma behauptet Emmius, 916, er habe noch 1543 im Dienst gestanden! 52 Cornelius, 38.43. 53 Emmius, 881; Beninga, 718; Reershemius, 473; Reimers, 47. Die series pastorum begründete Eilshemius in seiner Vorrede zum Klenodt fol. b 4 verso und c 1. Angaben über die Pastoren findet man passim im Emder Bericht. Erste Bearbeitung bei Harkenroht Herdstaf; Meiners I, 107ff.201ff.354ff.451ff.;Reershemius, 461-525; zuletzt Kochs bei Meyer, 259- 263; doch sind die Angaben nicht genau, sie lassen sich verbessern. 54 Nellner, 269. Die ungedruckte Urkunde ist eine der wenigen zur frühen Predigergeschichte Emdens. Sie lautet: „ Wy Anna v grauin tho Oietfriesland wedue/ doenn kundt/Nachdem her her Jellius prediger tho Embden/an stat saligen hern Hinrichs/wederumb presentiert is vnnd he Vnns tho erkennen geuen heft/dat he die halue renthe des lehenns/gedachten hernn Hinrichs eruen van rechts wegen heft mothen mede delen/darumb/dat her Hinrich van Michaelis an nha der tydt/ so voel lenger geleuet vnnd dat predigampt bedienet hed/ oder bediene lathen biß up den paschenn negestuolgend/als Jellius angenhomen/darumb he van Vnns des ein schein gebeden/dat seine hueßfrow vnd eruen des oeck mochten werden versekert/ wanner he afliuich wurde/dat seine eruen alsdan/van seinen successorem die dan weder belehent wert/nha der tydt als he gedienet/seins lheens/van den vpkumsten des sufitij/wedervmd/ genieten genieten mogen/dar inne Wy also belieu vnd consenteeren dat sein nauolger oeck alsoe doen sollen vnnd seine eruen dar vor vuldoen. Datum Embdae mit orkund vnseres vpgedruckten pitschirs anno xlii am iij nouemb.“ Von thom Camps Hand: „Ditsulue LS hebbe wy heer Gelio vornoeget vth beuel m G F tot tyden des Interims.“ Dazu Nellner, 345 zu 1549: „Thom Camp hat an Gellius 50 gl. gezahlt, weil er lange umsonst gearbeitet habe.“ 50 gl. ist ein halbes Jahresgehalt. derFassung der Urkunde nicht schlüssig hervor. Nun hat thom Camp auf der Urkunde vermerkt, daß das dem Gellius entgangene Gehalt zu Zeiten des Interim ausbezahlt worden sei. Dazu stimmt eine Angabe in thom Camps Rechenbuch zum Jahre 1549, wonach Gellius 50 Gulden ausbezahlt seien, weil er lange umsonst gearbeitet habe. 50 Gulden sind 1549 ein halbes Jahresgehalt. Die Fragen, wann Gellius Pastor in Emden wurde und wann Hinrich van Steenwyck starb, werden nicht beantwortet. In der Literatur wird der Dienstantritt des Gellius mit dem Jahre 1537 angegeben; danach wäre Hinrich um Ostern 1538 gestorben. Führt die Urkunde auch über die relative Zeitbestimmung nicht hinaus, so läßt sie doch eine ganze Reihe von anderen Tatsachen sichtbar werden. Mit der Bestellung von verheirateten Predigern tauchte die Notwendigkeit auf, die Hinterbliebenen zu versorgen. Es ist noch nicht das Nachjahr, das hier gesetzlich festgelegt wird, sondern eine einmalige Bewilligung, die sich auf den besonderen Fall bezieht; da aber nun die Frage einmal angeschnitten wird, wird sie nicht mehr zur Ruhe kommen. Dann: es werden drei Prediger besoldet: Hermann Henrici Wilkini, de Brune und Hinrich van Steenwyck. Solange Hinrich lebt, muß Gellius ohne Entschädigung arbeiten, da die Erben auf die rückständige Besoldung Anspruch haben. Gellius will sich durch einen verbrieften Vorgriff auf seinen Nachfolger entschädigen. Später werden regelrechte Verträge mit den einzelnen Predigern abgeschlossen, die die Versorgung der Hinterbliebenen betreffen. Bis zur Einrichtung einer Gesamtpfarrkasse am 30. April 1547 bleibt es bei den Lehnen, die wahrscheinlich nicht nur von den evangelischen Predigern in Anspruch genommen wurden, sondern auch von solchen, die noch aus katholischer Zeit Rechte an Pfründen hatten, wie es bei Hornemann und Manninga und Wilkini und anderen der Fall war. Für Gellius scheint bei seinem Antritt keine Pfründe frei gewesen zu sein. Das Alte und das Neue gehen noch nebeneinander her, beides drängt sich im gleichen Raum, und das Alte weicht vor dem Neuen nicht, ohne Ungewißheiten und Unklarheiten in der Versorgung der evangelischen Prediger zu hinterlassen. Das aber geht aus der Abmachung klar hervor: die evangelischen Prediger erheben Anspruch auf das Pfarrvermögen. Die Emder reformierte Gemeinde wird keine heimliche Gemeinde, keine Kreuzgemeinde, auch keine freie Gemeinde wie die Täufergemeinde oder die Flüchtlingsgemeinde sein, sie tritt ein Erbe an und will nicht darauf verzichten, als solche zu gelten. Nach einem Zeugnis aus dem Jahre 1593 muß es allerdings in den ersten Jahren der Reformation doch den Anschein gehabt haben, als stünde die sich bildende evangelische Gemeinde völlig neben der alten. Denn es heißt da, daß der Graf zur Erledigung kommende Pfründe der Großen Kirche entfremdet und an sich gezogen habe, um erst später auf Bitten der Gemeinde etliche Güter der Gemeinde zurückzugeben. „ Dartuschen de Euangelische Predigern groten armoeth geleden, also dat de predikanten sindt lange iaren van den borgeren so dem Euangelio thogedaen gewesen, geuoedet ( gefüt- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 179 tert)vnd vnderholden worden.“ 55 Diese Notiz wirft auf die Stellung der Prediger insbesondere des zweiten Reformationsjahrzehnts ein Schlaglicht. „ De borgeren so dem Euangelio thogedaen“ haben eine bestimmte Verantwortung für die von ihnen gehörten Prediger übernommen. Die Entscheidung für das Evangelium war nicht nur ein Nein zu dem bisherigen Zustand der Kirche, sondern auch eine tätige Anteilnahme an dem Gang des Wortes. Von daher klärt sich das Auftreten von Gestalten wie Dakma und Oldeguil, die 1536 dem gräflichen Druck weichen mußten und ein Opfer der Politik wurden. Sie sind die Männer der reformatorisch Gesinnten. Und daß das Abkommen mit Gellius erst 1542, zwei Jahre nach dem Tode Ennos, von der Gräfin verfügt wird, läßt erkennen, daß die Hofpolitik sich ändert. Auch Gellius hat noch umsonst gearbeitet. Auch er kommt noch aus der Zeit, die sich auf festere Zustände erst hinbewegte. So wird auch er noch zu denen gehört haben, die von den Gaben lebten, die ihnen von den reformatorisch Gesinnten dargereicht wurden. Aus der Neuordnung des Pfarrvermögens und der Gehaltszahlung an die Prediger im Jahre 1547 möchte man schließen, daß dieser Zustand noch bis zu diesem Jahre gewährt hat. Erst von da an werden die Prediger regelmäßig und gleichzeitig betreut. Aber erst der Tod Ennos leitete hier wie in der ganzen gräflichen Kirchenpolitik einen Umschwung ein. Mit Ennos Tod war auch der erste Versuch einer obrigkeitlichen Politik der Stellenbesetzung zu Ende. Der Fall Johann de Brune ereignete sich so nicht ein zweites Mal, und Gellius, von dem mit stärkster Wahrscheinlichkeit gesagt werden darf, daß er dem Ordnungsversuch der Lüneburger anfangs keinen unbedingten Widerstand entgegensetzte, sondern der einen der über ihren Widerstand zu Fall gekommenen und vertriebenen Prediger wie vielleicht auch Hinrich van Steenwyck ersetzen sollte, wuchs erst später in die Stelle hinein, die ihm die Emder Verhältnisse und Aufgaben zuwiesen, ohne daß er darum die Gesamtkirche darüber preisgab. 56 Aber gerade von Gellius heißt es in der angezogenen Urkunde, er sei anstelle Hinrichs „ wederumb presentiert“ und angenommen. Hier schreibt die gräfliche Kanzlei sich mittelbar nur das Bestätigungsrecht zu. Es läßt sich zwar nicht schlüssig sagen, wer den jungen Prediger vorgeschlagen habe, und was hier annehmen bedeutet. Aber die beteiligten Bürger werden schon Mittelsmänner gehabt haben und Wege gewußt haben, um diesen Mann an seinen Platz zu bringen. Der lutherische Gegenbericht weiß zu erzählen, daß „ Gellius Faber dem H. Brunoni zum Collega beruffen vnd angenommen/ darüber des Reineri vnd des alten Gauls (= Oldeguil) factio gar übel zufrieden; das der Herr Bruno ( dem sie viel zuwidern gethan) nun einen gelehrten Lutherschen vnd getrewen Mitbruder hatte“57. 180 Siebtes Kapitel 55 Im Rechnungsbuch, das 1572 beginnt, wird unter dem 14. Oktober 1593 das Zeugnis einer 80jährigen Witwe Tobe Buttels eingetragen. 56 Über Gellius Faber, die interessanteste Gestalt der Emder Pfarrerschaft zwischen a Lasco und Menso Alting, habe ich oben im Teil 1 nähere, wenn auch keineswegs erschöpfende Angaben gemacht. 57 Garrelts, Die Reformation Ostfrieslands nach der Darstellung der Lutheraner vom Jahre Danachhätten die Radikalen auch in Gellius noch einen Mann gesehen, der der augenblicklichen Hofpolitik zu weit entgegenkam. Trotzdem muß es Kreise gegeben haben, die das Vorschlagsrecht wahrnahmen. Und daß in dieser ersten Zeit gerade der Widerspruch gegen die höfische Kirchenpolitik auch eine gewisse Selbständigkeit in der Auswahl und Berufung von Predigern hervorgebracht hat, bezeugen Berichte beider Konfessionen. Die Lutheraner nennen schon die Prediger des ersten Jahrzehnts „ die vnberuffenen Predicanten/ vnd dennoch auffgeworffen zu Embden der Zeit“58,das dürfte aber besonders mit dem Blick auf Dakma und Oldeguil gesagt sein. Die Emder meinen dagegen: „ Dat se auerst/ den Gödtlicken vnd fruchtbaren Berop/ darmit in twyuel then willen/ also scholden se van der domals regerenden Hogen Ouericheit nicht bestediget syn/ deith nichts thor Saken/ so lange se nicht bewysen/ dat de Hoge Ouericheit/ de gemelte Prediger/ alse vnrechtmetig beropen/ geachtet.“ 59 Die Möglichkeit, daß es zu Zeiten von der Obrigkeit nicht bestätigte Prediger in Emden gegeben habe, wird von den Reformierten fast mit bereitwilligem Wohlgefallen eingeräumt. Es komme darauf an, daß sie „ van der Christlicken Gemeine vnd eren Thohörern vor Christi Dener/ in vnd nha erem tydtlicken Leuende je vnd allewege erkandt/ gehöret vnde geröhmet worden“60.Soll ein wirksamer Beruf zustande kommen, dann muß vor allem die Gemeinde daran beteiligt sein. Wenn die Vermutung stimmt, daß Hinrich van Steenwyck im Frühjahr 1538 starb, dann hätte Gellius mit dem ehemaligen Priester Wilkini durch einige Jahre bis zum Ende des Jahres 1542 allein gewirkt. Eine Predigerberufung wird in diesen Jahren nicht gemeldet. Erst im Herbst 1542 wird nicht nur die zeitweilige freie Tätigkeit Fabers durch die Gewährung eines Anspruchs auf Ersatz für die ihm entgangenen Einkünfte anerkannt; es werden auch zwei weitere Männer berufen, der bekannteste ist a Lasco. Gerade a Lasco hat bei Gelegenheit stark betont, daß er sein Pfarramt an der Großen Kirche nicht einfach dem Willen der Obrigkeit verdanke, sondern daß ihn die Gemeinde berufen habe, und zwar durch öffentliche Abstimmung. 61 Als er entlassen wurde, hat er darauf gedrängt, daß die Gemeinde seinen Weggang gutheiße, sie wurde zusammengerufen und um ihr Einverständnis zur Entlassung gefragt. 62 Wie er zwischen seinem Superintendentenamt und Pfarramt unterscheidet, und damit zwischen seiner „ staatlichen“ und „ kirchlichen“ Stellung, zeigen die Verhandlungen des Jahres 1546: sein „ Bischofsamt“ hat er niedergelegt, nicht aber sein Pfarramt. 63 Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 181 1593, Aurich 1925 (=Gegenbericht, 147). 58 Gegenbericht, 106.136.147. 59 Emder Bericht, 84. 60 Emder Bericht, 82. 61 II, 631: „per totam etiam Ecclesiam publicis ipsius suffragiis vocatus“. 62 II, 636. 63 II, 606: „episkopen“; II, 602: „Pastoris tamen ministerium in oppido hoc nostro non deposui.“ Aufschlußreichwürde es sein, wenn deutlich würde, wen die verschiedenen Äußerungen mit dem Ausdruck „ ecclesia“ meinen. A Lasco hat in der Gräfin und der Gemeinde die Stellen gesehen, die für die rechtliche Stellung seines Amtes zuständig waren. Unter Gemeinde wird a Lasco schon während seines ersten Aufenthaltes von seinem Kirchenbegriff her nicht einfach nur den Wahlkörper verstanden haben, der herkömmlich an der Nomination und Präsentation des Berufenen Anteil hatte. Aber ebensowenig kann bereits 1542 an einen Kreis von Menschen gedacht werden, der durch bestimmte Grundsätze über die Herstellung einer Bekenntnisgemeinde aus der Masse der Zuhörer oder Bürger der Stadt herausgehoben war. Wohl hat die eingehende Darstellung der Gottesdienstordnung nach dem Bericht Fabers erkennen lassen, daß die Zulassung zum Abendmahl bereits in diesem ersten Zeitraum des Ordnungsversuches durch a Lasco im besonderen Sinne gemeindebildende Kraft hatte, aber nichts spricht dafür, daß die Abendmahlsgemeinde auch schon den Kreis der Wahlberechtigten stellte. Während für die Abstimmung bei der Berufung a Lascos wohl nur an eine Aufforderung zur Einspruchserhebung durch die Gemeinde gedacht werden kann oder an eine andere Form, die die Haltung der Gemeinde gegenüber der Anstellung des neuen Predigers sichtbar machte, können für die Zustimmung zur Entlassung auch der Kirchenrat, der in späteren Protokollen oft die „ gemene“ genannt wird, oder auch der Coetus der Prediger in Frage kommen. Die Frage ist mit dem vorhandenen Material nicht zu entscheiden. Schon diese Hinweise auf die ersten dürftigen Nachrichten über die Bestellung evangelischer Prediger zeigen, daß die Entwicklung des Bestellungsrechtes nur im Anschluß an die Predigergeschichte Emdens dargestellt werden kann. Die Berufung von Predigern konnte im Anfang nur im Gegensatz zu etwaigen Resten der römischen Kirche und ihrer Einflüsse geschehen. Und gerade dieser Gegensatz war nicht gleich so deutlich auf allen Gebieten, daß er sich im Verzicht auf die geltenden Rechtsformen ausgedrückt hätte. Um Aportanus den Weg zur Kanzel zu bahnen, rieten ihm seine Freunde, also evangelisch gesinnte Kreise, sich zum Priester weihen zu lassen. 64 Er erscheint später als Inhaber einer Pfründe. Dazu läßt er sich durch seinen früheren Zögling, den Grafen Enno, ein Haus schenken, das eigentlich am Altar des heiligen Eligius und der heiligen Barbara hing, ein Beweis, wie sehr der Durchbruch der Reformation die Verfügungsgewalt über die Pfarrgüter lockerte: das Pfründnerhaus wird Privateigentum. Diese Verfügungsfreiheit, die sich der Graf auch in anderen Fällen von Veräußerung kircheneigener Vermögenswerte ohne erkennbaren Rechtstitel einfach anmaßte, läßt allerdings keine eindeutig begründeten Rückschlüsse auf Besetzungsrechte zu. Es wurde oben wahrscheinlich gemacht, daß hier noch alles in Fluß war und verschiedene Kreise ein gewichtiges Wort mitzureden hatten, wenn evangelische Prediger berufen werden sollten. Das mehrfach berührte 182 Siebtes Kapitel 64 Emmius, 825; Kochs II, 183; Jahrbuch XVIII, 151ff. SchicksalOldeguils zeigt das. 65 Nach unbestätigten Nachrichten soll er Abt im Kloster Aland gewesen sein. 66 Darauf wurde er Prediger in Aurich. Gefangengesetzt und entlassen, fand er doch in Emden wieder eine Anstellung. Es ist nicht gut denkbar, daß Enno II. ihn nach Emden hätte gehen lassen, wenn nicht im Zusammenhang mit dem erfolgreichen Widerstand gegen die Ordnung von 1529 maßgebende Emder Kreise eine Berufung durchgesetzt hätten. Daß aber der Graf ihn 1536 wieder absetzte und des Landes verwies, zeigt, daß mit dem Fortgang der Reformation an die Stelle der kirchlichen Obrigkeiten (Bischof, Offizial, Offizial, Propst) die tatsächlichen Machtträger traten. Eine Vertreibung von Amtsträgern brachte im Geltungsbereich des römischen Rechtes immer Konflikte. Die mit der Bischofssühne von Faldern 1276 zusammenhängenden Vorgänge sind dafür ein sprechendes Beispiel. 67 Mit dem Erlöschen der kirchenobrigkeitlichen Gewalt, die sich nur bei der Bestätigung von Pröpsten als einer Art von Lehnsmännern des Münsterischen Bischofs noch lange auswirkte, trat notwendig die weltliche Gewalt in die entstehende Lücke. Sie empfing dadurch auch in Ostfriesland einen Zuwachs an Macht. Da sich nun der Graf in seiner Kirchenpolitik gegen den Entwicklungsansatz der Emder Reformation stellte, so konnte es nicht ausbleiben, daß sich von Anfang an ein Gegensatz zu den evangelischen Kreisen der Stadt und weithin auch des Landes bildete, die sich immer nur widerstrebend solche gräflichen Maßnahmen gefallen ließen, die eine Betätigung der neugewonnenen Macht darstellten. Denn tatsächliche Machtträgerin war und, wie man im Blick auf die Gemeinderechte im Mittelalter sagen darf, blieb auch die Gemeinde, die es nicht darauf ankommen ließ, ob sie in jedem Falle einer Predigerberufung den Grafen auf ihrer Seite hatte, sondern ihre Männer notfalls selbst unterhielt. Sobald nun die freie Entwicklung festere Formen annahm, insbesondere sobald neue Gedanken über Kirche und Gemeinde verfassungsbildende Kraft bewiesen, konnte es nicht ausbleiben, daß die Gemeinde in ihrer Beteiligung an der Bestellung der Prediger eine Lebensfrage sah. Das Berufungsrecht blieb somit von Anfang an ein Kampfgebiet. Besonders als die reformatorische Bewegung in der Form streitender Parteien auftrat, mußte es bei der Einstellung des Hofes wichtig werden, wo das Schwergewicht des Bestellungsrechtes lag, bei dem Grafen oder bei der Gemeinde. In den Behauptungen der einen Partei gegen die andere drückt sich nicht einfach nur die Unklarheit aus, die die wirklichen Verhältnisse des Anfangs schon am Ende des Jahrhunderts nicht mehr in allen Einzelheiten genau kannte, sondern ebenso die verschiedene Auffassung, die gegen Ende dieses Zeitraumes über den Anteil Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 183 65 Quellen: Meiners I, 202; Reershemius, 95; Emder Bericht 42.54.56.83.88.93; Gegenbericht, 109. Isinck zählt ihn bei Emmius, Vita Mensonis Altingii, 164 unter die persönlichen Schüler Wessels! 66 Reimers, 21; Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 78. 67 Kochs, Mittelalterliche Kirchengeschichte, 136. derverschiedenen Machtträger an den kirchlichen Rechten bestand. Diese Machtträger sind im letzten Drittel des Jahrhunderts der Hof mit seinem Hofprediger, der Coetus mit den in ihm vereinigten Predigern, soweit ihm die Prüfung und theologische Weiterbildung der Prediger oblag, und die Gemeinden selbst, deren konfessionelle Stellung von großem Gewicht ist. In der Zeit, als die ostfriesische Kirche sich endgültig spaltete, sahen die Lutheraner in der Wahrnehmung des Besetzungsrechtes durch die Obrigkeit die einzige Möglichkeit, sich zu behaupten. Emmius weist darauf hin, daß Ligarius zur Bekämpfung der Reformierten es für günstig gehalten habe, dem Hof die Auffassung einzutrichtern, „ daß dem Grafen allein das Patronatsrecht gebühre in allen seinen Landschaften, und daß er dadurch die vollkommene Macht habe, den Kirchen Diener zu geben; wegzunehmen, welche er wolle; und daß es unrecht sei, wenn diese Kirchen darin nicht seinen Willen täten“68.Zu dieser Behauptung gibt der Gegenbericht des Ligarius voller Groll über das Mißlingen dieser Versuche die Auslegung: „ Vnd was in dem Beruff des Predigamptes vnd Bestallung des Kirchendienstes vngebürlich gehandelt/ das haben die Lutherschen mit langheit der Zeit/von den Zwinglischen gelernet.“ 69 Daß aber auch das obrigkeitliche Bestellungsrecht der Partei und ihrem Sieg dienen sollte, beweist die Klage über die zwinglische Partei, die 1564 „jre vnberuffenen Prediger mit Spieß vnd Helbarten in der Kirchen vnd auff die Cantzel geführt“ hatten; damit verurteilten sie eigentlich eine Maßnahme der Obrigkeit, die Ligarius aus außenpolitischen Rücksichten den Abschied gab. 70 Das Besetzungsrecht wurde eben in starkem Maße als ein Mittel zur Bildung und Stärkung der Partei angesehen. So kann sich auch Graf Edzard II. nicht enthalten, in einem Schreiben zu den Unionsverhandlungen von 1580 zu bemerken: „Vnd was die (Emder) Predicanten von jren Gemeinden plaudern/wissen wir auch mit was Vocation sie zum Kirchendienst gekommen/vnd haben das Examen dem vermeinten Coetus für etzlichen Jaren abgesagt.“ 71 Als es in einem Zuchtfalle gegen einen Pastoren nicht anders ging, wurde die Macht des Grafen gegen die Zuchtübung des Coetus in Anspruch genommen und den Predigern angezeigt: „Wie das das Jus patronatus der Obrigkeit vnd nit dem Coetus zustehe, die hohe Obrigkeit vnd nicht der Coetus/hette die Gemeinde mit dem Prediger vnd den Prediger mit der Praebenda begnädiget.“ 72 Hier ging es gegen den Coetus, weil er durch sein Prüfungs- und Zuchtrecht auch an der Stellenbesetzung beteiligt war. So war das Bestellungsrecht in der ganzen Zeit ein Kampfrecht, das die kirchenpolitischen Wendungen besonders stark zu spüren bekam. 184 Siebtes Kapitel 68 Emmius, Vita Mensonis Altingii, 60. Garrelts, Gegenbericht, 59 bemerkt, Emmius sage das mit Recht von Ligarius. 69 Gegenbericht, 136. 70 Gegenbericht, 136; Garrelts, Ligarius, 43-49. 71 Gegenbericht, 168. 72 Gegenbericht, 153. Daskonnte es nur werden, weil eben die Gemeindeangehörigen nebst dem Grafen und dem Coetus alte Rechte, wenn auch in sich wandelnden Formen, besaßen. Das Wissen um diese Rechte verschwand nicht in den aufgeregten Zeiten und war durch kein Druckmittel und keine Rechtskonstruktion auszulöschen. 73 Der Graf hat sich in den Verhandlungen mit den Ständen um die Jahrhundertwende sehr bemüht nachzuweisen, daß ihm auf Grund von erworbenen Rechten und durch den Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfrieden an die Hand gegebenen Möglichkeiten das Jus patronatus zustehe, doch vergeblich. 74 Die Stimmen aus der Vergangenheit, verstärkt durch die Gedanken und Erfahrungen des Reformationsjahrhunderts, waren nicht mehr zum Schweigen zu bringen. Die Gemeinde blieb Rechtsträgerin der Bestellung, und das Recht der Obrigkeit sank zur Scheingewalt herab. 3. Die Bemühung um die einspruchsfreie Predigerbestellung Es ist versucht worden zu zeigen, wie in der Emder Predigergeschichte vor Einrichtung des Kirchenrates die Obrigkeit und nicht näher zu bestimmende freie Kreise in den Einzelfällen für die Bestellung von Predigern verantwortlich zu machen sind. Für die weitere Bestimmung dieser Rechte bleiben nur Vermutungen möglich, die dahin gehen, daß die evangelischen Kreise Emdens, die noch zur Zeit a Lascos nicht die ganze Bürgerschaft ausmachten, durch ihre in Beruf und Stellung hervorragenden Glieder auf den Hof einwirkten, um bestimmte Prediger zu erhalten, falls nicht ohne große Rücksicht auf den Hof Männer bestellt wurden, oder daß der Hof mit Rücksicht auf bestimmte kirchenpolitische Maßnahmen, wie die Durchführung der Kirchenordnungen, einzelne Männer in die Stellung eines Predigers zu Emden zu bringen wußte. So ist es wohl mit Johann de Brune geschehen, so geschah es mit a Lasco, nur daß bei seiner Berufung eine Verständigung mit der Gemeinde erfolgte. 75 A Lasco hat nun mit seiner Anschauung von der Gemeinde wie von den Rechten der Obrigkeit in der Kirche und durch die Ansatzstellen neuer Rechtsformen, wie sie im Coetus und im Kirchenrat von ihm geschaffen wurden, der Entwicklung neue Bahnen gewiesen. Er hat zwar die dingliche Grundlage des Predigerwahlrechts in den Landgemeinden nirgendwo beseitigt, auch das Patronat wurde nicht aufgehoben. Um so bedeutsamer bleibt es, daß durch ihn in Emden der Grund für eine Entwicklung gelegt wurde, die ganz andere Ergebnisse auch für die Rechtsordnung zeitigte und Gedanken sich auswirken ließ, Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 185 73 Brenneysen II, 95. 74 Siehe Anm. 73. 75 Siehe Anm. 52 und Anm. 61. dieim theologischen Systemzusammenhang a Lascos den Gemeindebegriff auf die Gliedschaft des einzelnen Gläubigen ausrichteten. 76 Kreisen die dogmatischen Arbeiten a Lascos im wesentlichen um die Sakramentslehre, so sind seine Bemühungen um die Ordnung des Gemeindelebens der Inhalt seiner praktischen Tätigkeit und dadurch auch der Beziehungspunkt seiner theologischen Arbeiten zur Kirchenordnung. Es ist im ersten Teil ausgeführt, wie der Kirchenbegriff in der Gründung des Kirchenrates und in der Bildung der Abendmahlsgemeinde durch die Forderung des Bekenntnisses und durch die Unterstellung des Einzelnen unter die Zucht anschaulich wird. Das Predigerwahlrecht ist ein weiterer Schritt auf diesem Wege gewesen. Es verdient deshalb, daß man auf seine geschichtliche Entwicklung eingeht, wie auf die Begründung, die es durch die Errichtung des Kirchenrates findet. Als a Lasco seinen Dienst antrat, waren zwei Prediger im Amt. Im gleichen Herbst 1542 trat Thomas Bramius in den Emder Pfarrdienst ein. Dazu kam noch im März 1543 Hermann Brass, ich vermute, als der in der Bremer Kirchenordnung und im Lüneburger Gutachten vorgesehene Helfer des Superintendenten. 77 Während a Lasco in Emden war, ist kein weiterer Prediger nach Emden gekommen. Als er in London der Fremdengemeinde diente, wurde in Emden Arnold Veltmann berufen. 78 Somit wurde während seiner Zeit in Emden die Frage nicht brennend, wie die Prediger zu bestellen seien. Es dürfte zuerst festzustellen sein, welche Stellen an der Predigerbestellung beteiligt waren. Die Nachrichten darüber bleiben weiter dürftig und mager. Erst mit dem Einsetzen der Protokolle bekommen die Vorgänge mehr Farbe. Das ist darum für die Darstellung vorteilhaft, weil ja besonders die Tätigkeit des Kirchenrates beachtet werden soll, wenigstens von seiner Rolle bekommen wir durch seine Protokolle ein deutliches Bild. Von der Bestellung a Lascos zum Superintendenten weiß Emmius zu erzählen: „Graf Enno hat ihn durch einige bevollmächtigte Vornehme, besonders durch Hinrich Grawerts, zu der Zeit Bürgermeister in Emden und Drost der Burg und des nächsten Amtes, zu einer Unterredung berufen und um seine Meinung befragt, wie die Fehler abzustellen und die Kirchen ordentlich einzurichten seien.“ 79 Der Vorschlag a Lascos, Hardenberg in die 1540 erledigte Pfarrstelle Manningas zu berufen, sei vom Grafen zwar erwogen, aber nicht verwirklicht. Die Regentschaft des Falkenburgers hinderte weitere Maßnahmen; erst mit der Übernahme der Regierung durch die Witwe Ennos, die Gräfin Anna, kamen die Bemühungen wieder in Fluß. „Vor allem bemühte sich die Emder Kirche, das Auge der übrigen, eifrig darum, die Zahl der Prediger zu vermehren, wür- 186 Siebtes Kapitel 76 Näheres oben in Kapitel 2-4. 77 Meiners I, 576.597. 78 Emmius, 952; Meiners I, 355. Veltmann wird 1552 nach Emden gekommen sein, da er nach Nellner, 345 für 1553 das ganze Jahresgehalt in Höhe von 110 gl. ausgezahlt erhielt. 79 Emmius, 916f. Hier auch die folgenden Angaben. digeBesoldungsverhältnisse zu ihrer Versorgung zu schaffen, die zusammengebrochene und verwirrte Ordnung der Kirche wiederherzustellen und eine sachdienlichere Anwendung der Zucht herbeizuführen, um die Ärgernisse zu beheben.“ Der Plan, Hardenberg zu berufen, wurde noch einmal erwogen und brieflich zwischen a Lasco und Grawerts verhandelt. Aber zuerst kam dann doch Bramius, und dann ließ sich a Lasco selbst bewegen, die Superintendentur zugleich mit dem Emder Pfarramt zu übernehmen. Dieses Amt habe ihm „zusammen mit einem gräflichen Dekret die Zustimmung des höchsten Rates (=der Ständeversammlung? die von der Gräfin berufenen Ratgeber?) und des ganzen Volkes zuerteilt“. Wieweit hier die Grundsätze des Geschichtsschreibers der friesischen Freiheit von den Volksrechten die Feder geführt haben, wieweit andererseits Tatsachen geschildert werden, kann unter Verweis auf a Lascos eigene Darstellung vom Beginn seines Amtes in Emden auf sich beruhen. Aber Emmius hat richtig alle drei Stellen benannt, die wir in Zukunft bei Emder Pfarrwahlen tätig sehen: die Gräfin, der Emder Bürgermeister und die Gemeinde sind bei a Lascos Bestellung beteiligt. Später werden es der Graf, der Rat und der Kirchenrat sein. Die Emder wissen, daß Hermann Brass 1543 berufen sei, „who vth syner van der hogen Ouericheit erlangeden Confirmation, vnderm Dato des Donnerdages nha Laetare dessüluen Jahres tho sehen“80.Die Landesobrigkeit fertigte also schon damals die Bestätigungsbriefe aus, wie das in der Lüneburger Ordnung vorgesehen war. 81 Daß sie damit nicht nur eine Kanzleiarbeit verrichtete, sondern auch auf die Vorverhandlungen Einfluß hatte, zeigen spätere Verhandlungen mit aller Deutlichkeit. Und bei dem engen Verhältnis, das zwischen der Gräfin und ihren Untertanen, insbesondere den leitenden Männern in Staat, Stadt und Gemeinde bestand, dürfte es nicht ungewöhnlich erscheinen, wenn auch in Pfarrwahlangelegenheiten wie in den staatsrechtlichen Verhältnissen des kleinen Ländchens in diesen Jahren noch keine paragraphenmäßige Festlegung der Befugnisse greifbar wird, sondern ein verhältnismäßig freier Spielraum der Beteiligten für ihre Tätigkeit bei einer Bestellung bleibt. Wie man damals in Emden über die Aufgabe der Obrigkeit in Bestellungsverhandlungen dachte, zeigt ein Brief Fabers vom 12. April 1554 an die Gräfin. 82 Er spricht da über notwendige Absetzungen und Versetzungen von Pastoren. Er klagt über seine Sorgen und übermittelt ihr seine Gedanken über die notwendigen Maßnahmen, so daß man den Eindruck bekommt, daß die Gräfin als Landesherrin nach der Meinung ihres einflußreichsten Predigers eingreifen muß. In diesem Brief wird „ demoedichliken gebeden“, in Emden eine vierte Pfarrstelle einzurichten. Faber macht Vorschläge für die Besetzung. Man könnte M. Jür- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 187 80 Emder Bericht, 133. Emmius, 137. 81 Meiners I, 143, Artikel II. 82 Jahrbuch XXII, 336ff. gens( Aportanus) Sohn nehmen, der sich aber für zu jung hält, um in Emden Prediger zu sein. Darum wird die Gräfin gebeten, „ effte ( entweder) dat J. G. dorch er authoriteit S. M. Jürgens soen dar hen bewage edder uns Arnoldus ( Vischer) wolde gunnen unde em schryven, dat he sick ein maell binnen Embden lethe hoeren“83.Gellius will nicht auf die Mithilfe verzichten, die ihm die Gräfin gewähren kann. Er erkennt ohne Einrede an, seine Bitten beweisen es, daß die Gräfin Pflichten auf kirchlichem Gebiet hat. So hatte a Lasco es auch gehalten. Aber wie bei a Lasco herrscht auch bei Faber das Bestreben, die Rechte der Obrigkeit zu begrenzen. So kann er ein anderes Mal die Gräfin aus Anlaß ihres Mandates gegen die Prophezei kurz und bündig bescheiden: „J.G.werden lichtlycken by sick suluest sehen, wel dat meiste recht hefft, vnd höret doch einmahl thom lesten vp, vns tho martern vmme der Kercken ceremonien willen, de nun ein jeder so ock buthen de kercken ys, na syn wollgefallen regeeren will, vnd syn doch vnsem ampte thobehörich, dat wy de na gelegenheit vnserer Kercken richten vnd öven mothen, dar J. G. als ein levendig littmakt der Kercken tho helpen schall, vnde vnse saeke handthaven.“ 84 Die gräflichen Rechte und Pflichten in der Kirche werden durch die Gliedschaft in der Gemeinde begründet. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Aufgaben der Gräfin bei der Stellenbesetzung zu beurteilen. Faber sieht in dem Eingreifen der Gräfin nicht einfach die Regierungshoheit sich betätigen. Die Gräfin gehört zur Gemeinde, und darin liegt Grund und Grenze für ihr Mitwirken; die Rechte des kirchlichen Amtes dürfen durch sie nicht beeinträchtigt werden, sie stehen selbständig neben der gräflichen Regierungsgewalt. Eine vierte Pfarrstelle wurde vorläufig noch nicht eingerichtet. Es blieb bei den drei Predigern Gellius Faber, Hermann Brass und Arnold Veltmann. Erst 1559 sah sich der Kirchenrat wieder vor die Notwendigkeit gestellt, eine Pfarrwahl durchzuführen. Es ist das erste Mal, daß wir ihn mit dieser Aufgabe beschäftigt sehen. Hermann Brass war wohl schon gegen Ende 1558 erkrankt und sein Tod mußte befürchtet werden. Zur Aushilfe sicherte sich der Kirchenrat am 30. Januar 1559 Cornelius Cooltuin, der durch „de gemeente van Gennent (Jennelt) vnnd des Junckeren (Christoph von Ewsum) dener Jackes (Jacques) van van des junckeren wegen“ beim Emder Kirchenrat zum Prediger in Jennelt erbeten wurde. Der Kirchenrat beschied die persönlich erschienenen Vertreter der Jennelter Gemeinde abschlägig, man müsse Cooltuin in Emden behalten. Darauf wurde mit Cooltuin vereinbart, daß er der Emder Gemeinde auf seine Kosten dienen solle, solange er möge. Man wolle mit der Gräfin wegen seines Gehaltes und seines Verbleibens verhandeln. Neben Cooltuin hatte man aber eine andere Berufung ins Auge gefaßt. Falls Brass wirklich stürbe, was am 30. Januar 1559 noch nicht eingetreten war, „dat 188 Siebtes Kapitel 83 A.a.O.,339. 84 Staatsarchiv Aurich, Consist. Arch. Nr. 8. alßdanvth name der gemeente Gelius vnse dener Gheerdt tom Camp Johan Kuel Gherdt Eenspanger edder Arendt Wintapper solen na M. G. Frouwe reißen vnnd begeren Micronium in Hermanni platze vp dat de gemeente versorget werde/ Doch sall Gellius Medmannum anspreken vnd ouerreden dat he ock consentere in Micronium/ alßdan sold Geerdt van Gelder wol mede trecken, ßo hem (übergeschrieben: Medmanno) dat geleuede sal he wol mede trecken“ ( 30.1.1559). Medmann ist derzeitiger Bürgermeister; stimmt er zu, Mikron nach Emden zu berufen, dann hofft man, bei der Gräfin Gehör zu finden für den Wunsch, Mikron in Emden zu sehen. Ohne den Rat will man nicht vorgehen. In der Zwischenzeit ist Brass verstorben; denn am 6. Februar wird der Beschluß vom 30. Januar ausgeführt. Gellius erhält den Auftrag, an den Junker in Lütetsburg zu schreiben, der dazu helfen soll, um Mikron zu bekommen. 85 Am 27. Februar wird weiter verhandelt: „Noch ys Sipko und Poppio bevolen, um Petro den Abt antospreken, ßo sick neet vorsecht heft an juncker Christopher (von Ewsum in Jennelt), dat he sick neet vast wolde vorseggen, er wy segen, ofte he tho Norden komen kunde edder nicht, ßo wy Micronium kregen.“ Die Abmachung mit Cooltuin wird noch einmal bestätigt. Er ist es zufrieden, der Gemeinde zu dienen, „by uns tho bliven und uns tho denen in der gemeente, ßo lange he mach und syn gemodt(!) beholt“. Auch am 10. März wird noch wieder von Cooltuin gesprochen und am 7. April ebenso von Mikron. Beide Berufungen laufen also nebeneinander her. Cooltuin wird gefragt, „ofte he he menet, dat he hyr mer Godes eere [und] der kercken upbouwinge kan soeken edder tho Gennelt; und waer he meent, dat he nutter sal syn; und welcker conditie he wyl annemen. Darup he uns na voele reden gesecht heft, dat he, ansende Godes eere und nutticheit der gemeene, hyr by uns bliven wyl, ßo lange als gener kumpt, de de gemeente beter und nutter ys den he gerne wyken wyl“. Cooltuin entscheidet sich also für Emden. Am 7. April überbringtFeyto86von dem Junker Hero von Oldersum die Nachricht, daß die Gräfin einer Berufung Mikrons zustimmt, „ßo wy dat konen tho wege brengen, dat de borgeren van Norden und de juncker tho Luzeborch dat thostaden, dat he hÿr mit freden muchte komen, gunde se hem den van Emden wol. Kunde wy hem neet krigen, wer Oer G(enaden) meninge neet, der gemeente ene[n] tegen unsen wyllen, de mit uns in enigen dingen uneens weer, tho obtrudeeren, sunder wolde de gemeente behulplick syn, dat se enen krigen, de hoer nutte muchte syn“. Es mag auf Kosten thom Camps gehen, wenn hier so betont hervorgehoben wird, Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 189 85 Brass ist am Mittag des 30. Januar 1559 noch nicht tot, aber am Abend oder am 31. Januar 1559 gestorben; siehe Gerretsen, Beilagen, XIV: „sub finem superioris mensis“. Die Angabe bei Meyer, 260, er sei am 11. Januar gestorben, ist unrichtig aus Eilshemius übernommen. 86 Feito Riords Sycum ist hiernach schon 1559 in Oldersumer Diensten und nicht erst 1560, wie bei Reershemius, 616 steht. Verhandlungen mit ihm werden schon am 27. April 1558 erwähnt. daßdie Gräfin selbst ihre Anteilnahme an den Emder Pfarrwahlen als eine Hilfsstellung auffaßt; er wird als Protokollführer die Niederschrift über Feytos Bericht so geformt haben, daß die Aufgabe der Gräfin ins rechte Licht tritt, was einen Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Eintragung nicht einschließt. Der Kirchenrat wird mit Wohlgefallen und Befriedigung gehört haben, daß seiner Tätigkeit in Pfarrwahlsachen von der Gräfin keine Schwierigkeiten drohen. Diese Eintragung beleuchtet den Brief Fabers, in dem er die rechte Einstellung der Gräfin zu kirchlichen Anliegen beschreibt. 87 Hilfsstellung, aber kein Recht, der Gemeinde einen Prediger aufzudrängen, so sieht man die Aufgabe der Gräfin, die ihr aus den Anträgen der Gemeinde erwächst. Männer, die die Bescheide ihrer Obrigkeit so hören, wie der Emder Kirchenrat es hier tut, werden nicht geneigt sein, die Möglichkeiten ihrer Stellung ungenutzt zu lassen. Sie werden immer darauf bedacht sein, ihre Entscheidungen und schon ihre Pläne von Einflüssen frei zu halten, die sie als bloße Beauftragte erscheinen lassen könnten, während sie zu regieren gesetzt sind. 88 Mikron kam nicht nach Emden, er starb am 12. September 1559 an der Pest. So wurde denn Cooltuin endgültig ordentlicher Prediger. Er ist der erste, dessen Einführung es nun nötig macht, sich an die Gemeinde zu wenden und so zu zeigen, wie man über ihre Beteiligung denkt; was bei der Einführung der früheren Prediger im Dunkeln blieb, lassen die Protokolle klar erkennen. Am 8. Mai trägt thom Camp ein: „Het ys besloten, dat men Coltunium de gemeente sal vorstellen Pinxstedach beth up dat negeste nachtmael na dith. So sal men hem institueren – Gellius sal dit voerstellen –: Nadem de praedicanten und oldesten hebben voer guedt angesien, dat men Coltunium hyr voer eyn medehulper solde hebben, ßo heft men van M(yn) G(enedigen) F(rouwen) begert, dat O(er) G(enaden), vnse overicheit, uns den wolde thostaen. Welck ße gedaen. Sso stelt men hem de gemeene voer und biddet, dat eyn yder wyl na hem fragen, up syne gaven seen, und bringen tusschen dit und dat negeste nachtmael in, wat eyn yder tegens hem rechtlick mach hebben.“ Da das Abendmahl in jedem Monat gefeiert wird, so wird der Gemeinde eine Einspruchsfrist von 4 Wochen zugebilligt. Der Einspruch muß begründet sein; die Gemeinde soll sich umhören nach dem neuen Prediger und seine Gaben prüfen. Bis zum Ablauf der Einspruchsfrist mag jeder einbringen, was er „rechtlick“, das dürfte hier bedeuten: berechtigterweise, begründetermaßen, gegen ihn einzuwenden hat. Die Gemeinde hat das Einspruchsrecht. Kein Wort darüber, daß sie mehr habe. Mit aller wünschenswerten Deutlichkeit wird in der Abkündigung festgestellt, daß die Prädikanten und Ältesten – die Einrichtung a Lascos hat noch keinen zusammenfassenden Namen bei thom Camp, er nennt die Mitglieder Brüder oder die Gemeinde – es für gut angesehen haben, Cooltuin zum Prediger aus- 190 Siebtes Kapitel 87 Siehe Anm. 84. 88 Emder Bericht, 400. zuersehen.Der Kirchenrat also ist der Wahlkörper. Er schlägt vor, die Gräfin bestätigt, und der Rat – er gilt zwar als „vnse ouericheit“, aber in der feierlichen Abkündigung wird er ausgestrichen. Seine Mitwirkung fällt neben der Gräfin und dem Kirchenrat nicht ins Gewicht. Sie macht nach Auffassung des Kirchenrates keine besondere Nennung vor der Gemeinde nötig, und es sieht so aus, als betrachte der Kirchenrat schon jetzt den Rat nur als Briefboten. Was dem Genfer Rat in Kirchensachen zustand, wird der Emder Rat nie beanspruchen können, er hat die Obrigkeit des Grafen noch über sich und er hat den Kirchenrat durchaus neben sich, wenn ihm nicht der Kirchenrat jeweils in der Erkenntnis eines politischen Zieles noch voraus ist. Die Einführung Cooltuins unterblieb. Am 3. Juli wird vorgesehen, der Gemeinde die Unterlassung zu begründen: man wolle nicht den Schein erwecken, als lege man einem die Hände voreilig auf, bevor er erprobt sei. Der Gemeinde soll noch einmal Gelegenheit gegeben werden, sich zu äußern. Stimmt die Gemeinde durch ihr Schweigen zu, dann soll er beim nächsten Abendmahl eingeführt werden. Das müßte dann am 14. August geschehen sein, wenn nach dem Beschluß verfahren worden ist. 89 Bereits diese erste Wahl, die sich aus Eintragungen darstellen läßt, gibt in klarer Durchsichtigkeit genügend Aufschluß über den Gang der Verhandlungen. Gerade weil Cooltuins Berufung und Wahl keine Verwicklungen mit sich bringen, lassen sie eine große Einigkeit aller Beteiligten sichtbar werden. Und vielleicht eignete sich gerade die nicht umstrittene Bestellung Cooltuins besonders dazu, die Aufgabe des Kirchenrates und seine Auffassung von der Stellung, die er im Zusammenhang einer Wahl habe, in scharfen Strichen zu zeichnen. Genau ist das Recht der Gräfin als Bestätigungsrecht beschrieben. Nachdrücklich wird die Aufgabe des Kirchenrates selbst erfaßt als Innehaltung einer ihm seinem Auftrag angewiesenen Stellung, schon erscheint der Rat herabgedrückt zu einem Briefboten für die Gemeinde, und die Gemeinde selbst ist wenigstens soweit, daß sie, zum Gottesdienst versammelt, aufgerufen werden kann, ihr Urteil abzugeben. Die Rolle des Kirchenrates ist in dem ganzen Zusammenhang des Bestellungsvorganges schon ziemlich fest. Auf ihn, seine Pläne und Entscheidungen wird es auch in Zukunft besonders ankommen, um ihn, seine Einstellung, seine Kandidaten wird es gehen. Schon jetzt kann man erfühlen, daß die Zukunft zwei Unklarheiten beseitigen muß, die dem augenblicklichen Zustand noch anhaften: zu welchem Zeitpunkt der Verhandlungen muß die Obrigkeit gefragt werden? Wenn es so bleibt, wie es die Wahl Cooltuins zeigt, wenn sozusagen von Anfang an die Obrigkeit mit beteiligt ist, wenn kein Schritt getan wird, über den man sie nicht unterrichtet, dann ist das so lange vertretbar, als die Obrig- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 191 89 Am 29. November 1557 war beschlossen, das Abendmahl am ersten Sonntag des Monats abzukündigen und am zweiten zu halten. Die Einführung wird der Gemeinde am 9. Juli bekanntgemacht und am 14. August vorgenommen worden sein. keitihren Platz in der Gemeinde hat. Man nimmt zur Kenntnis, mit welcher rührenden Sorgfalt und mit welcher wohltuenden Zurückhaltung Gräfin Anna die Wünsche des Kirchenrates behandelt. Das wird so lange bleiben, als der Inhaber der gräflichen Ehren und Rechte sich dem Kirchenrat und seiner Gemeinde verbunden weiß. Anna legt Wert darauf, daß Gemeinde und Prediger einig sind in ihrer Anschauung: für sie ist der Beziehungspunkt ihres Verhaltens und Entscheidens durchaus die Gemeinde. In Zukunft wird das anders sein. In dem Jahr, da Cooltuin Emder Pastor wird, vermählt sich Edzard, der Grafensohn, mit einer schwedischen Königstochter; als Cooltuin eingeführt wird, ist der zukünftige Gebieter schon in Schweden, und ahnungsvoll schreibt Mikron vier Wochen vor seinem Tode an Bullinger: „ Ich weiß wirklich nicht, was aus dieser Hochzeit für unsere Kirche Gutes herauskommen soll. Christus wird als das wahre Haupt aller Herrschaft und Gewalt leicht alle Ratschläge der Gegner zunichte machen.“ 90 Der Graf Edzard wird Wert darauf legen, daß seine Entscheidungen Beweise sind für die gräfliche Kirchenhoheit. Er bezieht sich in seinen kirchenregimentlichen Akten nicht wie seine Mutter auf die Gemeinde, sondern seine lutherische Frau wird ihn lehren, daß der Augsburger Religionsfrieden auch einem Manne wie dem ihren Vollmachten erteilt, die auf keinen Fall vernachlässigt werden dürfen. Darum wird es eine Lebensfrage für Emden sein, welche Bedeutung die Beteiligung des Grafen hat. Die nächsten Pfarrwahlen werden alle im Zeichen der Entscheidung dieser Unklarheit stehen. Die zweite Unklarheit ergibt sich aus der Form, in der die Gemeinde an der Predigerbestellung beteiligt ist. Sieht man allein auf die Ordnung der Predigerbestellung, dann scheint mit dem Einspruchsrecht der Gemeinde bereits das äußerst Mögliche erreicht. Darüber hinaus könnte es nur noch die unmittelbare Wahl des Predigers durch die Gemeinde geben, und daran denkt man jetzt noch nicht. Der Kirchenrat sucht einen Kandidaten aus und schlägt ihn vor. Es ist noch keine Wahl, die eine Mehrheit von Vorschlägen voraussetzen würde. Die Gemeinde muß es dem Kirchenrat überlassen, wen er ihr vorschlagen will. Hier ist nach verschiedenen Seiten hin noch Klärung und Ausbau möglich: Mehrzahl der Kandidaten, Wahlpredigten, eine Form für die Zustimmung der Gemeinde, dadurch sie sichtbar machen kann, für wen sie sich entscheidet. Am klarsten ist die Stellung des Kirchenrates. Ist eine Neubesetzung nötig, dann einigt man sich im Kreise der Brüder auf einen Prediger. Soweit diese ersten Bemühungen sehen lassen, greift man nicht weit über die Grenzen hinaus, sondern bleibt im Lande. Der nächste Schritt ist dann, wie an Mikronius zu sehen war, den vorgesehenen Kandidaten aus seiner bisherigen Stellung loszumachen. Man verhandelt mit dem Nominierten, mit seiner Gemeinde oder seinem Patron, man bittet die Obrigkeit, den Ausersehenen für eine Berufung freizugeben. Noch sind die einzelnen Vorgänge der Bestellung nicht ganz klar geschie- 192 Siebtes Kapitel 90 Gerretsen, Beilagen, XIV, Brief vom 14. März 1559. den.Später wird der Kirchenrat Wert darauf legen, die Wahlhandlung vollständig bis zur Berufung und Annahme der Berufung durch den Gewählten durchzuführen, bevor man an die Obrigkeit herantritt. Auch diese Folge aus dem Ansatz zu einer einspruchsfreien Ordnung des Bestellungsverfahrens wird die Politik erzwingen. Die nächsten Jahrzehnte bringen die noch unentwickelten Ansätze zum Reifen und lassen neue entstehen. Besonders die Wahlen der kommenden Jahre stellen an die Klugheit, Entschiedenheit und Folgerichtigkeit der Maßnahmen des Kirchenrates starke Ansprüche. Ohne allzusehr auf die Einzelheiten einzugehen, mögen in der folgenden Darstellung die Hauptknotenpunkte hervorgehoben werden. Der nächste Prediger, der ersetzt werden muß, ist Gellius Faber. 91 Über ein halbes Jahr dauert es, bis die Verhandlungen im Kirchenrat so weit gediehen sind, daß am 15. Januar 1565 Cooltuin und der Rektor Berner nach Hatzum geschickt werden können, um dem dortigen Pastoren Johannes die Berufung in ein Emder Pfarramt zu überbringen. Und am 17. Januar, nachdem Johannes angenommen hat, werden drei Kirchenratsmitglieder für die Reise nach Greetsiel bestimmt, die dort auf einem Landtage zusammen mit 2 Ratsmitgliedern die Einwilligung der Gräfin erbitten sollen. Diese wird gewährt unter der Bedingung, „ dat men den pastor van Hatsum muchte nhemen, so men de gemene huis- luden dar mit ein ander dener vernoechden ( befriedigte)“92.Hier wird also die Bestätigung erst nach der Annahme durch den Gewählten herbeigeführt. Johannes von Hatzum ist kaum anderthalb Jahre im Amte gewesen. 93 Sein Tod löste lebhafte Beschäftigung mit der Nachfolgerfrage aus. Das Protokoll notiert als Ergebnis einer Besprechung am Tage nach seiner Beerdigung eine Reihe von Kandidaten. Wicherus Mellesius wird genannt; er ist im Augenblick im Dienst im Groningerland, „also dat men dar klein gemodt tho hadde“; auch der Sohn des Aportanus, Johannes von Canum taucht wieder auf, und ebenso der bereits 1565 neben Johannes von Hatzum genannte Gibbo Nortorchius von Wirdum. Es wird darauf hingwiesen, daß der Junker Unico Manninga und der Kirchvogt Johann Kuyll „seer thut den doctor (Hardenberg) gesinniget wheren“. Aber die Brüder können sich für die Wahl des alten und müden Bremer Streiters nicht erwärmen. Er will die Kranken nicht besuchen, eine wesentliche Hilfe ist von ihm nicht mehr zu erwarten. Und einen weiteren Prediger könne man aus Mangel an Besoldungsmitteln nicht einstellen. Um die beiden alten Prediger Veltmann und Cooltuin zu entlasten, greift der Kirchenrat zu dem Mittel der Dienstverpflichtung zweier Nachbarpastoren. Die Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 193 91 Er starb nach Eilshemius, Klenodt fol. b 4 am 2. Juni 1564. 92 29. Januar 1565. 93 Das Protokoll vermerkt unter dem 15. September 1566, daß Johannes am Tage zuvor, also am 14. September, begraben sei. Danach wäre Reershemius, 483 zu verbessern, der ihn am 15. September sterben läßt. vielenSterbefälle machen nötig, „ by prousisie edder thor nodt“ Petrus von Westerhusen94 und Rudolph vonNeermoor95eine Zeitlang zu beschäftigen, bis ein ständiger Prediger gefunden ist oder die Sterbefälle abnehmen. Petrus wird besucht, an die Gemeinde Neermoor wird ein gräfliches Mandat erwirkt. Rudolph von Neermoor hat auch ausgeholfen, vielleicht auch Petrus; wenigstens beklagen sich die Brüder am 25. November, daß Rudolph nun schon zum zweiten Male nach Hause gegangen sei, ohne recht Adieu zu sagen und seinen Abschied zu nehmen, obwohl doch Vater Arnoldus krank sei und der Dienst allein auf Cooltuins Hals läge. Daneben wird aber die Pfarrwahl weiter verfolgt. Am 23. September 1566 wird eingetragen: „ Ock ys datmhal voerneemlicken gehandelt, um ein dener wederum in s( alige) Johannis plass tho erwelende. Sint under allen vorgestelt Johannes tho Canum, M. Gibbo unde Rodolphus tho Neermhoor. Dat unsse burgemeisteren unde radt dat doch truvelicken wolden by Unssen G( enedigen) H( eren) erholden, dat wy de dre muchten hyr eerstmhall hoeren unde darna de gansse gemene de vrye koer geven. Datsulvige schoelen dem ersamen radt voerdragen Hermen Spormaker, Johan Amelings, Geert Smit, Willum de Visger unde Martinus.“ Diese Eintragung bringt die erste Dreizahlbildung und die Forderung, diese drei für eine Wahlpredigt freizugeben. Aus dem Wahlaufsatz wünscht der Kirchenrat dann in freier Wahl einen für die Gemeinde zu wählen. Man will also nicht länger auf dem Verhandlungswege mit der Regierung über einen neuen Prediger ins Reine kommen, man will eine Wahlordnung für die Bestellung eines Predigers. Das dünkt dem Kirchenrat keine Freiheit zu sein, wenn er an dem Aufsuchen eines Kandidaten zwar beteiligt ist, aber nicht wirklich in die Lage versetzt wird, zu wählen. Die Wahlberedung vom 23. September 1566 zeigt das eigentliche Ziel, das der Kirchenrat anstrebt; eine wirkliche Wahl soll das bisherige Bestellungsverfahren ergänzen, vielleicht darf man sagen, ersetzen. Daß der Kirchenrat schon an die gesamte Gemeinde gedacht hat, wenn er dem Rat vorstellen lassen will, die Obrigkeit möge der ganzen Gemeinde die Wahl freigeben, scheint mir aus dem umfassenden Ausdruck „de gansse gemene“ unwidersprechlich hervorzugehen. Der Begriff „Gemene“ haftet allerdings in diesen Jahren auch fest am Kirchenrat, doch scheint hier eine größere Körperschaft gemeint zu sein als nur der engere Kreis der Brüder. Jedenfalls weiß der Kirchenrat seit diesem Tage, wofür er sich einsetzen muß. Die Verhandlungen dieser Jahre lenken die Aufmerksamkeit erneut auf die Stellung des Rates. Schon bei den Bemühungen um Mikron wünscht der Kirchenrat mit dem Rat Hand in Hand zu gehen. 96 Ebenso wird der Rat an der 194 Siebtes Kapitel 94 Petrus Hottenus von Westerhusen erscheint laut Reershemius, 558 als Hilfsprediger, er stirbt 1568 ohne festen Dienst. 95 Reershemius nennt ihn S. 662 Reyner; da Reyner gewöhnlich Regnerus latinisiert wird, scheint eine Verwechslung vorzuliegen. 96 6. Februar 1559. WahlJohanns von Hatzum beteiligt, aber anscheinend nur, weil man nicht ohne die Vermittlung des Rates die Einwilligung der Regierung einholen will. Der Rat seinerseits wünscht die unmittelbare Beteiligung des Kirchenrates, „ahne welcker welcker hoere schriven doch van gener weerde sulden velicht geachtet werden“97. Das kann nur heißen, daß der Rat sich bewußt ist, ohne die erkennbare Entscheidung des Kirchenrates für einen Kandidaten keinen Einfluß bei der Regierung in Pfarrwahlsachen zu haben. Und wenn auch der Kirchenrat vom Rat als „unse oevericheit, unse stat Embden“ 98 spricht, dann erscheint er doch im wesentlichen als Zwischenträger. Durch ihn bringt der Kirchenrat seine Wünsche an den Grafen heran. 99 Allerdings weiß der Kirchenrat sehr wohl, daß er nicht einfach über den Rat hinweg beschließen kann, geschweige denn über den Grafen. Als Rudolph von Neermoor einen Antrag einbringt, man möchte ihn nach Haus gehen lassen, damit er sein Heu berge und sonstigen wirtschaftlichen Schaden abwende, verschanzt sich der Kirchenrat hinter der Autorität des Grafen. Es wird dem Antragsteller geantwortet, daß die Urlaubserteilung nicht in der Macht des Kirchenrates stünde, da Rudolph durch die Gnädigen Herren zur Aushilfe nach Emden befohlen sei. Man müsse auf die Herren Rücksicht nehmen, um „yn wyder nodt der heren huilde unde byvall“ nicht zu verlieren. 100 Der Kirchenrat wünscht Verärgerungen zu vermeiden. Ohne wohlwollende Behandlung der kirchlichen Wünsche läßt sich ihre Durchsetzung nicht erreichen. Man kann nicht von der Macht und den Rechten des Rates und des Grafen absehen. Gerade die mühsamen Verhandlungen der Jahre 1566 bis 1568 lassen erkennen, daß der Kirchenrat die Zuständigkeiten für ziemlich abgegrenzt hält. Ob er damit auch die Anschauung des Rates trifft, wenn er ihn für einen Zwischenträger hält, muß bestritten werden. Als man nach langem Hin und Her sich entschließt, Rudolph zum dritten Prediger zu bestellen, in der Hoffnung, „dat men noch voer den veerden muchten ein gelerder bekomen, um in der kercken regerung hyr unde ock buthen’s landes seer noedich“101,wird am 12. Februar 1567 eingetragen: „Noch ys dar gehandelt van ein derde predicant unde under allen doerch nodt besloten, um ener burgemeister unde radt voerthostellen, oefthe se in en bewilligen wolden, so se geen beter unde bequamer uns wusthen tho krygen, idt sy dan M. Jybben, Johannes tho Canum oefthe ein ander bequamer.“ Auf diesen Beschluß wird vom Rathause am 26. Februar folgender Bescheid eingebracht: „Dat de radt derhalven so sleprick vortvoer in de sake van Rodolpho voer den derden dener tho erlangende, umme dat se lever einer geschickeder hadden als en.“ Der Kirchenrat hält dennoch an Rudolph Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 195 97 17. Januar 1565. 98 29. Januar 1565. 99 7. April 1559; siehe oben Seite 189. 100 2. Dezember 1566. 101 26. Dezember 1566. fest,weil ihm geeignetere Persönlichkeiten fehlen; er will noch einmal den Ehrbaren Rat bitten, „so dan de E(rsame) Radt neen bequamer mit then eersten weet tho bekomen, dat dan de E(rsame) Radt uns hyryn [behuilplick syn], vm Rodolphum in der noodt tho bekomende (...)“102.Man konnte dem Rat seine eigene Meinung über die Pfarrwahl, insbesondere über die vom Kirchenrat vorgeschlagenen Kandidaten, nicht wohl verwehren. Aber praktisch änderte das nicht viel an der wirklichen Stellung des Rates, welches Urteil er auch hatte. Er hat doch der Obrigkeit die Nomination Rudolphs weitergegeben. 103 Ja, als am 17. Juli noch einmal vom Kirchenrat an Rudolph geschrieben wird und eine Woche später aufs bestimmteste versichert werden kann, daß er gestorben sei, da wird Cooltuin beauftragt, zur Gräfin Anna zu reisen, um M. Gibbo zu erhalten104, ohne daß der Rat überhaupt erwähnt wird. Und wieder eine Woche später, am 4. August, versammeln sich in einer außerordentlichen Sitzung mit den gewöhnlichen Mitgliedern des Kirchenrates drei Ratsherren und Thomas von Leer, um die Wahlfrage zu besprechen, nachdem Gibbo die Berufung abgelehnt hat. Das Übliche ist das nicht, die dringende Not scheint diese Maßnahme veranlaßt zu haben. Eine Kommission soll bei der Gräfin und den jungen Herren um die Erlaubnis bitten, von den gerade in diesem Jahr so zahlreich nach Emden geflohenen niederländischen Predigern mehrere predigen zu lassen, um einen von ihnen oder Aggeus so zu probieren, daß man um einen von ihnen werben kann. Auch dieser Versuch schlägt fehl. Man muß zu einer Aushilfe greifen; endlich soll der Mann nach Emden kommen, den a Lasco schon 1540 dem Grafen Enno für das Superintendentenamt vorgeschlagen hatte: Albert Hardenberg. Am 4. September 1567 wird protokolliert, daß man von der Gräfin wie von ihm selbst den Bescheid bekommen habe, „dat he uns hyr in unsse noodt voer ein tydt wyll dhenen, beide um syne gemene niet ploetslick tho vorlaten, ock um an beiden syden de proeve destho gewisser tho nemen“. Anna Backhausen, die Wirtin des Gasthauses zum Schwan, wird ihn herbergen, denn eine endgültige Regelung soll erst erfolgen, sobald Evert Kuper und Geert in de Sloetel mit dem Ratsherrn Johann Kuyll gesprochen haben. 105 Da man mit dem Doktor Hardenberg keine wirkliche Kraft bekam, mag es sein, daß weniger der Kirchenrat als Manninga und sonstige Freunde Hardenbergs die Gelegenheit benutzt haben, um ihn nach Emden zu bringen. Wenigstens muß sofort auch über die Anstellung von Hilfskräften bera- 196 Siebtes Kapitel 102 Der Satz ist nicht vollständig; zu ergänzen wäre etwa: „behilflich sein wolle“. 103 Von Graf Edzard kam laut Protokoll vom 12. März 1567 der Bescheid, daß er ohne den abwesenden Bruder, den Grafen Johann, keine Entscheidung treffen könne. 104 24. Juli 1567. 105 Kuyll war schon 1565 (Protokoll vom 15. September) einer Berufung Hardenbergs sehr geneigt. Wahrscheinlich handelt es sich um technisch-wirtschaftliche Fragen, die mit dem Ratsherrn besprochen werden sollen. An eine offizielle Befragung des Rates kann nach der Zustimmung der Gräfin nicht gedacht werden. tenwerden. Hardenberg hat seinen Dienst alsbald angetreten, aber erst am 15. Oktober „is D. Albertus bewilliget mit consent der G(enedigen) F(rouwen) van Knypens (seiner bisherigen Patronatsherrin), dusse denst nha syn vormoegen tho bedenende“106. Dieser Notbehelf hat zur Folge, daß das Suchen nach Predigern weitergehen muß. Seitdem Gellius 1554 die Errichtung einer vierten Pfarrstelle anregte, hat dieser Gedanke im Kirchenrat Wurzel geschlagen. Man verfolgt den Plan durch Jahre hindurch, immer wieder aufgehalten durch Sterbefälle unter den oft kaum berufenen Predigern. Öfter genannte Namen werden im Kirchenrat wieder genannt, neue Gestalten treten auf die Bühne. Den Oldersumer Feito Ruardi will der Junker nicht laufen lassen. 107 Cooltuin stirbt im Oktober 1567. Kaum hat man den Krankentröster Sixtus Abbes zum Pastoren gemacht, da wird auch dieser im September 1568 der Gemeinde wieder genommen. 108 Noch zu seinen Lebzeiten, am 31. Mai, hat der Kirchenrat unmittelbar mit dem Grafen verhandelt wegen des vierten Predigers. Was einer Bestellung des vierten Predigers entgegensteht, ist der Mangel an Einkünften; Graf Edzard will veranlassen, daß die Ländereien der Kirche besser verpachtet werden. 109 Man gewinnt den Eindruck, daß es überhaupt die goldene Kette ist, die den Kirchenrat in einer peinlichen Abhängigkeit von seinen Obrigkeiten hält. Der Rat muß hier Rat schaffen, und so erklärt sich bei einer Besprechung mit Wicherus und Gibbo in Hardenbergs Wohnung die Anwesenheit Medmanns und der Ratsherren und Kirchvögte Albert van Haren und Johann Kuyll. Auch in dieser Sitzung wird über die Kostenfrage gesprochen, die die Herren vom Rathaus zu lösen versprechen. 110 Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 197 106 16. Oktober 1567. Die Eintragung soll wohl besagen, daß Hardenberg am 15. Oktober seine Konfirmation nach der Zustimmung seiner bisherigen Patronatsherrin, der Frau von Knipens, erhalten hat. 107 16. Oktober; 15. Dezember 1567. 108 Reershemius, 482. Am 2. Oktober 1567 wird berichtet, daß Sixtus von Leeuwarden den Dienst eines Visitators angenommen habe. Am 22. Dezember wird beschlossen, Sixtus und Hinrich Schonenborch, der bereits Visitator ist, zu Predigern zu bestellen, falls nicht Medmann inzwischen Bescheid von der Gräfin wegen der Wahlkandidaten Johannes von Canum und Gibbo Nortorchius erhalten habe. Am 12. Januar 1568 trägt Hardenberg auf Veranlassung des Bürgermeisters Otto de Wendt, der ihn mit zwei anderen Ratsherren besucht habe, um seine Meinung über die beiden Visitatoren zu erfahren, die Pfarrwahlsache im Kirchenrat vor. Nachdem die Sache weitläufig debattiert ist, wird einträchtig beschlossen, Sixtus und Hinrich zu wählen. Sixtus nimmt sofort an, Hinrich lehnt ab. Medmann hat die Weigerung Hinrichs zuerst nicht wohl aufgenommen. „Dan darna van den 3 burgemesteren unde ratsheren allen angenomen unde geloefthen gescheen, dat se by Unsse G(enedigen) H(eren) H(eren) unvorordent wolden anholden, um ein ander dener voer de bueren tho bekomende.“ Der Tod des Sixtus ist im Protokoll vermerkt: „13.Septemb. Ao 68 Is D. Sixtus myt aller unsser groter bedroeffnisse begraven, ock doerch de pest van uns gerucket.“ Reershemius, 480 und Meyer, 260 geben den Begräbnistag als den Todestag an. Möglich ist es, daß die Pestleiche noch am gleichen Tage beerdigt worden ist. 109 Der Bericht über Hardenbergs Audienz unter dem 7. Juni 1568. 110 30. August 1568. Am1. Oktober 1568 hält man eine außerordentliche Sitzung über die unbedingt notwendige Wahl ab. Hardenberg ist allein als ordentlicher Prediger übrig. Sicherlich haben ihm einige von den zahlreichen Flüchtlingspastoren zur Seite gestanden, aber es müssen ordentliche Prediger bestellt werden. Es sind drei Kandidaten gegenwärtig:Martinus111,Scheltius112und Johannes Lindensis113. Mit ihnen wird „wut nodwendige anliggende noedt myt groten erenst gehandelt“, „vm hoer dartho tho bewilligen, dat se den denst unsser kercken voer stedÿch unde vast wolden annhemen, up dat wy yegen alle vhar unde anstande inconvenienten muchten myt vrymoedichheit seggen, dat wy all denere hadden“. Schade, daß der Protokollführer sich nicht etwas deutlicher über die Gefahr und drohenden Unzuträglichkeiten ausgesprochen hat, denen man sich gerade in der Pfarrwahlsache gegenüber gesehen haben mag! Da Veltmanns Todestag in der Literatur mit dem 25. August angegeben wird und Sixtus Abbes am 13. September begraben war, so darf vermutet werden, daß man im Kirchenrate neben anderem auch die Versorgung der Gemeinde gemeint hat, wenn man von Gefahren und Unzuträglichkeiten meinte sprechen zu müssen. Man beschleunigte die Wahlverhandlungen so, daß man am 7. November Martinus Eliacus und Johannes van Linden als Gewählte der Gemeinde vorstellen und am 15. November einführen konnte. 114 Wieder waren nur drei Prediger vorhanden. Aber endlich siegte die Zähigkeit, mit der man seit Jahren das Ziel verfolgt hatte, einen vierten Prediger nach Emden zu bekommen. Aus dem Protokoll der Sitzung vom 27. Dezember 1568 geht hervor, daß man noch hofft, Gibbo frei machen zu können; doch seine Hausleute, die Wahlberechtigten der Gemeinde zu Wirdum, wollen ihn nicht laufen lassen. Man kann aber im Augenblick leicht einen anderen bekommen: Bernhard von Hamswehrum. Hardenberg soll an die Gräfin schreiben „van’t consistorii consistorii wegen“, da die Gräfin sich über diese Sache Kummer macht, und „darin E(hr) G(enaden) radt van D. Doctore begert. Is derhalven der broederen meninge niet, E(hr) G(enaden) [tho] besweren, vele weiniger, M. Gibben [tho] engen, engen, syne husluiden yegen hoer danck tho vorlaten. Willen derhalven de broederen en noch wall ein tytlanck vorschonen, dewyle men nhu lychtlÿcker ein ander in syn plas sullen koenen bekomen, myt sulcken bescheet, dat unsse olde vryicheit in de erwelinge der deneren uut dat lant hyrmyt nicht vorkortet werde, unde Bernardum van Hamswerum middelertyt muchten bekomen; unde hÿrn- 198 Siebtes Kapitel 111 Martinus Egidius Eliacus, Pastor zu Hinte. Schon am 23. August berichtet Hardenberg über eine Unterredung mit ihm im Coetus. Er will wohl helfen, aber sich freihalten für die Rückkehr in sein Vaterland. 112 Scheltius oder Schelco scheint schon länger den Predigern ausgeholfen zu haben. Harkenroht, 7 weiß von ihm, daß er Nikolaus hieß und aus Warmenhuizen stammte. Scheltius weist darauf hin, daß er sich der Gemeinde zu Amsterdam verpflichtet habe. 113 Auch Johannes Lindaenius oder van Linden. Auch er ist ein Flüchtling, der der Gemeinde zu Gorkum verpflichtet war. 114 8. November 1568. hamalsdoerch vorstarff unde vortoch unsser anderen predicanten M. Gibben uns dan in groter noodt muchte vorgunnet werden.“ Je stärker sich die konfessionelle Spaltung bemerkbar machte, desto schwieriger wurde es, Prediger aus den Landeskindern zu gewinnen. Die Flüchtlinge kamen in starkem Maße in freiwerdende Stellen hinein, die Emder Prediger dieser Jahre sind fast alles Flüchtlinge. Befürchtete man eine Überfremdung, wenn man sich die alte Freiheit in der Wahl von einheimischen Predigern nicht verkürzen lassen wollte? Sah man voraus, daß man nicht immer auf Fremde würde zurückgreifen können, wenn man auch im Augenblick leicht einen Prediger bekommen könnte? Wehrte man sich etwa schon mit dieser Erklärung gegen versteckte oder offene Vorwürfe, die die sichtliche „ Überfremdung“ veranlaßte? Sobald man mit Bernhard einig ist, was besonders durch seine Forderung zweier Kuhweiden erschwert wurde, wird Hardenberg beauftragt, die Kirchvögte zu sich zu rufen, damit sie „van wegen hoeres Amptes unde der gemene“ zusammen mit dem Vertreter des Konsistoriums, Wilhelm Vischer, die Gräfin bitten, Bernhard in Hamswehrum loszumachen. 115 Sollten die Kirchvögte, die zugleich Ratsherren sind, nicht reisen wollen, sollen drei Kirchenratsmitglieder die Gräfin allein aufsuchen. Am 24. Januar wird eingetragen: „ls wedderum ingebracht als van de reysse der kercksworen an E(uer) G(enaden) van Bernerdi wegen, als dat burgemester Otto tho Wende unde de Secretarius tho Aurick van Unsse G(enedige) H(ere), grave Johan, anders niet wusthe, oefthe wy hadden hyr M. Gibben all lange hadt, unde wes dar noch an feillen muchte by syne ffrou moder, verhopede he suilckes wall balde uutthorichten. So hebbent de beide kercksworen angenomen, mÿt ein prediker an Hoer Genaden tho theende myt des doctors unde des rhades vorscryvinge, als dan ydt yo niet gescheen konde van M. Gibben, dat wy dan Bernerdum muchten bekomen.“ Trotz aller Bereitwilligkeit, der Gemeinde zu dem Wirdumer Pastoren zu verhelfen, gelingt es nicht, ihn freizubekommen. 116 Gibbo gehört wohl zu den am meisten umworbenen Kandidaten. Die Bemühungen um ihn zeigen, daß auch die Gräfin nicht einfach ein Machtwort wagt. Auch sie wünscht alles auf dem Verhandlungswege zu regeln. Man nimmt Rücksicht auf die Gemeinde des Berufenen. Gegen ihren Willen und ohne ihre Zustimmung kann der ihr verbundene Prediger nicht in eine neue Berufung willigen. Auch das ist ein Beweis für die Selbständigkeit der Gemeinden, denn nicht nur bei Gibbo macht die Gemeinde Schwierigkeiten, auch in anderen Fällen gelingt es nicht, Widerstände zu beseitigen, über die man sich nicht einfach hinwegsetzt. Daß man sich so sehr an den Rat anklammert, um die vierte Pfarrstelle endlich zu besetzen, erklärt zum Überfluß die Bemerkung über eine Besprechung vom 14. Februar: „ Ock mede dhomals duÿtlick bekennet ( als ock voermals man- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 199 115 17. Januar 1569. 116 30. Januar; 7. Februar 1569. nichmalvan vorscheiden uut middell van hoer by uns betuyget), als dat de E( rbern) burgemesteren [ unde] radt bewilliget unde besloten, den veerden dener so lange uut der stadt- kisten tho besolden, hen dat men by der kercken- upkumst suilckes konden vinden.“ Nach weiterem Verhandeln mit Bernhard, der sich in die Emder Berufung ergibt „ unde gelathen gestelt in de wille Godes unde dat ordell der broederen“, kommt es endlich soweit, daß eingetragen werden kann: „ D. Hinricus Herbertus vnde Willum de Vischer schoelen dem E. B. vnde Radt voerdragen ho dat wy na hoer beuell ein veerden dienar van V. G. Ffrouwe bekomen als Bernardum Hamswher. So twyuelen de broederen niet, oefthe de Ersame Radt worde thor gelener tyt hoere loefthen neuen de besoldinge nha komen.“ Der Hinweis, daß die Bestellung Bernhards auf den Befehl der Gräfin ( oder des Rates) erfolge, soll dem Rat die Notwendigkeit schmackhaft machen, daß er in den Stadtsäckel greifen muß. Die alte Erfahrung, daß Leistungen Rechte, zumindest Rücksichten bedingen, hat auch der Kirchenrat machen müssen. Die Einkünfte der Pfarrkasse, die durch frühere Eingriffe der Obrigkeit geschmälert waren, reichten zur Besoldung eines weiteren Predigers nicht aus. So übernahm der Rat die Pflicht, Besoldungszuschüsse zu zahlen. Dennoch ist die Unterhaltung der Kirche und ihrer Einrichtung allgemeine Pflicht der Bürgerschaft. Hier wird sichtbar, wie die mittelalterlichen Rechtsformen der Eigenkirche und des Genossenschaftspatronats nachwirken. Schon ein Jahr zuvor hat man sich genötigt gesehen, den Rat ernstlich anzusprechen wegen der Besoldung des vierten Predigers, „ alleer uns de koer ganssliken benomen worde“117.Der Rat erkennt die Notwendigkeit eines vierten Predigers durchaus an, ja auch weitere Kräfte wären durchaus nötig. Nur die eine Schwierigkeit bleibt, „ dan dat idt allene mangelde an’t gelt, dar se geen radt tho wusten, dan dat men by Unsse G( enedige) H( eren) muste anlangen um de renthe tho krÿgende van de geestliken landen“118. Der Kirchenrat empfindet diese Fessel drückend, die ihm durch die Entwendung eines Teiles des Kirchengutes angelegt sind. Und mit dieser Empfindung ist bei den Pfarrwahlverhandlungen dieser Jahre die Besorgnis rege, man möchte die freie Wahl der Prediger überhaupt verlieren. Die Bildung der Dreizahl vom 23. September 1566 geschah ausdrücklich in der Absicht, mit der Nennung der Dreizahl die Bitte zu verbinden, „de gansse gemene de vrye koer“ zu geben. Die Zustimmung zu dem Plan der Gräfin, Bernhard von Hamswehrum zu bestellen, wurde nur gegeben mit dem Vorbehalt, „dat vnsß olde vryicheit in der erwelinge der deneren wut dat lant hyr myt nicht vorkortet“ werden dürfe. Man möchte die Bestellung des vierten Predigers etwas rascher vorangetrieben sehen, bevor die Wahl ganz aus den Händen des Kirchenrates gleitet. Worauf bezieht sich diese Besorgnis des Kirchenrates? Noch in der Eile, mit der man die Wahl des Martinus Eliacus und Johannes Lindaenius vornimmt, 200 Siebtes Kapitel 117 22. März 1568. 118 29. März 1568. kommtdiese Besorgnis zum Ausdruck. Es können nicht nur die Besoldungsschwierigkeiten gewesen sein, die ihn zwangen, seine Wünsche in bezug auf geeignete Persönlichkeiten vor der Notwendigkeit, zu nehmen, wen man gerade bekommen konnte, zurücktreten zu lassen. Sicher hat ihm auch das Sorge gemacht. Und ebenso mag ihm die starke Bindung der Prediger an ihre Gemeinde beschwerlich gewesen sein. Schon bei den Bemühungen um Mikron und Johannes von Hatzum, besonders aber bei dem Versuch, Gibbo Nortorchius zu wählen, war es eine einengende Bedingung, zuvor die Gemeinden zufriedenzustellen. 119 Dadurch wurden die Wahlen sehr erschwert und die Freiheit der Berufenden wie der Berufenen in Auswahl und Annahme sehr beschränkt. Die Folge war, daß der Kirchenrat fast ausschließlich in diesen Jahren nicht Prediger aus festen Stellen des Landes berief, sondern lieber auf freie Kräfte zurückgriff. Aber auch die Flüchtlingspastoren hatten meistens eine Gemeinde zurückgelassen, der sie sich verpflichtet fühlten. Aber die goldene Kette und die Schwierigkeit in der Berufung bereits fest angestellter Prediger sind es nicht allein gewesen, die dem Kirchenrat die freie Wahlausübung gefährdet erscheinen ließen. Es ist die politische und die darin eingeschlossene kirchenpolitische Entwicklung der ostfriesischen Verhältnisse, die den Kirchenrat besorgt machte. Sie spiegelt sich in den mitgeteilten Eintragungen der Protokolle wider, wenn da mehrfach von der Erhaltung der Wahlfreiheit, von der Vermeidung der Gefahr und drohender Unzuträglichkeiten geredet wird. In den Jahren 1565 und 1566 entstand in der wallonischen Gemeinde zu Emden ein hitziger Streit, den der niederdeutsche Kirchenrat schlichten sollte. Er stellte seine Befriedungsverhandlungen, die mit seinen schwierigen Wahlverhandlungen gleichliefen, bezeichnenderweise unter die Begründung, daß die Obrigkeit gedroht habe, die französischen Ältesten abzusetzen; durch eine Einigung „mucht voechlikerwyse hyrmit beyegent worden, dat se hoer hant nicht in’t kercken-regiment slogen thut hoerer (der französischen Gemeinde) unde unser gemenen preiudicii unde bedroevinge, ya ock verlicht eine vorsthoringe“ 120.Schon eine Woche früher waren die streitenden Parteien zur Versöhnung gemahnt, „umme de inconvenienten unde grote mannichtfoldige swaricheiden, de dar anders uut muchten ensthan, niet allene in hoer gemene, dan ock thot gelegener tyt in d’unsse“121.Der Kirchenrat witterte die Gefahr, die durch Uneinigkeit und Unentschlossenheit dem Recht auf Selbstbestimmung drohte, wenn Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 201 119 Für Mikron soll Peter de Abt nach Norden vermittelt werden ( 27. Februar 1559). Johann von Hatzum kann man nur bekommen, wenn man seine Bauern zufriedenstellt ( siehe oben). Gibbo und seine Wirdumer Bauern weigern sich, die Emder Berufung anzunehmen, obwohl der Kirchenrat einen Ersatzmann vorschlägt (30.Januar; 7. Februar 1569). 120 25. Februar 1566; Klugkist Hesse, 125f. 121 18. Februar 1566. derObrigkeit Gelegenheit gegeben wurde, sich in die kirchlichen Verhältnisse zu mischen. Denn seit 1562 hatte die Gräfin nicht mehr allein die Regierung. Schon 1558 waren ihre drei Söhne mit der Herrschaft belehnt worden. 122 Christoph starb schon 1566. Edzard und Johann vertraten entgegengesetzte Bekenntnishaltungen, Edzard unterstützte die lutherische Strömung, die erst durch ihn, eigentlich durch seine eifrig lutherische Gemahlin, neuen Auftrieb erhielt, während Johann sich als Graf der reformiert bleibenden Kreise der Sache der reformierten Gemeinden annahm. 123 Damit entstand eine immer wachsende Spannung, die den Kirchenrat um seine Freiheit und Rechte besorgt machte. Als eine Bedrohung mußte er die Berufung eines lutherischen Hofpredigers durch Graf Edzard werten, über den sich die Emder Anfang Juni 1568 bei Hofe beschwerten. Hardenberg mußte dem Grafen unter verschiedenen anderen Punkten auch vorhalten „ van de hoffprediker tho Aurick, welcker up unsse lere lastert unde scheldet“. Der Graf antwortete darauf: „ Angande syn G( enaden) prediger heft Syn Genaden suÿlckes nÿet gehoeret, unde heft belovet hem den munt tho stoppe in’t lasteren.“ 124 Die glatte Diplomatenantwort konnte den Kirchenrat nicht hinwegtäuschen über die gespannte Lage, die für ihn und seine Gemeinde, nicht zuletzt für die von ihm wahrgenommene und erstrebte Ordnung mit der Betonung der konfessionellen Unterschiede entstand. 1594 haben die Emder mit dem Blick auf die Versuche des Luthertums, durch die Obrigkeit in vakante Pfarrstellen lutherische Prediger zu bringen, an die Lutheraner die Frage gerichtet: „ Wor Gades Worde/ vnde de Augßborgische Confession lehre/ dat einem Euangelischen Prediger vnvanöden sy/ einer wolgeordneten Gemene/ der he denen schal/ ordentlicke gewönlicke Beroep/ Consenß/ vnde Vorwilligung: sonder dat tho syner Vocation genoch sy/ dat he vth begerlicheit tho den Kerckengüderen/ van sick süluest lope/ vnd sick van der Ouerickeit der Gemene vpdringen late?“ 125 Anlaß zu dieser Frage gaben die Erfahrungen der letzten dreißig Jahre. Was mit so mancher Gemeinde geschehen war, deren Pfarrstelle mit einem lutherischen Prediger besetzt wurde, das konnte auch das Schicksal Emdens werden. Der Kirchenrat mußte in der Veränderung der Regierungsverhältnisse eine Gefährdung seiner Rechte und ihrer freien Betätigung sehen, und nur die Tatsache, daß jetzt einige Jahre keine Wahl nötig war, ersparte eine weitere Erprobung der Macht. Erst im Jahre 1573 wurden wieder Wahlen nötig. Johann van Linden starb am 11. Mai1573.126Bereits im Juli 1572 war er nach Gorkum gefordert wor- 202 Siebtes Kapitel 122 Wiarda, Ostfriesische Geschichte II, 119. 123 Wiarda, a. a. O., 142f. Die Kirchengeschichte der getrennten Herrschaft ist die Geschichte der endgültigen konfessionellen Spaltung. 124 7. Juni 1568. 125 Emder Bericht, 12. 126 Nach dem Protokoll starb er am 11. Mai und wurde am dritten Tage mit großer „mennichte“ (=Gefolge) (=Gefolge) begraben. den,und der Kirchenrat hatte seinem Weggang zugestimmt, wenn man Ersatz für ihn bekommen könne. 127 Wieder denkt man an Gibbo. Diesmal meldet sich auch der Rat, der den Kirchenrat ermuntert, die Berufung Gibbos doch ja zu versuchen. Die Berufungskommission bringt den Bescheid, daß Gibbo sich in einigen Tagen entscheiden will; und am 11. August wird berichtet, daß er diese dritte Berufung nicht abschlagen könne, „ ergeve he syck derhalven gerne der broederen unde des E(rsamen) R(ades) beropinge over“. Sofort wird auch die Zustimmung der Gräfin eingeholt, die gegeben wird, doch mit der Auflage, daß „de gemene voereersten begroetthen werde van etlicke uut dem consistorio myt ener uut den radt“128.Das ist auch geschehen, doch mußte festgestellt werden, daß in der Gemeinde Wirdum befürchtet wird, ihnen möchte nach dem Wegzug Gibbos einer aufgedrungen werden. Die Gemeinde will die freie Wahl behalten, und Gibbo hat gehofft, der tüchtige und beliebte Schulmeister würde sein Nachfolger. Also wieder ist es der neue Kurs des Hofes, die konfessionelle Frage dadurch zu lösen, indem man einer vakanten Gemeinde einen vom Hofe gewünschten Prediger aufdrängt, der eine Gemeinde die Machtprobe scheuen läßt. Im übrigen lehnt Gibbo im Mai 1573 endgültig ab. Es ist dem Kirchenrat schwer gefallen, auf diesen vielumworbenen Prediger, den ehemaligen Konrektor der Emder Lateinschule, zu verzichten. Im Protokoll wird vermerkt: „So synnen de broederen des consistorii sampt dem E(rsamen) Radt dar hartlick inbedroevet, dat wy so lange tyt vorgeves an hem gearbeidet hebben unde so voele loefflike thosagen van hem geschêen, yo yemmerliken vervallen sint.“ 129 Der Rat stimmt zu, daß man um Hinrich Holten zu Dykhausen wirbt; er will für die Besoldung aufkommen. 130 Hinrich will auch wohl, aber sein Patron will ihn nicht laufen lassen, den nicht einmal ein Brief des Grafen Johann bestimmen kann, Hinrich vor einem Jahr zu beurlauben. 131 Man wendet sich an Johannes von Canum wegen einer Probepredigt. 132 Egbert Brass, der viele, ja alle Stimmen für sich hätte, erweckt einige Bedenken wegen seiner Freiheit im Tanzen und wegen einiger Sonderanschauungen, die der reinen Lehre widerstreiten; gegen Odierus von Hamswehrum hat man keine Bedenken. 133 Bevor Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 203 127 31. Juli; 4., 8., 11. und 18. August 1572. 128 18. August 1572. 129 25. Mai 1573. 130 15. Juni 1573. 131 10. Juli 1573. Am 14. Juli 1573 bestätigt Hinrich noch einmal seine Bereitwilligkeit, der Emder Gemeinde zu dienen, „voerbeholden de underscryvinge in de Westerschen Sinodo, so wyt de strecken mach“. Also auch er fühlt sich der niederländischen Heimat verpflichtet. Nach einer Eintragung zum 14. Juli 1573 ist er am 11. Oktober 1573 eingeführt. 132 6. und 26. Oktober; 2. November 1573. Doch verzichtet der Kirchenrat endgültig auf ihn. 133 19. November 1573. Die Verhandlungen mit Johannes und Odierus ziehen sich bis in den Frühling 1574 hinein. esjedoch zu einer Wahl kommt, muß protokolliert werden: „18.Mai Ao. 74. Is D. Doctor Albertus Hardenbarch in dem Heren gerusthet myt bedroeffnisse der gemene, um dat he de vêerde gewesen ys, de in ein yar uns alsse getruve dienaren untfallen synnen.“ 134 Bernhard von Hamswehrum blieb allein übrig. In den Bemühungen um den Rysumer Pastoren Johannes Ostendorp leistet der Rat die übliche Beihilfe. Nachdem man am 7. Juni mit ihm verhandelt hat und ihm bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr Bedenkzeit gab, wird am 8. Juni in Anwesenheit zweier Ratsmitglieder weiter verhandelt. Die lange Eintragung ist so eingehend und gerade auch für das Problem der Beziehung der in diesen Jahren meistens aus Flüchtlingskreisen gewählten Predigern zu ihren von ihnen verlassenen Gemeinden unter dem Kreuz bezeichnend, daß ihre Mitteilung nicht auch zuletzt wegen der sonstigen Bezugnahmen auf Voraussetzungen für die Wahl zum Emder Prediger gerechtfertigt erscheint. „8.Juny Ao. 1574. Sint de broederen meistlick alle wedder byeengekomen unde darbeneven 2 uut dem E(rsamen) Radt, um dat antvort Ostendorpii tho untfangen, welcker êerstmall als bevoeren allêens gevallen ys: in sunderheit syne togenegent( heit) und vorplichtung thut synem vaderlant, derwegen he niet, uut vele hêerlicke orsaken unde anderen untfangen woldaden, de van Deventher myt quade geweten kunde vorlaten, dan thut hoer sthedigen denst sick vorplichtet hadde. Begêerde derhalven van den heren und broederen, dat de hem suilckes in de leve thom besthen affnhemen wollen. Darup de broederen hem so eine frage hebben voergestellet, oefthe de broederen myt huilpe unsses E(rsamen) Rades ehn konden vryen unde losßmaken by de van Deventher, oefthe dan syn gemoete thut dusser kercken niet geneiget stunde, um darby tho blyven myt guden vryen willen, niet twyvelende van de voerige gude thogenegentheit der broederen und der gansser karcken thut alle naber-karcken, so idt tho eniger tyt befunden worde alhyr, dat he myt syne gaven aldar sunderlinge grothe fruchte dem Heren kunde schaffen unde de kercke alhyr myt nodrufftige dienaren vorsoerget wheer, dat alsdhan de broederen myt bewillgung eines E(rsamen) Rades hem voer ein tyt gerne de van Deventer sulden gunnen, um aldar de kercke tho rechte tho bringen. Oeverst dat ordel musthe sthedes by de gemene sthan, nicht by hem allene. Darup he nha voele underrhedinge entliken geantvordet heft, dat he sick der heren und broederen ordel overgeve unde gelaten stelde, sovheere hem syne gewetent unde vorplichtinge an de van Deventer muchte gefryet werden. Welcker de broederen myt froeude hebben angenomen, hem edder nhu myt then êersthen edder thom lengesthen in de vriycheit tho befryen van de van Deventer, edder dan myt vrÿcheit wedderum vorlaten, um thut syn vaderlant tho thêende. Ock under allen uut overfloodt van hem, um mherer gewissicheit, vornhomen van syne gemene gude gevoelent van lhere, ceremonien unde dis- 204 Siebtes Kapitel 134 Johannes van Linden starb am 11. Mai 1573, Martinus Eliacus am 6. Dezember 1573, Hinrich Holten am 26. April 1574, Hardenberg am 18. Mai 1574. ciplin,de alhyr gewoentlikerwyse gedreven worde, heft he myt vullen munde syn ‚ jha‘ darup gegeven, bekennende, dat he newerrelde ( nirgendwo) enige andere lher unde ceremonien angenomen unde gevolget hadde van de tyt syner erluichtinge, alsse hyr sthedes im swanck gegan hadde.“ 135 Johannes Ostendorp, für den Petrus Dathenus die Weseler Konventsbeschlüsse unterzeichnete, war während seiner Flüchtlingszeit Pastor zu Rysum. Wie die meisten Flüchtlingspastoren hatte er eine Gemeinde in den Niederlanden verlassen müssen, der er verbunden blieb. Deshalb muß sich der Kirchenrat erbieten, ihn in Deventer freizumachen. Bei der Einstellung der Emder zu den Nachbarkirchen braucht Ostendorp nicht zu befürchten, daß man ihm die Rückkehr nach Deventer unmöglich machen will, wenn es sich zeigen solle, daß er dort nötig ist. Doch müsse er das Urteil darüber Kirchenrat und Rat anheimstellen und dürfe nicht auf eigene Faust handeln. Unter dieser Bedingung willigt er in die Berufung. Daß der Rat mit dem Kirchenrat zusammen handelt, nimmt nach dem bisher darüber Gesagten nicht Wunder. Es sind die üblichen Besoldungs- und Wohnungssorgen, die den Kirchenrat an den Rat weisen. Der Vermittlung des Rates oder sonstiger einflußreicher Personen bedient man sich auch jetzt noch dauernd. Der Rat wird um sein Urteil über Ostendorp gefragt, er muß helfen, ihn in Rysumfreizumachen136;in Verhandlungen mit Wicherus Millesius wird die Fürsprache des Junkers von Ewsum und Oldersum in Anspruch genommen. 137 Also auch in den Monaten vor der Berufung Menso Altings sind es noch die gleichen Stellen, die eine Berufung betreiben und fördern. Eine Einbuße hat Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 205 135 Ostendorp gehört mit zu den Befürwortern der Beschlüsse von Wesel; siehe Rütgers, 37. Dathenus zeichnete in seinem Namen. 136 14. Juni 1574. Am 2. August wird vermerkt, daß Ostendorp nicht gerne in die Pfarrwohnung des Gasthauses, des alten Franziskanerklosters, ziehe. Darin kommen ihm Bürgermeister und Rat entgegen. Den Grafen Edzard hat man seinetwegen angesprochen. Die alte Gräfin hat ein Schreiben an die Gemeinde Rysum ausgefertigt, ein weiteres Schreiben des Grafen Johann steht zu erwarten. Er wird wohl an einem der folgenden Sonntage eingeführt sein. 137 Verhandlungen am 27. September, 8. und 18. Oktober, 1. November 1574. Die Predigerliste dieser Jahre bietet einige unaufgehellte Unklarheiten. Am 31. März 1572 unterschreiben Johannes Lindaenius, Martinus Eliacus und Bernhard Borssumanus ein Kirchenzeugnis (Hessels, Ecclesiae Londino-Batavae Archivum, Bd. III, 162). Dazu kommt Hardenberg, der am 18. Mai 1574 stirbt. Zwischen dem 18. Mai und dem 2. August wäre Borssumanus allein Prediger gewesen, wenn nicht Eilshemius unter den Toten des August 1575 einen Assuerus Fabritius nennte. Verhandlungen über seine Wahl werden im Protokoll nicht erwähnt, während doch sonst alle Wahlen, auch die ergebnislosen, eingetragen sind. Der Name des Assuerus taucht ganz beiläufig erstmalig am 21. Juli 1574 auf. Harkenroht glaubt zu wissen, daß er ein Sohn des Gellius Faber sei (Herderstaf, 11). Er läßt ihn 1573 nach Emden berufen sein. Meiners trifft unter 1573 und 1574 keine Entscheidung. Reershemius bestreitet, daß er ein Sohn des Gellius Faber gewesen sei, er nimmt als Jahr der Berufung 1574 an. Dazu stimmt, daß das Protokoll am 28. Dezember 1573 von den beiden Predigern spricht; das können nur Bernhard und Hinrich Holten sein, da Hardenberg schon länger nicht mehr im Kirchenrat erscheint. Assuerus war Pastor in Borssum, es kann sein, daß er als Nachbarpastor ausgeholfen hat; doch muß man dann unterstellen, daß er Sitz und Stimme im dasbisher Erreichte auch in diesen Jahren nicht erlitten. Die Gehaltszahlungen des Rates haben keine Rechtswirkungen gehabt. Der Rat hat durch Jahrhunderte bezahlt, ohne an den Pfarrwahlen weiter als bisher beteiligt zu sein. Bis 1575 lebte die alte Gräfin noch; solange sie ihren Einfluß geltend machen konnte, veränderte sich äußerlich nicht viel an dem Vorgang einer Predigerbestellung; nur eine Wahl konnte man die Bestellung eines Emder Pastoren immer noch nicht nennen. Eine völlige Neubesetzung sämtlicher vier Pfarrstellen wurde im August 1575 nötig. Die Pest raste wie eine Sturmflut über die Stadt. Drei Prediger – die vierte Stelle war im Augenblick unbesetzt – starben kurz nacheinander. 138 Auch aus dem Ältestenkreise forderte die Pest ihre Opfer. 139 In dieser unhaltbaren Lage zeigte sich die Schöpfung a Lascos in bestem Licht. Mit Nachdruck betrieben Kirchenrat und Rat die nötigen Verhandlungen. Am 12. September schon kann die Einwilligung der beiden Prediger aus Pilsum und Hamswehrum in eine Emder Berufung vermerkt werden. 140 In diese Wahl mischt sich der Coetus ein. Soweit zu sehen ist, hatte er sich bisher nicht beteiligt gezeigt. Aber schon in Verhandlungen mit den beiden neuen Predigern hatten diese gebeten, „dat wy by hoer guede huilpe wolden vorsoergen, darmit se in’t coetu kunden besthan mit ehren“141.Am 19. September wird protokolliert: „Sinnen de R(ades-) H(eer) Willum de Visger, Jaspar Celoss, Regnier de Pester unde Martinus Bernerus in coetu gewesen, unde van hoer ( sc. den Pastoren) mothen hoeren ( gelyck etlike van hoer by unsse beide erwelde broederen vorluiden hebben lathen), dat unsse beropinge, an ehn geschêen, illegitime edder unscrÿftmetich sulde syn darumme, dat wy buten hoere weten unde consent 2 dienaren geropen hadden, darmit hoer coetus niet wall in alle svare questien mit authoritêet tho solveren bedienet kunde worden. Darup hoer ys voer ein antvort gegeven, dat desuilvige broederen, de wy nhu in unsser hoegesten noodt gefoerdert hebben, ock by unsser 3 saliger vorstoervenen broederen tyden myt vullenkamen consent beropen sint, dar wy by persistêert hebben. Jodoch ys dat ye en yo de vryicheit gewest in unsser consistorio mit bewilginge des E(rsamen) R(ades) unde der gansser gemene, dienaren tho erwelen anhe enige beradtslaginge mit coetu, darby wy dencken tho blyven, idt sy [dat] uns suilcken olde gebruick mit starcker unde scriftmetiger reden 206 Siebtes Kapitel Kirchenrat hatte. Sollte er ordentlicher Pastor in Emden gewesen sein, dann wäre seine Dienstzeit etwa vom Juli 1574 bis zu seinem Todestage, dem 27. August 1575, zu rechnen. 138 Bernhard Borssumanus starb am 8. August, Ostendorp am 10. August, Fabritius am 27. August 1575. 139 Willum Bastinck starb am 24. August, Martinus Berner am 10. Oktober, Bernhard van Norden am 12. Oktober 1575. 140 Es sind Johannes Zuidlaraeus und Odierus Althes. 141 12. September 1575. wordebenomen.“ Auch in der Notzeit denkt der Kirchenrat, obwohl er ohne Pastoren handeln muß, nicht daran, die gewordene Ordnung zugunsten einer neuen Einflußstelle zu durchbrechen. Tatsächlich war mit Johannes Zuidlaraeus schon vor der Katastrophe vom August verhandelt. 142 Und mit Odierus Althes hatte der Kirchenrat schon den ganzen Winter 1573 auf 1574 Wahlberedungen, allerdings ergebnislose, gehabt. 143 Nach dem Wortlaut der Eintragung hat der Coetus anscheinend die Unrechtmäßigkeit und Schriftwidrigkeit der Wahl darin gesehen, daß nur Älteste mitwirkten, und keine Pastoren beteiligt waren. Der Grund, daß die Belange des Coetus dabei nicht genügend gewahrt seien, steht demgegenüber erst an zweiter Stelle, oder der Coetus müßte gemeint haben, daß er der Gemeinde vorgehe und daß der Emder Kirchenrat seine Wahl nach den Notwendigkeiten des Coetus einzurichten habe. Das glaubte der Kirchenrat sich nicht eingestehen zu können. Wenn er auch darauf hinweisen kann, daß er frühere Beziehungen nur weitergeführt habe, so liegt doch der Nachdruck auf dem letzten Satz, der mit aller Klarheit und in aller Kürze die grundsätzliche Auffassung des Kirchenrates von der Rechtslage in Pfarrwahlsachen klarstellt. Er allein wählt unter Beteiligung des Rates und der Gemeinde, die das Recht der Bürgerschaft wahrnehmen. Aber der Coetus hat hier nicht mitzusprechen. Es müssen schon starke und schriftgemäße Gründe sein, die den Kirchenrat veranlassen könnten, von dem alten Brauch abzusehen. Der Einspruch des Coetus, so wird zu schließen sein, geht aus von der Mißachtung des Predigtamtes, das er vom Kirchenrat für nicht genug gewürdigt erachtet in seinem besonderen Stand in der Kirche. Es ist der Einspruch des Pfarramtes gegen das Amt des regierenden Ältesten. Der Kirchenrat wehrte somit einen Angriff ab, der auf sein eigentliches Recht zielte. Und es wird weiter zu bedenken sein, daß letztlich der Anspruch auf Mitwirkung in Gemeindewahlsachen wie die Ablehnung dieses Anspruches durch den Kirchenrat beleuchtet wird durch die politische Lage, von der schon oben gesprochen wurde. 144 Der Kampf um die Herrschaft war im Gange, schon vor Altings Kommen. 1569 war Ligarius wieder nach Ostfriesland zurückgekommen und hatte 1570 in Nesse eine Anstellung gefunden. 145 So ganz undenkbar ist es nicht, daß auch hinter dem Vorstoß des Coetus Kräfte sich regten, die die Zeit für günstig hielten, gräfliche Ziele auch durch den Coetus anzustreben. Welch eine Gelegenheit, auf die verwaisten Emder Pfarrstellen Männer zu bringen, die wenigstens in der Weise Fabers die Unterschiede behandelten, wenn nicht schon solche, die, wie es doch in Norden unter Kämpfen, doch mit Erfolg geschah, einen völligen Umschwung der Verhältnisse herbeiführten. Entbrannten doch gera- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 207 142 9. Mai bis 6. Juni 1575. 143 19. November 1573; 12. Februar 1574. 144 Siehe oben S. 184f. 145 Garrelts, Ligarius, 79ff.; Gegenbericht, 150: „ Die Lutherschen haben den Coetum geliebet und gelobet und Ligarius zwei Sommer lang die Disputationen geleitet.“ deim Coetus später Kämpfe, die durchaus nicht alle Prediger auf Altings Seite zeigten. Ich möchte darum den Versuch zur Einflußnahme von seiten des Coetus auf die wachsende kirchenpolitische Spannung zurückführen, in die bald auch Menso Alting hineintreten mußte. Die den Kirchen des Ostens zuneigenden Kreise haben hier sicher Verwicklungen vorbeugen wollen, die mit der neuen Besetzung der Emder Pfarrstellen kommen mußten. Der Angriff, woher er aber auch kommen mochte und mit welchen Hintergedanken er auch unternommen wurde, wurde abgeschlagen. Unter den verhandelnden Ältesten sind drei führende Männer der Flüchtlingskreise. Ihnen darf man zutrauen, daß sie wußten, was jeweils auf dem Spiele stand, wenn fremde Stimmen die Führung im Gesang übernehmen wollten. 4. Der Kampf um die gemeindeeigene Predigerwahl Die Predigerwahlen des Jahres 1575 sind zwar keineswegs tumultuarisch vor sich gegangen, wie man nach allerlei Bemerkungen der Lutheraner vermerken könnte, aber doch auch nicht nach der bisher gehandhabten Ordnung. Die Lutheraner fragen im Blick auf die in der Missive dargestellte Bestellungsordnung, ob sie auch in Emden jederzeit beobachtet worden sei. „ Aber wenn gefraget wird/ ob jhre prediger jeder zeit nach solcher vorschrifft beruffen? Müssen sie antworten wie die gute Nonne ( gefraget ob sie alle keusch waren): Deberemus quidem/ Es solte sichs wol gebüren. Aber wer weiß obs wahr ist? Denn in sterbens zeit an der Pest/ wil es die geschwinde noth nit leiden/ vnd wo die Gemeinte einer andern Religion ist/ da kann es nicht geschehen: Sondern wird noch offtmals geprocediret/ entweder/ wie die Zwinglianer die Luthersche Kirchen auff jhre weise einnemen ( dauon im Gegenbericht gesagt ist). Oder wie in vorzeiten die Christliche Obrigkeit die Heidensche vnd Ketzersche Kirchen pflegen einzunehmen.“ 146 Die Emder beteuern hoch und heilig: „ Dat se averst ock vnsen/ der jetzigen Predicanten tho Embden/ Christlicken vnde ordentlicken Berop/ mit der spöttischen Libertinischen Frage/ Wol weet efft jdt war ist? Item/ Mit der geschwinden Noth der Pest/ gerne twyuelhafftich maken wolden/ referiren wy vns/ vp Gades/ vnsers eigen Gewetens/ der Ouericheit/ vnde gantzen Borgerschop Getüchenisse/ dat dem aller Dinge so sy/ alse in der Missive/ van erwelinge vnde bestedinge der Kerckendener tho Embden betüget werdt.“ 147 Dabei bleibt es doch auffallend, daß vom Grafen nichts gesagt wird und daß die Zustimmung der Gemeinde erst nach Wochen nachgeholt wird. Am 8. Januar 1576 kündigt Zuidlaraeus ab, daß die Gemeinde gegen Lehre und Wandel der vier Prediger, die er „ mit uuthghedructe namen nicht ghenoempt“, Einspruch erheben könne. Er ermahnt die Gemein- 208 Siebtes Kapitel 146 Gegenbericht, 147.150ff. 147 Emder Bericht, 86f. de,„ dat doch een ÿder de vrÿmoedicheit ghebruiken wolde unde bÿtÿden datsulvighe to kennen gheve, daruuth dan uuth de versumeniße gheen onraadt hÿrnamaals muchte entsthaan. Darto he wolde een ÿder vermaant unde ghebeden hebben.“ Das Einspruchsrecht der Gemeinde soll durch das geschwinde Verfahren nicht verkürzt werden. Zu den neuen Männern, für die die Pest Platz geschaffen hatte, gehörte auch Menso Alting. Die Geschichte seiner Berufung ist von Ubbo Emmius und darauf aufbauend von Klugkist Hesse in aller Ausführlichkeit erzählt. 148 Ein „zufälliger“ Besuch in Emden veranlaßte lange Verhandlungen durch mehrere Monate hindurch. 149 Die Parallele zu Calvins Anfängen in Genf ist überraschend. Menso Altings Kommen nach Emden wurde von schicksalhafter Bedeutung für die reformierte Kirche Ostfrieslands. Seine Arbeit prägte die Emder Kirche zu dem Genf des Nordens, in den gegenreformatorischen und nachkonkordistischen Kämpfen machte Alting aus Emden ein calvinistisches Bollwerk. Alting wurde in den Formen bestellt, die sich bisher herausgebildet hatten. Er übernahm eine bereits festgefügte Ordnung. Seine eigene Berufung läßt in keinem Punkte ahnen, daß auch auf dem Gebiete des Bestellungsrechtes wie in so manchen Beziehungen des kirchlichen Ordnungslebens Neues werden wird. Und die Wahlverhandlungen, an denen er während der nächsten zwanzig Jahre beteiligt ist, zeigen keine wesentliche Verschiebung der Rechtsverhältnisse. Am 24. Oktober 1575 beschließt der Kirchenrat: „Ock ys besloten, dat de predicanten mit ytliche oldesten solen sunder vorthoch bÿ borgemeister und radt um de viften dener anholden.“ Schon das vierte Pfarramt war nur mit der Beihilfe des Rates zu besetzen gewesen. Am 14. August hatte der Rat sich durch die 24 Deputierten der Bürgerschaft, die bei der Bewilligung von Steuern und Ausgaben zugezogen werdenmußten150,die Erlaubnis geben lassen, 300 oder 400 Gulden aus den Imposten (Abgaben) für die Predigergehälter nehmen zu dürfen. 151 Die Deputierten wünschten aus dieser Unterstützung der Kirche kein Gesetz zu machen, sie machten es zur Pflicht, um die Wiedererstattung des entwendeten Kirchengutes besorgt zu sein; „doch darmit men stracks muchte tho grepe komen, und die Dienst Godes nicht versuemet muchte werden, weren die burgeren erboedich und willich, dat men drie oder vierhundert gulden uth dem impost tho erholding der predicanten muchte nehmen, jarlichs, so lange Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 209 148 Emmius, Vita, 13-18; Klugkist Hesse, 93-103. 149 Erste Eintragung im Protokoll am 12. Juni 1575. 150 Brenneysen I/2, 282. Vgl. Loesing, Von dem Ursprung des Vierziger Collegiums in Emden, Emden 1786. 151 Z.B.:28. März 1576: „Is inghebracht, dat borgmeister unde raadt bewillighet, jahrlix Gellio anderdehalffhondert G(ulden) vor sÿn salario to gheven.“ 21. Mai 1576: „... se wusten to syner besoldinghe wol raedt (Petreius)...“Ebenso am 11. Mai 1583 für Eilshemius, Jahrbuch I/2, 129. alsmen ander raith socht.“ Das wird am 8. November 1576 bestätigt: „Und hebben die deputierde borgerschaft am 14. Augusti anno 75 in der schwaeren kranckheit der pest, alls alle predicanten vorsturfen, tho des vyften predigers beropung und besoldung vorwilliget, wo vorgescreven.“ 152 Diese geldliche Beteiligung des Rates ist der Grund, weshalb der Rat in den Berufungsverhandlungen dauernd herangezogen wird. In weiteren Verhandlungen der nächsten Jahrzehnte geschieht keine Berufung, der nicht der Rat zustimmt. Seine Bereitwilligkeit, zum Gehalt zuzuschießen, kam mehrfach zur Sprache. 153 Nachdem der erste Versuch, in Johannes Nicasius einen fünften Prediger zu gewinnen – die Stelle sollte mit dem Rektorat der Lateinschule verbunden werden – fehlgeschlagen war, bemühte man sich um Petrus Gellius in Hinte. Der Rat hat gegen ihn nichts einzuwenden, „dan alleen up sÿn statura unde ghesichte“154.Gellius wurde nicht freigegeben. Johannes Petreius aus Larrelt wurde gewählt, da aber Landius gestorben war, blieb die bewilligte fünfte Stelle noch unbesetzt. Dafür trat Erasmus Johannis aus Salzwedel als Rektor und Katechismusprediger ein. 155 Allerdings scheint ihm der volle Rang eines Predigers nicht zuerkannt worden zu sein. Man hat wohl die Katechismuspredigt mehr als ein Anhängsel des Rektorats angesehen. Denn Erasmus wird nicht im sonntäglichen Gemeindegottesdienst eingeführt, sondern es wird am 16. November beschlossen, daß er am kommenden Sonntag nach der Katechismuspredigt „bekentniße syns ghelovens vor den broderen“ ablegen soll. Das ist dann nach einer Verhandlung am 18. November auch zwei Tage später an einem Dienstag „tot ghoot benoeghen unde wolbehaghen der broderen verrichtet“156.Zu einer Konfirmation ist es nicht gekommen. 157 Von seinem Gehalt hat er einem Visitator einen Teil abgeben müssen. 158 Um seine Dienst- und Gehaltsverhältnisse zu regeln, bleibt der Kirchenrat mit dem Rat in ständiger Fühlung. 210 Siebtes Kapitel 152 Jahrbuch I/2, 131. 153 Siehe Anm. 151. 154 12. März 1576; vgl. Louis Hahn, Pastorenwahl im Reformationsjahrhundert, in: Weserzeitung (Bremen) vom 29. November 1930. 155 Erasmus erscheint nicht in den Predigerlisten, ist aber als erster fünfter Prediger zu zählen: Jahrbuch I/2, 131. Das fünfte Pfarramt war unter ihm mit dem Rektorat der Lateinschule verbunden, denn er ist vom Rat als Rektor angenommen, „also dat he ock der vyfte praedicant sein soll, und den cathechismum in der Kercken predigen“. Über Erasmus siehe auch Klugkist Hesse, 262ff.276;7. November 1576: „Erasmus is den 6. Novembris ghekomen.“ 156 Der 18. November 1576 war ein Sonntag; an ihm ist es nur zu einer Verhandlung gekommen; es bleibt möglich, daß er im Wochengottesdienst des 20. Novembers doch öffentlich eingeführt ist. Wenigstens ist der Vermerk über die Ablegung des Bekenntnisses am Dienstag von dem Bericht über die Verhandlung am Sonntag deutlich getrennt. Sitz und Stimme im Kirchenrat scheint er nicht gehabt zu haben, am 7. Juli 1578 muß er wegen einer Streitsache vorgeladen werden. 157 Die Notizen über ihn vom 18. Februar, 19. und 26. August lassen erkennen, daß es zu einer regelrechten Konfirmation nicht gekommen ist. 158 4. und 11. März 1577. Alses sich darum handelt, Gerhard Geldenhauer aus Leer zu berufen, wird der Rat aufgefordert, einen aus seiner Mitte zu bestimmen, der „nha olde gehwoenheit der beropinge der diener mede trecken“ soll, was der Rat gerne tun will, doch nicht ohne die für seine Teilnahme an den Bestellungen von Predigern bezeichnende Frage zu stellen, ob man denn auch schon von der Wohnung und der Besoldung gesprochen habe, da es doch wohl nicht anginge, mit solch einem Manne aufs Ungewisse zu verhandeln. 159 Mit dieser Aufgabe, mehr die technische und wirtschaftliche Seite der Berufungen zu beachten und dafür in Anspruch genommen zu werden, während die Auswahl der zu nominierenden Persönlichkeiten durchaus Sache des Kirchenrates blieb, hat sich der Rat zumeist auch durchaus begnügt. Und der Kirchenrat hat durch die Form der Verhandlungen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß das eigentliche Berufungsrecht beim Kirchenrat läge. Als man 1613 mit Abraham Scultetus in Heidelberg verhandelte, wurde dem Berufungsschreiben des Kirchenrates ein entsprechendes Schreiben des Rates beigefügt, das Althusius entworfen hatte. Dieses Schreiben legte der Rat dem Kirchenrat vor; es wurde erst „in pleno consistorio gesien, gelesen und overwogen den 28. Octobris. Doe is bevonden, dat in doct(oris) Althusii brief dat recht der beroepinge den Erbaren Raede wert thogeschreven, und alleen de nominatie der kercken gelaeten, waerover de broeders des consistorii sÿn veroorsaket, den Erb(aren) Raet tho laeten aendienen door Ritzium, Petrejum, Aeldrick Buerman, Jan Smit, dat daermede der kercke sÿn recht wert benomen, welckes sie alletÿt gehadt heeft (gelÿck des consistorii protocollen dit aenwÿsen) und tho versoecken, den E(rwerdigen) E(rbaren) Heeren Heeren geliefde, daerin veranderinghe tho maecken. De heeren, sodaenige reden vernemende, hebben ingewillicht, dat woordeken Raet uÿtgedaen und in plaetse van dat woort Raet der kerck het recht der beroepinge thogeschreven. Waermede wÿ sÿn thovreden geweest.“ 160 Für den hier behandelten Zeitraum kann dies Abkommen in einem Einzelfall als eine allgemeine Klarstellung der Beziehung gelten, die der Rat zu der Predigerbestellung hat. Die Teilnahme des Rates ist nicht stärker geworden, wohl aber haben sich Regeln herausgebildet, die diese Teilnahme ordnen. Diese Regeln entsprechen dem Verhältnis und den Beziehungen beider Körperschaften. Sie waren schon um der politischen Lage willen aufeinander angewiesen. Kirchenratsmitglieder wurden Ratsmitglieder, Ratsverwandte betreuten als Kirchvögte häufig das Kirchenvermögen. Die Kämpfe der Niederländer fanden in der Stadt der Glaubensflüchtlinge lebhafte Teilnahme, und zwar tätige, sehr zum Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 211 159 11. Mai 1584. 160 8., 11. und 18. Oktober 1613. Vgl. Althusius an Sibrandus Lübbertus vom 8. Oktober 1613: „Magistratus noster mihi mandavit, ut de bonis et idoneis successoribus duobus in locum demortuorum ( Menso und Rotger Biermann) substituendis apud bonos viros inquirerem.“ Friedrich, Politica methodice digesta of Johannes Althusius, Cambridge 1932, CXXVIII. Ärgerdes mehr als neutralen Grafen Edzard. Es ging allerdings nicht um ein Verhältnis, in dem eine Körperschaft der anderen vorgeordnet war, sondern um eine ausgeglichene Zuordnung, die in den entscheidenden neunziger Jahren eine gebotene, weil lebensnotwendige war. Weder wurde der Kirchenrat vom Rat abhängig, noch wurde der Rat aus der Mitwirkung oder von der Teilnahme an den kirchlichen Angelegenheiten völlig ausgeschaltet. 161 Die sachliche Grundlage fand die Teilnahme des Rates an der Bestellung der Prediger nicht so sehr in einer Theorie über die Rechte der Obrigkeit in der Kirche, sondern in der sehr praktischen Tatsache, daß der Rat Geldhilfen leistete. Auf sie galt es Rücksicht zu nehmen, und die Anerkennung dieser Hilfe geschah durch eine begrenzte und geordnete Mitwirkung bei der Bestellung der Prediger. Es ist dem Kirchenrat gelungen, bei dieser Entwicklung den entscheidenden Einfluß fest in der Hand zu behalten. Er nominiert, er beruft, er führt ein, und je mehr sich die einzelnen Akte einer Predigerbestellung rechtlich und tatsächlich auseinander lösen und voneinander abheben, desto deutlicher wird es, daß für den Rat eigentlich in der Rechtsordnung kein Raum für eine begründete Mitwirkung bleibt. Sein Recht ist als Gewohnheitsrecht noch längere Zeit in Geltung, aber ein irgendwie ausschlaggebendes Gewicht kommt ihm nicht zu. Der Kirchenrat hatte mit dem Rat zu rechnen, aber es waren die Männer des Kirchenrates, die über die Berufungen die eigentlichen Entscheidungen trafen. So blieb dem Rat ein auf Leistungen beruhendes, in der Form aber sehr begrenztes Mitwirkungsrecht, und der Rat erkannte seinerseits das gewordene Recht des Kirchenrates an. Waren nun auch die Rechte und Vollmachten der beiden städtischen Machtträger in der Frage der Predigerbestellung gegeneinander abgewogen und zueinander in eine umschriebene Beziehung gesetzt, so kam der Kampf um die Rechte des Grafen erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts auf seine Höhe. Seit den Wahlen nach Fabers Tod hatte der Kirchenrat immer wieder seine ganz besondere Aufmerksamkeit gerade den gräflichen Rechten zugewandt. Die Einmischung des Grafen und die Behauptung von Rechten, die aus dem Begriff der gräflichen Kirchenhoheit stammten, mußte auch für Emden befürchtet werden. Die Gefahr stärkerer, umwälzender Eingriffe schien sich in Edzards Haltung nach dem Tode Johanns 1591 noch einmal gefährlich emporzurecken. Der ganze Verfassungsstreit zwischen dem Grafen und den Ständen kann hier nicht 212 Siebtes Kapitel 161 Zu Althusius’ Auffassung des Verhältnisses, die einer näheren Untersuchung noch bedarf, vgl. den Satz aus dem Anm. 160 zitierten Brief: „Caput rei publicae hoc est, magistratus et presbyterium, si sanum est, reliqua membra valent et Dei favor et gratia conciliabitur.“ Weiter Caput VIII und IX des Werkes selbst. In Sectio 32 des Caput VII heißt es: „Huic administrationi (der Kirche) subjectus est etiam magistratus, quoad monitiones, censuras et alia quae ad animae salutem sunt necessaria.“ In Caput XXVIII, Sectio 6: „In administratione rerum ecclesiasticarum nihil aget magistratus sine consensu et consilio ecclesiasticorum ex verbo Dei sumpto. Deut. 24,8; Mal. 2,7.“ dargestelltwerden. Einmal ausgebrochen, ist er bis zum Ende der Selbständigkeit Ostfrieslands nicht zur Ruhe gekommen. Es war der Kampf um die absolute Herrschaft des Grafen und um das Mitwirkungsrecht der Stände bei der Besteuerung und der Ordnung der Gerichtsverfassung. Daß die kirchlichen Verhältnisse dauernd hineingezogen wurden, ergab sich aus der einsetzenden Aufspaltung der ostfriesischen Kirche in einen lutherischen und reformierten Teil. Hier soll nur das Endergebnis der Kämpfe herausgestellt werden. 162 Die Pfarrwahlen während der Regentschaft der Gräfin Anna geschahen im engsten Einvernehmen und in ständiger Fühlungnahme mit der Gräfin. Gern notiert das Protokoll jeweils die Bereitwilligkeit der Gräfin, den untertänigst vorgebrachten Wünschen des Kirchenrates entgegenzukommen. Nirgendwo läßt sich erkennen, daß die Gemeinde vergewaltigt wäre. Noch 1575 genügte dieses Verhältnis den herrschenden Kreisen Emdens nicht mehr, es konnte ihnen nicht genügen, denn Edzard gab keine Gewähr, daß er nicht versuchen würde, anders als seine Mutter Männer seines Vertrauens und Haltung in Emder Pfarrstellen unterzubringen. Graf Edzard nahm das Patronatsrecht für sich in Anspruch unter Berufung auf den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden und bestritt summarisch allen Gemeinden ihre Rechte mit dem Hinweis darauf, daß keine Gemeinde einen urkundlichen Beweis dieser Rechte beibringen konnte. 163 Das war eine Rechtsauffassung, die die geschichtliche Wirklichkeit nicht für sich hatte. Aber es war der Grundsatz, gleichsam das Programm des Grafen, das er durchzuführen suchte. Gegen dies Programm hat sich Emden zur Wehr gesetzt. 164 Landraub, Amtsentsetzung Mensos, Verbot der Kirchenratsversammlungen als geheimer Konventikeln, das waren die drei Hauptschläge, mit denen Graf Edzard den Emder Konsistorialen zusetzte, um seinen Plan, lutherischen Gottesdienst und absolutistisches Regiment in Emden aufzurichten, den Weg zu ebnen. Am 8. März 1595 erteilte der Kirchenrat dem Grafen eine Absage. 165 Der Graf forderte die Armenrechnungen ein, ein Schlag gegen das groß angelegte Armenwesen der Gemeinde. Das gab den Ausschlag, die Revolution war da. Emden entzog sich der gräflichen Gewalt fast völlig. Es hatte sich verhandlungsfähig gemacht, der Graf wurde Vertragspartner, und nicht erst Althusius brauchte die Emder lehren, in welchem Sinne sie die Verhandlungen zu führen hatten. Es ist Altings Sprache, wenn es in den Vorverhandlungen für den Delfsieler Vergleich heißt: „ Und erstlich nachdem einem jedem Christen billig nichts höheres angelegen seyn solle/ als in Religions- und Gewissenssachen frey und ungehindert zu verfahren/ auch vermöge der Göttlichen Rechten/ nicht schul- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 213 162 Soweit der Streit die kirchlichen Verhältnisse und die Kirchenpolitik des Kirchenrates betrifft, soll er später zur Sprache kommen. 163 Brenneysen II, 95 vom 8. Januar 1596. 164 Die Vorgänge der Emder Revolution bei Klugkist Hesse, 335-418. 165 Emder Apologie, Beilagen, 62-69. dig/eines andern Urtheil und Meinung sich zu unterwerffen/ so wolle auch oft wolgedachter unser gnädiger Herr zusagen und versprechen/ immassen es von Alters gebräuchlich gewesen/ Bürgermeister/ Rath und gemeiner Bürgerschaft der Stadt Emden in ihrem üblichen Exercitio Religionis, Kirchen- und Schulen- Bestellung/ und bey solchem allem dabevor aufgerichteter Ordnung/ auf keinerlei Weise Intrag zu thun.“ 166 Der Graf versuchte in seiner Antwort vom 13. Juni den lutherischen Gottesdienst zu retten, indem die Duldung „ der zweyen Religionen“ vorgeschlagen wurde; ebenso versuchte er sich das Bestätigungsund Stellenverleihungsrecht für die Prediger vorzubehalten und wollte nur das Vorschlagsrecht dem Bürgermeister und Rat, auch den Kirchvögten, Vorstehern der Großen und Gasthauskirche zugestehen, ohne des Kirchenrates zu gedenken. In den Verhandlungen unterlag Edzard vollständig. Der Delfsieler Vertrag vom 9. September 1595 räumte der zäh und verwegen kämpfenden Stadt alle behaupteten und geforderten Rechte ein. Punkt 1 bis 5 des Vertragswerks handeln von der Kirche. Punkt 2 stellt fest: „ Die Nomination, Vocation, Praesentation und Collation der Prediger und Kirchendiener soll von der Gemeinde/ die Confirmation aber ohne Contradiction und Einrede von S. G. geschehen.“ 167 Als man nach dem Tode Edzards ( 1. März 1599) den grundlegenden Landesvertrag, die Konkordaten, auszuarbeiten hatte, bekam Emden seine Sonderartikel, deren achzigster lautete: „ Zum andern soll die vocatio, praesentatio, & collatio der Prediger und Kirchendiener bey der Gemeinde und ihren Gliedmassen, aber die Confirmation derselben bey uns stehen und verbleyben, welche wir ohne einige Contradiction und Einrede der praesentirten Personen mittheilen wollen.“ 168 Damit war dem Grafen wenigstens in Emden jede Möglichkeit mitzubestimmen, wer in Emden Prediger werden sollte, genommen. Emden war am Ziel, und sein Eintreten für die gemeindeeigene Predigerbestellung gab dann schließlich auch dem Rest der reformierten Kirche, der die Stürme der Jahrhundertwende überstand, das Recht der freien Predigerwahl an die Hand. Leider war bisher kein Exemplar der gräflichen Konfirmation eines Emder Predigers aufzufinden. 169 Es scheint sogar, als habe man durch Jahre hindurch überhaupt keine gräfliche Konfirmation nachgesucht. Denn die Emder wissen 214 Siebtes Kapitel 166 Brenneysen II, 61, Postulata der Stadt Emden vom 15. Juni 1595. Die Antwort des Grafen S. 63. Die Datumsdifferenz weiß ich nicht zu erklären. 167 Brenneysen II, 79f. 168 Brenneysen II, 144. 169 Brenneysen I, Buch V, Nr. 48 bringt eine Konfirmation der Gräfin Anna für den Prediger des Dorfes Völlen vom 14. November 1554. Konfirmationen für Emder Prediger befinden sich bei den Akten des Emder Rathauses. In der gedruckten Literatur werden Konfirmationen angeführt: Meiners I, 181 für Rotger Biermann 1604; Meder, De openlijke Kerkleer der evangelisch-gereformeerde Gemeente in Emden en Oostfriesland, Band I, Emden 1804, 69-71 behandelt unter Verwendung von Konfirmationsurkunden die Frage der Bekenntnisverpflichtung der reformierten Pastoren; im Ostfriesischen Monatsblatt für pro- zusagen, Menso selbst sei ein Mann gewesen, der „von S. Gn. weder Beruf, noch Confirmation, noch Dienst/noch Besoldung hatte“170.Und weiter beschweren sich die Emder: „Das Formular der Gräflichen Konfirmation der newen Prediger/welches in des Cantzlers Behausung/in gegenwart der Gräflichen Räthen und Zweener Prediger der Kirchen zu Embden aufgerichtet/vnd eingewilliget/ist eingewilliget/ist zum zweyten mahl verändert/vnd auf solche Schrauben gestellet/ das man alle tage der Prediger wider kan ledig werden.“ 171 Der Kanzler Frantzius scheint in dem mageren Recht, die Konfirmation ausstellen zu dürfen, wenigstens noch eine Möglichkeit gesehen zu haben, die Kirchengemeinden einen Schimmer gräflicher Kirchenhoheit spüren zu lassen, obwohl doch die Konfirmation nach dem Wortlaut und der Handhabung der Konkordaten nur noch der Ausfluß einer Scheinhoheit war. Die Emder haben sie als solche gewertet. Wenigstens beklagt sich Enno 1612: „Ob auch denn wohl wahr/daß die Herren Grafen zu Ost-Frießland sich im geistlichen Regiment und Kirchen- Sachen/Ihres habenden Bischöflichen Rechts und Juris Patronatus so weit begeben/ daß die von Emden sich selbst um bequeme und taugliche Pastoren und Prediger umsehen/und dieselbe befördern mögen. So ist doch hinwiederum wahr/daß Ihr G. Ihr vorbehalten/daß die von Emden/in signum superioritatis die Confirmation ihrer erforderten Kirchendiener bey dem regierenden Herrn Grafen suchen müssen. Gantz ohne aber/daß sie den Herrn Beklagten in die Possession vel quasi dieses Rechts restituiret, sondern den jüngsten Pastoren/ Herrn Petraeum nicht allein ohne Vorbewußt J.G.beruffen/sondern noch auf heutige Stunde ohne erlangte Confirmation in Diensten bei sich behalten.“ 172 Enno hat erkannt, daß dieses Recht nur ein quasi-Recht mehr war, nur ein signum der Hoheit, aber nicht ein Akt dieser Regierungshoheit; die Emder hätten nach seiner Klage bis jetzt ihm nicht einmal dies Zeichen zugebilligt und den 1612 eingeführten Petrus Petreius ohne Konfirmation ins Predigtamt befördert. Enno macht sich hier selbst zum Zeugen eines Entwicklungsergebnisses, das sich aus Quellen und Ursachen herleitete, die eine der gräflichen Auffassung entgegengesetzte Anschauung von der Kirche und ihren Rechten ans Licht brachten. Noch fünfzig Jahre früher hatte es nicht so ausgesehen, daß die Obrigkeit jemals so weit ausgeschaltet werden könnte. Wieviel Wege mußte man damals zwischen 1560 und 1570 noch gehen, um einen Prediger zu bekommen. Aber wie sehr bemühte sich schon damals der Kirchenrat, sich ein einspruchsfreies Handeln zu sichern. Wie oft hatte man den entscheidenden Schlag erwartet, der das Erreichte vernichtete, um dann doch am vorläufigen Ende des Weges mehr in Händen zu haben, als jemals erhofft werden durfte. Der staatlichen Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 215 vinzielle Interessen, 7. Jahrgang, 1879 wird auf die Konfirmationen Emder Prediger S. 515f. Bezug genommen. 170 Emder Apologie, Beilagen, 46. 171 Emder Apologie, Beilagen, 150ff. 172 Brenneysen II, 558. Kirchenhoheitwar ein entscheidender Schlag versetzt. Was es hier noch an Unklarheiten gegeben hatte, war beseitigt zugunsten der Freiheit der Gemeinde. Sie mußte nun zeigen, ob sie wußte, was ihr damit zugefallen war. Die ausführliche Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Rechtsgrundsatzes, daß der Gemeinde die Bestellung des Predigers zukomme, hat gezeigt, daß die Träger der Entwicklung überhaupt von bestimmten Grundsätzen beherrscht waren. Diese fanden ihre Ausprägung in der geltenden Ordnung. Was die Rechte der weltlichen Obrigkeit angeht, so hatte sowohl im Verhältnis zur Stadt wie zum Grafen der Grundsatz gesiegt, daß mehr als ein äußerliches, vollendete Tatsachen anerkennendes und bestätigendes Recht den weltlichen Machthabern nicht eingeräumt werden sollte. Damit war der Punkt erreicht, an dem nun die andere Unklarheit in Angriff genommen werden konnte; es mußte jetzt die Stellung der Gemeinde im Gesamtzusammenhang der Predigerbestellung geklärt werden. Denn sieht man genauer zu, so sah das sich entwickelnde Verfahren eigentlich nur eine Bestellung auf Grund von Verhandlungen vor, die ihr Schwergewicht ausschlaggebend im Kirchenrat hatten. Hier wurde der Kandidat ausgesucht, den man berufen wollte. Dieser Vorgang heißt die Nomination. Darauf folgte früher die Präsentation des Nominierten an den Rat und die gräfliche Obrigkeit. Seit 1575 anscheinend fiel die Vorstellung des ins Auge Gefaßten an den Grafen weg, ein Verfahren, das mit den Landesverträgen seit 1595 auch eine rechtliche Grundlage bekam. Doch wurde der Rat zu diesem Zeitpunkt der Verhandlung noch herangezogen. Darauf erging die Berufung, die Vokation, an den Nominierten, der in den fester werdenden Verhältnissen das Examen, hier zu verstehen als die Probepredigt, vorauf- oder doch zur Seite ging. Und schließlich, nach oder auch wohl wie im Falle der Petreius 1612 vor der gräflichen Bestätigung, der Konfirmation, verfügte der Kirchenrat die Kollation, die Begabung des Gewählten mit dem Einkommen der Stelle. Das bedeutete in Emden bei der besonderen Entwicklung der Pfarrvermögensverwaltung nicht mehr die Einweisung in eine Pfründe, sondern die Zusicherung einer Pfarrwohnung und eines festen Gehaltes. Dazu kamen auch wohl andere wirtschaftliche Vergünstigungen wie die Überlassung eines Stückes Weideland, eine Anwartschaft der Hinterbliebenen auf ein Gnadenjahr, bei Menso Alting auch eine Sondereinnahme aus einem Testament und eine „lyffrenthe“. 173 Diese Einzelakte waren nicht gleich in voller Klarheit vorhanden, aber seit a Lasco zielte alles auf ihre Wahrnehmung durch den Kirchenrat hin. Erst im Laufe der Zeit gewann man eine sichere Vorstellung von den Einzelheiten, die eine Bestellung ausmachten. Das allerdings dürfte klar geworden sein, daß von einem Wahlverfahren im strengen Sinne noch nicht geredet werden konnte, sofern darunter die Entscheidung zwischen mehreren Kandidaten durch einen bestimmten 216 Siebtes Kapitel 173 Über die Vermögensverwaltung soll an einer anderen Stelle gesprochen werden. Kreisvon Wählern verstanden werden soll. Sollte das bisherige Bestellungsverfahren zu einem Wahlverfahren werden, dann bedurfte die bisherige Ordnung einer Ergänzung. Sollte es dahin kommen, dann war nach zwei Seiten eine Erweiterung des bisher beobachteten Vorgehens nötig. Es mußte zu irgendeinem Zeitpunkt der Verhandlungen die Bestimmung eines Kandidaten aus einem größeren oder kleineren Kreise Vorgeschlagener ermöglicht werden, und es mußte eine Wahlkörperschaft gebildet werden. Die erste Erweiterung konnte sinnvoll nur zwischen der Probe und der Berufung liegen. Zu der Nomination und dem Examen trat dann die Elektion, der die Vokation, die Konfirmation, die Introduktion und die Kollation folgten. Die zweite Ergänzung konnte in verschiedener Richtung gesucht werden. Denkbar wäre es, wenn der Kirchenrat seinen bisherigen Rechten auch die Wahl hinzugefügt hätte, um der Gemeinde nur das Recht der Approbation, der Bestätigung oder des Einspruchs zu lassen. Es konnte aber auch die Gemeinde herangezogen werden, was dazu führen mußte, die Frage aufzuwerfen, an welche Bedingungen die Wahlberechtigung geknüpft werden sollte. Es hätte also die Beteiligung der Gemeinde nach den Grundsätzen ausgerichtet werden müssen, die die Gemeindemitgliedschaft bewirkten. In Wirklichkeit kam es nach mancherlei Schwankungen doch anders. Wirklich folgerichtig, aus vorher festgestellten Grundsätzen heraus, entwickelte sich die vorläufige Endgestalt der Bestellungsordnung nicht. Die Wechselwirkung zwischen Grundgedanken und Gestalt zeigt auch hier ihre Möglichkeit, vielgestaltige Formen zu schaffen, die zwar die Absicht ihres Ansatzes nicht verleugnen, aber doch in ihrer Ausgestaltung den Notwendigkeiten des Tages Raum lassen. Was man sicherstellen wollte, war die gemeindeeigene, einspruchsfreie Bestellung der Prediger. Dazu mußte man Rechtsformen schaffen, die diese Absicht ausführbar machten. Man mußte das Gesetz der Ordnung suchen und festlegen. Soweit Rat und Graf dabei beteiligt waren, war das geschehen. Soweit in den Verhandlungen und bei den Bestellungen neue Ansätze und Ergebnisse sichtbar werden, betreffen sie die Gemeinde und ihre Beteiligung und die Ausbildung eines Wahlverfahrens. Was bis zum Vorabend der Revolution von 1595 erreicht war, wird in der Emder Kirchenordnung folgendermaßen beschrieben: „Thom Predigtampte/werdt Predigtampte/werdt in disser Kercken nemandt thogelaten/ahne vorweten/vnd ordentlicken ordentlicken Beroep/der gantzen Gemeine/who in der Christlicken Kercken alletydt gebrücklich gewesen (Rom.10. Heb. 3). Wat auerst vor eine Ordnung de Gemeine Gades tho Embden/ in der Dener beropinge/ alletydt geholden/ vnd noch holdet/ is in der Missiue wedder Hamelman/ fol. 90 etc. vthföhrlick bewesen/ nömlick dat erstlick/( Math. 9. Act. 1 & 15) vnd vor allen dingen/ Godt vmme düchtige/ getrüwe Dener/ erstlick van der gantzen Gemeine angeropen werde. Dana dat de Prediger vnde Oldesten/ welcken de Sorge der Kercken sonderlich vplicht/ samt den Diaken/ sick in der Gades Frucht berathslagen/( 2. Tim. 2) wor se eine düchtige Person finden/ vnd der Gemeinde vp der Proue vorstellen mögen. Wenn denn de/ etlicke mahl in der Ge- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 217 meinegehöret/ vnd de Person dersülen anmödich/ vnd ehre Gauen erbowlick erachtet werden: erforschet man ehr Gemöth/ effte se ock gesinnet/ vp vorganden ordentlicken Beröp/ vnde erledigung des vorigen Denstes/ der Kercken tho Embden tho denen. Vnd wenn darjnne vorwilliget/ so fanget man folgents an/ mit einem Erbaren Rath/ des beroepes/ vnde syner beförderung haluen tho handlen. Werdt also endlick mit gemeinem Consenß die Confirmation by vnser Gnedigen hogen Ouericheit/ in Underdänicheit gesocht/ vnde erlanget. Vnde darmit sich nemandt/ he sy ryck edder arm/ tho beklagen hebbe dat ehm ahne syn vorweten vnde beleuen/ein Seelsorger sy vpgedrungen worden/werdt nhamals nhamals thom auerfloth der gantzen Gemeine van der Cantzel angemeldet/who wydt wydt mit dem beropenn Dener gehandlet sy/vnd darby vormahnet/who ferne noch jemandt were/der etwas van solcker Person erfahren/darmit der Gemeine Christi nicht moechte gedenet syn/dat he solckes/dersüluen tho dem besten/den Predigern vnde Oldesten jnwendich einer tho syner bestedigung bestemmedeen tydt/andenen wolde.“ 174 Darauf folgt dann der Bericht von der Einführung. Soweit war die Entwicklung bis 1594 gediehen. Das Einspruchsrecht konnte die Gemeinde nur wahrnehmen, wenn sie nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, sondern Gelegenheit erhielt, den Berufenen kennenzulernen. Dafür konnte durch Probepredigten gesorgt werden. Solche sind von verschiedenen Wahlkandidaten bezeugt. 175 Ob diese Einrichtung von Probepredigten bereits in früheren Jahren bestand, läßt sich nicht feststellen. Bei Cooltuin, dem ersten, von dem wir wissen, daß er nach einer ordentlichen Einspruchsfrist eingesetzt wurde, war eine eigentliche Probepredigt nicht nötig, da er bereits längere Zeit als Prediger in Emden arbeitete. Seit den Wahlen der sechziger Jahre gehören die Probepredigten bei unbekannten Predigern regelmäßig zum Bestellungsverfahren. Auch die beiden Predigten, die Alting am 10. und 12. Juni 1575 hielt, dürfen als Probepredigten betrachtet werden. 176 Als man mit Johannes Nicasius, dem Rektor der Lateinschule, verhandelte, um ihn zum fünften Prediger zu bestellen, wird vereinbart, „ he wolden dan up kompstighen sondach to 9 uren na ghebruick dusser kercken up de proeve een sermoon vor de ghemeente doen, so wolde man vort in de kompstighe weke mit de ordentlÿke beropinge voortvaren“. Er bittet, die Brüder mögen ihm sagen, wie ihnen seine Stimme und Gaben gefallen; die Predigtprobe wird endgültig auf den kom- 218 Siebtes Kapitel 174 EKO, 129f. 175 Am 28. September 1566 wird erwogen, die ins Auge gefaßten Kandidaten erst einmal zu hören. Die Einwilligung zur Probepredigt soll bei der Obrigkeit erwirkt werden. Am 23. Januar 1568 wird beschlossen, an den Junker von Ewsum zu schreiben wegen des Predigers von Steenwyck, „vm en in syne gauen tho proeuen hyr ein tytlanck“. Und wenn am 15. Juni 1573 mit dem Rat wegen der Gaben Ostendorps gesprochen werden soll, so sind sie durch eine Predigt erprobt. Am 23. Januar 1576 dringt Alting auf eine Probepredigt des Norder Lehrers Conrad Ebenius. 176 Klugkist Hesse, Menso Alting, 95. mendenSonntag gesetzt, sie soll aber um Mittag in der Gasthauskirche gehalten werden. 177 Diese Predigt ist auch gehalten worden, seine Lehre gefällt den Brüdern, doch möge er sich in der Sprache und den Gesten noch etwas ändern. 178 Nach den unruhigen Wahlen des 7. und 8. Jahrzehnts kommt eine beständige Ordnung in das Probeverfahren. So wird am 23. Dezember 1583 eingetragen: „Nachdem de hoege unde uterste noet gevordert, dat alhÿr noch ein prediger als de vÿffte denar im denst beroepen werde: so hebben de broder nach gebruÿck der apostolischen gemhene ein vastent unde bedent angestellet den 7. Decembris, als dat H(illige) Auontmall geholdenn worde, und darnach Danielem Bernardi pastorem tho Eilsum vorschreven und fruntlick gebeden, dat he hÿr kome unde einmall op ein vrÿdach predigen wolde, dat he dann gedaen hefft, unde is de gemhene woll gevallen. Darop dann de gemhene, prediger und Oldesten deßer gemhene, im Nhamen Gotts versammelt den 16. Decembris, und hebben nach anropinge Gottlichen Nhamens eendrechtlich, affgeveerdiget Johannem Petreium unde Geert Bolardum, omme ehm beroep voerthodragen. Datwelcke zee beide truwelich verrichtet, an den 19. Decembris: und folgens am 23. werder ingebracht, dat oftwoll Daniel grote und marckelicke besweringe voergewendet und nicht zeeckers den broderen thogesecht edder beloevet, so hebben de broder doch ehm so bewoegen mit rheden unde vermaningen, dat wÿ hoepen zÿne persone belangende tho verwilligen. Hebben derhalven de broder operlecht Johanni Pilsumano, dat he Danieli schrive unde uut nhamen unde van wegen der brodern von ehm bidde unde begeere, dat he tegens kumpstigen sondach oder Nÿe-Jars-Dach hÿr kome unde tho 9 uhr in de Grote Kercke predige, op dath de gantze gemhene ehm hoeren und zÿne gaven proeven mach.“ Es kommt noch öfter vor, daß ein Nominierter zweimal predigt. So wird am 8. September 1606 von Matthias Martinius berichtet, er habe am Mittwoch über das Gebet und am Freitag über eine andere „materie“ zu predigen angenommen. 179 Zuerst mag das eine Art Gastpredigt, das zweite Mal eine Nominationspredigt gewesen sein, zumindest bei Bernhard Eilshemius ist es so gewesen. Als nach dem Tode des Petreius eine Dreizahl aufgestellt wird, wird bemerkt, „welcke dre hÿr op verscheiden tÿden idtlicken mhalen gehoret unde alle oeck tho 9 uhren op der proeve geprediget hebben“180.Die Verbindung der Ältesten mit der Gemeinde gab leicht Gelegenheit, die Meinung der Zuhörer festzustellen. Nachdem Hermann Fickius seine Probepredigt gehalten hat, kann die Wahlkörperschaft erklären, „dat sie voor ehre personen aen Dominum Hermannum und sÿne gaeven ein goet genoegen droegen und solckes ock bi den Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 219 177 16. Dezember 1575. 178 19. Dezember 1575. Nicasius wurde nicht fünfter Prediger. Vgl. die Sitzung vom 20., 21. und 22. Dezember. 179 Es wird ausdrücklich bemerkt, „dat man en der gemeine scholde tor prove na gebruck dieser kercken furstellen“. 180 29. November 1596. litmaetenhÿr und daer vernomen“181.Daß nun von dem Einspruchsrecht in einem Falle jemals Gebrauch gemacht sei, geben die Protokolle nicht zu erkennen. 182 Die Probepredigt war seitdem fester Bestandteil der Bestellung. Sie darf als Bestätigung des Rechtes aufgefaßt werden, das der Gemeinde zugebilligt werden mußte, wenn man nicht ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung die Prediger berufen wollte. Schon die Probepredigt ist ein Stück Gemeinderecht, durch das die Gemeinde an der Bestellung ihres Predigers beteiligt wird. Abgesehen von der immer möglichen freien Besprechung der Ältesten mit Gemeindegliedern über etwa zu benennende oder gehörte Prediger wird aber eine geregelte unmittelbare Beteiligung der Gemeinde an der Bestellung durch eine Wahl noch nicht sichtbar. Die Kirchenordnung kennt noch nichts anderes als das Einspruchsrecht gegenüber den ihr vom Kirchenrat, und zwar nach der Eintragung vom 23. Dezember 1583 nur von ihm allein Vorgeschlagenen. Als man sich 1564 um Gibbo Nortorchius bemüht, wird beschlossen, daß mit den Predigern und zwei Ältesten auch zwei Bürger die Berufung der Obrigkeit vorstellen sollen. 183 Das mögen Ratsmitglieder gewesen sein, und als Gemeindeglieder könnten sie so etwas wie eine Erinnerung daran gewesen sein, daß in ihnen die Gemeinde mit dabei ist. Einen Ansatz zu einer Wahl machte die Bildung einer Dreizahl am 28. September 1566 sichtbar. 184 Der Rat sollte die Obrigkeit bitten, „dat wy de dre muchten hyr eerstmhall hoeren unde darna de gansse gemene de vrye koer geven“185.Auffallend ist, daß in der gleichen Zeit Versuche gemacht werden, die Gemeinde an der Ältestenwahl stärker zu beteiligen. Die Aufstellung einer Dreizahl forderte eine Wahl. Die Verhältnisse waren nicht so, daß der Kirchenrat seine Gedanken über die Gemeindewahl schon jetzt weiter verfolgen konnte. Was die Grafen darauf geantwortet haben, bleibt unbekannt, aber das Verlangen zeigt blitzartig, was an Ordnungsgrundsätzen in den Männern des Kirchenrates lebte. Sie bezogen sich auf die Gemeinde in einem gefährlichen Augenblick, der alles Erreichte in Frage stellte. Als sie die Dreizahl forderten und die freie Wahl der ganzen Gemeinde, wurde ein Schritt auf dem Wege getan, der zum 18. März 1595 führen mußte, wenn nicht doch der Graf sich als stärker erweisen sollte. Freiheit für die Gemeinde, das war das Ziel. Daß die Gemeinde nicht einfach alle Maßnahmen in Sachen der Predigerbestellung guthieß, mußte der Kirchenrat erfahren, als er in der Notzeit des großen Sterbens Hilfskräfte einstellte, teils als Visitatoren, teils lediglich als Aushilfskräfte. Unter den dazu Ausersehenen war auch der Neffe Cooltuins, Hin- 220 Siebtes Kapitel 181 21. Juni 1614. 182 Siehe aber S. 221 die Auslassung des Clas Kanne. 183 4. Dezember 1564. 184 Sie besteht aus den Predigern Rudolph von Neermoor, M. Gibbo Nortorchius und Johannes Aportanus von Canum. 185 23. September 1566. richSchonenborch. Man hätte ihn gerne zum Prediger gemacht, aber die Stimmung scheint nicht für ihn gewesen zu sein. Wenigstens wird er gebeten, „dat he he sick hir im denst wolde gebruiken lathen, ofthe velichte der boergeren unde syn harte muchten dorch Gades Geist voreniget werden“186.Mit ihm ist Clas Kanne nicht zufrieden, er hat ihn nach dem Sermon „angesprenget als ein unduichtiger lherer“187.Trotzdem hat der Kirchenrat seine Berufung weiter erwogen; Hinrich aber schlug weitere Verhandlungen ab. 188 Was 1566 noch nicht möglich war, das machte das Jahr 1595 erreichbar. In dem Augenblick, als die Ansprüche des Grafen in einem gewaltsamen Aufbegehren endgültig zurückgewiesen sind, nimmt der Kirchenrat die Gelegenheit wahr, das, was 1566 noch Wunsch blieb, zur Ordnung werden zu lassen. Am 29. November 1596, gut ein Jahr nach der Erstellung des Delfsieler Vertrages, versammelt sich der Kirchenrat in seiner gewöhnlichen Zusammensetzung, die Prediger und die Ältesten, an seinem üblichen Sitzungstage, einem Montag, in der Konsistorienstube der Großen Kirche. Nachdem zuerst ein Bußtag für den 12. Dezember beschlossen ist, fährt das Protokoll fort: „Is oeck ihm Nhamen Goedes nha anroepinge seines Nhamens delibereert und beraetslaget worden von den beroep eines nÿen deners in statt unde plaetze un[ses] sal(igen) mitbröders mitbröders Petrei, und sindt op den koer vorgeslaegen worden Rudolphus Artopaeus, Adamus Kersenbroeck, pastor tho Uphusen, unde Ritzius Lucae, pastor tho Jarsum, welcke dre hÿr op verscheiden tÿden idtlichen mhalen gehoret unde alle oeck tho 9 uhren op der proeve geprediget hebben. Und is oeck hÿr in der christlicher versammelung besloten worden, dat men nach olden christlichen gebruÿck desser gemhene morgen am dingestage den diaconen und vo[ r] neempsten uuth der borgerschaft hÿr tho komen solde verbotschaft worden, umb van deßen godtlichen hoegen handel wÿder tho handelen unde in de vruchte Goedes tho bespreecken.“ In dieser Sitzung handelt es sich um die Aufstellung eines Wahlvorschlages. Es wird eine Dreizahl benannt, deren Mitglieder alle schon Gastpredigten und auch ihre ordentliche Probepredigt gehalten haben. Weiter wird beschlossen, die Wahlkörperschaft zusammenzurufen, die am folgenden Tage einen aus der Dreizahl wählen soll. Dieser Beschluß beleuchtet die Bestimmung der Missive von 1592 und der Kirchenordnung von 1594, die die Zuziehung von Diakonen zur Wahl kennen. In dem Protokoll wird diese Zuziehung von Gemeindegliedern außerhalb des Kirchenrates der alte christliche Brauch dieser Gemeinde genannt. Falls das nicht eine formelhafte stilistische Ranke der sonst sehr bestimmten und Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 221 186 25. November 1566. 187 18. September 1567. Hier lag ein persönlicher Groll vor. Clas beschuldigt Hinrich, daß dieser ihn in seiner Not wie ein „thurc“ gequält habe. Der Kirchenrat erkennt Hinrich für schuldig, sich mit Clas zu versöhnen. Es handelt sich um eine Geldsumme, die Hinrich Clas geliehen hatte. 188 12. Januar 1568. überlegtenEintragung ist, sondern sachlich von Gewicht ist, dann stellt uns diese Eintragung vor ein Entwicklungsergebnis, dessen Anfänge noch im Dunkeln liegen und das ich aus dem mir bisher bekannten Material nicht klären kann. Seit wann die Diakonen der verschiedenen Armenverbände an der Wahl oder auch nur an den Verhandlungen beteiligt sind, in welcher Form, zu welchem Zeitpunkt sie zugezogen wurden, wie die Abstimmung vollzogen wurde, die ja bisher immer nur Zustimmung zu einem vom Kirchenrat Vorgeschlagenen sein konnte, weiß ich nicht zu sagen. Seitdem Alting nach Emden kam, sind noch drei Pfarrwahlen bis 1596 gehalten; keine läßt erkennen, daß zu irgendeinem Teil der Bestellung andere Gemeindeglieder zugezogen wären als Kirchenrats- und Ratsmitglieder. Für ihre Beteiligung ist auch die Geschichte der Armenverbände heranzuziehen, die für den wichtigsten Verband, die Hussittende- Armen- Diakonie noch gar nicht geschrieben ist. Über das Gasthaus ist zu sagen, daß es 1557 eingerichtet wurde, seine Organisation war anscheinend erst 1564 durchgeführt; seitdem hatte es Vorsteher, die für eine Wohltätigkeit in Frage kamen. Die Fremdlingen- Armen organisierten sich seit 1554. Nur die Schiffer- Armen- Diakonie reicht in vorreformatorische Zeit zurück. Die Große Diakonie für die eigentlichen Gemeindearmen ist 1557, wie die Protokolle ausweisen, schon vorhanden, aber ob sie noch eine Schöpfung a Lascos ist, bleibt durchaus undeutlich. Ich kann mir nicht denken, daß die Diakonen so rasch und selbstverständlich in die Bestellungsordnung mit einbezogen sind, da doch der Kirchenrat selbst seine Aufgabe auf diesem Gebiet erst näher zu ordnen hatte. 189 Eine Spur, die die Beteiligung wenigstens der eigentlichen Gemeindediakonen erklären könnte, dürfte in der Antwort auf die Frage liegen, ob die Diakonen mit dem Kirchenrat zusammen tagten. Das ist nun anfänglich der Fall gewesen. Älteste und Diakonen sollen nicht beide Ämter in Personalunion bedienen: „ De dat ene ampt bedenet, sal dat ander nicht bedenen.“ 190 Und gerade die erste protokollierte Kirchenratssitzung vom 16. Juli 1557 ist eine Sitzung mit den Diakonen der Stadt und der Fremdlinge, von denen es heißt: „Tom eersten sint hyr erschenen in de vorsamlyinge der predicanten und olderlinge der gemeene bynnen Emde(!) de diaconen der Stadt Emden. (...). Noch sint hÿr erscheenen de vorstenders der fromdelingen.“ Von den Diakonen heißt es am 22. November 1557: „Doch ßo se konen, solen de dre diakonen hyr alle mandage komen.“ 222 Siebtes Kapitel 189 Zur Geschichte der Schiffer-Armen (Clementiner-Brüderschaft) siehe die Stiftungsurkunde vom 8. Januar 1495 bei Friedländer II, 433-435.Die Geschichte der Fremdlingen- Armen ist beschrieben durch J. Mülder jr., Die Diaconie der Fremdlingen-Armen.Zur dritten Säcularfeier des Instituts im Jahre 1858. Neuausgabe in: Die Diakonie der Fremdlingen- Armen in Emden 1558-1933.Über das Gasthaus handeln: Denkschrift der Kommission zur Regelung des Gasthauses, 1872. Reimers, Die Säkularisation der Klöster, in: Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands, Heft 6. Über die Hussittenden-Armen siehe siehe den Abschnitt aus der Emder Kirchenordnung von 1594, in: M. Hennig, Quellenbuch zur Geschichte der Inneren Mission, Hamburg o.J.,41f. 190 22. November 1557. Danachhat jeder Prediger für seinen Bezirk einen Diakonen, die an den Kirchenratssitzungen teilnehmen können. Eine Regel ist aus dieser Zutrittsgewährung nicht gemacht worden, aber es läßt sich denken, daß der freie Zutritt auch die Möglichkeit gewährt hat, an den Verhandlungen teilzunehmen. Mehr als ein Ansatzpunkt ist das allerdings nicht. Denn erstens ist damit über die anderen Armengilden nichts gesagt, und zweitens hat sich die Versorgung der Armen durch die Diakonen allmählich zu einer regelrechten Körperschaft entwickelt, die selbständige Sitzungen abhielt, eigene Ordnungen und Arbeitsformen aus den Erfordernissen ihrer Tätigkeit gestaltete und so eng wie zu Anfang nicht mit dem Kirchenrat verbunden blieb. Was die Beschreibung der Bestellungsordnung von 1592 und 1594 zu erkennen gibt, und was der Beschluß vom 29. November 1596 nach altem Brauch vor sich gehen läßt, die Einladung der Diakonen, wird nun aber ergänzt durch die Bestimmung, daß auch die vornehmsten Mitglieder der Bürgerschaft zu der Zusammenkunft geladen werden sollen. Daß auch das alter christlicher Brauch dieser Gemeinde sein soll, erscheint mir schwer möglich. Oder sollte die abschließende Verhandlung mit einem Kandidaten schon in früheren Jahren in größerer Öffentlichkeit vor sich gegangen sein? Irgendein Anhaltspunkt für eine entsprechende Vermutung begegnet in den Akten nicht. Dies Versagen der Quellen läßt sich höchstwahrscheinlich dahin deuten, daß der alte christliche Brauch recht jungen Datums ist und wenig ins Gewicht fiel, solange die Wahlen nichts waren als Verhandlungen über eine vom Kirchenrat vorgeschlagene und gewünschte Person. Was diese Wahl vor allen bisherigen auszeichnet, ist das Planmäßige in der Vorbereitung. Eine regelrechte Dreizahl, deren Kandidaten vom Kirchenrat bestimmt sind und ihre Gast- und Probepredigten gehalten haben, wird einer Körperschaft vorgeschlagen, die nicht nur aus den Diakonen, also letztlich Amtsträgern der Gemeinde besteht, sondern die auch Bürger in sich fassen soll. Keine Verhandlung mit dem Rat, keine Benachrichtigung des Grafen wird mehr erwähnt. Die Eintragung läßt eindeutig sichtbar werden, worauf die Aufmerksamkeit der Männer des Kirchenrates gerichtet gewesen ist. Die denkwürdige Wahl wird mit folgenden Worten eingetragen: „Am 30. Nouembris sint ihm nhamen Goedes prediger oldesten, vnd der Huissitten Armen, des Gasthuises, Schippern vnde Fremden Armen Diaconi oder Vorstanderen mit oeck ein groter antall der borgeren vnd broeder hyr versamlet vnd erschenen, vnd nach anroepung Gotts vnd eine christliche erinnerung vnd vermahnung: Sindt de vorbenoembde dre denaren vnd predigern vorgeslagen worden: Vnd is eine guede ordnung angestellet, als dat ein jeder des nhame welcken he syn stemme worde geuen op ein zedelchen schriuen vnd vmbgeckert in ein schottel geworpen, vnd darnae opgelesen vnd angeteckent worden: Vnd wytt de meeste stemme op Ritzius gefallen: Vnd is voerts am 1. Decmb. sodane beroep oder erwelung einem Erb. Raeth vorgedragen, de dan oeck darinne fullenkomelich Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 223 verwilligetvnd ingestemmett, vnd voerts ehre hulpe vnd beforderung in den Gotlichen beroep vortthosetten angelouett.“ Eine freie geheime Wahl mit Stimmzetteln, das war die Form dieser Predigerbestellung. Und das verstand der Kirchenrat unter Wahlfreiheit: daß ihm niemand dareinredete und er den Wählern eine Dreizahl vorschlagen konnte. Diese Form war zwar 1566 angestrebt, aber erst jetzt nach dreißig Jahren erreicht. Offenbar ist nach dem Ton der Eintragung zum ersten Male so verfahren worden; von geheimer Abstimmung war bisher nie die Rede, wie überhaupt nirgendwo sichtbar wird, wie der Kirchenrat seine Beschlußfassung jeweils vollzog. Wenn nun auch die Wahlfreiheit für die Gemeinde seit Jahrzehnten auf dem Wege der Bestrebungen lag, die den Kirchenrat erfüllten, wenn er das Ziel seiner Grundsätze ansteuerte, so darf ohne Verzerrung der geschichtlichen Tatsachen gesagt werden, daß ohne 1595 ein ähnlicher Erfolg nicht so rasch erreicht worden wäre. Der demokratischen Revolution folgte die kirchliche auf eigenen und fremden Grundlagen und mit ihren sachlichen Zielen auf dem Fuße, ja, es ist schwer zu sagen, was jeweils zuerst wirksam wurde. Eine Kirchenratssitzung, die sich mit dem Begehren des Grafen, die Armenrechnungen einzusenden, zu befassen hatte, löste eine Bürgerversammlung aus; im Chor der Großen Kirche hielt Alting eine Rede, die der Auftakt zu weiteren Schritten wurde. Die Bürgerschaft wurde unter die Waffen gerufen, Hauptleute, neu ernannt, übernahmen die Leitung, die wichtigsten Punkte der Stadt wurden besetzt; am Abend des 18. März 1595 sah der Neue Markt die Bürgerschaft versammelt, um in einer Art von Covenant die „ feierliche Erklärung“ abzugeben, „ ihre Freiheit gemeinsam zu verteidigen und einander nicht im Stiche zu lassen in Not und Tod“191. Die Predigerwahl vom 29./30.November 1596 war ein Echo auf die Ereignisse des vergangenen Jahres. Aber im gleichen Maße, wie die Revolution wohl neue Männer nach vorne brachte und ein ständig gespanntes Verhältnis zum Grafen schuf, der die freie Stadt in seinem kleinen Staate nur als ein Hindernis für die angestrebte Fürstenherrschaft betrachten konnte, ohne daß die Stadt in der Lage war, das Erworbene weiter auszubauen, so folgte auch der Predigerwahl von 1596 keine bleibende Neuordnung der erreichten Maßnahmen. Weder die Dreizahl noch die Beteiligung von Bürgern und Brüdern kann als bleibendes Ergebnis dieses Anlaufes angesprochen werden. Aus der 1596 befolgten Ordnung hat man kein Gesetz gemacht. Als man im Jahre 1604 für Johannes Pilsumanus (Zuidlaraeus) Ersatz suchen mußte, wird keine Dreizahl aufgestellt; Rotger Biermann aus Hinte hat am 20. Mai eine Probepredigt gehalten, der am 23. Mai eine außerordentliche Versammlung folgt „ und sindt de bröder gevraget, wo enen solche predige gevallen und wat darvan de borger und borgerinnen rededen“, von einer Wahl ist nicht die Rede. Das weitere Verfahren ist ganz das alte; der Kirchenrat trägt die 224 Siebtes Kapitel 191 Klugkist Hesse, Menso Alting, 395. geplanteBerufung dem Rate vor, der Rat stimmt ihr zu, und durch Abgesandte beider Körperschaften wird der Graf „supplicando“ um die Konfirmation ersucht. Sie kommen mit dem Bescheid, „dat S(ÿn) G(enaden) den amptluden upleggen wolde, vorerst de gemeinte tho Hintha und Oisterhusen, darnach Rotgerum sulvest tho hoeren“. Am 17. Juni ziehen ein Ratsherr, ein Prediger und ein Ältester nach Hinte, wo in ihrer Gegenwart der Amtmann Franz Frese Rotger die gräfliche Konfirmation vorliest und einhändigt, worauf Rotger am 8. Juli eingeführt wird. Ebenso verläuft die Wahl des Herborner Professors Matthias Martinius, er wird am 13. September 1607 als fünfter Prediger eingeführt, ohne daß eine Dreizahlbildung oder Wahl wie 1596 vorgenommen worden ist. Nach seinem Weggang werden Verhandlungen mit Uchtemann erwähnt, die Alting führt. Er fragt den Kirchenrat, ob er mit Uchtemann weiter verhandeln soll, nachdem der Rat sich anscheinend mit der Person und Predigt einverstanden erklärt hat. Der Kirchenrat wünscht noch einen oder zwei zu hören; danach soll „na desser kercken ordninge wider in dem beroep eines predigers“ gehandelt werden. Petrus Petreius in Woerden soll durch D. Daniel besucht werden; falls aus dem Rat niemand mitgehen will, wird ein Ältester Daniel begleiten. 192 Petrus predigt dann mehrmals in Emden und wird ohne weitere Nominationen gewählt. So hält man es auch bei Hermann Fickius aus Hinte und Joachim Wendland. 193 Zu einer Dreizahlbildung kommt es vorläufig nicht mehr. Die folgenden Wahlen gehen immer nur um eine Einzahl. 194 Erst am 5. April 1624 stellt der Kirchenrat aus einer Großzahl wieder eine Dreizahl auf; der Rat bringt es fertig, den ihm mißliebigen Kandidaten Petrus Rhodius, weil er „stoltz vnnd der Stad nit wohl affectionirt were“, von der Dreizahl abzusetzen und an seiner Stelle Johannes Mutius aus Steinfurt zur Wahlpredigt einladen zu lassen. Dieser wird auch nach der Probepredigt gewählt, er lehnt aber ab. 195 Während dieser neuen Bemühungen um eine Dreizahl kommt es zu weitläufigen Verhandlungen und allerlei Kämpfen um die rechte Wahlordnung, die zu dem Beschluß führen, immer nur eine Person zu nominieren, „in Betrachtung Betrachtung daß solches dem alten herkommen dieser kirchen gemeß, große Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 225 192 13. August 1610. 193 Bemühungen um Abraham Scultetus in Heidelberg, um Menco Sutoris in Nordhorn und um Hermann Ravensperger in Steinfurt waren voraufgegangen. Fickius wird am 14. August 1614 eingeführt. 194 Joachim Wendland, vertriebener Prediger aus Aachen, wird am 11. Dezember 1614 eingeführt; Samuel de la Vigne wird am 7. Dezember 1619 gewählt und am 13. Februar 1620 eingeführt; er stirbt am 5. September 1621; Friedrich Salmuth, gewählt am 8. Dezember 1621, eingeführt am 13. Januar 1622. Eine Wahl Heinrich Altings, des bekannten Heidelberger Historikers, führt nicht zum Ziele, siehe Protokoll vom 20. August 1623, 17. November 1623, 15. März 1624. Die Berufung des Professors Scultetus erfolgt auf Anregung des Rates am 15. Februar 1622. Die Konfirmation soll lt. Eintragung am 7. Oktober 1622 eingeholt werden, nachdem er nach Harkenroht, 24 schon am 6. Oktober eingeführt war. 195 Verhandlungen im Sommer 1624 werden mehrfach protokolliert. Zwei Briefe von Mutius bei den Akten. Vneinigkeitvnnd Zwispalt dadurch vnter den Brüdern des Consistorij verhütet vnnd abgewendet, vnnd von viel gehörten Personen (darauß nur eine angenommen wird) Schimpf vnnd Spott kann zurückgehalten werden“196.Die beiden Gründe sprechen für sich. Eine Dreizahlbildung mußte Parteien hervorrufen, die den Kirchenrat spalteten. Es zeugt der Beschluß von Selbsterkenntnis und auch von einer schönen Rücksichtnahme auf die aufgestellten Kandidaten, denen man eine Probepredigt mit immer fragwürdiger Wahlaussicht nicht zumuten wollte. Eine Wahl hatte der Kirchenrat damit unmöglich gemacht, um andere „inconuenienten“, wie er sich 1566 ausgedrückt hatte, zu verhüten. Ob das Unheil der Parteibildung und der Zurücksetzung der beiden nicht gewählten Pastoren nicht durch einen zu hohen Preis abgewendet war, wenn der Kirchenrat den 1596 eingeschlagenen Weg nicht verfolgte, wird nach der Einstellung des Forschers und Rechtssystematikers beurteilt werden. Sicher sind es seelsorgerliche Gedanken gewesen, die hier den Kirchenrat zu einem solchen Beschluß bewogen, mit dem eine neue Rechtsentwicklung abgebrochen wurde. Der Kirchenrat ist aber damit seinem ursprünglichen Ansatz nicht treu geblieben. Er hat nicht gewagt, in der Richtung weiter zu denken und zu gehen, die ihm durch die Entscheidungen von 1595 und 1596 nahegelegt war. Der Revolution folgte in Emden politisch und kirchlich, wie üblich, eine Reaktion, die aus der Angst vor ihren eigenen Anfängen geboren wurde, und die zu früh müde wurde, groß gedachte und in ihrem Kern gesunde Ansätze reifen zu lassen. Mit diesem Beschluß wich der Kirchenrat wieder einen Schritt zurück hinter das Ergebnis einer Entwicklung, die er selbst gewollt hatte. Doch wird zugleich deutlich, daß die kirchliche Ordnung keineswegs starr geworden ist, und schließlich wird das eigentliche Anliegen aller Kämpfe nicht aufgegeben; denn die gemeindeeigene, einspruchsfreie Bestellung eines Predigers bleibt durchaus möglich. Nach dem Beschluß ist in Zukunft auch verfahren, und zwar in der Weise, daß im Kirchenrat eine Großzahl aufgestellt wurde, wenn ein Prediger berufen werden mußte. Aus dieser Großzahl wurde durch Stimmzettel oder öffentliche Abstimmung ein Prediger nominiert; wer die meisten Stimmen auf sich vereinigte, wurde zur Probepredigt eingeladen, und nach der Predigt, meistens noch während er in Emden war, gewählt. Solche Großzahlen finde ich erwähnt am 14. Juli 1623 mit 10, am 5. April 1624 mit 13, am 27. September 1624 mit 10, am 17. September 1625 mit 15, am 18. Dezember 1626 mit 14 Namen. Sie führten alle zur Benennung eines einzigen Kandidaten. Mit dieser Regelung haben die früheren Formen der Verhandlungen über einen oder mehrere Pre- 226 Siebtes Kapitel 196 Beschluß vom 6. September 1624. Aus dieser Wahl ging Georg Placius siegreich hervor; dessen Berufung legen Outhof, Waarschouwinge, Emden 1723, 229, Reershemius, 502, Kochs bei Meyer, 261 ins Jahr 1620. Hier hat einer vom andern abgeschrieben. Er ist am 13. Oktober 1624 gewählt, während am 11. November 1625 Hetzelius und am 10. November 1626 Johann Placius gewählt werden. digereine feste Ordnung erhalten, die geeignet war, dem Kirchenrat genügend Freiheit in der Auswahl eines Predigers zu lassen. Der Gemeinde jedoch und der Wahlkörperschaft, die sich im Laufe der Zeit gebildet hatte, wurde damit eine wirkliche Wahl nicht ermöglicht. Konnte doch der Kirchenrat selbst jetzt nur auf Grund seiner mehr oder weniger eindringenden Personalkenntnisse oder auf Veranlassung maßgebender Stimmen einzelnen Predigern einen Platz auf der Großzahl geben. Vermehrt werden konnte diese Einsicht in die Fähigkeiten eines Predigers durch Besuche von Ältesten in den Gemeinden, deren Prediger für eine Wahl in Frage kamen. Das ist auch häufiger geschehen. Nicht nur die Bildung des Wahlaufsatzes fand in den Wahlen zwischen 1620 und 1630 ihre vorläufige Ordnung, sondern ebenso die andere Maßnahme, die der Kirchenrat 1596 als einen bedeutsamen Einschuß in dem Gewebe des Bestellungsrechtes vorfand und weiter vordringen ließ, nämlich die Beteiligung anderer Kreise aus der Gemeinde als nur der eigentlichen Mitglieder des Kirchenrates selbst. Solange die Obrigkeit über die bloße Bestätigung des Gewählten hinaus erhebliche Rechte bei der Stellenbesetzung hatte, und die einzelnen Akte noch nicht so stark in Erscheinung traten, war eigentlich für eine geordnete, mehr als nur beratende und zustimmende Mitwirkung anderer kaum Platz. Erst als die Möglichkeit gegeben war, sich freier zu bewegen und den Bestellungsvorgang in seine einzelnen, auch kirchenrechtlich gewichtigen Teile zu zerlegen, als der Nomination nicht nur Verhandlungen mit der Obrigkeit und dem Rat mehr folgten, an deren Entscheid der Kirchenrat doch stark gebunden war, sondern man sich bewußt wurde, daß zu einer Nomination auch eine Berufung gehörte197,daß eine Berufung eine Probepredigt voraussetze und eine Wahlhandlung nötig mache, da war auch die Zeit für den Ausbau der Ansätze gekommen, die sich von 1592 an rückwärts im entwicklungsgeschichtlichen Dunkel verlieren. Das Wichtigste war, eine handlungsfähige Wahlkörperschaft zu finden. Sie bot sich dar in den Männern, die durch ihre Arbeit dem Kirchenrat eng verbunden waren. Die beiden Quellen, denen wir einen ersten Hinweis auf die Zuziehung der Diakonen verdanken, die Missive gegen Hamelmann von 1592 und die Emder Kirchenordnung von 1594, sind in einer Kleinigkeit ihrer Darstellung verschieden. Die Studentenmissive gibt an, daß die Prediger, Ältesten und Diakonen beratschlagen, wo sie einen oder mehr tüchtige Personen finden, die sie auf die Probe vorstellen können. 198 Ohne wesentliche Veränderungen übernimmt die Kirchenordnung diese Darstellung, die sie lediglich aus dem Hochdeutschen ins Sassische übersetzt. Nur behauptet sie nicht, daß die Berat- Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 227 197 Als man mit Rudolph von Neermoor verhandelte, wurde er gefragt, ob er auch eine Berufung annehmen werde, nachdem man sich entschlossen hatte, ihn kandidieren zu lassen. Die Berufung werde ohne Zweifel einhellig ergehen. 15. Januar 1567. 198 Missive, 90. Sie berichtet über das Wahlverfahren ausführlich. schlagungüber den zu Nominierenden mit den Diakonen zusammen stattfinde. 199 Auch stellt sie in ihrem Bericht einzelne Satzglieder um, so daß sie, anders als die Missive, allein von den Predigern und Ältesten sagt, daß ihnen die Sorge für die Kirche besonders aufliege, während die Missive die Sorge um rechte Prediger allen drei Parteien der Wahlkörperschaft anbefohlen sein läßt. Die Missive stellt es so dar, als seien Prediger, Älteste und Diakonen in Pfarrwahlsachen Beauftragte der Gemeinde, während die Kirchenordnung davon nichts sagt, sondern den Gesichtspunkt der Regierung herausstellt. Wollte etwa die Kirchenordnung mit dieser stillschweigenden Zurückweisung der betonten Herausstellung der Diakonen als gleichberechtigter Partner im Wahlverfahren die Missive verbessern? Wenigstens deutet sie damit schon an, wohin die Entwicklung trotz des 29./30.Novembers 1596 laufen wird. Der Kirchenrat gesellt sich zwar Wähler zu, aber eine wirkliche Entscheidung läßt er sie ebensowenig fällen wie den Rat oder den Grafen. Er hat die 1596 begonnene Linie nicht wirklich durchgezogen. Über die beiden Berichte hinaus, die vor 1595 liegen, macht das Protokoll eine geordnete Wahl sichtbar. Außer den Diakonen sind auch Bürger und Brüder, also Glieder der weiteren und engeren Gemeinde, zugegen. Das geht über die Berichte weit hinaus. Die Wahl von 1596 gibt diesem Jahr eine ähnliche Bedeutung für das Werden der Emder Kirchenordnung, wie sie die Jahre 1544, 1547 und 1554 haben. Die Teilnahme der Diakonen wird von jetzt ab auch bei anderen Wahlen bezeugt. Als man Martini nominiert hat, wird mehrmals von den „semptlicken broderen“ 200 gesprochen, und in der entscheidenden Berufungsversammlung sind Prediger, Älteste und Diakonen „wedderumme“ beisammen, beisammen, um ihre Erfahrungen über die Stimmung und Meinung der Gemeindeglieder auszutauschen. Das läßt darauf schließen, daß sie auch in der außerordentlichen Sitzung vom 23. Mai 1604 dabei waren, als Rotger Biermann gewählt wurde, wo die Versammelten ebenfalls gefragt wurden, wie ihnen und den Bürgern und Bürgerinnen die Probepredigt gefallen habe. Und auch am 2. September 1610 sind sie wieder dabei, als es um Petrus Petreius geht, aber auch jetzt nach der Probepredigt; sie sind wieder das Sprachrohr der Gemeindemeinung. Am 5. Oktober wird mit Petreius noch einmal verhandelt, wobei auch die Kirchvögte zugegen sind; das erklärt sich aus notwendigen Besprechungen über die Besoldung, Witwenversorgung usw. Hermann Ravensperger hat am 17. April 1614 eine erste Predigt gehalten „mit goet genoegen der gantschen borgerschap“; er soll am Mittwoch noch einmal predigen, im Anschluß an die Predigt soll die Berufung ausgebracht werden, wozu „hÿr op it consistorium alsdan sollen verschÿnen de prediger, oldesten, kerck-vogeden, hooftund onderdiaconen sampt de diaconen der vreemder und des gasthueses armen. 228 Siebtes Kapitel 199 EKO, 128. 200 6. und 15. September 1606. Daerbÿock vruntlÿck eenige van den heren solen bÿ gevordert werden.“ 201 Die Versammlung findet statt und führt zu einer einhelligen Berufung. Die Wahlen von 1604, 1606, 1613 und 1614 bestätigen die Berichte von 1592 und 1594 durchaus insoweit, als zwar nicht die Nomination schon in der größeren Versammlung vollzogen wird, aber doch die Berufung, die nur deshalb zu keiner richtigen Wahlhandlung werden kann, weil jeweils nur ein Probeprediger vom Kirchenrat vorgeschlagen wurde. Diese Wahlen der beiden ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts lassen die Beteiligung der Diakonen zu einer festen Ordnung werden, auch die Kirchvögte stimmen mit. Die Nomination und Veranstaltung der Probepredigt liegen beim Kirchenrat, die Berufung wird in der erweiterten Versammlung durchgeführt, die durch die genannten Kreise gebildet wird, auch zwei Ratsmitglieder sind dabei. So werden Hermann Fickius am 21. Juni 1614 und Joachim Wendland am 12. Oktober 1614 bestellt. Die Beteiligung der Diakonen und Kirchvögte hat damit ihren festen Platz. Von einer Beteiligung freier Kreise aus der Bürgerschaft oder der Gemeinde ist aber nach 1596 nicht mehr die Rede. Die Wahlgerechtsame werden 1623/ 24 zu einem Streitgegenstand zwischen dem Kirchenrat und den Körperschaften, ja sogar im Kirchenrat selbst. Am 11. Juni 1623 ist die Frage zu beantworten: „ Ob die Kirchvögde zur Nomination des neuen Predigers sollen berufen werden. Ist einhällig ( außer einem voto) geschloßen worden: Weiln daß Consistorium, nit aber die Kirchvögden, die Gemeine representiren: auch kein Exempel fürhanden, das die Kirchvögden iemals solcher Nomination beygewohnt hetten: das solch klenod vnd Priuilegium, billich auch hinfort, beim Consistorio allein gelaßen werde.“ Es muß danach im Kreise der Kirchvögte das Verlangen lebendig geworden sein, die Alleinherrschaft des Kirchenrates in Sachen der Predigerbestellung zu brechen und weitere Kreise an der Wahl zu beteiligen. Nachdem der Kirchenrat die Dreizahlbildung als Ausgangspunkt einer Wahlbehandlung verworfen hatte, lebte in dem Wunsche der Kirchvögte die Bemühung um eine echte Beteiligung der Gemeinde an der Predigerwahl wieder auf, sie ist wohl nie mehr ganz verschwunden gewesen. Es ist ja auch schwer denkbar, daß die 1595- 1596 entfesselte Bewegung spurlos verschwunden sein sollte. Wenn schon keine wirkliche Wahl möglich gemacht wurde, dann wollte man an der Benennung des Probepredigers beteiligt sein, um wenigstens einen Ausgleich für das entgangene Recht zu gewinnen. Am 14. Juni 1624 protokolliert Salmuth: „ Ist Quaestio movirt: Ob die gantze wahl der neuen Prediger dem großen Consistorio competire: oder, ob dem kleinen Consistorio allein die Vorwahl der neuen Prediger zukomme? Ist per majora ( wenig stimmen außgenommen) beschloßen worden, daß das kleine Consistorium, nach alten gebrauch, erstlich eligiren soll: darnach die eligirte Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 229 201 18. April 1614. Persondem großen Consistorio fürstellen, deßen gutachten darüber zu hören: Ob deme solche Person anständig sey oder nit?“ Das Begehren der Kirchvögte scheint nur ein Vorstoß gewesen zu sein, dem der Begriff auf der ganzen Linie folgte. Die Diakonen und Vorsteher der Armenverbände melden sich. Sie haben die 1596 anhebende Entwicklungslinie ausziehen wollen, und zwar im Sinne des Ansatzes. Ausgelöst wurde dieser Angriff durch die 1624 noch einmal aufgestellte Dreizahl Abdias Widmarius, Dido Henrici und Wessel Emmius, die, nach der Absage durch Emmius, durch Johannes Mutius aus Steinfurt ergänzt wurde. Mutius ist der Kandidat des Rates, auf den Rat stützt sich der Kirchenrat, nun er die Frage nach dem Recht der erweiterten Wahlkörperschaft zu lösen hat. Kirchenrat und Rat sind sich offenbar einig in dem Bestreben, aristokratisch zu regieren. Im Rate war diese Neigung in den abgelaufenen dreißig Jahren immer stärker geworden, und der Kirchenrat stand dieser Entwicklung nicht fern. Der Streit um die Zuständigkeit zeigt beide Körperschaften im Bund, um weitere Kreise auszuschließen von Rechten, die man sich selbst dereinst ertrotzt hatte. Am 16. Juni wird eingetragen: „ D. Syndicus ( Althusius) vnnd R( atsherr) Kupperschlager ( ein Ältester) referiren: Daß Bürgermeister vnnd Rath dem kleinen Consistorio das Jus electionis nochmals laßen, solcher gestalt: Daß Prediger vnnd Eltesten, auß drey gehörten Personen sich über einer vel unanimiter, sive per majora vergleichen: Vnnd solche Person nochmals dem großen Consistorio, ad approbationem vel rejectionem fürstellen sollen. Hiervf ist Dominus Johannes Mutius, Prediger zu Steinforden, per majora erwehlt worden: seine person vf morgen, dem großen Consistorio fürzustellen.“ Am 17. Juni wird Mutius mit 36 gegen 9 Stimmen gewählt, nachdem er „ nach vorhergehender wahrer anruffung Göttlichen nhamens“ dem in außerordentlicher Sitzung versammelten großen Consistorium vorgestellt und „ optima forma recommendirt worden“ war. Der Kirchenrat hat also noch einmal eine Dreizahl aufgestellt, aber er hat die Folgerung bewußt nicht gezogen, die man 1566 ziehen wollte und 1596 ebenso bewußt gezogen hatte. Die Überlieferung der Kampfzeiten sollte die kirchlichen Fragen durch eine stärkere Heranziehung der Gemeinde gelöst wissen. Diese Wahl veranlaßte den Kirchenrat, sich mit einer Frau Geertgen Stefens zu beschäftigen, die Jürjen Habben und Jan Reidmacher nachsagte, sie hätten sich beklagt, daß Mutius ihnen aufgedrungen wäre. Als der Kirchenrat der Nachrede nachging, blieb die Beschuldigung auf Reidmacher allein liegen, der im Kirchenrat erklärte, diese Aussage stelle nicht seine Auffassung dar, sondern er habe sie beim Auseinandergehen des großen Consistoriums von einem Flamen gehört. 202 Der Unmut des Diakonen der Fremdlingen- Armen wird verständlich, wenn man bedenkt, daß der Kandidat des Rates den Sieg davongetragen hatte. Vielleicht lassen sich die neun Nein- Stimmen auch dahin deuten, daß sie der ganzen Wahlordnung 230 Siebtes Kapitel 202 21. und 28. Juni 1624. widersprechensollten. Die auffällige Bereitschaft des Rates, die Rechte des kleinen Kirchenrates zu bestätigen, beleuchtet die ganze Angelegenheit in bedenklicher Weise. Der Kirchenrat versteift sich auf sein Recht, er will in diesem Falle die Gemeinde vertreten, so daß es bei einer Mitwirkung der Gemeinde oder der zur Teilnahme gelangten Gemeindekreise nicht mehr bedarf. Der Kirchenrat hielt es für nötig, am 21. Juni über die Ordnung des Kirchenrates zu sprechen und einer schriftlichen Ordnung auch den Beschluß vom 14. Juni über das Recht der Vorwahl einzuverleiben, das ihm der Rat zuerkannt hatte. Die Zeiten waren vorüber, in denen der Kirchenrat dankbar für jede Gelegenheit war, der Gemeinde seine Sache als ihre eigene nahezubringen. Als jede neue Predigerwahl noch eine Machtprobe war, die über den Inhalt der Verkündigung und den Umfang des Einflusses gemeindefremder Stellen entschied, als noch der Kirchenrat politische Verwicklungen befürchten mußte, wenn er sein Regierungsrecht betätigte, da mußte man froh sein, jeweils die leitenden Gesichtspunkte und Grundsätze bewährt zu haben. Im Ringen mit dem Hof und seinen Treibern bekam das Eintreten des Kirchenrates für die Freiheit der Gemeinde einen großen Zug; nun es nach außen hin nichts mehr zu wahren und zu erringen gibt, wird aus dem Ausbau der Ordnung Zuständigkeitsstreiterei und Parteigezänk. Im Kirchenrat selbst vertraten Ritzius und Petreius das Anliegen der „ Volksvertretung“, während Salmuth und Scultetus, die beiden ausländischen Prediger, entgegengesetzter Auffassung waren; sie erkannten dem Kirchenrat alle entscheidenden Maßnahmen zu. 203 Die beiden Ostfriesen haben wahrscheinlich einer Entwicklung wehren wollen, die in Stadt und Kirche zu erkennen war. Ritzius hieß die scharf ausgeprägten, der Stadt im Grunde verderblichen Selbständigkeitsgelüste nicht gut, die im Rat ihre unentwegten Vertreter hatten. Im Jahre 1623 hatte der Rat den Kirchenrat aufgefordert, die Fürbitte für das Grafenhaus zu ändern und von Enno nicht mehr als der Obrigkeit zu reden, und der Kirchenrat hat sich diesem Ansinnen gebeugt, da der Rat und die Vierziger Enno III. nicht als ihre Obrigkeit anerkennen wollten, bis der Graf die Neutralität mit Spanien zustande gebracht hätte. 204 Nun hatte sich Ritzius während dieser Zeit bemüht, die unumgänglich nötige Beruhigung der Beziehungen Emdens zu dem Grafen herzustellen. Er hatte bei Enno durchaus Entgegenkommen gefunden; war der Hof in Emden, nahm Ritzius sogar das Amt des Hofpredigers wahr. In seinem nicht zu beseitigenden Mißtrauen gegen den Hof verlangte der Rat, daß Ritzius diesen Verkehr aufgeben solle. Die Einwände des Kirchenrates, daß der Graf sich dann einen lutherischen Hofprediger in Emden halten würde, wozu er berechtigt war, verfingen nicht; der Kirchenrat mußte wieder nachgeben. Anstatt einen Ausgleich zu suchen, versteiften sich die städtischen Machthaber darauf, daß der Hof noch immer wie zu Zeiten Edzards der eigentliche Feind Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 231 203 13. August 1623. 204 25. August 1623. Emdenssei. Diese Ansicht blieb die Grundlage der kleinlichen Stadtpolitik, weil sie allein Beständigkeit der Verhältnisse zu sichern schien, die den an die Macht gelangten Kreisen unaufgebbar schienen, wenn ihre Herrschaft und der gewohnte Gang der Dinge gesichert sein sollten. Gegen diese Entwicklung hat sich Ritzius gewehrt. Er und seine Freunde haben es getan unter Wahrnehmung der Spielregeln, die für das kirchliche Leben jener Tage galten. Hatte Menso Alting vielleicht noch hoffen können, die Revolution auch in der Kirchengemeinde volkstümlich zu machen durch die Teilnahme von Bürgern an der Predigerwahl, konnte er diese Beteiligung als ein echtes Erfordernis der rechten Ordnung ansehen und zugleich träumen, die Ideen des neuen Kurses dadurch in den Herzen der Bürger zu verankern, wenn er die tätige Beteiligung weiterer Gemeindekreise ins Auge faßte – wenn auch ohne Erfolg, wie der Wegfall dieser Kreise bei späteren Wahlen beweist –, so haben Ritzius und Petreius in ihrer besseren Vertrautheit mit den Menschen und Zuständen ihrerseits der Gefahr der Cliquenwirtschaft zuvorzukommen gesucht, indem sie wenigstens den Ansatz von 1596 zu retten suchten. Sie wollten echte Teilnahme, wirkliche Entscheidungen, sie haben die Gefahr der Parteiungen und Gruppenbildung für geringer gehalten als die doch recht abgeschlossene und geheime Personalpolitik des Kirchenrates. Doch hatten sie schon nicht mehr die Mehrheit der in den beiden Körperschaften sitzenden Männer für sich. Ritzius selbst war durch die denkwürdige Wahl von 1596 ins Amt gekommen, er dürfte den Geist dieses Jahres haben wahren wollen, aber auf dem Rathause und in der Konsistorienstube wehte schon ein anderer Wind, und sehr befruchtend war er nicht. Man regierte, aber man wagte nicht mehr, die Vergangenheit sinnvoll fortzusetzen. Der Kirchenrat beeilte sich, den Rat noch einmal um Entscheidung anzugehen, ohne die Armenverbände zu fragen. Am 19. Juli erschienen drei Ratsverwandte, zwei Bürgermeister und ein Ratsherr auf der Konsistorienstube, um den Kirchenrat zu ersuchen, den Streit gütlich beizulegen, um Weiterungen zu vermeiden, oder die Streitpunkte in Gutachten darzustellen und dem Rat die Entscheidung zu überlassen. Althusius wiederholte am 26. Juli das Ratsersuchen. Beide Parteien nahmen es an. Am 23. August wurden beide Denkschriften im Kirchenrat verlesen in Anwesenheit von Ratsmitgliedern. Die Herren nahmen sie mit aufs Rathaus. 205 Daß die Auseinandersetzungen lebhafte Formen angenommen haben, ist leicht zu denken; Ritzius, den schon die Handschrift als einen beweglichen, temperamentvollen Charakter kennzeichnet, scheute sich nicht, dem Kirchenrat am 9. August gehörig seine Meinung zu sagen; er warf ihm vor, daß hier „ im Consistorio oft solche Schlüße gemacht würden, welche Gottes wort vnnd den alten löblichen Gebräuchen zuwider lieffen“. Er wird dazu verur- 232 Siebtes Kapitel 205 Es ist möglich, daß die Streitschriften noch im Ratsarchiv vorhanden sind. teilt,seine Vorwürfe in der nächsten Zensur zu beweisen oder zurückzunehmen. Ritzius entschuldigte sich wegen seiner Heftigkeit. Er scheint eingesehen zu haben, daß er das Ohr der Mehrheit nicht habe. Und da er eine weitere Einmischung des Rates erst recht nicht wünschen konnte, stimmte er einem Vergleich zu, der eine erste Festlegung der Wahlordnung durch eine statutarische Bestimmung bedeutete. Den Forderungen der von Ritzius vertretenen Ansicht konnte ein Vergleich schwerlich genug tun, wenn er nicht stärker in die Linie von 1596 zurücklenkte und das damals Versuchte planvoll ordnete. Weil der Vergleich das nicht tat, brachte er auch nicht den Ausgleich der verschiedenen Strömungen. 206 Aber im Augenblick hat er den Streit abgedrosselt. Das Bündnis mit dem Rat war wirksam. Denn in Stadt und Gemeinde waren es im Grunde dieselben Männer und Familien, die für alle Körperschaften die Amtsträger stellten. Es durfte schon nichts Entscheidendes, Neues mehr passieren. Am 6. September 1624 wird eingetragen: „In strittigen Puncten vnnd differentz, die Vorwahl der Prediger betreffend, ob dieselbe dem ordinario oder extraordinario Consistorio zustehe? ist zwischen den Brüdern deß Consistorij güttliche Vergleichung geschehen, alß folgt: Erstlich, daß dem kleinen Consistorio (sonder Zuziehung des Großen) die Vorwahl, das ist die Nomination, Examen, Presentation vnnd Commendation deß neuen Predigers gebühr vnnd gelaßen werden soll. Zum andern, daß nur eine Person soll citirt, gehört, vnnd wofern sie von Predigern vnnd Eltesten tüchtig befunden worden, dem großen Consistorio zur vollen Wahl, das ist zur approbation oder rejection, fürgestelt werden soll. Wurde aber die citirte vnnd gehörte Person vntüchtig vom kleinen Consistorio erkant, so soll sie zuvor abgedanckt, vnnd hernach vmb eine andre bequemer Person vmbgesehen werden. In Betrachtunge, daß solches dem alten herkommen dieser Kirchen gemeß; große vneinigkeit vnnd zwispalt dadurch vnter den Brüdern des Consistorij verhütet vnnd abgewendet: vnnd von viel gehörten Personen ( darauß nur eine anghenommen wird) schimpf vnnd spott kann zurückgehalten werden. Doch will ihme (=sich) das ordinari Consistorium in alle wege vorbehalten haben außer der Stadt zwey oder mehr Personen (inmaßen auch zuvor oftmals geschehen) durch ihre deputierten, in geheim zu hören: damit man also in der Person, so herein vocirt vnnd zur Prob vfgestelt werden soll, desto gewißer gehen möge.“ Die drei anwesenden Prediger und neun Älteste unterschrieben eigenhändig das Abkommen, als erster Ritzius selbst. Und als am 13. Oktober Georg Placius zu wählen war, „ hatt man erstlich die Vergleichung in puncto Electionis ministrorum fürgelesen; welche die gantze Versamlung mit stillschweigen approbirt“. Damit war das Recht des Kirchenrates klar umrissen, und zwar Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 233 206 Über die weitere Entwicklung des Predigerwahlrechts siehe die Notizen bei Meiners II, 627f. hatteer sich auf Kosten der Gemeindekreise, die zur Wahl hinzugezogen wurden, die eigentliche Entscheidung völlig zugesprochen. Was nach der Probepredigt noch folgte, war in den meisten Fällen eine Scheinwahl. Dieser Regelung mußte auch der Rat wohl oder übel zustimmen. Als er die Nomination des Placius verhindern wollte mit dem Hinweis, daß niemand im Rate Placius kenne, und einen eigenen Kandidaten wie im Falle Mutius benannte, wurde ihm unter Hinweis auf den Vergleich dies Ansinnen abgeschlagen. Gegen eine Stimme lehnte der Kirchenrat die Nomination eines zweiten Predigers und damit den Eingriff des Rates in die Rechte des Kirchenrates ab. Beruhigt waren damit die Gemüter in der Stadt nicht. Am 31. Januar 1625 hatte das Consistorium sich mit einer Lästerschrift zu befassen, die seine Wahlpolitik angriff und ihm Vetternwirtschaft vorwarf. Dem Kirchenrat konnte eine solche Öffentlichkeit nicht gefallen, durch die Sitzungen mehrerer Monate hindurch kam man darauf zurück. Es gab also Stimmen, die sich gegen die Lösung der einmal gestellten Aufgabe wehrten. Die künftigen Angriffe werden sich gegen das so gut wie ausschließliche Recht des Kirchenrates richten, darüber zu bestimmen, wer als Prediger nach Emden soll. Aber vorläufig werden fünfzig Jahre darüber vergehen, bis die Predigerwahl wieder auf der Tagesordnung steht. 207 Ein Wahlstatut mit seinen wenigen Sätzen war das Ergebnis der Kämpfe von achtzig Jahren. Es behielt dem Kirchenrat alle wichtigen Schritte vor und ließ den weiteren Kreisen nur das Ja oder Nein zu einer vollzogenen Entscheidung des Kirchenrates. Vergleicht man das Begehren von 1566 und die Wahl von 1596 mit der Wahlvergleichung von 1624, dann will es einem scheinen, als hätte man drei Brückenpfeiler vor sich, aber der dritte Pfeiler steht nicht genau in der Richtung der Bahn, die durch die beiden ersten Pfeiler gewiesen wird. Die Richtung der Straße ist abgelenkt. Die Ansätze zu einer wirklichen Wahlordnung waren durchaus vorhanden, aber sie wurden mit der Begründung, das Ansehen der Prediger nicht schädigen zu wollen, indem man ihnen den Wettstreit der Wahl zumutete, und Auseinandersetzungen über sie im Kirchenrat zu vermeiden, was zu zwiespältigen Willensäußerungen führen konnte, unwirksam gemacht. Der Kirchenrat stellte die Beteiligten, einschließlich des Rates, vor vollendete Tatsachen und schuf für sich selbst durch den Vorbehalt, andere Prediger in ihrer Gemeinde hören zu dürfen, doch nur einen dürftigen Ersatz für die Dreizahl und eine wirkliche Gemeindewahl. Aus den geschilderten Vorgängen erhellt, daß der Kirchenrat teilhat an dem Niedergang des öffentlichen Lebens in der Stadt. Die großen Gesichtspunkte, die man einem Menso Alting in seiner Kirchenpolitik nicht absprechen kann, haben anderen Beweggründen Platz gemacht. Die Zeit ist vorbei, die mit ihren bewegenden Forderungen den Kirchenrat auf das gefährliche Gebiet der Macht- 234 Siebtes Kapitel 207 Siehe Meiners, a.a.O. probenrief, und die darum auch Entwicklungen auf dem Felde der Kirchenordnung sinnvoll und wesentlich machte. Was zurückbleibt, ist letztlich große Geste ohne Inhalt. Daß einst der Kampf um die Zuständigkeit in Pfarrwahlsachen für den Kirchenrat eine Lebensfrage beschloß, wußte das nachgeborene Geschlecht nicht mehr. Im eigenen Kreise streitend wahrte es Formen, für deren Grund und Inhalt der Kirchenrat Jahrzehnte hindurch unter wechselnden Umständen sich eingesetzt hatte. Daß Alting siegte, war Höhepunkt und Umbruch dieses Einsatzes zugleich. Mühsame Behauptung des Erworbenen tritt an die Stelle des Erwerbs selbst. Die im Gange der Entwicklung gestellte Aufgabe der Bestellungsordnung wurde in aller Vorläufigkeit und großer Fragwürdigkeit gelöst. Die gemeindeeigene, einspruchsfreie Wahl wurde grundsätzlich angestrebt; erreicht wurde sie noch nicht. Die Hintergründe und Begleiterscheinungen dieser Entwicklung: die Revolution der Demokratie gegen den Absolutismus, der Ständestaat gegen die eine Mitregierung ausschließende Monarchie, die monarchomachische Geistigkeit des Denkens vom Volke, vom Vertrage und dem Mitbestimmungsrecht der Regierten her gegen die Unbedingtheit eines Verhältnisses von Oben und Unten, wie es vom Grafen erstrebt wurde, sie dürfen nicht weggedacht, nicht übersehen werden, wenn man den Kirchenrat in seinen Bestrebungen verstehen will; vergessen werden darf auch nicht, daß die Revolution bei ihrem Ausbruch eigentlich durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung im Ansatz schon bedroht war, überholt zu werden. Das Werden einer Bestellungsordnung für Prediger im Zusammenhang der Emder Predigergeschichte ist ein Beispiel für das geschichtliche Gesetz der Wechselwirkung geistiger Strömungen und wirklicher Verhältnisse. Der Grundsatz siegt nicht ungebrochen; er muß sich Umbiegungen, vorläufige Ergebnisse gefallen lassen. Aber da er nun einmal lebendig geworden ist, wartet er darauf, reiner, sachgemäßer verwirklicht zu werden, als es bisher geschehen konnte. Es bleibt noch trotz allem Erreichten – und es ist nicht wenig erreicht – eine Frage; sie zielt auf die tätige Mitwirkung der Gemeinde an der Predigerbestellung über das ihr Gewährte hinaus. Die Antwort ist der Kirchenrat trotz 1596 schuldig geblieben. Er zog es vor, nach Salmuths Ausdruck sich für die Repräsentation der Gemeinde zu halten. Und je mehr die Emder Gemeinde das Gepräge ihres Anfangs verlor und einfach die „ Landeskirche“ der Stadt wurde, desto schwieriger wurde es dem Kirchenrat, abgerissene Entwicklungsansätze wieder anzuspinnen. Ein befriedigender Abschluß ist nicht erreicht, aber verheißungsvoll bleibt die Mühe der Väter und ihr Ergebnis trotzdem. Die Entwicklung des Bestellungsrechtes für die Prediger 235 AchtesKapitel Die theologische Anschauung von der Berufung und der Einführungsverpflichtung im Rahmen der geltenden Ordnung Die Geschichte des Wahlrechtes ist für Emden zuerst seine Predigergeschichte und nicht ein Bericht über ein Wahlgesetz, das etwa am Anfang der Entwicklung gestanden hätte. Der Kirchenrat hat die hier auftauchenden Fragen nicht nach Maßgabe einer den nötigen Entscheidungen vorausgehenden Ordnung gelöst, sondern die jeweiligen Gestaltungen des Rechts durch die kirchlichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten bestimmt sein lassen. Das bedeutet nun nicht, daß dem Kirchenrat nicht bei seinen Maßnahmen bestimmte Anschauungen gegenwärtig gewesen wären, die sein Handeln regierten. Auf die der allgemeinen Kirchenpolitik angehörige Linie, seine Tätigkeit von dem Einspruch und dem übermächtigen Einfluß gemeindefremder Kreise freizuhalten, braucht nicht mehr eingegangen zu werden. Diese Linie ist in der Darstellung der Predigergeschichte und der Rolle, die der Graf, der Rat und auch die Gemeinde selbst dabei spielten, genügend herausgehoben. Ihnen gegenüber vertrat der Kirchenrat den Gedanken, die Gemeinde müsse frei sein in ihren Entscheidungen. Mit dieser Haltung wahrte der Kirchenrat das Erbe a Lascos und darüber hinaus schon das Anliegen der ersten beiden Jahrzehnte, wie es in dem Widerspruch gegen die gräflichen Reformationsversuche und das Interim wirksam erscheint. Wollte er sein Wirken sichern und sein Führungsrecht erweisen, dann mußte er auf dem angefangenen Wege weitergehen und alle gemeindefremden Ansprüche zurückdrängen. Nur so konnte er der Gemeinde die rechte Lehre und die einheitliche Verkündigung in der Stadt erhalten, nur so auch die Prediger in den Grenzen des ihm Möglichen nach ihren Fähigkeiten berufen. Die Darstellung hat ergeben, daß der Kirchenrat sich der Aufgabe bewußt gewesen ist und sie in den Jahren der drohenden Lutheranisierung auch in ihrer Bedeutung für die Selbständigkeit der Gemeinde erkannt hat. Die Bestellung der Prediger barg aber außer dieser mehr kirchenpolitischen Linie noch manche weitere Frage, die beantwortet werden mußte. Es wäre hinzuweisen auf die Frage der Vorbildung der Prediger und der Feststellung ihres Wissens und Könnens, soweit es nicht in der Probepredigt festzustellen war. Diese Frage weiter zu verfolgen würde heißen, die Lebensgeschichte der Emder Prediger zu schreiben, eine in den allermeisten Fällen für die Prediger des hier behan- deltenZeitraumes unmögliche Aufgabe. 1 Das Prüfungswesen hängt mit der Geschichte des Coetus zusammen und kann nur im Zusammenhang einer entsprechenden Darstellung näher erörtert werden; auch dieser Aufgabe steht das fast völlige Fehlen von dokumentarischen Unterlagen entgegen. 2 Geordnet wurden die Vorbildung und Prüfung in dieser Zeit noch nicht. Der Besuch von Universitäten oder Hohen Schulen läßt sich in einigen Fällen vermuten, bei einigen Emder Predigern nachweisen. 3 Eine ganze Reihe von ihnen, von Aportanus an, war literarisch tätig. Nur die Prediger, die man in den Notzeiten der sechziger Jahre wählen mußte, scheinen das übliche, vom Kirchenrat beobachtete Maß persönlicher Eignung nicht besessen zu haben. Mit Menso Alting beginnt dann eine Reihe von Predigern in Emden zu wirken, die den Durchschnitt weit überragen. Was Emden damals galt, zeigen gerade die Predigerberufungen von 1575 an; es fehlte nicht viel, und man hätte den Hofprediger und Prinzenerzieher des verunglückten reformierten pfälzischen Königs von Böhmen nach Emden gezogen; Friedrich ließ ihn nicht ziehen, und Heinrich Alting kam nicht in die Stadt zurück, in der er aufgewachsen war. 4 Wohl blieben Matthias Martinius, Friedrich Salmuth und Abraham Scultetus nicht lange in Emder Diensten, aber ihre Namen gehören mit so manchen anderen zu den besten, die damals im deutschen reformierten Protestantismus genannt wurden. Es waren Vertreter der reformierten Orthodoxie, die mit dem aufkommenden Pietismus von so typischen, ehrwürdigen Männern wie Alardin und Buchfelder abgelöst wurden. 5 Als einzelne Gemeinde konnte Emden nicht wohl eigene Bestimmungen über Vorbildung und Prüfung entwickeln, sondern mußte sich den Anschauungen und Gewohnheiten fügen, die in weiteren Kreisen galten. Wollte man den beobachteten Ordnungsgrundsätzen weiter nachgehen, müßte man nicht nur dem Studiengang der Emder Pastoren nachforschen und die Tätigkeit des Coetus auf dem Gebiete der Vorbereitung junger Theologen auf das Amt aufhellen, man wäre auch genötigt, tiefer in die Geschichte der theologischen Schulen einzudringen, die dem Lebensgebiet der reformierten Kirche zugehören. Dabei spielen niederländische Universitäten naturgemäß erst seit 1575 in steigendem Maße eine bedeutsame Rolle. Ein großer Teil der Emder Pastoren hat sich seine Ausbildung noch auf katholischen Schulen geholt und ist im Gegensatz zu ihnen ohne schulmäßige Ausbildung der Reformation zugefallen. 238 Achtes Kapitel 1 Für einzelne Prediger können aus den verschiedenen Universitätsmatrikeln Angaben über Studiengang und Einfluß erhoben werden. Eine ausgeführte Presbyterologie besitzt die Emder Kirche noch nicht. 2 Die Coetusprotokolle beginnen erst 1642; aus der Zeit vorher sind nur Protokolle einzelner Jahre aus der Zeit des getrennten Coetus (1583ff.)vorhanden. 3 Ein Genfer Studium kann ich bislang nur bei Petrus Petreius nachweisen. De Vries de Hekelingen I, Register sub Petreius, Petrus. 4 8. und 17. August 1623; 17. November 1623; 15. März; 5. April 1624. Dazu Briefe Friedrichs V., in: Nellner, 320 C. 5 Ritschl, Pietismus I, 367. Esist begreiflich und wirft auf die Grundsätze ein Licht, die der Kirchenrat befolgte bei seiner Beurteilung der Vorbildung und Eignungsfeststellung, wenn die Protokolle erkennen lassen, wie aufmerksam der Kirchenrat bei der Betreuung der Flüchtlingspastoren aus den Niederlanden gerade auch auf eine ordentliche Vorbildung achtete, wie er selbst zur Not Prüfungen und Übungen im Predigen veranstaltete und den Coetus in der Wahrnehmung seines Prüfungsrechtes unterstützte. So will der Kirchenrat einen geflohenen Rektor Johannes von Diest, der in seiner Verzweiflung schon einen Saathandel anfangen will, noch eine Zeitlang „in’t studerent in de Hillige Scrift sal underholden“, um zu versuchen, ob er nicht für den Predigtdienst „westwert“ sich eigne. 6 Als die Gemeinde Antwerpen einen jungen Mann schickt, der in Emden zum Abendmahl zugelassen werden soll, beschließt der Kirchenrat, ihn nicht nach Antwerpen zurückkehren zu lassen, sondern ihn nach Heidelberg zum Studium zu schicken. 7 Als die Diakonen klagen, daß sie die Masse der sich als geflüchtete Prediger ausgebenden Niederländer nicht versorgen könnten, entscheidet der Kirchenrat, daß geprüft wird, ob einige zum Predigtdienst taugen, andernfalls sollen sie ein nährendes Handwerk lernen. 8 Am 20. September 1568 trägt der Rektor Bernerus eine lateinische Notiz ein: „Suffridus, Valerius, Johannes Sthazenius sollen am Donnerstag um ein Uhr einen Beweis ihrer Lehrgabe in der Kirche vor dem Konsistorium liefern.“ 9 Nach Ablegung der Predigtprobe vermahnt D. Hardenberg sie zu weiterem Studieren und Beten. 10 Im Jahre 1607 wird dem Schulmeister Ursinus gesagt, er solle sich des Predigens enthalten oder nur vor dem Kirchenrat predigen, bis er vom Coetus geprüft sei. 11 Ebenso soll der Studiosus Matthias Petri erst im Kirchenrat predigen, bevor man ihm erlaubt, in der Kirche vor der Gemeinde aufzutreten. 12 Eine Ausbildung und Prüfung gehört also für den Kirchenrat zu einer ordentlichen Amtsführung dazu. Er wird darauf und auf ihren Nachweis auch bei seinen eigenen Pastoren nicht verzichtet haben. Soll das Bild von den Triebkräften, die die werdende Ordnung der Ämter, insbesondere des Predigtamtes, formen, nicht allzu unvollständig bleiben, dann ist auf zwei weitere Züge in diesem Zusammenhang hinzuweisen, die sich der Forderung einer ordentlichen Ausbildung und Prüfung sinnvoll anschließen: die Anschauung von der Berufung und der Verpflichtung des berufenen Predigers. Schon wie der Kirchenrat sich um die Befähigung zum Amt bemüht, zeigt, daß er nicht schwarmgeistigen Gedanken verfallen ist. Ihm genügt für den Nachweis Die theologische Anschauung von der Berufung 239 6 17. Dezember 1565. 7 10. Mai 1566. 8 28. Juli 1568. 9 „ Suffridus, Valerius, Johannes Sthazenius die Jovis prima hora specimen docendi in Ecclesia in Consistorio edent.“ 10 23. September 1568. 11 7. Juni 1607. 12 2. Mai 1617. derBefähigung nicht ein behaupteter innerer Besitz an Erkenntnissen und Begabungen, beides muß nachgewiesen werden im Umkreis des Erkennbaren. Ebenso verhält er sich gegenüber den Fragen, die durch die Aufnahme des Berufungsgedankens in die Bestellungsordnung entstehen mußten. Mit der Berufung auf den Geist war man in Emden seit dem Aufenthalt Karlstadts und Melchior Hofmanns im Lande nur zu rasch bei der Hand. Und die ständige Berührung mit dem Täufertum hat die geisttreiberischen Neigungen in der Pflege und Begründung des christlichen Lebens keineswegs vermindert. Gerade in der Sorge um eine rechte und wirksame Berufung mußte nach dem Wirken des Geistes gefragt werden. Um so beachtlicher ist es, daß der Kirchenrat in den Auseinandersetzungen über die rechte Berufung immer wieder Gelegenheit fand, darauf hinzuweisen, daß die Verborgenheit des Geisteswirkens die Mittelstellung der Menschen und irdischer Organe geradezu bedinge. So kam es oft zu einem geistlichen Ringen in den Sitzungen des Kirchenrates, und es ist bezeichnend, daß wir über die verschiedenen Begleitumstände bei der Predigerbestellung kaum soviel hören als über die Berufung und Verhandlungen über sie. Da die Behauptung einer mechanischen Nachfolge der Apostel für die Tätigkeit der evangelischen Prediger nichts mehr begründete als die Einheit der Kirche, aber gerade nicht mehr die gültige Berufung des Predigers zu seinem Dienst, wurde alle Berufung auf den Willen Gottes bezogen, der sein Wort gepredigt haben wolle. 13 Damit wird im Umkreis der Reformation die Berufung auf das Wort Gottes ausgerichtet, und zwar in dem doppelten Sinne, daß das Wort und seine Darbietung das Ziel der Berufung eines Predigers ist, wie seine Geltung für den Glauben und Dienst eines Berufenen feststehen muß. Das erste wird zum Inhalt des Berufes, den die Berufung begründet; dabei hängt die Berufung selbst am Widerfahrnis des Wortes und wird als innere Berufung verstanden, wozu die äußere Berufung der Gemeinde tritt, die die Ausrichtung des Dienstes am Worte durch die Verpflichtung auf das in ihr geltende Verständnis des Wortes zu sichern sucht. Denn Berufung und Verpflichtung gehören von der Geltung des Wortes her zusammen, sie sind begründet in dem bestimmten und nicht frei bestimmbaren Inhalt des Amtsauftrages. Der Amtsauftrag umfaßt den Dienst am Wort und wurzelt in der Spannung, die unvermeidlich zwischen der inneren und äußeren Berufung herrscht und nicht aufgelöst werden kann, da die innere Berufung ohne die äußere den Dienst am Wort dem Eigenwillen des Berufenen ausliefert, während die äußere Berufung unter Verzicht auf die innere das Wirken des Geistes ausschließlich an die Tätigkeit der Ordnungsmaschine binden würde. Die Verpflichtung auf das Verständnis des Wortes, das in der Gemeinde gilt, zeigt der Betätigung des Amtsauftrages den Weg. Es wurde bereits gesagt, daß für die Männer des Kirchenrates die Frage der Berufung besonders wichtig war, weil sie sich durch die Arbeit der Täufer immer 240 Achtes Kapitel 13 Achelis, Praktische Theologie, 3. Aufl., I. Band, 72ff. wiedervor die Frage nach der Rechtmäßigkeit ihrer Berufungen gestellt sahen. Die Täufer bestritten diese Rechtmäßigkeit, und diese Bestreitung zwang die Glieder der herrschenden Kirche, sich ständig mit den Gründen und Gegengründen ihrer Auffassung von der Predigerberufung auseinanderzusetzen. Bereits Faber hatte in seiner Schrift gegen die Wiedertäufer 1550 als ersten Grund der Täufer für ihre Absonderung von der öffentlichen Kirche ihre Behauptung zu bestreiten, „dat de predicanten de sendinge Gades edder vocation der Gemene Gades nicht hebben/gelick wo alle Propheten/Christus vnde de Aposteln“. Faber weist auf den grundlegenden Unterschied zwischen den Propheten bzw. Aposteln und den heutigen Predigern hin. Die Propheten hatten eine unmittelbare Berufung von Gott ohne Vermittlung durch Menschen, sie waren an keinen festen Ort gebunden. Dagegen sind die Diener der Kirchen an den Ort gebunden, falls nicht die Not, der Nutzen und die Förderung der Lehre es anders fordern. Den Seinen hat Christus befohlen, öffentlich im Licht zu predigen, was er ihnen im Finstern gesagt hat, Matth. 10. Die Täufer mögen nur nach dieser Ordnung Christi ihre Prediger berufen und öffentlich auftreten lassen, anstatt heimlich und in verborgenen Winkeln. Denn diese Ordnung muß durch die Kirche Christi innegehalten werden. Sie ist durch die Bestellung solcher Diener durchzuführen, „de ordenlick van Godt dorch middel der minschen beropen“ sind. 14 Am 26. Juli 1557 befaßt sich der Kirchenrat mit dem der Wiedertauferei verdächtigen Severin Kopperslager. Unter den verschiedenen Fragen, die Brass ihm in der Sitzung vorlegt, heißt die zweite: „ Ofte he ock bekent, dat de denst, den de deneren alhyr bedenen, ofte se den ock bedenen nach Godes Wordt und ofte he ock bekennet de lere, de se leren, recht in der summa. Darup he geantwordet, dat he dat bekent, doch wol [ richtig: voel] er sick bedrovet, dat se den geest Davids wedergesproken hebben, de regeren sal van ewicheit tot ewicheit. Darup unse geantwordet, dat se David Joris wedergesproken hebben als eyn geest van duvel, dewyle he sick in Christi stede stelt und sick groter erkent dan Christum und syn liden tor salicheit vortret. So dem ßo ys, ßo bekent he ock, dat sulkes unrecht ys und holdet myt uns.“ Am 24. Februar 1558 muß ein Gemeindeglied gefragt werden: „ Ofte he de denst desser gemeente ock vor Christi denst bekenne, und wyl desulve ock tot gelegener tydt gebruken. He bekent de denst hyr Christi denst tho syn und wyl hem darin gehorsam syn.“ Im Gespräch mit den Täufern 1578 wurde unter Nr. 7 von der Gemeinde und ihren Merkmalen und unter Nr. 8 von der Wahl und Berufung der Diener gesprochen. 15 Schon a Lasco hatte in seinen Briefen an Joris gerade den Anspruch einer besonderen Sendung Die theologische Anschauung von der Berufung 241 14 Faber, fol. B- C iii. 15 Das Protokoll liegt mir nicht vor. Meiners II, 13; Blaupot ten Cate, Geschiedenis der Doopsgezinden in Groningen, Overijssel en Oost- Friesland, Leeuwarden 1842. Tweede Deel, bl. 94. undBerufung zum Gegenstand seiner Anfragen an Joris gemacht und ihn aufgefordert, diesen Sendungsanspruch aus der Schrift nachzuweisen. Diese Hinweise machen deutlich, wie die Berührung mit den Täufern dem Kirchenrat die sorgfältige Berücksichtigung der bei einer Berufung mitschwingenden Anschauung von ihrem Recht und ihrer Wirksamkeit geradezu aufdrängte. Die Gemeinde war von diesen Einflüssen ständig bedroht und mußte sich von der Gestaltung ihrer Berufungen und den darin lebendigen Auffassungen ständig Rechenschaft geben. Sie konnte keinen ihrer Prediger, besonders nicht in der ersten Zeit, berufen, ohne sich die Lehre von der Berufung zu vergegenwärtigen. A Lasco stellt gegen die Täufer fest: „ Nach den Aposteln Christi gibt es für uns nur noch eine Art von Berufung.“ 16 Berufung geschieht nach dem Aufhören unmittelbarer göttlicher Berufungen durch Menschen als Werkzeuge Gottes. Die so berufenen Diener haben das Evangelium zu predigen, das der Maßstab für die Wahrheit und Kraft der Berufung ist. Die rechte Berufung erhält ihre Bestätigung aus der Vertretung der reinen Lehre. Darum fragt Brass nach dem Bekenntnis nicht nur zu dem Recht der Berufung der Emder Prediger, sondern ebenso nach dem Bekenntnis zu dem Recht, d. i. der Richtigkeit bzw. der Wahrheit der von ihnen vertretenen Lehre in der Summa. Beides trägt sich gegenseitig. Rechte Berufung und rechte Verkündigung sind aufeinander bezogen. Brass ist anscheinend der Meinung, daß die rechte Berufung der Emder Prediger bestätigt wird durch ihre rechte Verkündigung. Man darf beides nicht voneinander lösen. Doch wäre es sicher zu weitgehend zu schließen, daß die rechte Berufung auch die rechte Verkündigung verbürgt. Faber kennt noch weitere Früchte der rechten Berufung aus der Verkündigung recht berufener Prediger. Wenn die Täufer den Predigern den Mangel rechter Früchte vorwerfen, dann darf man auf Folgendes hinweisen: Die Predigt des Evangeliums, die selbst eine Frucht rechter Berufung ist, ist dem Papismus ein Geruch zum Tode geworden, den Täufern hat sie Befreiung aus dem Reiche des Antichrists und des Teufels gebracht, durch unsern Dienst ist das geschehen. Und wenn die Täufer von uns ausgegangen sind, dann haben sich doch einige durch den Dienst am Wort zurückgefunden. Weitere Früchte sind die Bücher und das Lesen und Schreiben der Unsern, Martin Luthers deutsche Bibel, die doch auch die Wiedertäufer mit ihren Schülern nicht missen mögen, die Gesänge Luthers und vieler anderer, die auch die Wiedertäufer singen. Eine herrliche Frucht rechter Verkündigung und rechter Berufung ist die Armenversorgung der Emder Gemeinde. Alle diese Früchte dienen der rechten Berufung zur Bestätigung, weil sie zeigen, wie sich das von einem recht berufenen Prediger verkündigte Wort auswirkt. Das ist eine handgreifliche und massive Beweisführung, aber so stritt man damals widereinander, und dahinter steckt doch eine Entdeckung, die nicht 242 Achtes Kapitel 16 A Lasco II, 567: „Nos autem unicum duntaxat vocationis genus post Christi Apostolos in Ecclesia statuamus.“ mehrverlorengehen durfte, sollte das Reformationsanliegen bei der Berufung vertreten werden. Man schützte sich nicht durch eine Ableitung des evangelischen Amtes von den Aposteln, man stellte sich mit dem kirchlichen Amt hinein in den Begründungszusammenhang, den das Ergehen der biblischen Botschaft für den Dienst am Wort darbietet, ungedeckt durch einen behaupteten Zusammenhang mit dem einmaligen Amt der Apostel. Das Bekenntnis zur rechten Berufung ist das Wagnis des Glaubens. Rechte Berufung ist wirksam in dem Einsatz der Berufenen und dem, was sie so schaffen; es kommt aus Glauben und zielt auf Glauben. Gegen die Täufer mußte das Lehrstück von der Berufung streitend durchdacht werden. Der Kirchenrat hatte aber auch je und dann Gelegenheit, in seiner Mitte die Anschauung von der Berufung klarzustellen. Am 20. Februar 1558 verhandelt man mit Johannes de Werde, der Schulmeister und Katechismusprediger sein soll. Er ist vom Kirchenrat berufen und von der Gräfin bewilligt. Jetzt erscheint er im Kirchenrat und stellt vor, daß er das Treiben des Geistes nicht fühle, auch die zum Dienst notwendigen Gaben nicht in sich finde, die das Amt erfordert. Er kann darum der äußerlichen Berufung nicht nachkommen, sondern glaubt der Gemeinde besser zu dienen, wenn er das begonnene Studium der Rechte fortsetzt. Der Kirchenrat ist anderer Meinung. Seine Berufung ist eine rechte Berufung, und er kann sie ohne Sünde nicht außer acht lassen. „Dat he auerst vorgyft he hebbe dat driuen des hilligen Geestes nicht dunket Gellio anders; dewyle he dat studium theologicum angegrepen vnnd lust darto heft vnnd gehad heft, de gemeente tho bedenen/Doch gyft men hem dat alles vp syne conscientie dat he darin volge wat he vor Godt weet tho vorantworden vnnd dat he der gemeente beropinge nicht kleen achte de hem darto beropen heft vnnd konnen ock nicht seen he hebbe voererst gauen genoch tot dem ampt dewylese dachlix to nemen moeten.“ Da greift der Älteste Joest de Rose in die Auseinandersetzung ein und erklärt, daß auch die Ältesten sich nicht tüchtig finden für ihren Dienst, sondern nur darum dienen, bis man tüchtigere Männer bestelle; seine Gaben reichen zum ordentlichen Dienst wohl aus, so daß auch er im Bewußtsein der Vorläufigkeit seines Dienstes, so muß man Roses Meinung wohl auslegen, die Berufung annehmen darf. Johannes antwortet darauf, daß er in der Hoffnung angenommen habe, Gott möchte ihn dazu bewegen, was er in keinerlei Weise in sich befinde. Er kann nicht gegen sein Gewissen. Er weigert sich nur, weil sein Gewissen ihn beengt, und nicht, weil er nach Freiheit strebe. In diesem Falle tritt der jeweils mögliche Zwiespalt zwischen innerer und äußerer Berufung schneidend scharf hervor. Der Kirchenrat weiß, daß er die Spannung, die zwischen beiden besteht, nicht wegdeuten darf; er kann nicht seine Berufung in das Amt der inneren Überzeugung des Berufenen einfach überordnen oder diese durch jene ersetzen. Wohl unterstützt er seine Berufung durch Hinweise auf Begleitumstände, die seine Wahl rechtfertigen; es sind Hinweise auf Entschei- Die theologische Anschauung von der Berufung 243 dungen,die Johannes getroffen hat und in denen sich ankündigt, daß er sich dem Amt der Kirche verpflichtet weiß. Aber der Berufene wehrt sich, er weiß sich nicht berufen, er bekennt den Mangel an Geist, ihm schwebt vor, daß der Geist ihn in den Beruf treiben muß, dazu ihn der Kirchenrat beruft. Und dies Treiben des Geistes fehlt ihm, er kann es nicht aufzeigen. Er sieht die Gaben nicht, die ihm die geistliche Vollmacht bestätigen würden. Der Kirchenrat kann ihn mit dieser Haltung nur sich selbst überlassen, er achtet den Gewissensspruch und verlegt die Entscheidung trotz der ernsten Einwendungen, die er meint machen zu können, zurück in die Begegnung des Gewissens mit dem Ruf Gottes. Wie beide Partner ihre Haltung und Erkenntnis begründen, das öffnet den Blick in eine Welt des inneren Lebens, das auch zu dem Bild der Neuordnung der Kirche gehört. Hier wird mit dem Geist gerechnet, er ist bestimmende Wirklichkeit, durch nichts ersetzbar. Der Ruf des Kirchenrates wird nicht abgewertet, die Berufung der Gemeinde fordert von dem Berufenen volle Ernstnahme, sie darf nicht klein geachtet werden, denn, so wird der Kirchenrat überzeugt sein, auch in ihr wirkt der Geist. In die so entstehende Spannung stellt sich der Kirchenrat mit seinem Kandidaten bewußt hinein. Was in der Welt seelischer Bewegtheit und tatsächlichen Verhaltens sichtbar wird, wird nicht unterschlagen; der Kirchenrat weist auf das begonnene Studium hin, auf das Wachstum der Gaben im Dienst selbst, auf die Neigung zum Gemeindedienst, aber das tritt auch nicht an die Stelle der Geisteswirkung; Johannes soll sich in der Verantwortung vor Gott entscheiden. Man ringt miteinander, indem man handgreifliche Beweise ins Feld führt, aber man beugt sich vor der im Glauben anerkannten Macht des Geistes. Wenn Johannes behauptet, das Treiben des Geistes nicht zu fühlen, und darum sich nicht in die Berufung der Gemeinde finden kann, dann begründet er seine Ablehung wie Johannes Zuidaraeus, der am 30. Mai 1575 die Berufung des Kirchenrates zurückweist, „ dewyle he gene roery( nge) des Geistes voelet thut dussen denst“. Auch er achtet seine Gaben für zu gering, um eine solche schwere Berufung anzunehmen. Ähnliche Äußerungen kehren in den Berufungsverhandlungen häufig wieder. Man ist versucht zu sagen, daß die Entschuldigung wegen zu geringer Gaben oder fehlender Überzeugung des Gewissens geradezu zum Stil der Antworten zu gehören scheint, die die Berufenen auf die Anfrage des Kirchenrates geben. Insofern ist sie natürlich ein wertvoller Ausdruck der Verhaltensweise angesichts der geforderten Entscheidung, aber doch nicht in allen Fällen von gleichem Gewicht für die theologische Erfassung des Berufungsgedankens, zumal mit gleichem Nachdruck mehrfach Wohnungs- und Besoldungsfragen und die Sorge um die Betreuung der Hinterbliebenen schon bei der Berufung oder in Verbindung mit dem Dienstantritt zwischen den Beteiligten verhandelt werden. Der Rückzug auf die Unmittelbarkeit des Gewissens zu Gott und die Behauptung, daß das Treiben des Geistes Freudigkeit zur Annahme einer Berufung gebe, 244 Achtes Kapitel schließtnicht aus, daß die Berufung des Kirchenrates als solche auch dem Berufenen genügt, um das Recht und die Gültigkeit der Berufung sicherzustellen. Die entsprechende Haltung wird meistens beschrieben mit den Worten: „Dat he he syck overgeven heft unde gelathen gestelt in de wille Godes unde dat ordell der broederen.“ 17 Darin liegt die Anerkennung, daß die Berufung des Kirchenrates als ein Wink Gottes angesehen wird. Daß die Mitwirkung des Kirchenrates von den Berufenen für wichtig und nötig gehalten wird, um eine ordentliche Berufung zustande zu bringen, zeigt eine Eintragung vom 2. April 1565, in der über die Gewissensbeschwerden eines Diakonen verhandelt werden muß: „Noch ys dar van den diaconen der froemder gemene yegen Laurens de Voss wytloeftich gehandelt van syne beropinge, dar he sulves geen sekerheit van in syne gemote bekent, darvan de broederen in ein starcker bieenkumst werden van handelen, oefte darumme syn beropinge sall swacker geachtet syn, dat he van anvanck van myn h(eren) a Lasco in twier broeder bywesent ane bewilginge der predicanten und der gemene [beropen was].“ De Voß fühlt sich in seinem Gewissen beschwert, daß er 1554 nur von a Lasco in Gegenwart zweier Brüder zum Diakonen bestellt ist. Ihm fehlt die Zustimmung der Prediger und der Gemeinde – es wird nicht deutlich, ob hier an den Kirchenrat oder an eine Vorstellung vor der Gemeinde und ihre Zustimmung gedacht werden muß –, die zu einer rechten Berufung gehört. Der Kirchenrat hält diese Frage für wichtig genug, um eine spätere Behandlung in einer stärker besuchten Sitzung vorzusehen. Als Eilshemius die Berufung ablehnt, wird ihm vorgehalten: „ Diewile die beröpinge der dienaren dorch den Hilligen Geist geregeret worde, dat derhalven sie hem van den beroep nicht befrien, sunder sick daeran holden möten in ansehunge, sie mheer up die upbouwinge der kercken alse sine beswerunge sehen möten.“ Weil er aber bittet, man möge auch noch andere hören, will man das tun. Aber falls kein tüchtigerer Diener gefunden werde, würden die Brüder nicht anders urteilen können, als daß Gott ihn hier gebrauchen wolle, weil doch die Stimmen der Brüder einhellig auf ihn gefallen seien. 18 Der Kirchenrat ist sich bewußt, unter der Regierung des Geistes zu stehen, wenn er Prediger beruft. In diesem Falle wagt er auch daran zu erinnern, daß der einzelne Prediger seine Beschwerden den kirchlichen Notwendigkeiten unterzuordnen habe. Er bekennt in der Einhelligkeit der Entscheidung den Willen Gottes. Dem hat sich der Beru- Die theologische Anschauung von der Berufung 245 17 28. Febraur 1569 Bernhard Borssumanus. 11. August 1572 Gibbo Nortorchius. 14. Juli 1573 Hinrich Holten. 8 Juni 1574 Johannes Ostendorp. 16. Mai 1575 behauptet Joh. Zuidlaraeus, kein Treiben des Geistes in sich zu finden, „van welckeer meninge wy mÿt mannigerleye inrheden niet hebben koenen affbringen“. Sobald er das Treiben des Geistes fühle, wolle er seine geringen Dienste der Gemeinde nicht weigern. Am 30. Mai wiederholt er seinen Einwand; ihm wird noch eine Woche Zeit gelassen, um auf beiden Seiten den Herrn anzurufen. Am 6. Juni sagt er endgültig ab. 18 30. Dezember 1583. fenezu beugen. Es kann nicht wohl bestritten werden, daß diese Verhandlungen theologisch echte Anliegen sichtbar machen. Wir schauen nicht nur einem erbaulichen Gespräch zu, wie es in den Räumen der Kirche nun einmal geführt wird, sondern hören Sätze, die Erkenntnisse und Entscheidungen in sich tragen. Diese Menschen beziehen ihr Tun auf den Willen und Geist Gottes. Sie kennen Formen des seelischen Lebens und Gestaltungen des kirchlichen Lebens, die zu dem Geist Gottes hin offen sind. Eine solche Form ist die Freudigkeit des Gewissens, und die Berufung durch die Gemeinde, die doch aus sehr mühsamen und manchmal sehr durchsichtigen Verhandlungen politischer oder persönlicher Art zu ihrer Berufung kommt, ist eine jener Gestaltungen, die das kirchliche Ordnungsleben gefunden hat. Und doch kann man nicht sagen, daß sie diese Beziehung zu einer mechanischen Gleichsetzung werden lassen; sie achten die Freiheit der Geisteswirkung bei dem anderen als das jedem bindenden Befehl entgegenstehende Zeichen für das durch den Geist im Glauben unterwiesene Gewissen. Die Ordnung der Berufung geht somit aus von dem Grundsatz, daß der Geist frei ist, und kennzeichnet das Berufen als ein geistliches Tun im theologischen Sinne. Die Kirche steht mit ihren Ordnungsversuchen im Spannungsfeld des Geistes und seiner Wirksamkeit. Seine Anschauung von der Berufung hatte der Kirchenrat auch in seiner Sorge für andere Gemeinden zu bewähren. Am 5. April 1563 wird eingetragen: „ Is D. Harmannus Strickker, dener der gemene van Antwerpen, ÿn unser gemene erschenen unde uth commissie van de van Antwerpen dre artikelen voergestelt: a) Thom ersten, dewÿle daer eyn grote gemene ÿs unde van de umeliggenden stede ock voele anfals umme de deners hebben, also dat daer wol ytlike deners van noden wer, oft de deners unde gemene alhÿr nicht enÿge raeth wuste tho geven, um twe deners tho erlangen unde overkomen. b) De anderde frage ÿs, van de erwelynge unde bevestinge de deners.“ Die dritte Frage handelt von einer Frage zum Eherecht. Die erste Frage wird dem Coetus zur Erledigung zugewiesen. „ Tho de anderde frage ÿs geantwert, dat daer mer an gelegen ÿs, dat se ynneliken van Godt worden geropen, dan dorch dat ceremonie der uplygent der handen. So emants van Godt wort geropen unde ock dorch myddel der gemen, so ÿs de vocatie genochsam, alschon queme dar de ceremonie der upleggent der handen nÿcht bÿ.“ Auch hier ordnet der Kirchenrat die innere und äußere Berufung nebeneinander, die eine soll die andere nicht verdrängen, insbesondere darf der Brauch der Handauflegung nicht zum entscheidenden Merkmal der Berufung werden. Gerade durch die Abwehr der Handauflegung als einer sakralen Handlung unterstreicht der Kirchenrat, daß er die Berufung verstanden wissen will als den Vollzug der Anrede Gottes an den Prediger, die durch die Bestellung der Gemeinde ihre Gültigkeit bestätigt erhält. Strikker erscheint am 13. April noch einmal im Kirchenrat mit zwei Fragen: „ Is van Harmanno Striker voergestelt, ofte emants ÿn de hemlike gemente mach eyn dener syn des Wordes, de ofte uth de kappen gelopen edder de pawestdoem 246 Achtes Kapitel vorlatenunde ÿs nycht examinert. Ofte he duchtich daertho ÿs edder nycht, sunder van ytliche dartho bewylliget, de eyne voermoeth van eÿnige gaven hebben. So yst daerup besloten, dat ydt nycht kan voer goeth geacht werden, dat emants wort tho eynen dener ÿn sodanyge gemene angenomen edder tho andere gementen gesendet, alle[ e] r he ordentlik van de gemene geropen unde examinert ÿs. Unde dat ydt nycht dunket ungeraden, dat he alhÿr eyn mant edder ytlike hengesent, up dat de mach leren, wo he schal eyn gemente regeren unde nutliken denen. Tho andern, ofte emants mach eyn dener des Wordes syn overal unde van gen sekere gemene geropen, ÿs geantwort, dat sulke beropynge nycht mach bestan, want sulke beropinge moeth van Godt koemen unde behoeret allenigen den apostelen tho, sunder nu moet de ware deners van eyn sekere gemene geropen werden, wente se moeten heten deners der gemente, etc.“ Die eifrigen Neubekehrten, die gerade aus dem Kloster kamen, wünscht der Kirchenrat keineswegs sofort in einen Dienst treten zu lassen, zumal wenn sie von einigen wenigen nur dazu bestellt sind; Prüfung und Berufung der Gemeinde sind auch in der Kirche unter dem Kreuz Ordnung. Die zweite Frage weist auf die Gemeinde hin, die als Beziehungspunkt der Berufung nicht in den Hintergrund treten darf. Ein freischweifendes apostolisches Wanderpredigertum kann nicht gutgeheißen werden. Und man darf auch sagen, daß die moderne Ordination als selbständige Handlung neben der Berufung und Bestellung sowie die Unsitte, einem nicht Ordinierten das Predigen und Beerdigen zu gestatten, aber die Trauung und die Bedienung der Sakramente zu verbieten, auf dem Boden der Ordnungsgrundsätze, wie sie der Emder Kirchenrat damals vertrat, nicht gedeihen konnten. Es gibt keinen von der Gemeinde losgelösten Dienst. So ist die Berufung nicht nur ein Vorgang in der Seele und dem Gewissen des einzelnen Predigers, sondern ein Ruf der Gemeinde. Jede Auseinandersetzung über die Gültigkeit einer Berufung ist zugleich ein Gespräch mit der Gemeinde, die beruft in der Vollmacht, die ihr gegeben ist. Auf die Gemeinde galt es Rücksicht zu nehmen, durch sie kam der Ruf Gottes an den Berufenen, Diener der Gemeinde ist der Diener des Wortes. Von daher erklären sich die manchmal sehr mühsamen Verhandlungen mit Gemeinden, deren Prediger man begehrt. Als man den Prediger von Wirdum oder von Hatzum beruft, wagt selbst die Gräfin nicht, einen Befehl zu erteilen, sondern verpflichtet den Kirchenrat, zuerst die Gemeinden zufriedenzustellen. 19 Die Gemeinde muß einwilligen und den Nominierten freistellen. Auch die Flüchtlingspastoren, die häufig einer Gemeinde verpflichtet sind, müssen aus ihrer Bindung an die verlassene Gemeinde freigemacht werden. 20 Es stand keineswegs im Belieben des Berufenen, eine Wahl anzunehmen oder abzuschlagen, in beiden Fällen hatte er auf die Gemeinde zu hören. Seine Gemeinde hatte ein Recht an ihm, von dem ihn kein Machtspruch, besonders kein ein- Die theologische Anschauung von der Berufung 247 19 S. 193.199.204 dieser Arbeit. 20 S. 204 dieser Arbeit. seitiger,befreien konnte, sondern nur die Zustimmung der Gemeinde. Odierus Althes schreibt dem Kirchenrat aus Hamswehrum: „ Oeck begheren dese cleyne ghemene hyr thoe Hamswyrhum ende bidden omme Gods willen, men wolde se nycht verlathen, ende wenden oeck zulcke oirsaecken voer daer se myn gheweten nycht weynich mede anuechten.“ 21 Und ebenso schreibt Mutius aus Steinfurt, daß seine Gemeinde ihn nicht freigebe und er deshalb die Berufung nach Emden ablehnen müsse. 22 Und was man anderen Gemeinden nicht zumuten konnte, das wollte man auch der eigenen Gemeinde nicht antun lassen. So fühlte sich der Kirchenrat durch Matthias Martinius übergangen und im Stich gelassen, als er 1610 nach Bremen ging, und brachte das auch zum Ärger Altings in dem Zeugnis zum Ausdruck, indem man ihm bescheinigte, daß er „ ohne unsern consent und bewilligung“ die Berufung nach Bremen angenommen habe. 23 Die Gemeinde ist nicht nur Gegenstand der Berufung, sie handelt in der Berufung verbindlich. Sie wird nicht nur dem Diener anvertraut, sondern sie vertraut sich selbst dem Diener an. Damit hängt zusammen, daß die Gemeinde dem Berufenen mit bestimmten Erwartungen begegnet, die sich auf sein Amt beziehen. Sie bindet seine Tätigkeit in ihrer Mitte an Voraussetzungen, die ihr Bestand seiner Arbeit schafft. Und sie erwartet, daß der Diener diese Voraussetzungen berücksichtigt, ja, daß er sie teilt. Die Voraussetzungen betreffen, mit einem heute üblichen Ausdruck beschrieben, den Bekenntnisstand der Gemeinde; was die Gemeinde erwartet, legt sie dem Gewählten in der Verpflichtungsformel vor. So zielt die Berufung auf die Eingliederung des berufenen Predigers in die Lebensordnung der Gemeinde, die das Verständnis des Evangeliums zum Grund und die reine Lehre wie das in der kirchlichen Ordnung gebundene Leben zum Ziel hat. Schon in dem Sendrecht, das nach Reimers evangelisch überarbeitet ist, wird als Inhalt des Einführungsgebetes angegeben, „ dat de pastoer one recht muchte voergaen mit der Gottlicher leer der Hilligen Euangelii vnd eines guden leuendes, vp dat na der schrifft an er ( der Gemeinde) nemant sich argere“24.Und die Einführungsverpflichtung wird mit den Worten beschrieben: „ Wo de pastor sine schape sal weiden vnd vor den wolff beschermen. De pastor sal ock der gemene lauen ( geloben), dat he se mitt der Rechter warheitt, welck is dat wort Gottes, getruwelich will weiden vnd als Joannes am 10. vor den wolff bescharmen nach alle syne vormoegent vnd dat he ock einen iederen, he sy arm edder ryck, in syner 248 Achtes Kapitel 21 Nellner, 320 A, Brief 116. 22 Nellner, 320 C, Brief vom 1. August 1624. 23 7. Dezember 1610. 24 Reimers, Gestaltung, 32. Text bei Borchling, Niederdeutsche Rechtsquellen, 134. Reimers stützt seine Vermutung wohl auf den Gesamttenor des Textes. Wenn auch der Druck auf jüngere Handschriften zurückgeht, so setzt der Gesamttext Zustände vor 1467 voraus, da die noch erwähnte Propstei Hatzum erst 1467 aufgelöst wurde. Allerdings wird die Messe nicht mehr erwähnt. vterstennoeden mit Gottes wort getruwelich will troesten.“ 25 Damit sind die Stichworte für die Einführungshandlung gegeben. Was die Missive und die Kirchenordnung von der Einführung sagen, liest sich wie eine Auslegung dazu. Die Kirchenordnung beschreibt die Einführung so: „ Dar dann nene beswernissen vorkamen/ schrydet man vor andeninge des Hilligen Nachtmals/ by dem Disch des Hern/ tho syner opentlicken Bestedigung/ vnde fraget de Dener noch thom auerfloeth/ de gantze Gemeine/ effte jemandt sy/ de wedder den einhelligen Beroep wat in tho bringen hadde/ vnde dar desülue mit stillswygen ehren Consenß antöget/ fanget de Dener darup ahn/ van dem Orsprunck/ Werdicheit/ Nothwendigheit/ vnd Nutz des Predigamptes/ vnde who sick beyde de Prediger vnde Thohörer/ darjnne/ nha dem Befehl Gades/ vorholden schollen/ vnde wat leue vnd Trüwe se einander tho bewysende schüldich/ tho erjnneren.“ 26 Ebenso, jedoch bedeutend ausführlicher, hat die Missive den Inhalt der Einführungsvermahnung beschrieben. Nach der Darstellung, die sie gibt, sind ihr folgende Punkte wichtig gewesen: 1. wird die Gemeinde darauf hingewiesen, daß Gott auf das Gebet der Gemeinde hin ihr diesen Prediger verliehen habe, und wie sie ihm dafür Dank schuldig sei; 2. führt sie die nochmalige Erlaubnis zur Einspruchserhebung weiter aus, indem sie in dieser Einführungsvermahnung daran erinnern läßt, daß die betreffende Person sich Gott und der Gemeinde gelassen gestellt habe, und es der Gemeinde freigestellt habe, Gaben und Wandel zu erforschen, Lehre und Leben zu prüfen; sollte die Gemeinde etwas haben finden können, was ihr diese Berufung als undienlich hätte erscheinen lassen können, dann hätte der Berufene ihr die Freiheit zugestanden, an seiner Stelle einen anderen zu berufen; aber da die Gemeinde keinen Einspruch erhoben habe, auch jetzt von ihrem Recht keinen Gebrauch mache, so nehme man das als das Einverständnis der Gemeinde zu der Berufung, die die Prediger, Ältesten und Diakonen mit Vorwissen und unter Förderung der Obrigkeit im Namen der Gemeinde ausgebracht hätten. 27 Es kann nicht bezweifelt werden, daß diese Gedanken den Inhalt der Einführungsvermahnung am Abendmahlstische ausgemacht haben, so daß sich dafür folgende Reihenfolge von Gesichtspunkten ergibt: 1. Dank gegen Gott für die Gabe eines neuen Predigers, 2. Erinnerung an den Anteil des Nominierten und Gewählten und der Gemeinde an dem Zustandekommen der ordentlichen Berufung, 3. Aussagen über das Wesen des Predigtamtes. Dieser letzte Punkt umfaßt Ausführungen über den Ursprung, die Würdigkeit, die Notwendigkeit und den Nutzen des Amtes. Er ist also vierfach gegliedert. Ein 4. Punkt stellt die gegenseitige Verpflichtung beider Parteien, des Predigers und der Gemeinde, heraus. Die Einführungsvermahnung beschreibt in den Punkten, die in ihr berührt wer- Die theologische Anschauung von der Berufung 249 25 Borchling, 134. 26 EKO, 130f. 27 Missive, 93f. den,ein Dreieck, das durch die Gemeinde, den Prediger und den Auftrag und Inhalt des Amtes gebildet wird. Indem sie die Rolle der Gemeinde und des Einzuführenden bei dem Zustandekommen des Amtsauftrages beschreibt, gibt sie der Einführung die Form des Vertrages, der zwischen der Gemeinde und ihrem neuen Prediger über den Inhalt seines Amtes geschlossen wird. Ob nun für diese Vermahnung in der Emder Gemeinde ein festes Formular gebraucht worden ist, oder ob es sich, wie bei der Abendmahlsvermahnung um 1550, um Stichworte für den einführenden Prediger gehandelt habe, läßt sich nicht schlüssig sagen. Eine Erinnerung an ein festes Formular hat sich nicht erhalten; es kann sich im Vergleich mit den Formen der Zuchtübung, für die auch keine festen Formulierungen vorlagen und die doch bei den Zuchtmaßnahmen im Gottesdienst fast immer gleichförmig neu festgelegt wurden, um die Beschreibung einer in bestimmten Grenzen freien Formulierung der zu beobachtenden Reihenfolge von Gedanken handeln, die bei der Einführung zur Sprache kommen mußten. Die Emder Prediger haben sich nicht eingehender über die Punkte geäußert, die die Einführungsvermahnung enthält, so daß sich nicht mit ihren eigenen Worten sagen läßt, worin sie den Ursprung, die Würde, die Notwendigkeit und den Nutzen des Amtes sich darstellen sehen. Nur in ihrer Auseinandersetzung mit Ligarius haben sie in ihrem Reformationsbericht ihre Anschauung von der Berufung auf kurze Formeln gebracht. Sie unterscheiden die Berufung ohne Gott durch Menschen, die Berufung der falschen Propheten, die ihr Laufen und Predigen nach Jeremia 23 nicht auf die Sendung durch Gott gründen können. Davon ist die Berufung durch Gott ohne Menschen zu unterscheiden, wie sie bei den Propheten und Aposteln sichtbar wird. Die dritte Form der Berufung ist nach der Schrift die von den Aposteln in der Bestellung ihrer Mithelfer beobachtete Weise, nämlich von Gott durch Menschen, Apostelgesch. 14. Titus 1. Diese dritte Form ist die für die Kirche maßgebende; der Emder Bericht erläutert diese dritte Form so: „ Na der drüdden Wyse hefft sick de Kercke Christi im ordentlichen Berope erer Dener alletydt vorholden/ welcke/ effte se wol dorch Menschen geschüt/ is se dennoch Gödtlick/ in betrachtinge/ dat Godt der Herr süluest/ dat gantze Werck vorrichtet vnd regieret/ dat is/ He vorordent in synem Rade de Personen/ welckere he jdertydt tho syner Kercken denste gebruken wil: He vorsorget se mit nothwendigen Gauen: He vorschaffet tho rechter tydt/ den ordentlicken Berop: Entlick vorsekeret he dorch synen Geist ere Herten/ van synem gnedigen willen: neget se tho gelycke tho syner Gehorsamheit/ dat se getröstet syner Gegenwordicheit vnde Thosage/ solcken Berop syner Kercken gutwillich annehmen/ vnde sick darjn mit Lehre vnd Leuendt/ also vorholden/ dat se synen Nahmen römlick/ vnde der Kercken erbuwlick syn mögen. Daromme Christus befehlt/ den Heren der Erne tho bidden/ dat he Arbeiders in syne Erne senden wille.“ 28 Die Gemeinde und der Prediger führen in den Verhandlungen, die 250 Achtes Kapitel 28 Emder Bericht, 80-82. zurEinführung führen, den Rat Gottes aus. Sie dienen dem Herrn der Kirche und vollziehen seinen Willen. Alle Ordnung der notwendigen Schritte ist gottesdienstliches Handeln. Die Kirchenordnung gründet im Heilswillen Gottes; daß er Knechte in seine Ernte sendet, ist der Beziehungs- und Angelpunkt alles ordnenden Tuns der Kirche. Der Berufene macht sein Einverständnis mit der Berufung der Gemeinde dadurch deutlich, daß er seine Zustimmung zum Bekenntnis und zur Ordnung der Gemeinde aussprach. Nicht erst bei der Einführung, sondern schon während der Berufungsverhandlungen ergab sich die Gelegenheit, den Probeprediger nach seiner Einstellung zu Lehre und Ordnung der Gemeinde zu fragen. Es sei hier noch einmal an Ostendorp erinnert, der „ myt vullen munde“ seine Zustimmung zu der Lehre, den Zeremonien und der Disziplin der Gemeinde gibt. 29 Auch Johannes Petreius wird, als man ihm die Berufung anträgt, gefragt, ob er mit der Gemeinde in der Lehre übereinstimme. Ebenso, ob er mit der Regierung der Gemeinde und mit den Formen aller anderen Zeremonien einverstanden sei; er spricht seine Zustimmung nachdrücklich aus. 30 Bevor der Katechismusprediger Erasmus Johannis angenommen wird, muß er anhand der 12 Artikel seine Glaubensanschauungen kundtun; er erklärt, daß ihm Lehre, Zeremonien, Kirchenordnung und Disziplin wohlgefallen, „ beter als in Mysen oder Saxen“31. Daß die Prediger mit Handauflegung eingeführt wurden, erfahren wir zum ersten Male aus Anlaß der Einführung Cooltuins. 32 Johannes von Hatzum ist von Arnold Veltmann als dem ältesten Prediger mit Auflegung der Hände eingeführt worden, „unde dat in so groten vheelheit der gemene unde sus (=sonst) anderen, anderen, als lange niet gescheen en is“33.Als Petreius den Hergang der Entlassung Geldenhauers erzählt, der am 8. Januar 1590 in die Pfalz verzog, da berichtet er von der Wahl des Nachfolgers, Daniel Bernhard Eilshemius, und von dessen Einführung am 13. September 1590, der „solemniter vor dem nachtmal in gegenwordicheit der gantzen gemeine up sine vor der gantzen kercken ( zu ergänzen: abgelegten) bekentenisse van einhelligen consenß in der lehr, ceremonien und regierung deser kercken sampt hochster vorplichtung siner getruwicheit mith uplegginge der handen und anropinge Godes in sinem dienst bestediget worden“. Es kann nicht behauptet werden, daß es das erste Mal gewesen sei, daß ein Prediger die Lehr- und Lebensverpflichtung vor der Gemeinde auf sich nahm. Denn auch die folgenden Befestigungen sind fast nur mit den Worten verzeichnet, daß der Gewählte „publico ritu“ 34 oder „by dem Dische dess Hee- Die theologische Anschauung von der Berufung 251 29 8. Juni 1574. 30 21. Mai 1576. 31 16. November 1576. 32 3. Juli 1559. Die Synode von Dordrecht 1574 verbot in Art. 24 die Handauflegung wegen der Gefahr papistischen Aberglaubens; Rutgers, 138. 33 11. März 1565. 34 13. Februar 1597. renopentlick nach older gewonheit“ 35 oder nur „mit oplegginge der handen“ 36 eingeführt sei. Die Einführung war, soweit ersichtlich, gewöhnlich mit einer Abendmahlsfeier verbunden. 37 Die eigentliche Einsetzung als Prediger der Gemeinde wurde durch Beantwortung von vier Fragen vollzogen, deren Wortlaut festlag. Sie sind in der Missive und der Kirchenordnung mitgeteilt. Beide Fassungen werden hier nebeneinandergestellt. 1592: „Vnd als dem beruffenen Diener folgende Fragen (darauff für dem Angesichte des Ertzhirten Christi/vnd seiner Gemein zu antworten) fürgestellet/vnd mit mit Ja von ihm/beantwortet sindt/wirdt er mit aufflegen der Hende/nach dem Apostolischem Brauch/vnd einem eifferigen Gebedt zu Gott dem Allmechtigen im Namen Jesu Christi zum Dienst bestettigt. Die gemelte Fragen sindt vngefehrlich diese:“ 252 Achtes Kapitel 35 8. Juli 1604. 36 13. August; 9. Dezember 1614. 37 Soweit sich Einführungstage feststellen lassen, sind es Abendmahlssonntage. Der 11. März, der Einführungstag Johannes von Hatzums, ist solch ein Sonntag. 1592 „ Erstlich/ Ob er das Zeugnüs des H. Geists in seinem Hertzen empfinde/ das er von ihm erwecket/ vnd bewegt werde/ In dieser Gemein/ den Dienst anzunemen/ solcher Weise vnd Gestalt als ihm auß dem Wort Gottes ist fürgehalten/ Das er darinnen nicht suche seinen eigenen Nutz vnd Ehre/ sondern allein de Ehre Gottes/ vnd Vermehrung des Reichs Christi in seiner Gemeinde/ durch die Predig vnnd Verkündigung seines H. Euangeliums? Demnach ob er glaube/ daß die Prophetische vnd Apostolische Lehre des alten vnd newen Testaments in der Biblischen Schrift verfasset/ sey der einige warhafftige vnd gnugsame grund der gantzen Kirchen Gottes in Christo. Also daß in solchem Grund der Schrifft alle ding begriffen sind: Welcher Seligkeit Grund/ Mittel vnd Haupt allein 1594 „ Darnha/ fraget he den beroepenen Dener vor dem Angesichte Christi vnde syner Gemeine/ Effte he dorch den Hilligen Geist in synem Herten van dissem Beroep vorsekert sy/ vnde den Godt tho Ehren/ vnde der Kercken thom Besten anferdigen wolle/ vnde syne eigene Ehr vnde Nutz darjnne nicht soecken? Effte he de Lehre der Propheten/ vnde Aposteln/ in den Boeckeren des olden vnde nyen Testamentes vorfatet vor einen genochsamen grundt der Salicheit in Christo/ gelöue vnde bekenne? Dietheologische Anschauung von der Berufung 253 38 Missive, 94-97. Jesus Christus ist/ ein Mensch aus den Menschen/ nach dem Fleisch/ Aber auch warhafftiger vnd ewiger Gott vber alles/ gebenedeyet in Ewigkeit. Zum dritten/ ob er in seinem Gewissen empfinde/ vnd derwegen mit dem Munde/ als für Gott dem einigen hertzkündiger/ vnd seiner Gemein bekenne/ das auff denselbigen Grundt der Propheten vnnd Apostel/ auch die Kirch zu Embden/ nach laut ihrer Bekandtnüs im Catechismo verfasset/ erbawet sey/ vnd das er bey dem Grundt/ ohn einiges nebenschreiten in seiner Lehr vnd Leben bestendiglich durch Christi Hilff/ biß an sein Ende verbleiben/ vnd die Kirch in einigkeit der reinen Lehr/ Ceremonien/ Ordnung vnd Disciplin erhalten vnd führen helffen wolle/ auch der Falschen Lehre sich mit Gottes Wort/vnd gebürlichem Eifer vnd Ernst widersetzen vnd straffen? Beschließlich/ Ob er bekenne/ das sein Ampt sey/ das er in seinem Dienst vnsträfflich Lehren vnd Leben soll/ niemand keine Vrsach zu Ergernüs geben/ so wol in der Lehre als im Leben? Vnd wo er in einigem Theil seinem Ampt hierinn nicht würde genug thun/ dadurch eine Ergernüs keme/ Ob er nicht sich selber/ der Brüderlichen Vermahnung/ Auch dem Brauch der Christlichen Straffe/ so wol als die andern Brüder der gemein/ gerne vnterwerffe/ sich nach dem Wort vnd Ordnung Christi/ das es die Noth vnd Nutz der Kirchen erfordern solte/ Vermanen/ Straffen vnnd seines Diensts endtsetzen lassen wolle?“ 38 Effte he bekenne/ dat vp dem süluigen Grundt/ ock de Kercke tho Embden/ nha Lüdt ehrer Bekentenisse im Catechismo vorfatet/ erbuwet sy/ vnd desülue in Eynicheit solcker reinen Lehre/ Ceremonien/ Ordnung vnde Disciplyn/ getrüwelick vnd bestendig dorch Christi gnade wedder alle falsche Lehre vnde Vnordnung erholden helpen wolle? Endtlick/ effte he vornehmens sy/ synen Denst in Lehr vnd Leuende/ ahne ergernisse/ vormittelst Godtlicker hülpe/ tho vortreden/ vnd in mangel dessen/ sick der Kercken Ordnung vnd Disciplyn/ ock beth tho entsettinge synes Denstes/ nha notdruff der Kercken/ vnder werpen wolle?“ DieKirchenordnung fährt nach der Mitteilung der Fragen fort: „ Vnde wenn solcke vorgestellede Fragen/ vor dem Angesichte Gades vnd syner Gemein/ mit ja dütlick beantwordet sindt/ werdt de vorgestelde Dener/ mit vpleggen der Hände nha dem Apostolischen gebruck/ vnd mit einem yuerigen Gebedt/ tho Godt dem Allmechtigen/ im Nhamen Jesu Christi/ in synem Denste bestediget.“ 39 Die Missive bemerkt im Anschluß an die Wiedergabe der Fragen: „ Diese ding hette Hamelman guter massen auß dem 8. Artickel des Gesprechs mit den Widertauffern/ Anno 78 zu Embden gehalten/ wissen mögen/ wo der verkerte Bauchdiener nicht mehr Lust zur Lügen/ als zu Wahrheit gehabt.“ Danach hat die Einführung ihre Form schon 1578 gehabt. Es darf weiter behauptet werden, daß die Missive die Fragen in ihrer wirklich benutzten Form gibt; denn gerade in diesem Falle der Einführung bezieht sich die Kirchenordnung auf die Missive und verweist auf ihre Darstellung, die sie damit ausdrücklich als richtig und zutreffend anerkennt. 40 Die Kirchenordnung faßt den Wortlaut der Fragen kurz zusammen, wie es ihrer beschreibenden Art entspricht. Die Fragen 1 und 2 stimmen nun genau überein mit dem deutschen Text der Ordinantien Mikrons von 1565, und da die Ordinantien Mikrons sich eng anlehnen an die Forma ac ratio a Lascos, so wird an dieser Stelle eine Beziehung zu a Lascos Kirchenordnung sichtbar, die die Frage der Abhängigkeit aufs neue stellt, ohne daß eindeutig gesagt werden kann, welche der beiden Ordnungen das Vorbild abgegeben hat. Da während des Aufenthaltes a Lascos in Emden kein Prediger eingeführt worden ist, abgesehen von Brassius und, in der Abwesenheit des Superintendenten, von Arnold Veltmann, so ist es schwer vorstellbar, wenn auch nicht unmöglich, daß a Lasco die Einführung von Predigern geordnet habe bis zu den Einführungsfragen hin. Denn es steht der Behauptung nichts im Wege, daß a Lasco das Gerüst seiner Forma ac ratio schon in Emden erstellt habe. 41 Aber gerade in dem Abschnitt, der die Bestellung der Prediger beschreibt, wird auf die politische Lage der Londoner Gemeinde unter Verweisung auf die königliche Bestätigung so eindeutig Bezuggenommen42und zum Überfluß darauf hingewiesen, daß man einen anderen Brauch und Ritus der Predigerbestellung keineswegs verdammenwill43,daß es einem schwer wird, sich bereits vor dem zweiten Aufenthalt a Lascos in Emden einen ausführlichen Plan für diesen Abschnitt der Kirchenordnung anschaulich zu machen. Das Dunkel über die Ergebnisse der Jahre 1542 bis 1555 ist zu groß, als daß es durch Behauptungen erhellt werden könnte. Aber nach 1554 hindert nichts die Annahme, daß Emden aus der Forma ac ratio gelernt habe. 254 Achtes Kapitel 39 EKO, 131f. 40 EKO, 129. 41 A Lasco I, LXII. 42 A Lasco II, 51.52.69.70. 43 A Lasco II, 65. DerDruck der Forma ac ratio ist 1551 in London begonnen und 1555 in Frankfurt fertiggestellt. Dagegen sind die Ordinantien Mikrons 1554 in Emden gedruckt. 44 Es ist bekannt, daß die Forma ac ratio nicht die wirkliche Übung der Londoner Gemeinde beschreibt, dafür sind vielmehr die Ordinantien maßgebend gewesen. Sie sind zwar ein Auszug aus a Lascos großem Entwurf, aber doch auch eine Bearbeitung unter dem Gesichtspunkt der praktischen Verwertung. Die Ordinantien erschienen 1565 in Heidelberg in deutscher Übersetzung. Und nun ist es auffällig, daß Frage 1 und 2 in der Missive wörtlich mit dem Heidelberger Druck übereinstimmen, nur daß die Missive sie in indirekter Rede wiedergegeben hat, während Mikron sie in wirklicher Frageform mitteilt. Die dadurch bedingten Veränderungen in der Wortstellung und die durch die direkte Frageform geforderten Zusätze sind unerheblich. Nur am Schluß der zweiten Frage übernimmt die Missive ein Wort aus der Forma ac ratio und läßt die Beziehung auf die Dreieinigkeit weg: 1555: „(...) aber auch hinwiederum wahrer und ewiger Gott, Gottes, des ewigen Vaters Sohn, ihm in allem gleich und über alles gelobt in der Einheit der göttlichen Dreifaltigkeit in Ewigkeit. Amen.“ 45 1565: „(...) aber auch warhafftiger vnd ewiger Gott vber alles/gebenedeiet in einigkeit der Göttlichen dreifaltigkeit.“ 46 1592: „(...) aber auch warhafftiger vnd ewiger Gott vber alles/gebenedeyet in Ewigkeit.“ 47 Die Missive hat die Lobpreisung am Schluß gegenüber den Ordinantien noch weiter verkürzt, nachdem schon diese den vollen Text der Forma ac ratio zusammengezogen haben, wobei die Missive unter Weglassung des „ Amen“ das „ in Ewigkeit“ der Forma ac ratio wiederaufnimmt. Ebenso steht die Missive in einer Kleinigkeit in Frage 4 mit der Forma ac ratio zusammen gegen die Ordinantien, nicht ohne in Auslassungen wieder den Ordinantien zu folgen. Könnte man den unerreichbaren niederländischen Text der Ordinantien einsehen, so wäre vielleicht zu behaupten und zu beweisen, daß die deutsche Übersetzung von 1565 den niederländischen Text nicht diplomatisch genau wiedergibt, und daß die Emder Fragen unmittelbar aus Mikrons Arbeit stammen. Die Textvergleichung der Fragen 1, 2 und 4 ergibt mit größter Wahrscheinlichkeit, die der Sicherheit gleichkommt, daß man in Emden nach 1554 die Ordinantien berücksichtigt hat. Das ist begreiflich durch die Persönlichkeit a Lascos, die hinter diesem Werk steht, und durch den Einfluß der Flüchtlinge, die diese Kirchenordnung erprobt hatten und mitbrachten. Auf alle Fälle erlaubt die Textvergleichung die Behauptung, daß man in Emden seit 1554 einen Wortlaut für die Einführungsfragen kannte. Die theologische Anschauung von der Berufung 255 44 Gerretsen, Micronius, 34. 45 A Lasco I, 70. 46 LKO, 14. 47 Missive, 91. Eineneigenen Weg ging Emden bei der Formulierung der dritten Frage. In ihr erinnern nur wenige Anklänge an die Ordinantien. Die beiden Fassungen von 1565 und 1592 seien hier nebeneinander gesetzt. Auf den Katechismus konnte man bereits 1546 verweisen, aber es bleibt dann zu bedenken, daß a Lasco in der Forma ac ratio für die 3. Frage die Beziehung auf den gleichen Katechismus, der 1551 zum ersten Male niederländisch in London herausgegeben wurde, vermieden hat. Gerade die bestimmte Beziehung auf den Katechismus in der Emder Fassung der 3. Frage scheint mir den Schluß zu erlauben, daß die Einführungsfragen erst nach 1554, dem Erscheinungsjahr des Emder Katechismus, so gefaßt worden sind, wie sie in der Missive erscheinen. 49 Wann sie zum ersten Male gebraucht sind, läßt sich nicht sagen. Am 7. Juni 1574 erklärt der neugewählte Ostendorp in der Wahlbesprechung, daß er mit Lehre, Ceremonien und Disziplin der Gemeinde übereinstimme. Die Vermutung drängt sich auf, daß er auch in der Einführungshandlung danach gefragt worden ist. Und darf man sich vorstellen, daß die Einführung Cooltuins 1559 nur durch die Handauflegung vorgenommen wurde, ohne irgendeine Verpflichtungsfrage? Mir will das undenkbar erscheinen. Hatte man den Brauch der Handauflegung schon um 1559, so dürfte es nicht unmöglich sein, daß man ihn durch Fragen verpflich- 256 Achtes Kapitel 48 LKO, 14. 49 Missive, 96. 1565 „ Wollet jr auch in disem Grund der gemeine Gottes ( nach ewern vermögen) in euwerm dienst fest bleiben/ one einig neben außschreiten: vnd denselbigen grund allein/ mit ewer lere vnd leben fürdern: darauff durch die gnade Gottes bawen/ gold/ silber oder edelgestein: vnd das holtz/ hew vnd stupffeln/ so darauff gebawet wurd/ nach der massen ewer gaben/ von dem gold/ silber vnd edelgestein vnterscheiden/ vnd dieselbige/ so wol in and’n mit dem wort Gottes straffen/ als jrs in euch selbs ( so dessen etwas befunden würde) gern wollet straffen lassen?“ 1592 „ Zum dritten/ ob er in seinem Gewissen empfinde/ vnnd derwegen mit dem Munde/ als für Gott/ dem einigen hertzkündiger vnnd seiner Gemein bekenne/ das auff denselbigen Grundt/ der Propheten vnnd Apostel/ auch die Kirch zu Embden/ nach laut jhrer Bekandtnüs im Catechismo verfasset/ erbawet sey/ vnd das er bey dem Grundt/ ohn einiges nebenschreiten in seiner Lehr vnd Leben bestendichlich durch Christi Hülff/ biß an sein Ende verbleiben/ vnd die Kirch in einigkeit der reinen Lehr/ Ceremonien/ Ordnung vnd Disciplin erhalten vnd führen helffen wolle/ auch der Falschen Lehre sich mit Gottes Wort/ vnd gebürlichem Eiffer vnd Ernst widersetzen vnd straffen?“ 48 tethat. Die Eintragung vom 3. Juli 1559 spricht von „ institueren und de hende upleggen“; diese volle Beschreibung der Einführung ist wohl nicht nur eine Häufung von gleichwertigen Begriffen, sondern läßt an die Handauflegung als einen Teil der Handlung denken, zumal der Kirchenrat die Handauflegung als für die Bestellung eines Predigers nicht entscheidend erachtete. 50 So möchte man behaupten, daß Cooltuin der erste gewesen ist, der auf die Fragen geantwortet hat. Die Fragen formulieren folgende Hauptgedanken: 1. Das Bekenntnis zum Geist als dem Bewirker der Berufung, die den Dienstauftrag an die berufende Gemeinde begründet. 2. Das Bekenntnis zu der biblischen Heilslehre als dem Grund der Kirche, und darin ausgesprochen das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Grund, Mittel und Haupt der Seligkeit. 3. Das Versprechen, die Gemeinde zu Emden, die an ihrem Ort Kirche Christi ist, bei der reinen Lehre gemäß ihrem Katechismus zu erhalten. 4. Die Unterwerfung unter die Zucht bis zur Dienstentsetzung. Der leitende Gedanke, der die vier Fragen zusammenhält, ist die Verkündigung des Evangeliums. Darum geht es in diesem Vertrag, den die Gemeinde mit ihrem Prediger schließt. Sie soll im Rahmen des Möglichen, aber auch Notwendigen, sichergestellt werden. Und in diesem Zusammenhang hat der Katechismus seinen Platz. Er wird gewertet als der Ausdruck und das Wahrzeichen dafür, daß die Gemeinde Kirche auf dem Grunde der Propheten und Apostel ist. Der Einzuführende wird nicht unmittelbar auf den Katechismus verpflichtet, wenn auch der Katechismus als das Bekenntnis der Gemeinde gewertet wird. Diese Bewertung des Katechismus als Ausdruck der prophetischen und apostolischen Lehre, die ihrerseits in der Heiligen Schrift begriffen ist, wie es Frage 2 bezeichnet, ist bemerkenswert durch die Beziehungen, die sie zwischen der Lehre der Propheten und Apostel, der Heiligen Schrift und dem Katechismus herstellt. Fundament der ganzen, bei a Lasco heißt es, der katholischen Kirche Gottes in Christo ist die prophetische Lehre des Alten und Neuen Testaments, eine Lehre, die in der Heiligen Schrift begriffen ist ( comprehensa – verfasset). Hier wird der Begriff des Testaments in seiner eigentlichen, nicht abgezogenen Bedeutung verstanden werden dürfen; es ist der alte und der neue Bund, denen die Lehre der Propheten und Apostel als das Bundeszeugnis entspricht. Die Heilige Schrift ist dann als Bundesurkunde aufgefaßt. Die Lehre aber bekommt in ihrem Begriffensein in der Schrift ihren vollen Gehalt durch die Bezugnahme auf Jesus Christus als dem Grund, der Mitte und dem Haupt. 51 Alle Lehre ist nach dieser Frage in ihrer letzten tragenden und zielstrebigen Bezogenheit Lehre von Christus, und indem die Frage 2 am Schluß die wichtigste christologische Bestimmung, den Hinweis auf die zwei Naturen hinzufügt, unterstreicht sie die Absicht, ihren Begriff Die theologische Anschauung von der Berufung 257 50 Siehe S. 246 dieser Arbeit. 51 A Lasco II, 70: „Sic ut in scripturis illis ad plenum contineantur omnia, quaecumque ullo modo sunt necessaria ad salutem, cuius basis, medium adeoque et caput ipsum sit solus ille Jesus Christus.“ vonder Lehre auf das in Christus erschienene ewige Heil auszurichten. Bei der Lehre soll der Prediger festgehalten werden, um bei Christus in seiner Lehre und seinem Leben zu bleiben. Damit werden Schrift und erst recht Katechismus zu Hilfen, die losgelöst von ihrer Mitte ihre eigentliche Bedeutung für das Lehren der Kirche nicht mehr erkennen lassen. Dabei bleibt die Einfügung des Katechismus in das Ganze der Fragen besonders zu beachten. Er muß, wie gesagt, in Frage 3 dazu dienen zu bezeugen, daß die Kirche zu Emden Kirche im Sinne der Schrift ist. Daß eine Gemeinde sich durch ihren neugewählten Prediger bestätigen läßt, daß sie an ihrem Ort Kirche Jesu Christi ist, mag als Wendung gegen die Täufer zu verstehen sein, die es bestritten, daß die Kirche den Namen Christi führen dürfe, da ihr die wahren Kennzeichen der Kirche fehlen. Die Kirche wehrte sich gegen diese Verkürzung ihrer Stellung, indem sie auf die öffentliche Lehre verwies, die für Emden im Katechismus ihre Urkunde erhielt. Der Katechismus bekommt seine Würde nicht durch Verselbständigung, sondern durch die Beziehung, in der er zu dem Grund, Mittel und Haupt des Daseins und Lebens der Kirche steht. Fragt man darum nach dem eigentlichen Gehalt der Lehrverpflichtung, dann würde man dem Sinngehalt der Fragen nicht gerecht werden, wenn die Verpflichtung als Verpflichtung auf den Katechismus verstanden würde. Verpflichtet wird der Prediger nur insoweit auf den Katechismus, als er verspricht, bei dem Grunde zu bleiben, in dem das Zeugnis der Propheten und Apostel wurzelt. In diesem Grunde hat auch der Katechismus seine lebendige Quelle und sein begrenzendes Bett. Denn er ist ein Strom von Aussagen, die sich ausgesprochen und unausgesprochen auf die begründende und begrenzende Mitte alles kirchlichen Lehrens und Lebens beziehen. Das Gefüge der vier Fragen läßt eine Beziehungsfülle erkennen, die durch den Gedanken des Dienstes am Wort und damit an der Gemeinde ihren ordnenden Grundansatz erhält. Dieser Grundansatz macht das Ganze übersichtlich und einfach. Von der Berufungsgewißheit ausgehend legen die Fragen die Aufgabe des Predigtamtes fest; sie beschreiben den Grund und Inhalt der Aufgaben durch den Hinweis auf Christus als die in der Schrift gemeinte Mitte alles Lehrens der Propheten und Apostel; von dieser Mitte her erhält die Stellung der Kirche, der der Prediger dienen soll, ihr Licht, und das Bekenntnis der Gemeinde seine Würde und Bedeutung, sowie die Ordnung der Gemeinde für Lehre und Leben ihre verpflichtende Vollmacht, die den Prediger in seinem Beruf bindet. Zuletzt beschließt Frage 4 das, was bei der Einführung zur Sprache gebracht werden muß, durch die Unterwerfung unter die Zucht. Der Prediger ist nur so berufen, die Kirche in der Einheit der Lehre, Zeremonien, Ordnung und Disziplin zu erhalten und zu führen, daß er durch die Berufung nicht außerhalb der Lebensordnung der Gemeinde gestellt wird, sondern als Glied der Gemeinde erscheint und wie jedes Glied an dieser Lebensordnung für alle Selbstherrlichkeit und Freiheit seine Schranke findet. Die Sache ist wichtiger als der Sachwalter, weshalb der Prediger der Zucht unterstellt bleibt. Wort und Ordnung Christi fordern es, kirchli- 258 Achtes Kapitel cheNotwendigkeiten allen persönlichen Anliegen vorgehen zu lassen. Vermahnung, Strafe, ja Dienstentsetzung muß sich der Prediger gefallen lassen, damit nicht aus dem Dienst an der Sache eine Gefährdung der Gemeinde werde, wenn das „ Nebenschreiten in seiner Lehre und Leben“ ( Frage 3) den Prediger von dem Grunde stürzt, auf welchem und zu dessen Bezeugung er berufen ist. In den Gedanken über die Berufung und in der Formulierung der Einführungsfragen wird das tiefere Anliegen sichtbar, das der Streit um das Bestellungsrecht und die Mühe, die rechten Männer für das Amt zu finden, so leicht verdeckt. Darum gehören Berufung und Einführung in die Ordnung der Kirche, weil gerade in ihnen die Anschauung von der Gemeinde wirksam wird, die die ganze Ordnung durchzieht. Berufung und Einführung richten das Amt nicht über der Gemeinde auf, sondern betten es in das Leben der Gemeinde ein, dessen Strom die Gemeinde selbst trägt; es ist das Leben des Wortes, die Wirklichkeit des Christus, die auch Berufung und Einführung trägt und ordnet. An sie bleiben auch diese Vorgänge im Ordnungsgefüge der Kirche gebunden. Der gemeindegebundene Dienst am Wort und das gemeindeeigene Bestellungsrecht sind das Ergebnis kirchengründenden und heilschaffenden Offenbarens Gottes, von daher wollen die Bemühungen um die theologischen, rechtlichen und auch liturgischen Tatsachen verstanden werden, die die behandelten Vorgänge der Bestellung, Berufung und Einführung ordnen. Und sie sind um der Wirklichkeit willen, die sie geschaffen hat und trägt, für das Ordnungsleben der Kirche von dauernder und unaufgebbarer Bedeutung. Die theologische Anschauung von der Berufung 259 NeuntesKapitel Die Bestellung der Ältesten Wesentlich einfacher und klarer als die Bestellungsordnung für Prediger entwickelte sich die Ordnung für die Wahl der Ältesten. Im Falle der Ältesten hatte es der Kirchenrat nicht mit einer Einrichtung zu tun, deren Rechtsstellung bereits ins Mittelalter zurückreichte, wie es doch bei dem Amt der Prediger zu berücksichtigen war. Die Schöpfung a Lascos war zwar nicht ganz ohne Anregungen in den Ordnungsversuchen der ersten Jahrzehnte, aber genauso wie das schon vorher vorgeschlagene und geplante Superintendentenamt erst mit seiner Ankunft in Ostfriesland verwirklicht. 1 Allerdings bleiben die ersten zehn Jahre der Tätigkeit des Kirchenrates völlig im Dunkel. Die Interimsordnung von 1549 hatte die Zuchtübung lahmzulegen versucht durch die Anweisung, daß niemand vom Abendmahl gewehrt werden dürfe. 2 Durch die Wirren der Interimszeit und den Weggang a Lascos dürfte die Arbeit des Kirchenrats so eingeschränkt worden sein, daß ein Weiterarbeiten einem Neuanfang gleichkommen mußte. Zwar bezeugt Faber, daß die Zucht nicht ganz aufgehört habe, im allgemeinen mußte man froh sein, den Fortgang der kirchlichen Arbeit, wenn auch unter Hemmungen und mit Einschränkungen, ertrotzt zu haben. 3 Dann kam der Lehrstreit über das Abendmahl, der durch a Lascos Dazwischentreten zu einem endgültigen Siege der zu den östlichen Kirchen in einem eindeutigen und bewußten Gegensatz stehenden Anschauungen führte. Und sofort regten sich auch die a Lasco verbundenen Kreise, um dem fast erstorbenen Kirchenrat neues Leben einzuhauchen. Leicht war das bei der Einstellung des Hofes nicht. Nicht, daß es besondere oder grundsätzliche Widerstände gegeben hätte, die zu überwinden gewesen wären. Wohl aber scheinen sich 1554 bei Hofe Stimmen bemerkbar gemacht zu haben, die nicht ohne weiteres dem Einfluß dieser Kreise nachgaben. Thom Camp sah einen gewissen Widerstand ausgehen von Petrus Medmann, der seit einigen Jahren Beamter der Gräfin war. Seit 1552 leitete er als Bürgermeister die Stadtgeschicke. Am 30. März 1554 schrieb thom Camp an Bullinger, daß die Gräfin die Londoner Flüchtlinge aufgenommen habe. Nun höre er, daß Medmann die jungen Grafensöhne zum Studium nach Straßburg bringe und auch Zürich be- 1 Die Anregungen in der Bremer und Lüneburger Kirchenordnung bei Meiners I, 576.591.592f. 2 Reershemius, 13: „Auch soll den Gemeinen unsers Landes die Communion oder das Nachtmahl Christi ohne Hinderniß vorgetragen und Niemand davon gehalten werden.“ 3 Faber beruft sich in seiner Streitschrift gegen die Täufer darauf, daß die Zuchtübung in Emden ständig fortgegangen wäre. suchenwolle. „ Darum würden wir bitten, daß ihr eifrigst bei Medmann besonders vorstellig werdet.“ Er müsse einsehen, daß es den Zürichern sehr gefällt, wie die Gräfin die Fremdlinge behandelt. Medmann mochte seine Bedenken über den plötzlichen Zuwachs haben, was nach den Angaben thom Camps selbst politische Hintergründe hatte. Denn vielen Nachbarn, Lutheranern und Kaiserlichen, gefalle das Verhalten der Gräfin den Fremden gegenüber nicht. Er bittet deshalb, die Züricher möchten der Gräfin einen Brief schreiben und sie loben, sie möge sich in ihrem Vorgehen nicht abschrecken lassen; auch möge sie a Lasco in Ehren halten „ und daran gehen, daß die kirchliche Zucht in unseren Kirchen wieder eingeführt werde“. Medmann dürfe aber von dieser Unterrichtung nichts merken. „ Medmann ist kein Feind unserer Ansicht vom Abendmahl, aber er setzt sich für Butzer ein.“ 4 Es war Medmann, der an erster Stelle sich für den Plan erwärmte, Melanchthon nach Emden zu ziehen; er gehörte mit zu denen, die nach a Lascos hartem Wort Freundschaft heuchelten, während sie daran dachten, ihn zu entfernen. 5 Die Spannung, die thom Camp andeutete, blieb aber eine mehr unterirdische. Die Anwesenheit der Flüchtlinge machte sich belebend bemerkbar. Am 17. Dezember 1555 schrieb Caspar van der Heyden an die Emder über die Schwierigkeiten seiner Tätigkeit in Antwerpen; der Brief enthält am Schluß Grüße an die Prediger und an Männer, von denen einige sich als Älteste nachweisen lassen, es sind Flüchtlinge. 6 Weitere Briefe aus der Zeit vor dem Einsetzen der Protokolle sind bereits an den Kirchenrat gerichtet. 7 Fest steht auch, daß der Kirchenrat die Zucht wieder übte. 8 Bereits bis zum Ende des Jahres 1557 waren unter den Ältesten folgende Flüchtlinge: Joest de Rose, Hermann Entens, Anthonis Ashe, Hindrick Wiltingk, Willem de Visscher, Gerhard Mortaigne, Gillis v. d. Erven und Johann Utenhove, vielleicht gehört auch noch Hindrick in de Gulden Voet zu ihnen. Dagegen stehen folgende Einheimische: M. Onne Ubben, Syabbe Fokken, Johann Duerkop van Lingen, Johann Goltsmit, Gerd thom Camp, Hermann van Loppersum. Dabei bleibt es allerdings fraglich, ob damit alle Mitglieder des Kirchenrates bis zum 31. Dezember 1557 ermittelt sind. In den Protokollen kommen noch eine Reihe von Namen vor, deren Träger zum Kirchenrat in engsten Beziehungen stehen; sie werden mit Aufgaben der Zucht betraut, sie über- 262 Neuntes Kapitel 4 Gerhard thom Camp an Bullinger in der Simmlerschen Sammlung, Band 81, 136: „(...) et oraretis illam, ne se ab hoc instituto terrere permittat, praeterea ut D. a Lasco in honore habeat ac in hoc sit, ut Ecclesiastica disciplina in nostras Ecclesias reducatur (...). Medmannus non est hostis nostrae sententiae de Coena Domini, sed Bucerum agit.“ 5 A Lasco II, 701. 6 Nellner, 320 A, Brief 49. 7 Nellner, 320 A, Brief 67: Petrus Dathenus an den Emder Kirchenrat vom 24. Februar 1557 an die „Dieneren ende Ouderlinghen der duytschen ghemeynte van Emden in Oostvresland“. Derselbe vom 22. Mai 1557. 8 Schriftliches Schuldbekenntnis von Douwe Mennens vom 5. April 1557. nehmendiakonische Pflichten. 9 Es bleibt möglich, daß sich auch unter den Angeführten Diakonen befanden, die zugleich Älteste waren; erst gegen Ende 1557 tauchen Bestrebungen auf, beide Ämter nicht mehr durch eine Person verwalten zu lassen. 10 So mögen gerade unter den Fremden Diakone gewesen sein. Für die ersten Ältesten sind wahrscheinlich Magister Onne Ubben, Johann Goltsmit, Syabbe Fokken und Johann Duerkop zu halten. Onne Ubben war ein Verwandter des ostfriesischen Kanzlers Henricus Ubbius. 11 Johann Goltsmit war bereits 1515 gräflicher Schreiber, später nennen ihn die Emder Kontrakten- Protokolle Rentmeister, und er erwirbt sich (um 1550?) den Adel durch den Ankauf einer Burg. 12 1557 ist er ein alter Mann. Syabbe Fokken ist vermutlich identisch mit dem Syabbe ut dem Dam, der 1548 seine Ehepakten in den Emder Kontrakten-Protokollen der Stadt eintragen läßt. 13 Am 13. März 1558 wird er als verstorben bezeichnet. Am 29. November 1557 wird er in einer Zuchtsache noch erwähnt. Johann Duerkop van Lingen gehört einer alten Emder Familie an, aus der auch die Schwägerin des Humanisten Rudolf Agricola stammte, die Frau des ostfriesischen Landrichters Johann Huesman. 14 Der Schluß, daß sie die ersten Ältesten gewesen seien, ist nicht zwingend, liegt aber wegen ihrer Stellung in der Landes- und Ortsgeschichte nahe. Sie sind die vier Bürger, die ernsthaften, von frommem Eifer erfüllten Männer, denen a Lasco im Sommer 1544 zusammen mit den Predigern das Zuchtrecht erwirkte. 15 Zu ihnen haben sich dann die oben Genannten gesellt. Für den Eintritt der Fremdlinge kommt frühestens das Jahr 1554 in Betracht. Ob zu dieser Zeit auch Gert thom Camp und Hermann van Loppersum Mitglieder des Kirchenrats wurden, bleibt zu fragen. Gerd thom Camp war seit 1544 aufs stärkste beteiligt an dem Reformationswerk a Lascos, seit 1547 war er Mitverwalter der Pfarrkasse. Frühere Protokolle oder Urkunden über die Tätigkeit des Kirchenrates sind nicht erhalten. Nur das eine wird an dem Eindringen der Flüchtlinge sichtbar, daß das Jahr 1554 den Kirchenrat erst eigentlich zu einem Werkzeug der Zuchtordnung im Sinne a Lascos gemacht hat. Die Flüchtlinge kamen nach Emden mit ihren Londoner Erfahrungen, und es ist nicht zuviel gesagt, wenn behauptet wird, daß sie die Emder Erfahrungen a Lascos, nun aber angewandt und durchgeführt, zurückbrachten. Ihre Ankunft bewirkt es, daß die Geschichte des Kirchenrates aus einer Geschichte seiner Einrichtung und seines Kränkelns, das Die Bestellung der Ältesten 263 9 Als solche lassen sich nachweisen: Josias, Feyto Ruardi, Gert van Gelder, Rolant, Walter Deloenus, Hinderk van Loeningen. 10 S. 222 dieser Arbeit. 11 Jahrbuch XVIII, 53-141. 12 Angaben von Prof. Dr. Friedrich Ritter aus dem Ratsarchiv. 13 Siehe Anm. 12. 14 Siehe Anm. 12. 15 A Lasco II, 575. ihnnicht leben und nicht sterben ließ, zu einer Geschichte kraftvoller und wirksamer Tätigkeit wird. 16 Im Rahmen einer Darstellung der Ämterordnung wird zuerst das Bestellungsrecht behandelt werden müssen. Die wenigen Fragen, die sich anschließen, beziehen sich im wesentlichen auf die Amtsdauer und die Veränderungen in der Zahl der Ältesten. Die erste Ältestenwahl, die sich im einzelnen genau verfolgen läßt, beginnt am 13. Dezember 1557 und endet nach langen Verhandlungen mit den Berufenen am 13. März 1558 mit der Einführung der Gewählten. Die darauf bezüglichen Protokolleintragungen werden hier vollständig wiedergegeben. 2. Dezember 1557: „Nu eyn tokomen maendage sal voer eerste gehandelt werden, wat menner men tho oldesten und diaconen voer der gemeente armen kesen solde. Darup sall eyn yder syne namen inbrengen. Doch sal men de gemeene nu im nachtmael vormanen, dat de gemene den Heren bede, um oldesten tho erwelen.“ 13. Dezember 1557: „Van de Senioren tho erwelen. Desse sint vorgestelt: Hermannus (ausgestrichen). Hermen Sporenmaker: alle dar in. Eme Ubbens (ausgestrichen). Gherdt Stuteneter (ausgestrichen). Ghert Smit (ausgestrichen Koster): daer alle in. Frans Smit: den duncket ock voelen nutte darto. Arnoldus (ausgestrichen). 264 Neuntes Kapitel 16 Über die Bedeutung der Flüchtlinge aus London und den Niederlanden habe ich in Teil 1 ausführlicher gehandelt. Die verantwortlichen und führenden Männer unter den Vertriebenen spielten in der Emder Gemeinde, auch im Kirchenrat, eine hervorragende Rolle. Die in The Publications of the Huguenot Society of London, Vol. X, Part 1, 202 genannten Seniores und Diaconi der niederländischen Fremdengemeinde in London tauchen auch in den Emder Akten alsbald auf. Einzelne sind durch Jahre und Jahrzehnte hindurch als Emder Älteste und Diakonen der Fremdlingen-Armen nachweisbar. Das angezogene Werk bringt als Amtsträger der Londoner Gemeinde um 1550 folgende Männer: Seniores: Joannes Utenhovius Rolandus Hoenaert Antonius Aesch Egidius v. d. Erven Herman Woest Joos Roose Hermes Backerhiel Josias Dauwe Nicolaus v. d. Bergen Jacob Jansen Diaconi: Gheeraerdt Schriuer Jan de Reuyere Jaspar Cambeyls Joos de Roose Harmen Curtsch Jan van Haren Gisbert Christians Willem Moulen Gillis van der Heruen Rolandt Boghaert, cuper Jacob Jansen, snider Jacob Michiels, mercator Wilhelmus de Vischer Paulus van Winghen HermenKuper: daer stemmen wy alle in. Deetleff Kerstens. Junge Evert Kuper: daer stemmen se alle in. Gnapheus (ausgestrichen). Hynderick van Loningen. To Diaconen voer de armen der gemeente: Sipko, Siabbe, Deteleff Kerstens (ausgestrichen) und Junge Evert Kuper, ßo he geen senior sin wyl.“ 21. Dezember 1557: „Hermen Sporenmaker heft sick hoechlick entschuldiget um sin notruft und ampt, und beclaget ock, dat het ßo stunde, dat men hen und synsgelyken tot sulken ampte solde keßen. Doch wyl he hyr komen und syn entschuldinge doen, doch und ßo men hem neet vorlaten wolde, wyl he doen, wat he konde. Hynderick van Loningen ys ock angesproken dorch Gellium und darto vormanet. Darup heft he gesecht, wat he doen kunde, wolde he gerne doen, wowol he sick darto unduchtlich kende und muste ock vaken uththeen, dat he dit ampt nicht wol bedenen kunde, in dat he ock dat ampt der diakenschup hadde, dar he mede entschuldiget wolde syn, doch he werdt doen, wat de gemeente hem radet. Detleff heft Gellius nicht konen spreken, wowol he hem dremael gesocht heft. Hermannus heft Gheerdt Smit, Frans Smit und Evert Kuper angesproken. Evert wolde dat neet annemen, Gheerdt Koster und Frans Smit hebben sick beswerlick gemaket, doch sick erboden, waer se de gemene denen kunden, wolden se gerne doen. Evert Kuper heft Hinderick Wyltinck gebeden, dat he doch helpen wolde, dat he darvan queme, doch Hinderick sprack so voele mit hem, dat he daer nicht wederseggen kunde. Arnoldus heft gesproken mit Hermen Kuper, de sick wol beswarde, doch wyl he doen, wat de gemeene van hem vordert und dat he kan. Sipko erbedet sick, warin he de gemeente denen kan, wyl he gerne doen. Eyn yder sal de sinen anseggen, dat se hyr erschenen nu over achte dagen.“ 22. Dezember 1557: „Hermen Sporenmaker ys hyr erschenen up de vorderinge tom denste des oldesten und secht, he sy daer to slicht und unduchtich tho, dewyle he nicht ervaren in de Schrift sy und dewyle he sal vaken synes amptes halven behindert werden, dit ampt nicht ßo tro(w) [treu] tho bedenen und in de vorsamlinge tho komen. Biddet derhalven, ßo yummer moegelick, dat men hem dat hoge ampt wyllen vorlaten edder hem twe edder dre weken beraedt geven, ofte men noch nutter kunde fynden und dat men underdes den Heren voer hem bidden wolde, so he solde daerby bliven.“ 27. Dezember 1557: „Evert Kuper ys hyr erschenen up Hermannus vorderent, um den denst des olderlingen mede antonemende edder um uns tho bewy- Die Bestellung der Ältesten 265 senbeter und bequemer, dan he muchte syn, de de broderen mit gemeene consent dar muchten duchtiger tho kennen. Darup he syn meninge in schriften overgeven heft und desse vorgestelt, de he duchtiger darto kent: Aelrick Brouwer, Franß Ssmit, Johan Kuel, Sipko van Lewerden, Detleff Kerstens, Hynrick van Loningen, Gheert van Gelder, Gheert Eynspanger, Albertus van Haren. Hermen Sporenmaker heft ock etlyke vorgestelt, de he bequemer achten dan sick: Gherdt Smit, Fewe van Nesserlandt, Junge Evert Kuper, Evert van Peusum, Hermen Kuper, Johan Amelinx Slotenmaker. Desse bekennen wy guede broderen, darvan wy ytlyke hebben angenommen und angetekent, doch dat se nicht gekomen, ys by orsaken. Evert secht, se syndt older und beter berededer dan he, dat tot den ampt wol deende und derhalven bequemer weren. Darup gesecht, dat men in de, de he noemet (alles byeynander gesettet), ßo bequemen, ya bequemer sy als dese. Darup he gesecht, he begeerde dat wol vorlaten tho hebben, ock um de saken, dat he nu tymmeren moet und sick ßo nicht beflytigen kan, als dat ampt wol vorderde. Darup geantwordet, dat tymmeringe den oldesten neet unchristlick ansteyt, ßo het matelick und christlick geschut, und nadem he by de lueden kumpt, ßo deent he daer meeste tho, um de lueden tho beteren, dewyle he by se kumpt. Summa: Men heft hem gebeden, dat he syne gaven, sampt de anderen darto erwelet, wolde Godt und der gemeente upofferen tho dessen denst der olderlingen, bet dat wy bequemer krigen kunden und hem enberen kunden. Darup he dat (wowol mit swaricheit) angenommen heft und Hermanno de hand darup gedaen. Darna heft men Frans Smit vorgeholden de begerte der deneren, um hem tho hebben tot dem ampte der olderlingen, edder dat he vorstelde, de bequemer darto muchten syn. Darup he beclaget syne unvullenkomenheit und ungeschicketheit und hadde up Evert Kuper gedacht, up voele mer tho dencken und de tho finden hadde he gheen bequemicheit gehadt. Darup hem gesecht, dat de Here und gemeente werdt mit syne gaven thofreden syn, hopen, Godt werdt se vormeren, begeren allene syne guetwyllicheit und flyticheit darin, hem [überschrieben: um um Godt] und syne gemente tho deenen. Darup he gesecht, he sy darto wol beswerlick, doch wyl he gerne doen alles, wat he kan, myt den bescheede, ßo men muchte bequemer vinden, dat men hem dan wolde vorlaten, ßo het der gemeente duchte. Darup heft he Hermanno de handt gegeven. Mit Hermen Sporenmaker heft men ßo gesproken, dat he noch den denst wyl annemen, wo he belovet, ßo men gheen bequemer vinden. Sipken heft men vorgestellt, dat de broderen hem begeren tom diaken voer de ledematen Christi und huesgenoten des gelovens, und dat he hyr stedes tot de vorsamlynge wolde komen. So he hyrto komen kunde, denstlick syn der gemeente ( dat he neet suth) um dat dar genoch und bequemer tho syn, doch wyl he sick des neet entrecken und tot den denst der armen gyft he sick guetwyllich over, und heft he darup Hermanno van der broder wegen de handt gegeven. 266 Neuntes Kapitel Eynyder sal over achte dagen anbrengen, we hem duncket, um mit Sypken hulpers tho syn tot dat ampt der diaconen.“ 1. Januar 1558: „Is Harman Kuper gevordert und erschenen und em de sake van de olderschup vorgeholden und hefft tom lesten de sake bewilliget und Harmanus de handt darup gegeven.“ 14. Februar 1558: „Wen se Gerdt Smidt hebben, so willen se sick tom ersten lyden mit de oldesten, de vorhanden sinth, und dat men darover Gerdt Smidt am mandage negestkamen hyr sall kamen laten.“ 24. Februar 1558: „ Ghert Smit ys hyr gefordert und erschenen up syne bewylginge tot dem olderlingen-ampt tho geven, dar he tho gekoren ys. So heft he sick entlick in der broder handt geven, doch etlyke beswarden voergegeven, de behinderinge medebrengen tot dessen ampt, um syn kost tho wynnen und den van Dornum tho denen, wen he gefordert werdt. Darup hem gesecht, ßo syn beropinge nodich muchte vorhinderen, dat he hyr nicht komen kunde, wolden wy dulden, doch dat he queme, wen he kunde. Ofte syn susters und swagers unval, daer he, Ghert, gheen schult an heft, ock muchte dessen denst vorhinderen, gyft he den broderen tho bedenken. Darup geantwordet, ßo he daer gheen schult an heft, hopen wy, kone nemant billick sick an Ghert argeren. Summa: Na dessen alle heft he dat ampt angenomen, und begert unser aller gebet, und wyl gerne syn flyt doen.“ „Den 13. (März 1558) hilt men des Heren aventmael, darin worden vorgestelt: De nyen olderlingen, als jungen Evert Kuper, Hermen Sporenmaker, Gheerdt Smit, Hermen Kuper, Franß Smit, Sypko Mennens by de Nye Porte. Up desse maneer sint se vorgestelt: ‚Nadem M. Onne und Siabbe gestorven synt und Johan Utenhove van hyr getogen und Hermen Entens van hyr trecken werdt, und ock etlyke sick van de olden olderlingen entschuldigen (als Johan Duerkop und Johan Golsmitt ores olderdoms, Gellius van der Erven sick synes gescheftens und Mortaingue synes studiums halven), warumme se dat ampt neet bedenen konen, und wy andere neet bekomen kunden, de het wyllichlick wolden bedenen, hebben desse (als ock de olden oldesten) dat ampt ßolange annomen na oer schamel [=geringem] vormoegen, vormoegen, bet dat men kan beter, de het wyllichlicken bedenen, kan bekomen.‘ Ock heft men gebeden de gemeente, ßo se wat up de nyen oldesten hedde, warumme se dat neet bedenen muchten, dat de datsulve tegens dat negestkomende nachtmael solden anseggen und den Heren truweliken voer se bidden und nicht achterrugge klapen.“ Aus diesen Verhandlungen über die Bestellung neuer Ältesten, die 13 Jahre nach Einrichtung des Kirchenrates einen ersten Niederschlag in den Protokollen des Kirchenrates gefunden haben, erhellt, daß sich der Kirchenrat durch Zuwahl ergänzte. Die ersten vier Ältesten waren 1544 im Einverständnis mit der Regierung berufen worden. Von irgendeiner Beteiligung obrigkeitlicher Stellen, etwa Die Bestellung der Ältesten 267 desHofes oder der Stadt, verlautet jetzt nichts mehr. Auch in den kommenden Jahren wird nicht ein einziges Mal sichtbar, daß die Obrigkeit bei der Bestellung von Ältesten in irgendeiner Form mitwirke. Damit war für die Bestellung von Ältesten ein Zustand geschaffen, der weit hinausging über das von Calvin in Genf Erreichte. In Genf lag die Bestellung der Ältesten bei dem Rat der Stadt, der die Prediger zuzog, und nicht nur das, das Genfer Konsistorium bestand ganz aus Ratsverwandten. 17 Der Emder Kirchenrat konnte sich an diesem Punkte der Ordnung viel freier bewegen. Die Unabhängigkeit von staatlichen Stellen wurde auch dadurch gewährleistet, daß gegen Ende des behandelten Zeitabschnittes Ratsmitgliedschaft und Sitz im Kirchenrat einander ausschließen sollten. Der Kirchenrat konnte Graf Edzard 1586 darauf hinweisen, daß „ außem Consistorio etzliche alhie im Rath erkohren worden“18.Der Kirchenrat hat diese Doppelmitgliedschaft nicht ungern gesehen; als aber 1618 Johann Frone, ein Ältester, zum Ratsherrn bestellt wurde, und der Kirchenrat ihn gegen seine Bitte, ihm das Ältestenamt zu erlassen, bestimmte, im Kirchenrat zu bleiben, brachte Althusius „ van einem Erbaren Rade wegen R. Johan Frone“ ein, „ dat ein Erbare Ratt dem Ratsheren nicht erlöuen wolle vp dem Consistorio alß ein oldester tho erschinen, dewile he thogelick beyde denste nicht woll köne bedenen/ ock sint ander Exempel ingeföhret worden. Men hefft D. Althusio geantwordet, dat man Ratsheren Fronen mit guden reden darhin bewogen, dat he gemenet tho continueren in sinem denste vp dem Consistorio, doch mit Consens eines Erbaren Rades/ Dewile idt auerst demsüluigen so nicht gefällig so sall men idt vor dit mahll geschehen laten.“ Der Kirchenrat konnte Frone am 12. Januar andere Exempel vorhalten, die die Verbindung beider Ämter bewiesen. Aber dem Ansinnen des Rates gab man nach, ohne eine endgültige Entscheidung zu treffen. Am 10. November 1623 wird im Zusammenhang mit einer Ältestenwahl eingetragen: „ Quaestio ist fürgefallen: Ob man auch in andere Collegia greiffen Eltesten darauß zu nehmen vnnd zu erwehlen? Ist beschloßen: daß deß Consistorij altes priuilegium billig in acht zu nehmen vnnd im schwang zuhalten sey. Vnnd das demnach keines Collegij, außer eines Erbaren Raths, vnnd Olderlingen deß Gastueses solle verschonet werden.“ Die im Falle Frone getroffene Regelung wird damit als zu beachtendes Vorrecht des Rates anerkannt, insofern auch in den Rat aus dem Kirchenrat übertretende Ratsherren ihren Sitz auf der Konsistorienstube verloren. Ein gleiches Recht, daß aus seinen Reihen niemand Ratsherr werden solle, scheint sich der Kirchenrat nicht vorbehalten zu haben. 19 Wenn die Notwendigkeit vorlag, Älteste zu berufen, wurde im Gottesdienst in der Fürbitte darauf Bezug genommen. Die Mitglieder des Kirchenrates wur- 268 Neuntes Kapitel 17 Rieker, Grundsätze, 177. 18 Nellner, 320 B, Brief 34. 19 Für ganz verbindlich scheint man den Beschluß vom 10. November 1623 nicht gehalten zu haben; denn es erscheint noch nachher ein Ratsherr Kuperschlager als Ältester. denaufgefordert, Namen in der Versammlung zu benennen. Ob am 13. Dezember 1557 die Prediger gemeint sind als Vorschlagende, da Hermann Brass und Arnold Veltmann wie auch Gnapheus in der Vorschlagsliste erscheinen, und zwar deutlich von den Namen der Vorgeschlagenen abgesetzt, läßt sich nicht erkennen; die den Namen der Gewählten vorgesetzten Buchstaben bezeichnen den Prediger, der den Gewählten von seiner Wahl unterrichten soll. Die Großzahl dient dazu, der Wahl eine Reihe von Persönlichkeiten an die Hand zu geben. Genau das gleiche Verfahren wird auch noch am 7. und 17. November 1623 beobachtet. Daß es sich um eine Wahl handelt, geht klar hervor aus der Feststellung: „alle daer in“ oder „daer stemmen wy alle in“. Wie die Wahl getätigt wurde, sagt die Eintragung nicht. Es darf angenommen werden, daß die Meinung des einzelnen Mitgliedes durch einfaches Befragen erkundigt wurde. 1623 wird von einer Stimmfindung „per majora“ gesprochen. Sobald die Verhandlungen mit den Gewählten ihr Ziel erreicht hatten und sie das Amt angenommen hatten, wurden sie durch Handschlag in ihrem Dienst bestätigt und begannen ihre Tätigkeit. Denn noch vor der Abkündigung vom 13. März 1558 kommen in den Protokollen der Monate Januar und Februar Beauftragungen der neuen Männer mit Zuchtsachen und Diakoniefällen vor. Danach ist die Abkündigung am 13. März eine nachträgliche Bekanntmachung der völlig durchgeführten Wahl an die Gemeinde. Ihr wird die Entscheidung des Kirchenrates mitgeteilt, und sie kann binnen einem Monat Einspruch erheben. Auffallend ist es, daß man der Gemeinde gegenüber es für nötig hielt, sich wegen der Gewählten zu entschuldigen. Ihr Dienst sei ein vorläufiger, bis man besser geeignete Männer bekommen könne. Vielleicht spricht sich in diesem Geständnis das Gefühl für die Schwere der Aufgabe aus, die die Ältesten zu erfüllen hatten, und für das Ungenügen der Kraft, die die Berufenen für ihren Dienst mitbrachten. Aber doch wartete man nicht, bis Geeignetere da waren, sondern griff die Aufgabe auch mit den weniger befähigt Erscheinenden an. Man sah auf die Aufgabe, nicht auf die Lage, und an seiner Aufgabe wuchs der Kirchenrat. Diese Regelung nun, der Gemeinde von der geschehenen Wahl Kenntnis zu geben und ihr ein nachträgliches Einspruchsrecht einzuräumen, wie auch die verhältnismäßig formlose Einführung in den Dienst konnten kein endgültiger Abschluß der Ordnungsbildung sein. Hatte man auch mit der Obrigkeit nichts zu schaffen, wenn es galt, Älteste zu wählen, so blieb doch die Gemeinde. Welche Stellung mußte ihr im Zusammenhang der Bestellungsordnung zuerkannt werden? In London war diese Frage noch 1560 lebendig, wie ein Gutachten beweist, das sich mit verschiedenen Fragen der Ältestenbestellung befaßt. 20 Da wird gefragt, ob es besser sei, die Amtsträger „ by allgemeine kuerstemmen van alle lidmaten der gemeinten“ zu wählen, oder ob der Kirchenrat das Wahlrecht haben solle, während die Zustimmung der Gemeinde zum Entscheid des Kirchenrates Die Bestellung der Ältesten 269 20 Hessels, Archivum, Band II, 965-977, Nr. 260. durchstillschweigende Aufnahme der Namen erteilt werde. Dazu wurde gefragt, „ hoeverre dat beyde de formen te achten syn, met Godes Woordt ouer een te stemmen“. Das Gutachten begründet die Ordnung der Wahl durch den Kirchenrat und stillschweigende Zustimmung der Gemeinde und ihres Einspruchsrechtes. Für den Fall, daß eine Gemeinde neu gegründet wird und zum ersten Male Amtsträger benötigt, sah das Gutachten Urwahlen durch die ganze Gemeinde vor. Diese Ordnung wurde durch fünf Gründe gestützt: 1. Im Neuen Testament erscheinen die Apostel wie auch Timotheus und Titus als die Männer, die den Gemeinden, allerdings mit deren Bewilligung, Ältesten setzen ( 1. Tim. 5,22; 2. Tim. 4,3). 2. Die Kirchengeschichte beweist hinreichend, daß Gemeindewahlen oft zu Spaltungen in der Gemeinde führen. 3. Die Amtsträger können durch ihren Dienst am besten beurteilen, wer sich aus der Gemeinde am besten zu dem Amt eignet. 4. Gottes Wort weist uns durchgehend an, bei denen, die nach Jahren und nach ihrer Amtsteilung Älteste sind, Rat zu suchen. Hat auch die ganze Gemeinde den Geist der Kindschaft, so hat sie doch nicht ohne weiteres den Geist der Unterscheidung ( 1. Kor. 12,17). Auch die Ordnung, aus einer größeren Vorschlagsliste die Gemeinde die nötigen Amtsträger wählen zu lassen, hat die Gefahr des Parteitreibens gegen sich. 5. Wo bleibt dann aber die Freiheit des Kirchenvolkes („ De vryheit des volcks“)? Muß diese Ordnung nicht zu einer Tyrannei der Amtsträger führen? Das Gutachten meint, daß Tyrannei leichter Platz greife, wenn die Gemeinde wähle und die Diener die Zustimmung auszusprechen haben. Dann komme es viel eher zu einer Frontstellung der Diener gegen die Gemeinde als im umgekehrten Falle. Denn das Recht der Prüfung und Zustimmung muß den Dienern zugestanden werden ( Hebr. 13,17). Das Beispiel der Apostel, insbesondere die Pastoralbriefe, lassen es klar ersehen, wer die Leiter und Vorgänger in den Wahlverhandlungen sein sollen. Dazu kommt das Vorbild der „ best gereformeerde gemeynten deses tyts“, „ welcke dingen alle niet lichtelicken te verachten syn“. Die Schriften frommer Lehrer und die Akten der Synoden geben darüber hinreichend Bescheid. Zu den „ best gereformeerden Gemeynten deses tyds“ gehörte nach der Meinung der Londoner Gemeinde auch Emden, ihre Herberge und die Heimat so vieler Mitglieder, aus Emden nahm sie Gutachten und Schiedsrichter in Streitigkeiten entgegen. Auch in Emden haben sich je und dann Stimmen geregt, die der Gemeinde einen größeren Einfluß bei der Wahl ihrer Ältesten eingeräumt sehen wollten. Zum ersten Male hören wir von einem Einspruch gegen eine Wahl 1560. Am 3. Juni war abgekündigt: „ Ock sal men de gemene yn’t navolgende nachtmael vorstellen, dat men wolde seen, um ytlike olderlinge tho krygen.“ Am 26. August und am 2. September werden Johann van Knipens und Hinrich Herberts wie Paulus van Mecheln und Lodewyk Maelbrand zu Ältesten bestellt. Am 26. November wird über einen Einspruch mehrerer Gemeindeglieder verhandelt. Es wird beanstandet, daß die Wahl Maelbrands von den Predigern und Ältesten ohne Bewilligung der Gemeinde vorgenommen ist. Weiter wird die Person Mael- 270 Neuntes Kapitel brandsbeanstandet, da er nicht „ leersam“ und nicht „ gastvry“ sei. Der Diakon Jaspar Celos sei besser geeignet gewesen für das Ältestenamt. Dagegen wendet der Kirchenrat ein: „ Dat Maelbranck niet sy erwelet van praedicanten unde olderlynghen, dan allenighen ( nadem hy oeck voisen edder stemmen daertho hadde) der ghemeine vorghenoemet met etlike meer andere, op dat men hem mit bewillinghe der ghemeine, so hy niet onduchtich wierde befonden, solden erwelen. Thom anderden is befonden dorch vele derleye craftighe ghetugheniße unde erfaringhe, dat Maelbranck leersam unde gastfry was.“ Es liegt kein Grund vor, ihn für untüchtig zu erklären. Celos soll das Diakonenamt behalten. Sicher müsse ein Ältester lehrsam und gastfrei sein, aber diesen Anforderungen entspreche Maelbrand durchaus. Diesen Entscheid soll Cooltuin mit Mortaigne den Beschwerdeführern Gooris de Keesekoper und Willem Bastinck eröffnen. Der Kirchenrat sieht es so an, daß die Mitteilung an die Gemeinde nicht eine vollendete Tatsache enthalte, sondern daß die Aufforderung zur Einspruchserhebung in den Wahlakt noch einbezogen sei. Erst der Verzicht auf Einspruch („ so hy niet anduchtich wierde befanden“) macht die Wahlhandlung des Kirchenrates gültig. Trotzdem wird am 11. Dezember beschlossen: „ Dat men Maelbranck solde bevestighen. Unde so hiernamaels in den erwelinghe der oldesten enighe swarigheit mochte vaillen, dat men daervan de ghemene sal tho kennen gheven, so het met bequame middelen unde stichtinghe gheschieden kan.“ Offenbar soll das besagen, daß man der Gemeinde Einsprüche bekannt geben will, wenn der Fall entsprechend liegt. Das ist gegenüber dem 13. März 1558 ein kleiner Fortschritt in der Richtung auf Beteiligung der Gemeinde. Auch am 13. März 1558 wurde die Gemeinde zur Einspruchserhebung aufgefordert, aber die Tätigkeit der Ältesten hing nicht von diesem Einspruch ab, sie galten mit der Annahme der Wahl und dem mit dem Vorsitzenden gewechselten Handschlag als eingeführt. Die Erlaubnis zur Einspruchserhebung war eine Art von Sicherheitsventil, um mißliche Nachreden („ achterrugge klapen“) zu verhindern. Man wollte bei späteren Klagen der Gemeinde sagen können, daß ihr ja der Einspruch freigestanden hätte. Wie bei der Pfarrwahl drängten aber auch hier bestimmte Kreise auf eine stärkere Beteiligung der Gemeinde. Am 13. März 1564 wird verhandelt, daß Joris Mierbeke nicht zur Kirche kommt, weil die Ältesten und Diakonen unordentlich berufen werden. Das hat anscheinend den Kirchenrat veranlaßt, der Gemeinde am 24. April zu verkündigen: „Dewÿle etlÿken der olderlingen vortogen sÿn, alse Hinrick Wilting unde Johan van Knÿpens, unde etlÿke wegen oer beropinge uns neen grote denst konnen doen, unde derhalven wÿ meer olderlingen bederven scolen wÿ den denst in eren holden, dat de gemene wil thoseen up etlÿke personen unde uns angegen (!) den, de se dartho duchtich holden, dat wÿ se mogen gebruken.“ Damit wird der Gemeinde das Vorschlagsrecht zugestanden. Man würde dadurch eine Großzahl erhalten, die dem Kirchenrat eine Auswahl ermöglichte. Aber so sehr groß und dringend scheint der Großteil der Gemeinde dies Bedürfnis nach Beteiligung nicht empfunden zu Die Bestellung der Ältesten 271 haben,denn am 19. Juni 1564 wird eingetragen: „In de gemene ys besloten, dat men in de gemene scal also vorstellen: Wy hebben, broderen iuw vorgestalt over twe maenten, dat wy meer olderlingen bederven, um dat etlyken vorstorven, etlyken vortogen, etlyken erer beropinge halven noch nicht konnen genochsam bysyn, unde dat ghy etlyken, dartho nuth, wolden uns vorgeven, welker bethher nicht gesceen, dat uns bedrovet. Doch wÿ begeren, dat ghy noch up desse maent sulckes wilden doen, efte, so gÿ sulckes nicht doen, so willen wy thoseen, dat wy etlyken vinden unde de iuw vorstellen tho ein erwelinge.“ Ob die wiederholte Aufforderung zum Ziel geführt hat, geht aus den Protokollen nicht hervor; am 11. August werden der Gemeinde fünf Männer genannt, die zu Ältesten gewählt sind, von denen am 13. November drei als „annomen“ namentlich namentlich aufgeführt werden: Johan Amelinck, Jaspar Celos und Martinus Bernerus. Die beiden anderen, die man noch vorgesehen hatte, Evert Amelinck und Roloff Kuper, scheinen mit ihren Einwendungen gegen ihre Bestellung das Gehör des Kirchenrates gefunden zu haben. Einen neuen Versuch, die Gemeinde heranzuziehen, hat der Kirchenrat 1567 gemacht. Am 11. September heißt es: „ Ock schal men in’t nachtmal voerstellen, dat de gemene God wolde bidden, dat he nuytthe oldesten wolde uuitstoten, unde dat ein yder de syne in scryften wolde overgeven.“ Diese Bitte ist nach der Eintragung vom 9. November an diesem Tage im Abendmahl wiederholt worden. Die Eintragung über die Wahlversammlung läßt wieder nicht erkennen, ob die Gemeinde Namen genannt hat. Aus zehn vorgeschlagenen Männern werden sieben gewählt, die am 14. Dezember der Gemeinde vorgestellt werden zur Annahme, „ idt wheer dan, dar emant wat billicks tegen tho seggende“. Am 9. November 1571 wird der Gemeinde bekannt gemacht, daß sie für die Wahl von sechs neuen Ältesten schriftliche Vorschläge machen möge. Am 3. Dezember kann eingetragen werden, daß viele Brüder versammelt sind und ihre Zettel übergeben haben. Die darauf erfolgende Wahl ergibt die einhellige Berufung von sechs neuen Ältesten. Der Gemeinde das Vorschlagsrecht einzuräumen, hatte man aus der Londoner Kirchenordnung gelernt. 21 Aber ein Gesetz hat man in Emden aus dieser Regelung nicht gemacht. Wenn auch am 25. November 1575 zur Wahl der Diakonen und Ältesten „tom overvloot voele broderen der ghemeente bÿ onß erschenen“ sind, die „vulkomentlick de verkesinge mit oer stemmen bestedighet“ haben, so hat doch die Wahl bereits am 21. November im Konsistorium stattgefunden, nachdem an drei voraufgehenden Sonntagen und auch in den Wochenpredigten das allgemeine Gebet für die Wahl begehrt worden war. Eine Aufforderung zu Vorschlägen scheint nicht erfolgt zu sein. Die Versammelten heißen nur das Geschehene gut. Die politischen Verhältnisse ließen den Kirchenrat dann doch in die frühere Bahn zurücklenken. Im Herbst 1579 setzten die Unionsverhandlungen ein, die 272 Neuntes Kapitel 21 LKO, 10. dieendgültige Spaltung der ostfriesischen Kirche herbeiführten. In diese Verhandlungen und ihre Atmosphäre fielen Neuwahlen zum Kirchenrat, über die am 4. Februar 1580 eingetragen wurde: „Sint versammelt die predigern, oldesten, hovet-diaconen, diaconen der frembden armen und andere froeme borgern, und is nha anroepinge Gottlickes Nhamens beraetslaget van desse drie nafolgenden punckten: 1. Dewilen idtlicke oldesten nach die laeste verkiesinge nha de pest over 4 jaren gedaen, zint vertoegen und dorch olderdoem und swackheit affgegaen, oft men dan oeck in deße fharlicke tydt mher oldesten in statt und plaets der andern verkesen sall? Thom 2., oft dann die verkiesing geschien sall nha older gebruÿck deßer gemhene met vorige publication van den cantzel, dan oft omme die gefharlicheit des tÿdes die hÿr soelen erwelet worden und darnha die gemhene in den nachtmall des Heren bÿ den disch op die proeve vorgestellet? Thom 3., oft oeck alle jaren omme wichtige orsaecken 2 der oldesten soelen affgaen und andern in ohre plaets erwelet worden? Hÿrop entsloten: Op den ersten puncten ‚jae‘, und dat der saecken noeth am hoegesten fordere, dat men sulckes dhoe und tho wercke stelle. Op den 2., dat omme die gefharlicheit des tÿdes und andere ommestenden die erwelinge nu geschien schall ane vorige publication van den cantzell, doch nicht ane [richtig: alse] alse] ein praeiuditium, omme allewegen alsoe tho gebruicken, und dat ein jeder tegens maendach zÿne nhamen schriftlick inbrenge, und oick andere fromen broderen und lidtmaten vermanet worden, omme oick datsulvige tho willen dhoen: Op den 3. puncten is beraetslaget dat idt nutte zÿ, dat alle jaer 2 affgaen und 2 andere in ohre plaes jarliches verkoeren worden. Doch is desse raetslach ichtes verandert, noemptlichen dat men idt dith jar noch sall ansien und bÿ den olden gebruÿck bliven lathen omme ehrhebeliche orsacken unde wichtige rheden. Und sal men sick oeck tegens kumpstige jaer wÿder darop bedencken.“ Die Wahl der Ältesten wurde trotz der bedrohlichen Lage – sie führte 1583 zur Aufhebung des Coetus durch den Grafen – nicht ausgestellt. Um nicht allzuviel Aufmerksamkeit bei dem Grafen zu erregen, wurde die öffentliche Bekanntmachung der Wahl unterlassen, doch vorgesehen, der Gemeinde den Einspruch durch Bekanntgabe der erfolgten Wahl zu ermöglichen. Am Rande des Protokolls wurde nachgefügt, daß diese Ausnahme von der gewöhnlichen Übung keine Änderung für dauernd einschließen solle. Für die Wahl wurde im übrigen das übliche Verfahren beibehalten: die Beteiligten sollen schriftliche Vorschläge einreichen, und als Ersatz für die ausfallende weitere Gemeindeöffentlichkeit sollen weitere Brüder und Glieder der Gemeinde geladen werden, sich diesem Vorgehen anzuschließen. Diese Form wurde die Regel. Schon am 4. März 1583 wurden weitere Älteste erwählt, ohne daß der Gemeinde Gelegenheit gegeben wurde, Vorschläge zu machen. Vielmehr wird am 4. März 1583 eingetragen, daß eine Zuwahl nötig sei und „soe hebben prediger und oldesten in hore versammelinge Gotts Name Die Bestellung der Ältesten 273 hÿroverangeropen unde demnach met groter andacht unde einhelligen stemmen“ vier Männer erwählt, denen am 8. März noch Sibrand Lübberts hinzugefügt wird, der aber vor der Einführung zurücktritt. Nicht einmal die Diakonen werden besonders erwähnt, geschweige denn weitere Brüder. In dieser Form sind die weiteren Wahlen geordnet. Nachdem der Kirchenrat eine Wahl für nötig erklärt hat, wird die Wahlhandlung der Gemeinde für das Gebet befohlen; darauf wird die Wahl im Kirchenrat durchgeführt, und die Neugewählten werden der Gemeinde vorgestellt, damit sie Einsprüche geltend machen kann. Erfolgt kein Einspruch, werden die Gewählten eingeführt. Vorstellung und Einführung geschehen auf einem Abendmahlssonntag, die Einspruchsfrist beträgt einen Monat. Der 1594 erreichte Zustand des Bestellungsverfahrens wird in der Kirchenordnung so beschrieben: „Vam Beröp der Oldesten. Wenn de Kercke wegen einiger vorsterff (dann se se hyr ehr Leuendlanck denen) Oldesten van nöden hefft. Werdt de gantze Gemein thom Gebedt ermahnet/dat Godt bequeme Menner dartho vorlehnen wolde. Darnha vormahnen sick de auerige Dener vnd Oldesten/ dat ein jeglicker vp düchtige Männer in der Gadesfrucht gedencken wolde/ vnd deren Nahmen in der negesten Vorsamlinge inbrengen. Darvp schrydet man im Namen Gades/ na vorgahndem Gebedt/ tho der erwehlinge/ vnde werdt ein jeglicker vp syn Geweten vormahnet/ dat he vth den vorgeslagenen Personen/ den aller nützlicksten syn stemme geuen wolde. Als se dann in der wahl eins geworden/ vnde de erwehlede Personen/ vp vorgande Christlicke vormaninge/ den Beroep angenahmen/ werden se in der negestfolgenden Communion/ der gantzen Kercken mit Nahmen vorgestellet/ vnde ein jeder vormahnet/ so ferne ehm einiger mangel bewust/ darvmme de vorgestelde Personen/ des Amptes vnwerdich tho achten/ dat he solckes vor der anstanden Communion/ den Predigern vnde Oldesten anmelden wolde. Vnd so inmiddels nichtes ingebracht/ werdt dat stillswygen der Gemeine/ als ehr Consenß geachtet/ vndt de nye erwehlede Oldesten/ im nechsten Nachmal/ mit ein Gebedt bestediget/ vnde de Gemeine ehres Amptes gegen densüluen ermahnet.“ 22 Der kurze Hinweis, daß die Ältesten „mit ein Gebedt bestediget“ wurden, läßt nicht näher erkennen, wie die Einsetzung der Ältesten geordnet war. Wie für die Predigerwahl haben sich feste Formulare nicht erhalten. Nur die Form der Vorstellung und Einführung, soweit sie der Gemeinde vorgetragen wurde, ist im Protokoll häufiger wörtlich angegeben. Als Beispiel mögen die ersten Eintragungen dieser Art dienen: 11. April 1580. Am Rande: „Publicatum 10. die Aprilis: L(ieve) broderen und sustern im Hern! Nachdem J(uwer) L(iefden) twivelsanhe uuth Gades Woort und der langwiringe ervaringe genoechsaem berichtet, dat den predigern Gottlickes Woordes tho allen tÿden oldesten bÿgevoeget zÿn, die benevens den 274 Neuntes Kapitel 22 EKO, 154f. predigernder gemhene opsicht dragen, darmith ergernissen – beide, im geloeven und christlicken wandel – oder voerghekomen oder gebetert werden, und overst edtlicke dersulvigen vertoegen, andern oick lÿves-swackheit halven dem denst niet langer konen vortreden, soe hebben wÿ nach anropinge Gottliches Namens dartho erwelet Lucas Glasemacker, Harman Eilarts, Geert Bolardus und Peter de Looße, die wÿ mits desen die gemhene vorstellen, dat, soevern emants darjegen inthobringen, darum zie onduchtich thom H(illigen) ampte solden zÿn, dersulvige wolden sulcks tegens thokumpstigen nachtmall doen, sunst worden zie im Nhamen des Heren im denste bestedigt worden.“ 9. Mai 1580. Am Rande: „publicatum ad mensam Domini 8. Maii: L(ieve) brodern brodern vnd sustern im Heren! J(uwer) L(iefden) weten sick tho entsinnen, dat J(uwer) L(iefden) im vorgangen nachtmall vorgestellet is, who Lucas Glasemacker, Harmann Eilarts, Geert Bolardus und Peter de Looße umb oersaecken, dhomalls angezeiget, tho oldesten der gemhene erwelet zint mith der condition, dat, soefern sick jemants darinne besweerde, desulve wolde sulckx jegen dußen nachtmall inbrengen. Dewile overst durch Gotts genade niemant dartegen midlerwÿle ingebracht, soe willen doch alle lidtmaten desulve hÿrmede alß bestediget achten und Gott voer zie vmb zÿne genade und zeegen in ehren beroep stedes anroepen.“ Einen liturgisch geprägten Stil verrät die Eintragung vom 12. Januar 1606: „ Am 12. Januarii, ad mensam Domini. 1. Confirmatio seniorum. L( ieve) bröder vnd susteren! J(uwer) L(iefden) weten sick tho erinneren, dat wÿ na völvoldigen privaten und gemeenen gebeden tho oldesten nÿes ingekoren und J(uwer) L(iefden) opentlick vorgestellet hebben, alse nömlick Steffen Jurjens, Lubbert Lammerts, M. Isac Goldtsmit und Jurgen Habben, und J(uwer) L(iefden) darbÿ darbÿ vormahnet, dat in vall jemandt sÿn muchte, de einige beswernusse över ein öder mehr der gemelten bröderen hedde, dat he vor desem nachtmal solches inbringen wolde. Dewile averst neene beswernuss van jemandt vorgebracht iss, so sollen se hiermede im Nahmen des Heeren in eren christlichen beröp bestediget sÿn. De almechtige, gudige Godt, de densulvigen denst in sÿner gemeene nötwendich geachtet und dese genömede bröderen uns angewesen hefft, wolle mit segen und genade enen allen bÿwönen, dat se tho sÿner ehren und sÿner l(ieven) kercken kercken uperbowinge desen hilligen denst anvangen und endigen muchten. Darumme J(uwer) L(iefden) nu und stedesshen den Heeren vlitich wollen anröpen helpen, und dancken densulvigen, dat he noch bißhero sÿne l(ieve) kercke alhier mit nootwendigen empteren vorsorget hefft. Em sÿ gesacht loff, ehr und priß, van ewicheit tho ewicheit Amen.“ Die Vorstellung umfaßt regelmäßig die gleichen Gedanken. Die Gemeinde wird darauf hingewiesen, daß Gottes Wort und lange Erfahrung die Bestellung von Ältesten neben den Predigern fordern. Wie das Predigtamt ist auch das Ältestenamt in dem Worte begründet, es wird durch die Erfahrung aller Zeiten als notwen- Die Bestellung der Ältesten 275 digerwiesen. Dann wird weiter die Aufgabe des Amtes umschrieben mit dem Zuchtauftrag. Die Gemeinde erfährt das Ergebnis der Wahl mit dem Hinweis auf das Recht, gegen die Amtsfähigkeit der Gewählten binnen einem Monat Einspruch zu erheben, andernfalls die Befestigung erfolgen soll. Die Abkündigung, die offenbar nach der Einsetzung erfolgte, nimmt auf die Vorstellung Bezug und stellt fest, daß kein Einspruch erhoben sei. Die Gemeinde möge deshalb die neuen Ältesten als in ihrem Amt bestätigt erachten. Sie möge Gott um seine Gnade und seinen Segen für die Brüder anrufen, damit diese ihr Amt zu Gottes Ehre und zur Auferbauung der Gemeinde versehen möchten. Wenn es auch zur Ausbildung fester agendarischer Formen nicht kam, so folgte man doch gewissen Überlieferungen, die sich nach und nach verfestigten. Die einzelnen Gedanken der Abkündigungen ergaben sich ungezwungen aus den sachlichen Notwendigkeiten der ganzen Bestellungshandlung, aus der Auffassung des Amtes und den Ergebnissen der Entwicklung. Nun deuten aber einige Bemerkungen der Protokolle darauf hin, daß in der Abendmahlsfeier des Sonntags, an dem die Befestigung erfolgte, auch mit den Ältesten selbst noch besonders gehandelt wurde. Während 1558 die Bestätigung im Amt im Kirchenrat selbst vorgenommen war, wurde sie später in den Gottesdienst gelegt. Aufschlußreich ist für die Herausbildung dieses Brauches der Konfirmation der Neugewählten eine Verhandlung vom 7. November 1589. Ein Ältester kann bei der Einführung nicht anwesend sein, weil er geschäftshalber ortsabwesend ist. Ein anderer hat Grund („ vmb sekere oersaecke ehm moverende“), nicht am Abendmahl teilzunehmen; er kann deshalb bei den anderen Ältesten nicht sitzen. Die Ältesten hatten also schon damals ihren besonderen Platz in der Kirchenratsbank, sie gingen gemeinsam zum Abendmahl. „ Vnd is besloeten, dat ofte idt woll zÿrlick unde stichtlick wher gewesen, dath de vorgenoembde broder alle bÿ den Dissche des Heren wheren gestanden und mit ohr antwoort: ‚ Ja‘ in den H( illigen) beroep bestediget worden, derwilen overst sulcks dan niet gescheen kann, soe sal men dannoch mit der confirmation voertfharen, und moegen de dre brodern, de jegenwordich konnen zÿn, op ohre gewoenlicke plaetzen bliven und in der ordeninge tho dem Dissche des Heren komen und nha geholdene communion sick setten op de banck bÿ den anderen oldesten. Doch sall deße action in gene consequentiam geduidet oder getoegen worden.“ Die Einführung soll also diesmal unterbleiben; die neuen Männer kommen mit der Gemeinde zum Tisch und setzen sich dann in die Kirchenratsbank. Das Übliche ist das nicht, und man verwahrt sich dagegen, diese Ausnahme zur Regel werden zu lassen. Es ist zierlich und erbaulich, daß die Einzuführenden beim Tische ihr Ja sprechen. Danach sind bei der Bestätigung Fragen an die Gewählten gerichtet worden. Die Form der Fragen wird nirgendwo angegeben. Die Kirchenordnung übergeht sie. Da nun die Fragen an die Prediger aus der Londoner Kirchenordnung stammen, so ist es möglich, daß auch die Ältesten auf Fra- 276 Neuntes Kapitel genantworteten, die aus dieser Kirchenordnung genommen waren. Die Ordinantien sehen folgende drei Fragen vor: „Zum ersten/ob jr diß zeugnuß des heiligen Geistes in eweren hertzen empfindet daß jr diesen dienst annemen wollet/nicht vmb ewer eigenen ehren oder nutzes willen/sonder allein zur befürderung der ehren Gottes? Hie Antworten sie/Ja/wir emfindens. Glaubet jr daß die Prophetische vnd Apostolische lehre des alten vnd newen Testaments/in den Biblischen büchern begriffen/in sich begreifft alles was notwendig ist zur seligkeit? Sie antworten/Ja/wir glaubens. Wollet jr nicht den Dienern mit rath und that/vnd allen eweren vermögen beistehen vnnd sie in dem last jres dienstes erleichtern/vnnd die gantze Gemeine/ mit ewerm Gottseligen wandel bessern? vnd so jr etwas thun würdet/daß disem disem euwrem beruff vn-wirdig were/wollet jr folgende dem Gebrauch der Christlichen straffe/euch mit dem wort Gottes vermanen, straffen/vnd bessern lassen? Sie antworten/Ja wir/durch Gottes Gnade.“ 23 Den Fragen ging eine Vermahnung vorauf, von der wir am 8. Januar 1576 erfahren. „Nachdem gheen oppositie teghens de verkoren unde vorghestelde oldesten, noch oock teghens de verkoren unde vorghestelde diaconen gheen oppositie ghescheen, so sinnen se van Domino Oiero, bÿ den disch sthande in aller ghemeenten teghenwoordicheit in hoer beropinge bevestighet. Van hoer ampt unde denst vermanet sÿnde, hefft Dominus Oierus hoer zamptlÿken de hant ghelanghet, hoer heil unde salÿcheit wunschende.“ Das Gebet bei der Einführung bezeugt die Kirchenordnung. 24 Einführungsvermahnung und Gebet scheinen frei formuliert worden zu sein. Seit wann die Einführung diese ausgebildete Form erhalten hat, läßt das verfügbare Material nicht erkennen. Am 11. Januar 1568 wird davon gesprochen, daß die neuen Ältesten „ingestelt unde angenomen“ sind. Der 11. Januar 1568 war ein Sonntag. Die verwandten Ausdrücke können eine Befestigung mit Vermahnung und Fragen und die Aufforderung an die Gemeinde bedeuten, die Eingeführten für ihre Ältesten anzunehmen. 1558 ist eine öffentliche Befestigung nach allem, was die Protokolle zu erkennen geben, noch nicht geübt worden. Die fester werdenden Formen waren ein Geschenk der Londoner Flüchtlinge, und erst nach und nach wuchsen Emden aus dieser Begegnung mit einer durchgebildeten Gemeindeordnung die eigenen Formen zu. Die Gründe für eine Ergänzung des Kirchenrates werden sehr regelmäßig angegeben mit den Worten: gestorben, verzogen, durch ihre Berufsgeschäfte an der Teilnahme verhindert, wegen Alters- oder Leibesschwachheit abgegangen. Schon diese Begründung für eine Zuwahl macht deutlich, daß ein regelmäßiger Wechsel nicht stattfand. Die Frage nach der Dauer der Amtstätigkeit tauchte in Die Bestellung der Ältesten 277 23 LKO, 18v.- 19r. 24 Siehe S. 274 dieser Arbeit. denersten Jahren gar nicht auf. Es gab darüber keine Vorschriften, die Tätigkeit des Kirchenrates begann auch in dem zweiten Abschnitt seiner Tätigkeit seit 1554 nicht mit Paragraphen, sondern folgte den Notwendigkeiten, wie sie ihm aus der Arbeit und den Umständen zuwuchsen. In London hatte man sich anscheinend auch erst 1560 genötigt gesehen, über die Amtsdauer nähere Erwägungen anzustellen. Denn das gleiche oben herangezogene Gutachten behandelt als dritten Punkt, ob die Amtsträger „ by Termin van Jaren halue Jaeren oft maenden met nieuwe verkiesinge gewisselt“ werden sollen. 25 Rein praktische Erwägungen bestimmen die kurze Antwort, die ohne biblische Ausführungen gegeben wird, daß ein ständiger Wechsel sich nicht empfehle. Mit einer ähnlichen Frage beschäftigt sich der zweite Punkt, in dem darüber verhandelt wird, ob die Ältesten und Diakonen verpflichtet sind, ihr Leben lang zu dienen, es sei denn, sie würden zu einem höheren Amte, etwa dem des Ältesten oder Predigers, berufen. Für Emden stellt sich die Frage noch anders, da später häufiger Älteste in den Rat berufen wurden. Am 11. April 1600 wird die Berufung einiger Ältester in den Rat ausdrücklich als Grund angegeben, weshalb man eine Zuwahl vornehmen müsse. Und auch der Übergang vom Diakonen- zum Ältestenamt kam in Emden mehrfach vor. So stellt Johann van Knipens am 26. August 1560 für eine Bestellung zum Ältesten die Bedingung, daß man ihm das Diakonenamt abnehme. Und Sipko Mennens ersucht am 24. Januar 1558 darum, „ dat men doch eyn ende maken sal van der diakenschup“, nachdem er zum Ältesten gewählt ist. Mit langen Ausführungen wird in dem Londoner Gutachten die Ansicht begründet, daß lebenslängliche Amtsführung „ Godes worde meer gelyckformich zy ende der gemeinten oorborlyk“. Es wird darauf hingewiesen, daß in der Schrift 1. Petr. 5,1; Acta 20,28; 21,8; Offenb. 2,15 die Bezeichungen für Prediger und Älteste wechselseitig gebraucht werden, und daß Stephanus und Philippus vom Ältestenamt zum Dienst am Wort aufrücken. Außer Nikolaus finde man keinen in der Schrift, der das Amt nach einer bestimmten Zeit wieder verlassen hätte, und dieser nur wegen seiner Untreue. 26 Die Vermahnung an die Ältesten in Ephesus sehe auch nicht danach aus, als hätte Paulus nur einen kurzbefristeten Dienst im Auge gehabt. Und schließlich soll Timotheus 1. Tim. 5,11 die jungen Witwen wegen ihrer Heiratsgelüste nicht zu Diakonissen machen, was nach Meinung der Gutachter auch auf die Vorstellung einer dauernden Amtszeit zu deuten sei. Neben die Vorbilder der Schrift stellt das Gutachten die Beispiele des täglichen Lebens. In Verwaltung und Geschäft wird auch keiner dauernd mit Lehrlingen arbeiten wollen; jeder wünscht sich erfahrene Gehilfen. Und wenn das schon so im Weltlichen ist, für das keiner seine Kenntnisse mit auf die Welt bringt, sondern erst in langer Erfahrung erwirbt, dann gilt das noch mehr für 278 Neuntes Kapitel 25 Siehe S. 269, Anm. 20 dieser Arbeit. 26 Gemeint ist anscheinend Offenb. 2,15. dieSachen, die Gott und seine Gemeinde betreffen. Jährlicher Wechsel würde die Gemeinde ständig mit neuen Lehrlingen belasten. Zur Erfahrung führt allein ständige Übung, bei zu raschem Wechsel lassen die Vorgänger zum Krebsschaden der Gemeinde die Arbeiten ihren Nachfolgern liegen. Für eine geordnete Durchführung der Zucht und in den Geldgeschäften der Gemeinde greifen die einzelnen Handlungen oft ineinander, so daß ein Wechsel nur zu leicht Unordnung bringen würde. Diese Ausführungen zeigen die Richtung der Gedanken über die Bemessung der Amtsdauer. Der lebenslängliche Dienst wird durch Schriftbeispiele und die Lebenserfahrung gefordert. In Emden hören wir zum ersten Male 1577 von Beratungen über die Begrenzung der Amtsdauer. „ Man sal sich to gelegener tytt bespreken of idt der Gemeine nüttlick datt jaerlix 2 oder dree oldesten afgaen vnd andere erwelet werden.“ ( 28. Oktober 1578). Am 4. Februar158027wird der Beschluß gefaßt, daß jedes Jahr „ omme wichtige orsaecken“ zwei Älteste abgehen sollen. Doch wird die Durchführung des Beschlusses „ omme ehrhebeliche orsacken unde wichtige rheden“ für diesmal noch ausgesetzt. Am 2. Januar 1581 wird die Beratung darüber erneut angeregt: „ Hebben die broder sick beraetslaget over den puncten, welcke vorgangen jaer den 4. Februarii – fol. 21 b – is vorgeslagen, nomptlicken oft oeck alle jaer 2 oldesten soelen affgaen, etc. Overst is nichtes fast besloten, und willen de broder sick darover wÿder bedencken und einmal versammelen, und dann endtlick darin besluten.“ Die Kirchenordnung von 1594 stellt fest, daß die Ältesten der Emder Gemeinde lebenslänglich dienen. Man hat also den angeregten Gedanken nicht weiter verfolgt. Man hat offenbar das Für und Wider eines regelmäßigen Wechsels wie in London reiflich erwogen. Es müssen schon gewichtige Gründe gewesen sein, die den Kirchenrat diesen Wechsel wenigstens einen Augenblick planen lassen konnten. Aufschlüsse über diese Gründe fehlen allerdings. Vielleicht darf man an die oft vorkommenden Klagen über die starke Inanspruchnahme der Ältesten gedacht werden, die manch einen bestimmte, den Dienst niederzulegen oder eine Berufung überhaupt abzulehnen. Oder wollte man sich einen größeren Kreis von Eingeweihten und mit der Arbeit des Kirchenrates Vertrauten heranziehen? Sollte vielleicht doch, trotzRieker28,bei Menso Alting der Gedanke mitgespielt haben, den Vertretungsgedanken stärker zu betonen? Dann wäre die ganze Frage nach der begrenzten Amtsdauer ein Beitrag zu der Frage nach der Beteiligung der Gemeinde an ihrer Regierung, wie es der Kampf um die Predigerwahl durch die Gemeinde und der Versuch, sie an der Ältestenbestellung zu beteiligen, auch erkennen lassen. Weil die Gemeinde der Bekenner Inhaberin geistlicher Vollmachten war, konnte die Männer des 16. Jahrhunderts die Frage nach den Gemeinderechten bewegen. Um ihren ausgesprochenen Widerstand gegen jede Form von Priesterherrschaft oder Tyrannei Die Bestellung der Ältesten 279 27 Siehe S. 273 dieser Arbeit. 28 Rieker, Grundsätze, 144. zuverdeutlichen, mußten sie auf den Gedanken kommen, daß sich die Gemeinde bei der Bestellung ihrer Amtsträger zu betätigen habe. Man darf mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuten, daß der Wechsel der Amtsträger aus sachlichen Gründen erwogen wurde, daß aber die Lebenslänglichkeit der Amtsdauer ein Ergebnis der Schwierigkeiten war, immer wieder neue geeignete Personen zu finden, die willig und fähig waren, Älteste zu sein. Die Zahl der Ältesten hat sehr geschwankt. 1544 waren es vier. Am 11. Juli 1563 zählt Cooltuin neun auf; eine Liste vom 3. Juli 1573 nennt zwölf Namen und eine weitere Liste vom 16. Januar 1576 zählt fünfzehn Älteste auf. Irgendwelche Beschlüsse über die Zahl der Ältesten werden in den Protokollen nicht gefunden. Am 14. Februar 1558 wird nur kurz erwähnt, daß die Ältesten sich mit der Zahl der vorhandenen begnügen wollen, wenn sie Gert Smit noch dazu bekommen. Einen wichtigen Beschluß faßte der Kirchenrat am 9. November 1571, nachdem der Zustrom an Flüchtlingen seit 1567 außergewöhnliche Formen angenommen hatte. Es ist denkbar, daß es vielen auffällig erschien, wenn die Flüchtlinge auch im Kirchenrat in so großer Zahl auftauchten, obwohl das Amt, soweit ich feststellen konnte, nur an solche gegeben wurde, die das Bürgerrecht erhalten hatten. Wirklich ernsthafte Widerstände gegen den Zuwachs werden nicht sichtbar, weder aus Hofkreisen noch aus der Gemeinde selbst. Am 30. Juli 1557 beklagt sich Hermann Entens über Johann Boekbinder, der von den Fremdlingen verächtlich („ sinistre“) gesprochen habe. Am 24. April 1558 wird von einem jungen Kavalier, der sich zerschnittene Hosen hat machen lassen, erzählt, daß er oft betrunken gesehen sei „ und dat he wol boße up de fremdelingen gesproken hadde, noemlyken: De duvel hadde de fremdelingen hyr voeret, de worde se ock van hyr voeren“. Daß er selten zur Kirche komme und in den Ostertagen überhaupt nicht in der Kirche gewesen sei, vervollständigt das Charakterbild dieses Außenseiters. Auf den Kirchenrat haben solche vereinzelten Angriffe keinen tiefen Eindruck gemacht. Doch beschloß er am 9. November 1571 eine Verhältnisbestimmung der alten und neuen Bürger. Von den sechs neu zu wählenden Mitgliedern sollen drei aus den alten Bürgern und drei aus den alten und neuen Flüchtlingen genommen werden. Damit wird in die Bildung des Kirchenrates ein Grundsatz eingeführt, der in anderer Form 1554 bei der Errichtung der französischen Gemeinde angewandt wurde; bei völliger Bekenntniseinheit, wie sie zwischen der niederdeutschen und französischen Gemeinde in Emden bestand, bewirkt doch das andere Volkstum eine gesonderte Gemeindebildung. Die völkische Zugehörigkeit bekommt so Einfluß auf die Bildung von Gemeinden und kirchlichen Organen. Die Kirche ordnet ihrem Leben die natürlichen und geschichtlichen Gegebenheiten ein. Indem die niederdeutsch sprechende Ortsgemeinde den Fremdlingen eine bestimmte Anzahl von Ältesten zubilligt, läßt sie den Grundsatz in der eigenen Gemeinde wirksam werden; sie gibt dem Gedanken der Gruppenvertretung auf der Grundlage der Volkszugehörigkeit in ihrer Mitte Raum. Eine gesetzliche Folgerung hat der Kirchenrat 280 Neuntes Kapitel ausdiesem einmaligen Zugeständnis nicht gezogen. Die Anwesenheit der Flüchtlinge war eine vorübergehende. Für die Auffassung vom Amt ist nicht nur die Bestellungsordnung aufschlußreich, sondern auch die Art, wie die Gewählten ihre Berufung in das Amt aufnehmen. Besonders in der ersten Zeit erweckt jede Neuwahl unter den Ausersehenen immer eine lebendige Bewegung. Es genügt, auf die oben vollständig mitgeteilten Eintragungen über die erste protokollierte Wahl hinzuweisen. 29 Beweglich klagt Hermann Sporenmaker darüber, „ dat het ßo stunde, dat men hen und synsgelyken tot sulken ampte solde keßen“. Und gerade er ist einer der treuesten Mitglieder des Kirchenrates gewesen und hat durch Jahrzehnte sein Amt nach Kräften verwaltet. 1576 ist er der erste Älteste in dem Bezirk Menso Altings. Das Gefühl der Untüchtigkeit für den Dienst sprechen auch andere Erwählte aus, oder sie weisen auf die Behinderung durch ihren Beruf hin. Einer sieht in dem Streit seiner Geschwister ein Hindernis, ein anderer darin, daß er ein Junggeselle sei. Sporenmaker entschuldigt sich mit seiner Jugend und Unerfahrenheit in der Schrift. Solange die neue Ordnung noch kein sicherer Besitz war, mußte sie im Ringen mit den Menschen und um rechte Träger selbst immer noch wieder erkämpft werden. Und die Zeiten dieses Ringens waren eigentlich die innerlich großen Zeiten des Kirchenrates. In den Verhandlungen zittert noch durch Jahrzehnte das Erschrecken über die Notwendigkeit eines solchen Einsatzes nach. Die persönliche Eignung der verschiedenen Träger des Amtes läßt sich nicht so nachprüfen, daß eine Erörterung der Ältestenliste bis 1620 erhebliche Aufschlüsse über die Anschauungen und Fähigkeiten wie über den Anteil der einzelnen Mitglieder des Kirchenrates an seiner Tätigkeit ergäbe. Dazu muß für die Lebensgeschichte der einzelnen noch mehr geschehen. Doch mögen einige Beobachtungen nach dieser Richtung dies Kapitel abschließen. Dabei bleibt zu bedenken, daß die meisten Mitglieder eben nur durch ihre Mitarbeit im Kirchenrat näher bekannt sind. Der dünnen Schicht des einheimischen Gebildetenkreises gehören eine Reihe von Männern an, die auch sonst in der Emder Geschichte eine Rolle spielen. Zu ihnen gehört Magister Onne Ubben, die Juristen Hinrich Artopaeus, Hinrich Herberts und Johannes Althusius, der 1617 in den Kirchenrat eintrat. Zu ihnen gehören auch Gerhard thom Camp, der Vertreter schweizerischer, besonders Züricher Einflüsse, der Rektor der Lateinschule Martinus Berner, der von 1564 bis 1575 amtierte. Auch der langjährige Schriftführer des Kirchenrates Goosen Luynghe ist hierher zu rechnen. Die größte Zahl der Ältesten entstammt den Handwerkerkreisen der seit 1550 aufblühenden Hafenstadt. Sie haben immer wieder neue Inhaber des Ältestenamtes gestellt; die ihnen zugehörigen Männer zeigen die Verbundenheit der neuen Einrichtung mit dem breiteren Strom des Gemeindelebens. Zimmerleute, Küfer, Schmiede, Maler und Glaser begegnen da im bun- Die Bestellung der Ältesten 281 29 Siehe S. 264-267 dieser Arbeit. tenWechsel. Auch Kaufleute sind darunter. Es sind die Kreise, die später in ihren fähigen und wohlhabenderen Gliedern auch die Ratsherren und Bürgermeister stellen, wie es bei Gert Bolardus und Hermann Eilarts der Fall war. Auf ihnen ruhte insbesondere die Last der Arbeit, die der Kirchenrat zu leisten hatte, wie auch die Opfer an Zeit und Bequemlichkeit, die notwendigerweise mit der Amtstätigkeit der Ältesten verbunden waren, von ihnen gebracht wurden, und das, wie die Quellen nicht anders erkennen lassen, mit einer Selbstverständlichkeit, die ihre Einsicht in die Erfordernisse des Amtes, ihren guten Willen, das Notwendige zu tun, und ihre Treue zu der einmal erkannten Ordnung beweist. Damit mag es in diesem Zusammenhang genug sein. Auch die Darstellung der Ältestenbestellung zeigt, wie sich die Einzelheiten der werdenden Ordnung keineswegs starr nach einem gesetzlichen Grundsatz richten, sondern im Lauf des kirchlichen Lebens vielfältig bewegt erscheinen und Notwendigkeiten folgen, die in zeitlichen Umständen ebenso wurzeln wie in Ergebnissen, die ganz offenbar aus der Beschäftigung mit den Gedanken stammen, welche mit dem Willen zur Ordnung des Gemeindelebens von vornherein gegeben sind. Diese Verbindung von folgerichtiger Grundsätzlichkeit und praktischen Forderungen läßt sich auch weiter beobachten und sichert der Durchbildung der Emder Kirchenordnung die Lebensnähe eines echten geschichtlichen Vorganges. 282 Neuntes Kapitel ZehntesKapitel Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 1. Die Begründung des Amtes Welche Gedanken den Arbeitseinsatz und die Tätigkeitsordnung des Kirchenrates gestalteten, dürfte am ehesten sichtbar werden, wenn nach der Amtsauffassung des Kirchenrates gefragt wird. Der Stoff für eine Antwort auf diese Frage liegt allerdings nicht so im Vordergrund als das, was die praktischen Ordnungsformen für die Inganghaltung der Tätigkeit überhaupt zu zeichnen erlaubte. Die innere Bewegung, die in den Verhandlungen über den Eintritt in den Kirchenrat jeweils sichtbar wird, läßt keineswegs erkennen, daß die Einrichtung eines Kirchenrates überhaupt fragwürdig war. Die Gemeinde muß sich vielmehr rasch und, soweit erkennbar, ohne Widerspruch mit dieser Form ihres Ordnungslebens einverstanden erklärt haben. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Kirchenrates wird durchaus anerkannt, gerade wenn persönliche Bedenken gegen die Berufung laut werden. Auch das Schwanken in den Einzelheiten der Bestellungsformen für Prediger und Älteste kann nicht so gedeutet werden, als sei das Amt selbst hinsichtlich seiner Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit Bedenken ausgesetzt gewesen. Nicht die Berufung von Männern zum Amt der Gemeinde stand jeweils in Frage, sondern nur um die rechte, ordnungsmäßige Berufung wurde im Kirchenrat und in der Auseinandersetzung mit den Täufern gerungen. Wohl aber steht hinter den Bemühungen um die Einzelheiten der Ämterbestellung eine Auffassung vom Amt, und die Geschichte der Ämterordnung zeigt eine Tätigkeit im Sinne eines bestimmten Amtsbegriffs. Der Kirchenrat sah in seiner Bemühung um Älteste nicht anders als in seinen Predigerwahlen eine Erfüllung des Willens Gottes. Er ruft die Gemeinde auf, Gott zu bitten, „ dat he nuytthe oldesten wolde uuitstoten“1.Er handelt in dem Glauben, daß er in der Bestellung von Amtsträgern Gottes Ordnung vollzieht. Gott selbst hat diesen Dienst in seiner Gemeinde für notwendig erachtet, er weist Älteste an. 2 Die Zusammensetzung aus Predigern und Ältesten ist in Gottes Wort und der Erfahrung begründet, so ist es zu allen Zeiten gehalten. 3 Solche Äußerungen lassen erkennen, daß der Kirchenrat sein Lebensrecht im Wort und in 1 11. September 1567. Siehe S. 272 dieser Arbeit. 2 Siehe S. 275f. dieser Arbeit. 3 11. Juli 1580. Siehe S. 274 dieser Arbeit. derGeschichte verwurzelt sein ließ. Er sah sich nicht als ein neues Gebilde, sondern legte Wert darauf, als in der Geschichte der Kirche ständig vorhandene, aus dem Worte entstandene Form der Kirchenregierung zu gelten. In dieser Erkenntnis kam das Fragen nach Recht und Notwendigkeit dieser Gestalt des kirchlichen Amtes zur Ruhe. Daß Prediger und Älteste zusammen den Kirchenrat bilden, daß nicht die Prediger allein die Gemeinde regieren, oder das Amt einem einzelnen anbefohlen ist, ist dem Kirchenrat selbstverständlich. Es ist dem Kirchenrat zuwider, daß ein Prediger sein Amt als Herrschaft über die Gemeinde begreift und ausübt. Der Kirchenrat hält es für gut begründet, wenn die Abmachung zwischen Gemeinde und Prediger darauf achtet, daß „ de dienaer de ghemeente dienen soude, nae ghemeenen godlicken rade, ende gheen heerschappte ouer de ghemeente voeren, ofte yet in de ghemeente anrechten buten Godes wordt ende der ghemeenten willen, nae syn eighen goedtdincken“4.Vom Predigtamt sagt das Emder Bekenntnis von 1594, daß es „ eine Ordnung des Ertzherden Christi“ sei, „ dartho he vor vnd vor vth den Menschen sekere van ehm erwelede/ vnd mit nothwendigen Gauen getzyrede Personen tho rechter tydt/ na synen wolgefallen (...) dorch syne Kercke ordentlicken beröpet“5.Diese Berufenen hat Christus „ in syne platze vorordenet“ 6.Es liegt auf der Linie des von den Ältesten Gesagten, wenn diese Aussagen auch auf diese angewandt werden. Die Kirche ist Christi Haus, das er auf dieser Erde nicht wüst ließ, sondern „ mit herlicken Densten vnd Ordnungen bestaldt/ vnde getzyret hefft“7.Läßt auch dieser ganze Gedankengang Christus mehr als den Ordner und Gesetzgeber erscheinen, so wird im nächsten Kapitel zu zeigen sein, daß die Anschauung von der Beziehung Christi zu seiner Gemeinde doch tiefer reicht, und damit auch das Amt in seiner Verteilung an verschiedene Diener die Auffassung widerspiegelt, daß die Verschiedenheit eine Gabe ist, die den Träger nicht zum Herrn werden, sondern den Diener bleiben läßt, dessen Ehre und Auftrag es ist, Platzhalter seines Herrn zu sein. Der Teilung des Amtes und der Bestimmung des Verhältnisses seiner Träger zu dem Erzhirten der Gemeinde liegt doch zuletzt die Anschauung zugrunde, daß der Herr nicht ersetzt wird durch seine Diener, sondern daß er durch sie selber regiert. Denn „ dit Ampt“ ist „ ein ordentlick Wercktüch Gades“8. Wenn sich die Abkündigungen der Ältestenwahlen neben dem Worte Gottes auch auf die Geschichte berufen, um die Notwendigkeit des Amtes zu begründen, dann ist nicht etwa das Vorbild der alten Kirchen oder der apostolischen Gemeinde gemeint, sondern die Vergangenheit der eigenen Gemein- 284 Zehntes Kapitel 4 Brief des Kirchenrates vom 23. März 1558 nach Antwerpen; siehe v. Schelven, 334f. 5 EKO, 93. 6 EKO, 94. 7 EKO, 93. 8 EKO, 94. de.„Uut Gotts H(illige) Woort und langdurender ervaringe und gebruÿck deser gereformerden gemeenten“ weiß die Gemeinde, daß ein Kirchenrat gebildet werden muß. 9 Damit beruft sich der Kirchenrat auf die Ordnung, die in der Gemeinde gilt. Diese Ordnung hat die Regel des Wortes für sich, dem das Leben der Gemeinde unterworfen bleibt. Es wäre wohl kaum im Sinne der Männer um 1580, wenn man den Zusammenhang der beiden Punkte so deutete, als sollten hier zwei gleichgewertete Quellen für die Ordnung angegeben werden, so daß das Wort Gottes und die Geschichte der Gemeinde das gleiche Gewicht bekämen, wenn es darum geht, das Gesetz der Ordnung zu begründen. Der Kirchenrat weiß den Gang der Ordnungsgeschichte seiner Gemeinde bestimmt durch das Wort, durch den Willen des Herrn. Das ordnende Handeln der Gemeinde ist der Ort, wo die Geltung des Wortes unter Beweis zu stellen ist. Begründung in der Vergangenheit macht die Ordnung wohl ehrwürdig, aber nicht in jedem Falle gültig. Es war Menso Alting nicht gleichgültig, als er Edzard gegenüber, der die Sitzungen des Kirchenrates 1586 aufheben wollte, darauf hinweisen konnte, „daß durch vnß solche ordenung nicht angestelt, sondern schon voer zeitten des Interims gewesen alßo daß noch vnder vnß im leben, die dieser christlichen Ordnung vber dreissig jaher beygewohnet“. Er weist aber auch darauf hin, daß „wyr ordentliche berueffene diener dieser Gemeine sein“, und daß der Kirchenrat „in Gottes Wortt gegründett, christlich vnd nothwendigk“ sei. Darum haben die Diener diese Ordnung „als ein stück vnsers dienstes“ fortgesetzt und unterhalten. 10 Das in der Geschichte Gewordene hat sein Gewicht, aber es unterliegt der Bestätigung durch das Wort. Hat die Ordnung die Regel des Wortes für sich, dann ist es nicht erlaubt, auf die Handhabung der im Wort gegründeten Ordnung zu verzichten. Die Kirchenordnung von 1594 bringt die Ordnung des Kirchenrates, seiner Bestellung, seines Amtes und seiner Tätigkeit, in vier Abschnitten; der erste lautet: „Van dem Presbyterio edder Vorsamlung vnd Ordnunge der Prediger vnde Oldesten. Gelyck nene Stadt vnde Huß/ahne gewisse Regiment/vnde Ordnung syn/vnd bestahn bestahn kan: also kan ock de Christlicke Kercke/welcke is Gades Stadt vnd Huß vp disser Erden/ahne gewisse regeringe/vnd van ehm bestalten Ordnung nicht bestahn vnde erholden werden. Weßhaluen de Apostel Paulus befehlt/ dat in der Gemeine Gades alles ehrlick vnde ordentlick thogahn scholle.“ Am Rande werden ohne näheren Hinweis auf das Textstück, das dadurch etwa begründet werden soll, folgende Bibelstellen angegeben: Hebr. 11.12.13; Apoc. 21; 1. Tim. 3; 1. Cor.14.11 Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 285 9 8. März 1583. 10 Nellner, 320 B, Brief 34; Kopie eines Briefes an Edzard II. vom 14. November 1586. 11 EKO, 154. DasBild von der Kirche als dem Gemeinwesen verwendet Calvin in der Einleitung des Kapitels über die Rechtsausübung in der Kirche. 12 Und mit einem ähnlichen Satz beginnt a Lasco die Einleitung zu seiner Forma ac ratio. 13 Der Vergleich mit einer Stadt oder einem Hause drückt anschaulich aus, was die Einrichtung eines Kirchenrates für das Leben der Gemeinde bedeutet. Auf Erden nimmt die Kirche die Gestalt eines Hauses oder einer Stadt an, die Regierung und Ordnung nötig hat, um bestehen zu können und erhalten zu werden. Die Ordnung ist von Gott bestellt. Damit ist sie der Willkür der Bewohner des Hauses entnommen. Allerdings sagt die Kirchenordnung nicht, was Gott an Einzelheiten für die Einrichtung seines Hauses angeordnet habe. Indem sie den Spruch aus 1. Kor. 14 anzieht, nach dem alles ordentlich und ehrbar zugehen soll, zeichnet sie den Rahmen. Trifft es aber die Anschauung der Kirchenordnung, wenn behauptet wird, daß innerhalb dieses Rahmens die Ausgestaltung freigegeben sei, wenn sie nur den Rahmen nicht verletzt? Wenn Gott Ordnung will, wenn sie göttliches Recht ist, will er auch diese Ordnung, die Prediger und Älteste zu einem Kirchenrat zusammenfügt und darin der Gemeinde ihre Regierung gibt? Aus den Beweisstellen, die bisher aus den Urkunden über die Tätigkeit des Kirchenrates herangezogen sind, besonders aus den Abkündigungen der Wahlen an die Gemeinde, geht hervor, daß die Frage bejaht werden muß. Unter den Diensten und Ordnungen, mit denen Christus seine Kirche geziert und bestellt hat, zählt das Bekenntnis von 1594 „ dat Predigamt/ de regeringe der Kercken/ vnd de notdrüftige bedeninge der Armen/ vnd wat dem allen ankleuet“14.Dabei stehen die Dienste nicht unverbunden nebeneinander, sondern eins greift ins andere, eins bekommt durch das andere seine Begründung und gelangt mit dem anderen zu seiner rechten Wirkung. Den Predigern müssen Älteste beigefügt werden, wird der Gemeinde eingeschärft; im Kirchenrat wird verhandelt, was „ zu befordrung der Gottseligkeit vnd der armen ordnung dienstlich vnd gehörich“ ist. 15 Der Kirchenrat ist „ eine versamblung der predigern, Eltesten vnd Diaken zue handthabe der Kirchen vnd armen ordnunge“16. Das bisher Dargestellte zu einem Beitrag zu der Auseinandersetzung über das formale und materiale Prinzip der reformierten Kirchenordnung, wie seit Rieker die Berufung auf die Schrift und die Beziehung der Amtsträger zu dem Haupt der Gemeinde, zu Christus, bezeichnet wird, zu erweitern, scheint sich mir zu erübrigen. Die Form des Materials legt eine solche Weiterführung der Besinnung nicht nahe; es fehlt in Emden an einer systematischen Theorie über das Amt nicht ganz, aber Eilshemius, der sie in seiner Dogmatik 1612 liefert, steht bereits im 286 Zehntes Kapitel 12 Institutio IV,11,1.Opera selecta, ed. Barth/Niesel, Band V, 195. 13 A Lasco II, 45; ähnlich Mikron in LKO, 1; Rieker, Grundsätze, 89 verweist auf die KO der Böhmischen Brüder, die mit demselben Vergleich beginnt. 14 EKO, 93. 15 Nellner, 320 B, Brief 34. 16 Siehe Anm. 15. Stromeeiner ausgebildeten Gedankenüberlieferung und am Ende der hier behandelten Entwicklung. In der Auseinandersetzung mit dem Anspruch des Papstes, das Haupt der Kirche zu sein, verficht Eilshemius den Grundsatz, daß allein Christus das Haupt seiner Gemeinde sei. 17 Er versammelt sich eine Gemeinde durch den Dienst des Predigtamtes. Das Amt ist das Mittel, durch das und bei dem Christus durch seinen Geist kräftig wirkt. „ De HEre wercket mit en (= den Dienern).“ 18 Um das Amt auszurichten, ist ein Kirchengericht einzurichten. „ Idt is överst dat Kerckengericht ein van Christo in syner Gemene verordnete Bykumst der Prediger vnde Oldesten/ darin alleine de saken so thor Religion/ thom denste der Kercken/ vnde guder disciplin gehörich/ vth Gades wort vnde der Kerckenordninge welcke in ein yder Gemene is angestellet/ gerichtet werden/ vp dat dardorch alle Lidtmaten in der gehorsamheit des Euangelij/ tho erbouwinge des gantzen Lyves geholden/ vnde alle ergernissen gewehret vnde gestüret werden.“ 19 Das geht über das bisher Festgestellte nicht hinaus. Er fügt seinen Sätzen den ausführlichen Schriftbeweis bei. Dadurch wird das Formalprinzip Riekers, nach dem die rechte Verfassung aus dem Worte zu schöpfen ist und mit der Urkirche übereinstimmen muß, auch bei ihm sichtbar. 20 Die systematische Darstellung der Anschauung von der Ordnung, die in Eilshemius’ Dogmatik als Auslegung der Katechismussätze von der Kirche, der Gemeinschaft der Heiligen und der Kirchenzucht erscheint, folgt der geschichtlichen Entwicklung nach. Am Ende des Zeitabschnittes, der hier behandelt wird, stellt Eilshemius in schlichter Entfaltung der Bekenntnissätze den dogmatischen Zusammenhang der Grundsätze heraus, denen das Bild des Gewordenen sich ohne Zwang einzeichnen läßt. Begegnung mit dem Wort, das war das Grunderlebnis der Reformation gewesen, das erneuerte sich in der Verwaltung des Amtes in allen seinen Formen, in der Predigt, in der Bedienung der Sakramente, in der Kirchenzucht. In der Begegnung mit dem Wort aber ereignete sich die Vergegenwärtigung des lebendigen Herrn der Gemeinde. In der durch das Wort und den Geist sich vollziehenden Vergegenwärtigung des Herrn lebt und arbeitet die Gemeinde. Sie kann darum alle Ämter nur als Dienste beschreiben, mit denen der Herr selbst seine Gemeinde ausrüstet. Es wird Bohatec recht zu geben sein, wenn er die Prinzipien Riekers als allgemein reformatorische nachweist; 21 und auch darin dürfte er nicht nur im Blick auf Calvin, sondern für die Gesamtrichtung des reformierten Ordnungslebens eine bessere, tiefere Erfassung der bewegenden Kräfte ermöglicht haben, wenn er die Ordnung des Amtes „ letztlich die Auswirkung des Organismusgedankens, des Ideals der Kirche als einer in allen ihren Gliederungen von Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 287 17 Eilshemius, Klenodt, 617-620. 18 A.a.O.,621. 19 A.a.O.,877. 20 Rieker, Grundsätze, 95. 21 Bohatec, Calvins Lehre von Staat und Kirche, 382-417. demEvangelium und hl. Geist durchdrungenen Lebenseinheit“ nennt. 22 Riekers Prinzipien sind solche der Methode, sie helfen zur Erfassung der wirksamen Anschauungen und behalten darum ihren Wert; aber man braucht nur an die Frage der „ Gesetzlichkeit“ der reformierten Kirchenordnung zu erinnern, um zu sehen, daß auch in Emden ein Kirchenrat in seiner Tätigkeit und in der Begründung seines notwendigen Seins und Tuns alles andere ist als ein Ergebnis gesetzlicher Auffassung seines Verhältnisses zum Wort und zum Geist, das heißt aber letztlich zum Herrn. Wie weit Bohatec mit seinem „ organisch- pneumatokratischen Wesenszug der calvinischen Verfassung“, den er als das eigentliche übergreifende Ordnungsprinzip aus einem weitschichtigen Material herausarbeitet, das Richtige trifft, darf hier auf sich beruhen. 23 2. Der Vertretungs- und Herrschaftsgedanke in der Amtsauffassung des Kirchenrates Für das aus den Predigern und Ältesten zusammengesetzte Organ hatte man im Anfang seiner Tätigkeit keinen besonderen Namen. Thom Camp spricht in der ersten Protokolleintragung vom 16. Juli 1557 von der Versammlung der Prädikanten und Ältesten der Gemeinde in Emden. Und die Briefe, die an den Kirchenrat gelangen, sind ebenso zumeist an die Prediger und Ältesten gerichtet. 24 Diese selbst nennen sich „ de broderen“ 25 oder sie bezeichnen sich als „ gemeente“ 26.Beide Bezeichnungen gewähren einen Einblick in die Auffassung, die die zum Amt des Kirchenrates berufenen Männer von ihrer Stellung haben. Mit dieser Benennung geben sie zu erkennen, daß sie sich nicht ohne Einschränkung über die Gemeinde gestellt sehen, sondern in der Gemeinde ihr Amt ausüben, ja, man wird noch weiter gehen und sagen dürfen: Sie üben es für die Gemeinde aus. Da heißt es in einer beliebig herausgegriffenen Eintragung: „ Noch ys afgesecht van den stoele, dat, ßo emant wat vp den predicanten, olderlingen, schoelmesters und diaconen, ore regeringe und hues- gesinne heft, dat he het anseggen sal der gemeente voer eyn tokomen sondage, up dat men dat, daer feyl ys, beteren mach und darna gheen nasage doe up de deneren.“ 27 Es soll also Censura morum der Amtsträger gehalten werden, die regelmäßig vom Kirchenrat geübt 288 Zehntes Kapitel 22 A.a.O.,417. 23 A.a.O.,417-444.Weitere Ausführungen im nächsten Kapitel. 24 Nellner, 320 A, Brief 50. Haemstede an den Kirchenrat vom 9. April 1562: „An de dienaers ende olderlinghen der ghemeente van Embden. Tho Embden.“ Ähnlich viele. 25 Z.B.9. August 1557. 26 Z.B.21. Dezember 1557. Jürgen hat einen Brief an die Gemeinde geschrieben, und zwar an die Glieder des Kirchenrates, die er in einer Zuchtsache beschuldigt. 23. Dezember 1557: „De gemeente“ hat gegen Douwe zu klagen. 27 6. März 1558. wurde.Die Gemeindeglieder sollen etwaige Beschwerden „ der gemeente“ ansagen. Das soll im Laufe der kommenden Woche geschehen. „ De gemeente“ kann hier nur der Kirchenrat sein, der die Gemeinde in ihrer Gesamtheit vertritt und darstellt. Natürlich heißt der Kirchenrat nicht kraft seines Amtes oder wegen der Stellung seiner Mitglieder die Gemeinde, sondern er bezieht den Namen der Glaubensgemeinschaft auf sich, weil er sich nicht von der Gemeinde durch das Amt geschieden sieht, sondern vielmehr in der Gemeinde für sie berufen weiß. So heißt es am 19. Mai 1565 in einer Zuchtsache: „ Sucht de gemene voer noedich/ dat he eens voer all sick mit de gemene tho versoenen mit genoemden nham/(...).“ Der Kirchenrat ist hier Mund, Ohr und Auge der Gemeinde. Wenn er eine Zuchtmaßnahme vorsieht, dann tut das die Gemeinde, mit der sich der Sünder versöhnen muß. Unzählige Male heißt es: „ Js N. N. in der gemene erschenen“, oder „ is in der gemene besloten“, oder am 26. Juli 1563: „ Idt heft de gemene behaget, dat Paulus van Mechlen idt scal de predikant unde den anderen anseggen tho kamen up negestkumstÿge vrÿdach in der gemene.“ Wenn der Kirchenrat sich versammelt, dann versammelt sich die Gemeinde, wenn er beschließt, dann beschließt die Gemeinde, und wenn er jemand vorladet, dann erscheint der Betreffende in der Gemeinde. Der hier sichtbar werdende Tatbestand kann wohl kaum anders gedeutet werden, als daß der Kirchenrat sich als die Vertretung der Gemeinde weiß. Am 11. Juli 1623 stellte der Kirchenrat fest, daß das Konsistorium die Gemeinde repräsentiere. 28 Welchen Sinn hat diese Anschauung, daß der Kirchenrat die Gemeinde vertrete und darstelle? Eilshemius erklärt dazu: „ Van dissem Kercken Gericht sol men weten/ dat Christus/ ein ordentlicke Bykumst sekerer Personen/ dartho van de Gemene bestellet/ in syner Kercken verordnet hebbe/ de alle Kercklicke saken verhandlen vnde richten sollen. Wo solckes vth synen Wörden dütlick is tho vernemen/ dar he secht: Höret he de nicht/ so segge idt der Gemene. Matt. 18,17. Dar dat wordt Ecclesia edder Gemene/ nicht het dat gantze volck vth welckem ein ydere Gemene besteit/ Sunder etlicke vorneme Personen/ so van der Gemene dartho sint verordnet/ dat se im namen der Gemene vnde van erentwegen solcke saken verwalten vnde richten sollen. Wente idt werdt ja ein wöst wesen geven/ vnde gantz ahne erbouwinge affgahn/ wenn men ydermal alle Lidtmaten der gantzen Gemene/ ahne vnderscheit/ over einen Broder de privat gesundiget hedde/ solde thosamen ropen.“ 29 Danach tritt der Kirchenrat an die Stelle der Gesamtgemeinde. Im Namen und wegen der Gemeinde üben die Männer des Kirchenrates Zucht. Sie sind Träger und Vollstrecker einer Macht, die der Gemeinde gegeben ist. Diese Beziehung zu der Vollmacht der Gemeinde, ihre Sachen selbst zu ordnen, macht aus den Gliedern des Kirchenrates nicht Vertreter eines namenlosen Massenwillens, sie sind als Glieder der Gemeinde selbst Inhaber und Vollstrecker der kirch- Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 289 28 Siehe S. 229 dieser Arbeit. 29 Eilshemius, Klenodt, 878. lichenGewalt. Es geht nicht zu weit, wenn die Auffassung, die sich in den Selbstbezeichnungen ausdrückt, verstanden wird als Besitz einer Vollmacht, die der Gemeinde eigen ist, die sie aber durch die Berufung zur Ordnung des Gemeindelebens dem Kirchenrat überträgt. In den Bezeichnungen „ broderen“ und „ gemene“ kommt zum Ausdruck, daß der Grundansatz der Schöpfung a Lascos noch bewahrt wird. A Lasco wollte die Gemeinde instand setzen, sich durch die Zuchtübung als Gemeinde unter dem Wort zu beweisen. Wo das Evangelium Gemeinde bildet, da wirkt es die Notwendigkeit und den Willen, den Gehorsam gegen das Wort zu beweisen. Der Auswirkung des Wortes dient die Gemeinde durch die Bestellung des Amtes, das die Glieder des Kirchenrates innehaben. Gemeinde und Brüder bezeichnen einen Stand, der seine Auszeichnung durch die Stellung unter dem Wort erhält. Wenn die Glieder des Kirchenrates in hervorgehobener Weise Gemeinde und Brüder heißen, dann tragen sie damit Namen, die die Quelle ihrer Herkunft zu deutlich verraten, als daß nicht diese Namen nicht zugleich die Auffassung von der Stellung und den Aufgaben erklärten, die dem Kirchenrat mit seinem Amte zuwachsen: In der Gemeinde haben sie die Vollmacht der Gemeinde für diese wahrzunehmen. Es wird nicht zu umgehen sein, in der Darstellung des Gemeindebegriffs der Emder Theologen auf diese Zusammenhänge zurückzukommen. Hier bleibt nur noch zu fragen, ob der Vertretungsbegriff den zu Tage liegenden Sachverhalt zutreffend wiedergibt. Rieker hat das bestritten. 30 Auch wenn man den Vergleich der altreformierten Kirchenräte mit den modernen beiseite läßt und die von Rieker behauptete moderne Begründung der Gemeindeorgane aus dem demokratischen Verfassungsbegriff außer Ansatz bleibt, so fällt auf, daß Rieker das Vorkommen des Vertretungsgedankens bei Calvin und a Lasco nicht leugnet, aber behauptet, daß die entsprechenden Belegstellen „ doch zu vereinzelt und zu allgemein“ seien, „ als daß darauf eine ganze Theorie gebaut werden könnte“31.„ Es handelt sich für ( Calvin) nicht darum, daß die Gemeinde Organe ihres Willens, Vertreter ihrer Interessen habe, sondern daß Christus, der Herr der Kirche, Diener habe, die seinen Willen in und an der Gemeinde vollstrecken.“ 32 Er stößt sich daran, es möchte dem Vertretungsgedanken die Wendung gegeben werden, daß die Gemeindeglieder die Quelle seien, „ aus der die Vollmacht der kirchlichen Amtsträger fliesst“, und nicht Christus, das Haupt der Kirche, dem alle Gewalt gegeben ist. 33 Diese Wendung verkürzt und verbiegt den Gedankengang, der sich aus dem mitgeteilten Stoff ergibt. Wie können die Gemeindeglieder Quelle einer Vollmacht sein, die ihnen mit der Gegenwart Christi verliehen wird und durch deren 290 Zehntes Kapitel 30 Rieker, Grundsätze, 130ff., Kapitel VI: Die reformierten Presbyterien und Synoden verglichen mit den modernen. 31 A.a.O.,140. 32 A.a.O.,141. 33 A.a.O.,141. Vollzugim Glauben und Gehorsam sie ihre Gliedschaft verwirklichen? Rieker nimmt seinen Standort zur Kritik des Vertretungsgedankens nicht bei dem Sinngehalt, den er in der Reformationszeit hat, sondern in der Geistigkeit einer Gesellschaftslehre, die sich auch in der Darstellung des Kirchenbegriffs aus anderen Quellen nährt als aus der Vorstellung der Kirche als des Leibes Christi. Die Vollmacht wird ausgeübt in der Verantwortung vor dem Haupt, die alle schrankenlose Eigenmächtigkeit begrenzt. Was Calvin angeht, aber damit auch für die ihm verwandten Auffassungen vom Amt der Kirche, hat Bohatec an Riekers Sätzen eingehende Kritik geübt. 34 Bohatec drückt den Sinn des Vertretungsgedankens mit folgenden Worten aus: „ Ist ferner die der Gemeinde vom Herrn verliehene, ihr nicht kraft des Naturrechtes zustehende Macht nicht unbedingt, sondern gebunden an das Wort des Herrn, so kann die Verantwortlichkeit der Diener des Wortes der Gemeinde gegenüber nur als Wortgebundenheit zu Recht bestehen. Die Diener des Wortes als Vertreter Christi können infolgedessen als die Vertreter der Gemeinde gelten, wenn diese ihren Wortcharakter wahrt, oder bestimmter, wenn der durch das Wort wirkende Christusgeist in ihr herrscht.“ 35 In diesem Sinne nennen sich die Emder Ältesten „ broderen“ und „ gemene“. 36 Die Selbstbezeichnung „ gemene“ hat der Kirchenrat nicht dauernd festgehalten; denn die Linie Christus- Wort- Geist- Gemeinde war nicht die einzige Linie, als deren Endpunkt er sich sah. Er beschrieb und führte sein Amt nicht nur als Vertretung der Gemeinde und ihrer Vollmacht, sondern ebenso und mit gleichem Gewicht als Regierung. Unter diesem Gesichtspunkt beschreibt die Kirchenordnung das Amt: „Vam Ampte der Oldesten. Vth den Titulen/so den Oldesten in Gades Wordt gegeuen werden (am Rande: Acta 20; Rom. 12; 1. Cor. 12; 1. Tim. 5)/erschynet: dat ehr Ampt sy/vpsicht vp vp de gantze Gemene/ vnd allen eren Ordningen tho hebben darmit se by gesunder Lehre/vnd reinem Gadesdenst erholden/vnd vor allerley vorföringe/beyde im im Gelouen vnd wandel/bewahret werde. Vnde so jemandt mangelhafftich befunden/dat se den Predigeren mith Rath vnd Dadt bywahnen/dat solcker mit Christlicken Vormaningen/entwedder möge wedder vpgerichtet/vnde tho rechte gebracht werden: edder so he halßstarrich vortfahren würde/nha genochsame auertüginge syner begangenen Sünde/ vnd vorachtinge der trüwhertigen Bröderlicken vormaningen/ordentlick van der Gemene möge vthgeslahten werden.“ 37 Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 291 34 Bohatec, 495ff. 35 A.a.O.,499. 36 Auf die dogmatische Lehre des Luthertums von der ecclesia synthetica und repraesentativa sei wenigstens hingewiesen. Siehe Jacobson, Das Ev. Kirchenrecht des Preuß. Staates und seiner Provinzen, 1864, 340; Hirsch, Hilfsbuch zum Studium der Dogmatik, 1937, 371- 373. 37 EKO, 155f. DasAmt wird hier beschrieben als Aufsichtsamt. Diese Aufsicht erstreckt sich auf die Gemeinde zu dem Zweck, sie bei der gesunden Lehre und den Ordnungen zu erhalten, die das Leben der Gemeinde regeln. Die Kehrseite dieser aufbauenden Tätigkeit ist die Zucht als Maßnahme, durch die die Gemeinde wie der einzelne in der Gefährdung durch falsche Lehre und Unordnung im Wandel bewahrt werden sollen. Diesen Sinn hat der Begriff der Regierung. Er kommt bereits klar zum Ausdruck in dem ersten Dokument, das den Kirchenrat in dieser Hinsicht tätig zeigt. Die Abschrift eines Briefes ( oder der Entwurf?), den ein nicht genannter Ältester am 3. Januar 1556 in einer Zuchtsache an einen gewissen Aryan richtet, beginnt: „ Wetet Aryan goede vrunt woe dat ons leyder met groete droffenysse ys vorgekomen dye wy synt als olderlyngen oft opsienders der gemente vorordent binnen Emden om alle saken toe rechte toe brengen onder dye gemente (...).“ 38 Auch hier wird das Ältestenamt als Aufsichtsamt gefaßt. Eilshemius weiß, daß das Organ mancherlei Namen haben kann, daß aber die Aufgabe die des Regierens ist. „ De Gemene Christi wert in der hilligen Schrift ein Stadt des levendigen Gades genömet. Darumme hefft se ock einen Geistlicken Raet vnde Gerichte/ dardorch se regeret wert/ welcke ordninge im wordt Gades / Presbyterium dat is Raet der oldesten/ vnde suß gewontlick/ Consistorium / Kerckenraedt/ Kerckengericht/ edder versamlinge der Prediger vnde Oldesten wert genömet.“ 39 Aus dem Nebeneinander der beiden Anschauungen ergibt sich eine Spannung, die nicht ohne weiteres in eine höhere Einheit überführt werden kann und darf; es wird bei der Darstellung des hier wirksamen Kirchenbegriffs darauf zurückzukommen sein. Hier bleibt festzuhalten, daß das gleiche Organ, das sich betont Gemeinde und Bruderschaft nennt, die Aufgabe des Regierens und der Aufsicht für sich beansprucht. Die Anschauung von der Vertretung und der Regierung bilden eine Spannungseinheit. Anschaulich wird das in Emden durch die Verwendung der Bezeichnung Konsistorium neben der der „ gemene“. Eilshemius weiß eine Reihe von Namen für das Organ der Gemeinde zu nennen, den im Neuen Testament dreimal vorkommenden AusdruckPresbyterium40,das Kirchengericht, eine Bezeichnung, die in Emden nie verwandt worden ist, den Kirchenrat und das Konsistorium. Kirchenrat wurde die Versammlung der Prediger und Ältesten erst in einer späteren Zeit genannt. Doch taucht seit der Mitte des siebenten Jahrzehnts das Wort Konsistorium immer häufiger auf, wenn ich recht sehe, zum ersten Male am 18. Juni 1565: „ Doco sul ock gesecht hebben van der consistorie, dat men dar nicht bieeinander queme unde sete als christen.“ Hier dürfte es die Versammlung oder die Zusammenkunft der Mitglieder bedeuten; so gebraucht auch Cooltuin am 27. 292 Zehntes Kapitel 38 Nellner, 320 C. 39 Eilshemius, Klenodt, 877. 40 Lk. 22,66; Apostelgesch. 22,5; 1. Tim. 4,14. Mai1566 den Ausdruck: Riewert will nicht „ in die consistorio“ erscheinen. Am 22. November 1568 steht eingetragen, daß Cathalina ther Lheers ermahnt werden soll wegen ihres ärgerlichen Abschieds „ van uns uut unsse consistorio“. Der Schreiber hält hier die Versammelten und ihre Versammlung oder ihren Sitzungsort noch auseinander. Aber die neue Bezeichnung bürgerte sich ein und wird in den nächsten Jahren die eigentlich vorherrschende Selbstbezeichnung des Kirchenrates. Zwar trägt das Protokollbuch, das mit dem 25. August 1578 beginnt, die Aufschrift: „ Protocollum Presbyterij Embdani“; die gleiche Aufschrift wiederholt sich auf Einbänden und Vorsatzblättern späterer Bücher; auch die Kirchenordnung von 1594 spricht vom „ Protocoll des Presbyterij“ 41 und spricht „ van dem Presbyterio edder Vorsammlung vnd Ordnung der Prediger vnde Oldesten“42, während sie sonst dem Organ keinen besonderen Namen gibt. Doch ist der Ausdruck Presbyterium neben dem des Konsistoriums nicht zur Geltung gekommen, obwohl doch die Emder Prediger 1586 dem Grafen schreiben: „ Vnd ist die ordnung/ welche itz abusiue consistorium genennet wirtt/ eben dasselbige, welches die Apostell zu ihro zeitt Presbyterium genennet haben.“ 43 Wenn hier der Gebrauch der schon eingebürgerten Bezeichnung kritisiert wird, so hängt das mit den Bestrebungen des Grafen zusammen, der ganzen Landeskirche ein Konsistorium zu geben, dessen Amtsbezeichnung natürlich nicht von einem einzelnen Gemeindekirchenrat geführt werden konnte. Bei dem ersten Auftauchen bedeutet das Wort nichts weiter als Versammlung. So ist es in den Artikeln der Emder Synode 1571 noch verwandt, wo es in Artikel 6 heißt: „ In den einzelnen Kirchen sollen Zusammenkünfte oder Consistorien der Diener, Ältesten und Diakonen sein.“ 44 Aber es ist nur folgerichtig, daß diese farblose Bedeutung sich sehr rasch zu einer Titelbezeichnung wandelt. Bereits in den frühen Synodalprotokollen der niederländischen Synoden wird das Wort für das regierende Organ der Gemeinden gebraucht. 45 Es gehen beide Begriffsbedeutungen nebeneinander her und ineinander über. 46 Das ist in Emden nicht anders. Als Odierus Althes 1574 aus Hamswehrum bei Emden an den Kirchenrat schreibt, setzt er auf seinen Brief die Anschrift: „ An die Consistorie thoe Embden.“ 47 Gerd thom Camp hatte 1558 noch adressiert: „ Den wolgelerden vnnd Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 293 41 EKO, 159. 42 EKO, 154. 43 Nellner, 320 B, Brief 34. 44 v. Meer, De Synode te Emden, 230; Reitsma/ Veen, Band I, 14: Es sollen in allen (Land)gemeinden „goede consistorien gehouden worden“. 45 Reitsma/Veen, Band I, 15.24; Band II, 19.130.140. Später findet sich der Ausdruck „Kirchenrat“; so schon auf der Synode zu Dordrecht 1578; siehe Rutgers, 235 (Art.4). 46 Wie beide Begriffsmomente, das der Versammlung und das des Regierungsorgans, noch ineinanderliegen, zeigen Stellen bei Rutgers, 180: „ wt onsen Consistorie vercoren (...). Ghegheuen tot Delft in onse Consistorie.“ S. 181: „ wy B.( roederen) der Consistorien (...).“ S. 182: „ Eindrachtig in onser Consistorie (...) vergadert sinde.“ S. 191: „ met consistoriale authoriteit.“ 47 Nellner, 320 A, Brief 116. godtsaligenmenneren Deneren des Wordes vnnd Oldesten der Gemene bynnen Emden mynen leuen Broderen.“ 48 Clas Kanne schreibt noch zwei Jahre früher: „ An myne liewe broderen in de vorsamlinge to Arnoldus huys.“ 49 Als Hinrich Schonenborch am 19. Juni 1568 im Auftrage des Kirchenrates an die Londoner Gemeinde schreibt, unterzeichnet er: „ By ons uwe gans willighe Dienaers ende Broeders goot ghunners der Consistorie tho Embden.“ 50 Daß das Konsistorium die Regierung der Gemeinde wahrnimmt, geht z. B. aus einer Eintragung vom 2. Dezember 1566 hervor; Hindrick Michaelis hat sich „ wedder der consistorii radt unde meninge“ verhalten, deshalb soll de Visscher nach Antwerpen schreiben „ nomine consistorii nostri“. Seit dem 26. August 1566 bzw. dem 14. November 1575 führen Martinus Berner und Goosen Luynge das Protokoll; sie verwenden in steigendem Maße das Wort Konsistorium. Zuidlaraeus spricht von „ alle brodern dess consistorii“51.Es folgen oft lange Jahre hindurch Eintragungen ohne die neue Bezeichnung; Zuidlaraeus und de Peistere reden meistens von den Brüdern und nennen ihre Versammlung wie früher die Gemeinde. Aber der Begriff ist da und macht sein Gewicht geltend; eine bewußte, andere Bezeichnungen ausschließende Übernahme liegt zwar nicht vor. Das schließt aber nicht aus, daß sich mit dem Eindringen des neuen Begriffes auch allerlei Begriffs- und Stimmungsgehalte einschleichen, die sich aus der Verwendung des Wortes zur Bezeichnung des kirchlichen Regierungsorgans in dem werdenden Kirchenrecht der französischen Gemeinden ergeben. Denn es bedarf nur eines flüchtigen Blickes in die entsprechenden Unterlagen, um zu sehen, daß die Wurzel für die Verwendung dieses Wortes in Genf liegt. 1537 spricht Calvin, ohne dem von ihm vorgeschlagenen Organ einen besonderen Namen zu geben, von der Bestellung und Wahl bestimmter Personen, die ein Auge auf das Leben und die Führung eines jeden haben sollen. 52 1541 wird in den Ordonnances ecclésiastiques de Genève von dem dritten Amt ( ordre) gesprochen: „ Das sind die Ältesten als Beauftragte oder Abgeordnete der Obrigkeit ( Seigneurie) oder das Consistorium.“ 53 Von Genf erhielten die französischen Gemeinden ihre entscheidenden Anregungen für die Ordnung ihres Lebens und ihrer Arbeit. Sie kennen als Organ der Regierung für die einzelnen Gemeinden die Konsistorien. 54 Daß die südniederländischen ( wallonischen) 294 Zehntes Kapitel 48 Nellner, 320 A, Brief 110. 49 Nellner, 320 A, Brief 98 vom 21. September 1556. 50 Nellner, 320 A, Brief 84. Daß Schonenborch der Schreiber ist, geht aus dem Protokoll zum 7. Juni 1568 hervor. 51 9. Januar 1579. 52 Opera selecta, Band I, 373 (CR 10/1, 10). 53 Richter, Die ev. Kirchenordnungen des sechzehnten Jahrhunderts, Band I, 345. In der Institutio spricht Calvin nicht vom Consistorium. Er nennt das Organ für die Kirchenzucht IV,12,2 „ecclesiae iudicium, qui est Seniorum consessus“. Hierher dürfte Eilshemius seinen Ausdruck Kirchengericht bezogen haben. 54 v. Hoffmann, 14- 29. Die verwickelte Überlieferungsgeschichte der ältesten französischen Gemeindendurch die französische Entwicklung stark beeinflußt sind, erweist v. Hoffmann aus Vergleichen der beiderseitigen Synodalbeschlüsse. 55 Durch die niederländischen Gemeinden, insbesondere durch ihre Flüchtlinge, die zu einem großen Teil aus Flandern kamen, erhielt Emden die Verbindung mit den kirchenrechtlichen Regeln und Formen Genfs bzw. der von Genf beeinflußten französischen und niederländischen Freikirchen. Aus diesen Quellen stammt auch die neue Bezeichnung für das Organ der kirchlichen Zucht und Regierung. Darum taucht sie erst um 1565, und zwar im Munde von Flüchtlingen, auf. Nach 1600 wird fast immer vom Konsistorium gesprochen, und zwar fast nur in dem Sinne, daß es das Zuchtorgan der Gemeinde ist, nicht mehr eindeutig in der Gemeinde stehend, sondern die Gemeinde regierend. So weigert sich Johann Hindricks, „ dem Consistorio zu gehorsamen“56.Peter van Eeck hat sich, als er in die Gemeinde aufgenommen wurde, „ dem Consistorio to underwerpen verplichtet, und dat Consistorium nicht em“57.Am 9. Dezember 1616 muß festgestellt werden, daß eine Reihe von Bürgern sich mit Huren vergangen haben, darunter auch sieben Glieder der Gemeinde. Sie werden besucht und versprechen, sich der Zucht der Gemeinde zu unterwerfen. Am 20. Dezember wird festgestellt, daß einige sich „ des consistorii ordel“ unterworfen haben, was am 12. Januar 1617 auch der Gemeinde eröffnet wird mit den Worten, daß sie um Vergebung gebeten, „ daertho sick in alles des consistorii ordel underworpen, um niet alleine mit Godt, sonder ock mit der gemeine versoenet tho werden“. Als am 11. Mai 1617 Althusius und de Brander als Älteste eingeführt werden, wird die Gemeinde ermahnt, sich gegen sie und die andern Ältesten so zu betragen und zu verhalten, wie sich das nach Gottes Wort und altem christlichen Brauch gebühre. Die Anschauung vom Regieren ist schon von Anfang an vorhanden, aber ihre Ausprägung, wie sie sich in den Beispielen spiegelt, hat sie erst im Laufe langer Jahrzehnte erhalten. Und bezeichnend für den sich anbahnenden Wandel auf dem Gebiete der Zucht ist, daß der Begriff des Regierens seine ganze Schärfe erst erhält, als die dem Kirchenrat anvertraute und befohlene Sache schon nicht mehr unbestritten in Kraft stand. Das Vordringen der Bezeichnung des Zuchtorgans mit dem Ausdruck Konsistorium macht eine Wandlung sichtbar, die natürlich nicht am Wort hängt, aber mit dem Wort eine Verlagerung der Begriffsgehalte verbindet, wobei dauernd beachtet sein will, daß die Anfangszeit den Ausdruck nicht benutzt, Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 295 discipline ecclésiastique glaubt v. Hoffmann dadurch zu klären, daß er die 40 Artikel von 1559 als verloren ansieht; von ihr sind uns nur Bruchstücke bekannt. Was jetzt als die Kirchenordnung von 1559 bei Aymon, Tous les synodes (...), Band I, 1-7 steht, ist eine Bearbeitung, die auf der Synode von Lyon 1563 Gesetzeskraft erlangte. Der Ausdruck consistoire ist jedoch auch in dem Projet (in der sog. Bezaschen Kirchengeschichte, Band I, 185-190) bereits bereits vorhanden. Siehe Rieker, Grundsätze, 11f. 55 A.a.O.,29-37. 56 12. Mai 1606. 57 3. Juli 1608. aberdie von ihm gemeinte Sache in einem erstaunlichen Ausmaße wirklich hat, während gegen Ende des Zeitraumes zwar der Begriff eine eindeutige Klarheit erlangt hat, jedoch der sachliche Gehalt drauf und dran ist, verloren zu gehen. Daß aber doch die fruchtbare Spannung zwischen der Anschauung von der Vertretung und der Regierung der Gemeinde durch den Kirchenrat nicht verschwunden ist, zeigt die mehrfach erwähnte Tatsache, daß der Kirchenrat sich ganz am Ende des Zeitabschnittes in den Kämpfen um die Wahlordnung die Vertretung der Gemeinde nennt und diese Bezeichnung den anderen Organen abspricht. 58 Daß die Anschauung von der Regierung durch den Zuchtauftrag besonders geprägt wurde, ergibt sich aus dem Ansatz, der mit der Errichtung des Kirchenrates gegeben war. Doch bereits in den mitgeteilten Belegstellen aus der Kirchenordnung, aus Eilshemius und den anderen Dokumenten ist hinlänglich sichtbar geworden, daß der Kirchenrat seinen Auftrag weiter faßte. Er bezieht das ganze Ordnungsleben der Gemeinde in seine Tätigkeit ein. Je besser er lernte, daß die eigentümliche Begründung der Ordnung und des Lebens der Gemeinde im Worte sie gegenüber anderen Gebilden selbständig machte, desto lebhafter vertrat er mit seiner Tätigkeit, aber auch streitend gegen fremde Einspruchsversuche, den Anspruch, daß die Gemeinde Macht habe, das weitgespannte Gefüge ihres Lebens selber zu ordnen, und daß er, der Kirchenrat, das Organ sei, dem diese Aufgabe zustehe. Indem a Lasco um die Errichtung des Kirchenrates kämpfte, stritt er für die Freiheit der Kirche. Und wenn Faber der Gräfin Anna die Grenze ihrer kirchlichen Tätigkeit setzt und die Ordnung des kirchlichen Lebens den Amtsträgern der Gemeinde vorbehält, dann setzt er die Bemühungen a Lascos fort. Diese Linie, die Gemeinde in der Gestaltung ihres Lebens selbständig zu machen, läßt sich durch alle die Jahrzehnte verfolgen. 59 Schon in dem Augenblick, da die Arbeit des Kirchenrates sichtbar wird, sehen wir ihn mit einer Fülle von Aufgaben betraut. Sie beziehen sich auf die Lehre der Gemeinde, auf die Ordnung der Ämter und der Arbeit, auf die Herausstellung von Grundsätzen für das Verhalten der Gemeinde gegenüber der Obrigkeit und den anderen Kirchen, auf den Gottesdienst, auf die zeitgebundenen Sonderanliegen wie die Flüchtlingsfrage und die Fürsorge für fremde Gemeinden, auf die Verwaltung und das Armenwesen. Aber das Hauptanliegen bleibt doch die Zuchtübung. Wie der Kirchenrat diese Aufgaben angriff, wie er sie sah und löste, das wird der dritte Teil der Untersuchung herauszustellen haben. Hier soll der Inhalt dieses Teiles kurz umrissen werden, um zu zeigen, wie der Kirchenrat die Vertretung und Regierung der Gemeinde in seiner Arbeit betätigte. Bei der Zuchtübung wird zuerst zu fragen sein, welche Gebiete der Zuchtübung unterliegen; es geht um die Zuchtgegenstände. Fraglich mag es sein, ob 296 Zehntes Kapitel 58 Siehe S. 229 dieser Arbeit. 59 Belege für diese Sätze siehe oben, Kapitel 6, 1. Abschnitt. manunter die Gegenstände der Zucht auch die Lehrzucht zählen soll. Beschränkt man den Begriff der Zuchtübung streng auf die der Zucht unterworfene Gemeinde, dann sind immerhin einige Fälle vorhanden, in denen der Kirchenrat mit Gemeindegliedern wegen Abweichungen in der Lehre zu verhandeln hatte. Davon wäre zu unterscheiden das Bemühen, die eigene Gemeinde gegen den Einbruch fremder Lehre zu sichern, ein Bemühen, das sich nicht so sehr gegen Gemeindeglieder, als gegen Kirchen und Gemeinschaften richtete, die die entgegengesetzte Lehre vertraten. Es soll beides zusammengefaßt werden, da schließlich von der aktiven Tätigkeit der Vertreter bestrittener Lehren die Gefährdung der Gemeindeglieder ausging oder sogar das Ganze der Gemeindeordnung in Frage gestellt wurde. Die katholische Kirche, das Luthertum mit seinem Streben, die Eigenart der Emder Kirche durch Eingliederung der ostfriesischen Kirche überhaupt in das konfessionell verstandene Kirchentum des im Osten angrenzenden Gebiets zu verwischen und aufzulösen, die täuferische Bewegung mit ihrem starken werbenden Einfluß auf die Gemeindeglieder, und auch das Judentum, der Geisteshaltung in damaliger Zeit entsprechend gesehen in seinem Gegensatz zum Anspruch der Kirche Christi, die wahre Erbin der biblischen Verheißungen an das Volk Gottes zu sein, – nach diesen vier Richtungen hatte der Kirchenrat zu wachen und zu streiten. Dazu tritt die Lebenszucht. Hier öffnete sich dem Kirchenrat ein weites Feld, dessen Grenzen sich umso mehr ausdehnen, je weiter das Evangelium greift und auf den einzelnen einwirkt, und je umfassender es sich das private und öffentliche Leben verpflichtet. Die Maßnahmen, die die eigentliche Zuchtübung bilden, ergeben sich dem Kirchenrat aus der Auffassung vom Wesen der Zucht. Sie ist verstanden als Mittel, den Weg und die Gültigkeit des Wortes nicht durch Ärgernisse aller Art verhindern zu lassen. In ihren einzelnen Stufen sind die Maßnahmen durch den Gedanken der Seelsorge, wenigstens im Grundansatz, bestimmt. Auf diesem Gebiet hatte der Kirchenrat den Beweis für sein Lebensrecht zu erbringen, wenn es wahr ist, daß die Träger des Lebens in seinen Gemeinschaftsformen nur durch die Grundsätze bestehen, aus denen sie hervorgegangen sind. 60 Er lebte davon, daß sein Regieren in der Herrschaft des Evangeliums begründet war. Es ist klar, daß dem Kirchenrat aus seiner Zuchtübung mancherlei grundsätzliche Fragen zuwuchsen, die beantwortet werden mußten. Aber auch das ist begreiflich, daß diese Tätigkeit in ihrer Begründung, ihrer Form und ihrer Entwicklung mancherlei beobachten läßt, was auf das Wesen der Zucht wie der gesamten Ordnung des kirchlichen Lebens ein Licht wirft. So wird die Zuchtübung in dreifacher Hinsicht zu betrachten sein: die Gegenstände, die Maßnahmen und die grundsätzlichen Fragen, die sie erweckt, werden den Kirchenrat bei seiner eigentlichen Arbeit zeigen. Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 297 60 Adolf Zahn, Die Ursachen des Niederganges der reformierten Kirche in Deutschland, 11. DieMitte des Gemeindelebens, die Quelle und die Offenbarung ihres Wesens ist der Gottesdienst. Der Kirchenrat hatte hier durch die Bemühungen a Lascos ein Erbe übernommen, das er zu pflegen und zu mehren hatte. Predigt, Gesang, Gebete, Feiertage, Sakramentsverwaltung, Gestaltung des Eherechtes und der Trauung wie der Beerdigung, liturgische Formulare und Ordnungen, – eine Fülle von Fragen war mit dem allen verbunden; ihre Beantwortung war Aufgabe des Kirchenrates. Darüber hinaus lagen noch eine Reihe von Aufgaben vor, die jede für sich Einrichtungen nötig machten und darum schon um ihrer selbst willen starke Beachtung verdienen. Es handelt sich um die Diakonie, die Schulen und die Vermögensverwaltung. Soweit der Kirchenrat an ihrer Arbeit beteiligt war, gehören sie zu einer Beschreibung seiner Tätigkeit dazu. Die Diakoniegemeinschaften, der Schulvorstand und die Lehrerschaft und die Kirchvögte des Kirchenvermögens waren die Träger der Arbeit, aber der Kirchenrat übte hier bestimmte Rechte aus, die wenigstens in ihren Umrissen gezeichnet werden müssen, um das Bild einigermaßen vollständig zu machen. Über das Gemeindeleben hinaus, aber doch durch starke Beziehungen mit ihm verknüpft, ragen die Aufgaben, die dem Kirchenrat aus seiner Stellung in der Hauptstadt des Landes durch die Verbindung mit anderen Gemeinden zuwuchsen. Die einmalige Lage, in die er durch seine Haltung zu der werdenden niederländischen Kirche kam, hat ihn teilnehmen lassen an Ereignissen, die für die Weiterentwicklung, ja teilweise schon für die Entstehung der Kirchenordnung in den reformierten Kirchen, bedeutsam geworden sind. Er erlebte es mit, wie die Gemeinden unter dem Kreuz sich formten, wie sie ihre Klassen und Synoden ordneten, ohne doch selbst imstande zu sein, diesen Vorgang im Umkreis der ihm verbundenen Gemeinde in der Heimat zur Wirkung zu bringen, mögen auch in der nicht immer bejahenden Stellung zum Coetus der Prediger so etwas wie synodale Ansätze zu entdecken sein. Daß Emden im wesentlichen mit seiner Ordnung allein blieb und nur einen Teil der Landgemeinden bei den Entwicklungsansätzen der ostfriesischen Reformation festzuhalten vermochte, ergab sich aus der politischen Entwicklung. Emden hat nur während der Zeit der Gräfin Anna 1540- 1575 sich der Gunst einer freundlich gesinnten Obrigkeit zu erfreuen gehabt, die meiste Zeit mußte auf die Abneigung des Hofes Rücksicht genommen werden. Das hat viele in die Weite wirkende Ansätze verkümmern lassen, manches konnte überhaupt nicht in Angriff genommen werden. Das führt auf das Verhältnis zur Obrigkeit, von dem Einzelnes schon angedeutet wurde, das aber in einer Darstellung der Kirchenpolitik des Kirchenrates vertieft dargestellt werden muß. Die Beziehungen zum Grafenhaus, der Rat und der Kirchenrat im Bund und im Gegensatz – auch hier lagen Aufgaben, denen sich der Kirchenrat nicht entziehen konnte und auch nicht entzogen hat, wenn sie an ihn herantraten, oder wenn er es für nötig hielt, sie aufzugreifen. 298 Zehntes Kapitel Essind das die Umrisse des Bildes, das die Männer der Gemeinde bei ihrer Arbeit zeigt. Sie wußten sich als Beauftragte. Und für ihren Auftrag hatten sie kein noch erlebtes Vorbild in der unmittelbaren Vergangenheit der Kirche. Es war für die Männer der ersten Jahrzehnte etwas Neues, was hier von ihnen gefordert und erwartet wurde. Sie konnten sich nicht auf den Willen der Gemeinde berufen und waren doch seine Vertreter, sie hatten die Gewalt eines staatlichen Gesetzes nicht für sich und doch regierten sie. Sie ertrugen die Spannung, Glieder der Gemeinde zu sein und doch die Diener des Herrn der Gemeinde sein zu müssen. Und das Stehen in dieser Spannung, das Leben aus ihr, war das Wirkungsgeheimnis ihres Dienstes und ihrer Macht. 3. Die Tätigkeitsordnung des Kirchenrates Die Arbeit des Kirchenrates wurde in den Sitzungen getan. Dort wurden die Zuchtfälle behandelt, die Aufträge verteilt, Beschlüsse gefaßt. Der übliche Sitzungstag war der Montag, aber außerordentliche Sitzungen mußten bei der Fülle der Aufgaben in großer Zahl abgehalten werden. Fast regelmäßig war auch der Freitag vor dem Abendmahl Versammlungstag. Am 12. Juli 1563 beschließt der Kirchenrat, auch am Sonntag nach der Mittagspredigt um 12 Uhr zusammenzukommen. Diese Sitzungen sind auch einige Jahre gehalten worden. 61 In Zeiten lebhafter Wahltätigkeit oder in besonderen Zuchtfällen oder in Fragen, die ein häufigeres Zusammenkommen nötig machten, wie z. B. die Streitigkeiten in der französischen Gemeinde mit den Pastoren Gorin und Polyander62,wird manchmal an mehreren Tagen hintereinander getagt. Soweit nun über die Sitzungen ein Protokoll aufgenommen wurde, läßt sich die Zahl der Sitzungen aus den erhaltenen Eintragungen feststellen. So steigt in ereignisreichen Jahren die Zahl der protokollierten Sitzungen, um in anderen Jahren wieder zu fallen. Vom 16. Juli bis zum 27. Dezember 1557 sind 21 Sitzungen protokolliert, 8 nicht protokolliert. Die höchste Zahl erreicht das Jahr 1576 mit 76 Eintragungen, die niedrigste Zahl weist das Jahr 1595 mit 18 Sitzungen auf. Dabei bleibt zu erwägen, daß Eintragungen nur gemacht wurden, wenn es die Zuchtübung erforderte, oder wenn sonstige Beschlüsse und Vorgänge eine schriftliche Niederlegung ratsam erscheinen ließen. Auch das Urteil des Protokollführers über die Wichtigkeit oder Nebensächlichkeit der Verhandlungsgegenstände mag auf die Eintragung eingewirkt haben. Häufiges und verhältnismäßig regelmäßiges Zusammenkommen war dem Kirchenrat Bedürfnis. Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 299 61 Die Sonntagssitzung wird noch bezeugt am 15. September 1566, nachdem der Beschluß am 19. Juni 1564 wiederholt worden war. 62 1565 und 1576; siehe Klugkist Hesse, Menso Alting, 125ff. DieVersammlungen fanden zuerst im Hause eines Predigers statt. Zusammenkünfte im Hause Fabers und Veltmanns sind bezeugt. 63 Die Sonntagssitzungen fanden im Anschluß an die Predigt im Gasthause statt. Schon früh hat sich aber der Kirchenrat um ein besonderes Sitzungszimmer in der Großen Kirche bemüht. Am 9. August 1558 werden Gellius Faber und Gerd thom Camp beauftragt, mit dem Junker Tido von Knyphausen als dem derzeitigen Drosten zu sprechen, „ vm den plaeß bouen de sacristien vm daer vnse bykumst tho holden“. Am 16. Februar 1568 tagt der Kirchenrat bereits in der Konsistorienstube der Großen Kirche; denn es heißt da: „ Garlech Ffewe sall Alberto van Haren und Johan Kuyll anseggen, oefthe hoer mucht gelegen sÿn, negestkumstige mandage hyr tho komen, um van de unkosten dusser kamer unde de besoldinge der veerden predicanten.“ 64 Das braucht nicht zu bedeuten, daß die Baukosten beschafft werden müssen durch die Kirchvögte, sondern daß der Unterhalt, Heizung und Wartung, aus Mitteln der Kirchenkasse bestritten werden soll. Ist diese Vermutung richtig, dann wäre die Konsistorienstube schon früher fertiggestellt. Die Sakristei, früher wahrscheinlich eine Schule, war bereits um 1500 zur Kirche gezogen worden, die über der Konsistorienstube liegende Bibliothek der Großen Kirche wurde 1577 erbaut. Um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts erhielt die Konsistorienstube das Aussehen, das sie bis zur Vernichtung der Großen Kirche im Dezember 1943 hatte. 65 Die Sitzungen wurden mit Gebet eröffnet, das der jeweilige Vorsitzende sprach, denn jede Woche wechselte der Vorsitz. 66 Durch das Gebet wird der gottesdienstliche Charakter der Sitzungen unterstrichen. Der Wechsel im Vorsitz wird durch den gleichen Rang der Prediger gefordert; die Ordnungsgrundsätze, die der Kirchenrat beobachtete, duldeten keinen Vorrang eines Ältesten vor dem andern. Bis 1594 hat sich auch bereits eine feste Tagesordnung herausgebildet. Die Kirchenordnung sagt darüber: 300 Zehntes Kapitel 63 7. August 1558; 6. Februar 1559. Nellner, 320 A, Brief 98: Clas Kanne schreibt an die Brüder „in Arnoldus Hueß“. 64 Emder Jahrbuch II/ 2, 163f. Am 30. August 1568 wird vermerkt, daß man eine Sitzung in Hardenbergs Haus halte wegen der Wahl des Wicherus Millesius; das mag wegen Hardenbergs Hinfälligkeit geschehen sein. Am 14. Februar 1569 wird mit den Kirchvögten gesprochen, um „ hyr beneden“ eine Visitatorenwohnung zu schaffen. „ Hier unten“, das kann nur die Wohnung unter der Konsistorienstube sein. Das Register zu Band I der Protokolle verweist unter dem Stichwort „ Consistoriekamer“ auf die auf dieser Seite oben mitgeteilte Notiz. Das Register ist von dem Ältesten Goosen Luynge bearbeitet, der 1571 Ältester wurde, also zu einer Zeit, da die Kammer schon lange benutzt wurde. Er hat die Notiz von einer wirklichen Einrichtung des Versammlungsraumes verstanden. Die Festlegung des Einrichtungsdatums ist wegen der Datierung der Geschäftsordnung wichtig. Siehe S. 349 dieser Arbeit. 65 Emder Jahrbuch II, 175 aus Timon Rudolphis Trifolium. 66 Das Anfangs- und Schlußgebet wird erwähnt EKO, 156. In den Protokollen vom 15. April 1604, 28. April 1617 und häufig bei den Pfarrwahlhandlungen wird vom Gebet gesprochen. Der Wechsel im Vorsitz: EKO, 156. 21. Juli 1576 „praeside Johannes Petrejo“, 25. Oktober 1576 „praeside Mensone“, 1. August 1580 „praeside Oiero“. Aber schon am 7. August 1558 wird von dem gesprochen, „de syn weke ys“. „Van den Wekentlicken vorsamlingen der Prediger vnd Oldesten/vnd wat darjnne gehandlet wert. Thor handthaue solcker Christlicken Ordnung/ sindt Wekentlicke vorsamlinge der Prediger vnd Oldesten angestellet/ darjnne de Prediger ein nha dem andern praesideren. Vnd werden de Vorsamlingen alletydt/ mit einem Christlicken Gebedt van dem Praeside angefangen vnd geendiget. Darnha fraget der Praeses, effte de Commissiones, so in der vorigen bykömpst jemandt tho vorrichten befahlen/ vorrichtet sindt? Vnd nha entfangener Anwort/ werdt berathslaget/ effte wat wyders in den Saken tho doen/ edder nicht. Wenn solckes affgehandlet/ werdt ein jeglicker nha der Ordnunge gefraget/ effte he wat tho der Ordnunge gehörich/ inthobrengen hebbe?“ 67 Nach diesen Angaben kehren drei Gegenstände in den Verhandlungen immer wieder: die Erledigung der im Protokoll bereits niedergelegten Aufträge und Anliegen, die Behandlung der unerledigt gebliebenen Fälle, und die Umfrage, die neue Aufgaben herausstellt. Dazu gehören dann, wie die Protokolle ausweisen, die Verhandlungen mit geladenen Personen, denn die Zucht wird durch mündliche und nicht durch schriftliche Verfahren geübt. 68 Es ist verständlich, daß die Arbeitsweise und die wechselnde Zahl der Zuchtfälle wie auch die notwendigen Verhandlungen mit allen möglichen Einzelpersonen oder Körperschaften, wie dem Rat, den Diakonien, den Schulhaltern usw., viel Zeit erforderten. Da wird einmal ein Zuchtfall auf 12 Uhr des Mittwochs festgesetzt, ein anderes Mal um 1 Uhr ein Gemeindeglied bestellt, ein zweites um 3 Uhr. 69 In einer ehelichen Streitsache wird mit einem Ehepaar verhandelt und angemerkt, daß die Vermahnung „ wol 3 stunden nha einander duirde“70.Kein Wunder, daß die Sitzungen jeweils den ganzen Nachmittag ausgefüllt haben. Die Verhandlungsgegenstände wurden protokolliert, soweit es nötig erschien, den Verlauf und das Ergebnis der Beratungen festzuhalten. Die Kirchenordnung sagt darüber: „ Vnd werden alle Formen der vorstellinge vor der Publication/ den Bothferdigen edder Vnbothferdigen mit angehengter Vormahnung schrifftlick vorgelesen/ darmit se sick nener vnwetenheit tho beklagen hebben/ vnd folgendts den Protocoll des Presbyterij, who ock alle gedenckwerdige vnde nödige dinge/ invorlyuet/ vnde wat also Protocolleret/ werd jedesmahl der gantzen Vorsamling vor ehrem Affscheidt dütlick vorgelesen.“ 71 Durch die Führung der Protokolle hat sich der Kirchenrat die Quelle geschaffen, die uns seine Tätigkeit erschließt. Seit dem 16. Juli 1557 sind die Nieder- Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 301 67 EKO, 156f. 68 8. Juli 1608: In der Zuchtsache gegen Peter van Eeck wird ausdrücklich festgestellt, daß die Vermahnungen nicht schriftlich, sondern mündlich zu geschehen haben. 69 22. August 1558; 3. Juli 1559. 70 8. April 1566. 71 EKO, 159. schriftenso gut wie lückenlos erhalten, wenigstens die Bände sind alle vorhanden, mögen auch einzelne Sitzungen ohne Eintragung geblieben sein. Die einzelnen Eintragungen sind nicht immer gleichwertig im Stil und in der Wiedergabe des Verhandelten; manches ist nur angedeutet, wie es verständlich ist bei Schreibern, die selbst in der Sache drinstehen. Die schon in sich spröde Sprachform des Plattdeutschen leidet oft an grammatischen Fehlern und Unklarheiten im Satzbau, die mitgeteilten Auszüge lassen das häufig erkennen. Es sind Urkunden lebendiger, einmaliger Vorgänge. Auch darf bei der Benutzung nicht vergessen werden, daß die Protokolle die Auffassung widerspiegeln, die der Kirchenrat von den jeweils verhandelten Vorgängen hatte. Aber für das Gemeindeleben, wie es sich im Laufe der Jahrhunderte abspielte, lassen sich Inhalte, Wandlungen, Grundsätze, Anschauungen, eben der ganze Strom der wirksamen Kräfte, der entstehenden und vergehenden Formen, nirgendwoher besser erkennen, als aus diesen Bänden, die von den Händen bekannter und unbekannter Schreiber angefüllt sind. Die Führung der Protokolle wird der Kirchenrat früh als eine Notwendigkeit für die ordentliche und übersichtliche Geschäftsführung erkannt haben. Es bleibt unsicher, ja unwahrscheinlich, ob schon vor dem 16. Juli 1557 Niederschriften angefertigt sind. 72 Es scheint, als sei das Protokollführen zuerst von Gerd thom Camp, dem ersten Scriba des Kirchenrates, als notwendig erkannt. Wenn er fehlte, und er war oft wochenlang abwesend, dann hat sich keiner berufen gefühlt, ihn zu vertreten. 73 Nur einzelne Sitzungen sind von einer anderen Hand in den ersten Monaten protokolliert. 74 Am 11. Juli 1563 trägt Cooltuin ein: „ Ick Cornelis Kolthuÿn, hebbe in dem namen des Heren mith bewillinge der ganscher gemene angenomen dat ampt tho scrivende allent, wat hier in de vorsammelinge wegen de gemene vorhandelt wert, unde belove voer God unde sÿner gemene trouwe unde vlite nha mÿn svacheÿt.“ Als der Tod des Ältesten Martinus Berner erwähnt wird, wird nicht nur gesagt, daß er Rektor der Lateinschule, sondern auch „ bockvorwarer desses consistorii“ gewesen sei. 75 Goosen Luynge, eben- 302 Zehntes Kapitel 72 30. Juli 1557: Sipko soll ermahnt werden, sich in einer Streitsache nicht verbittern zu lassen, sondern an die Worte zu denken, die er am 25. Februar gesprochen habe. Diese genaue Datumsangabe könnte auf eine Niederschrift verweisen. 73 16. August bis 13. September 1557: „ Interea nihil scriptum est, quoniam ego abfui Osnaburga.“ Zwischen dem 4. Oktober und 2. November fehlen Niederschriften: „ Interea abfui.“ 17. Oktober 1558: „ Ab hoc die abfui Gronningae.“ Darauf sind 6 1/ 2 Seiten freigelassen. 30. Januar 1559: „ Reversus sum 30. ( überschrieben: 29.) Januarij, sed 30. fuit conventus.“ Er hat also eine Nachtragung beabsichtigt. Sollte eine Kladde geführt worden sein? Die Eintragungen machen den Eindruck, daß sie in den Sitzungen selbst gemacht worden sind. 74 4. Oktober 1557; 1. Januar 1558; 3. Januar (im Text steht: Dezember) 1558; 20. Januar 1558; 31. Januar 1558; 14. und 21. Februar 1558; 9. und 16. März 1558. Diese Eintragungen sind alle von einer Hand. Eine andere Hand schrieb vom 19. September bis zum 9. Oktober 1558 eine Reihe von Angaben über Diakonieausgaben nieder. Der Schreiber verstand Latein. Am 1. Mai 1559 taucht zum ersten Male Cooltuins Hand auf. 75 3. Oktober 1575. Er starb am 10. Oktober 1575. Kochs, Die Bibliothek der Großen fallsein Ältester, bemerkt zu seiner ersten Eintragung am Rande: „ Idt boock to verwaren upghelecht.“ 76 Eine letzte Eintragung über das Amt des Scriba finde ich unter dem 27. November 1620: „ D. Samuel ( de la Vigne) is van het consistorio tot scriba in s( alighe) Hermanni ( Fickius)) plaetse ghekoren und ghestellet. Und sal D. Petrejus des s( alighen) Hermanni naghelaten kladden in het olde protocol- booc in’t narschrijven.“ 77 Aus diesen Bemerkungen geht hervor, daß das Amt des Scriba zu der Tätigkeitsordnung des Kirchenrates gehörte; es wurde in der ersten Zeit meistens von einem Ältesten, später häufiger von einem Prediger, wahrgenommen. 78 Um sich seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, war der Kirchenrat auf eine treue und regelmäßige Teilnahme seiner Mitglieder angewiesen. Daran hat es je und je gemangelt. Schon die Entschuldigungen, die Neuberufene öfter vorbrachten, daß ihr Beruf sie an einer ordentlichen Mitarbeit hindere, zeigen, daß das Amt starke Belastungen für die Ältesten mit sich brachte. In wichtigen Fällen mußte durch besondere Einladung Vorsorge für die Vollzähligkeit getroffen werden: „Daer ys ys besloten dat me alle oldesten schal anseggen, dat se noethwendich toekomende mandach yn der gemene erschyne.“ Oder: „ dat se thokomenden mandach vm eyn wychtyge sake yn de gemene erschynen“79.Am 2. April 1565 wird in einer Zuchtsache vermerkt, „ is der broeder ( de datmal weinich weren)“. Am 9. Juli des gleichen Jahres bekommen die Prediger den Auftrag, die Ältesten wegen ihres Amtes ernstlich zu vermahnen. 80 Wenn auch moderne Bestimmungen über die Beschlußfähigkeit der kirchlichen Körperschaften sich in dieser Zeit noch nicht finden, so war das Gefühl für die Sache schon deutlich vorhanden; ohne genügende Teilnahme fehlt dem Kirchenrat die Vollmacht, zu beschließen und gültige Entscheidungen zu treffen. Um sich die Teilnahme der Ältesten zu sichern und den Arbeitswillen wach zu halten, wurde die Censura morum fraterna, die brüderliche Ermahnung, immer von neuem eingeschärft und eifrig geübt. Aber schon früh hat man in Emden zu einer Maßnahme seine Zuflucht genommen, die sich bei allen nennenswerten Körperschaften der Stadt nachweisen läßt: man stellte Strafbestimmungen für die Fehlenden auf, die im Rahmen einer Arbeitsordnung festgesetzt wurden. Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 303 Kirche in Emden, in: Jahrbuch, Band XXIV, 47 bezieht den Ausdruck fälschlich auf die Tätigkeit eines Bibliothekars. 76 14. November 1575. 77 Das ist nicht völlig ausgeführt, doch sind die Blätter des Protokollentwurfs, der Kladde, erhalten. 78 Ich zähle in den ersten sechs Bänden 39 verschiedene Schreiber; davon konnte ich erst 12 identifizieren: Gerhard thom Camp, Cornelius Cooltuin, Martinus Berner, Johannes von Hatzum, Goosen Luynge, Hinrich Artopaeus, Reynier de Pestere, Johannes Zuidlaraeus, Ritzius Lucas, Rotger Biermann, Petrus Petreius, Hermann Fickius. 79 5. Mai 1561; 30. November 1562. 80 So wird auch am 8. August 1573 von der „lafferdicheit der byeenkumst in unsse vorsamlinge“ gesprochen. Vielleichtbezieht sich auf eine solche Arbeitsordnung die Notiz thom Camps vom 3. Dezember 1557: „ Weren die Senioren thosamen unnd hebben unsen predicanten desse nabeschreven articulen vorgestellt.“ Leider hat er die Artikel selbst nicht eingetragen, obwohl er sich dafür drei Seiten in seinem Buche freigelassen hat. Ihr Inhalt läßt sich nicht näher bestimmen, da in den folgenden Sitzungen nichts weiter erwähnt wird. Ganz deutlich aber ist, daß am 7. August 1558 eine solche Ordnung erstellt ist: „Sindt de senioren tosamen gekomen und miteynander geraden, wo se alle dinck in hoer ampt muchten beteren: In’t eerste is besloten, dat de deneren des Wordes und senioren des sommers hyr tho Gelii(!) hues solen komen voer twen uren by eyn syfert tho broke, und des wynters voer eyn uren. Doch sal hyr de predicant, de syn weke ys, sunder unschults syn, edder emant van de predicanten in syn stede. De anderen twe predicanten und wel van den senioren nicht kumpt und syn redelyke unschult nicht gedaen heft dorch syn bode edder eyn broder, sal vorvallen syn in eyn syfert. Doch sal hyrvan ordelen de, de syn weke ys. Welk na dreen uren kumpt, sal eyn halff scap geven. De neet enkumpt und syn redelyke entschuldinge neet gedaen heft dorch emant, ßo he to hues ys, sal dre syferden geven.“ Der Beschluß hat noch weitere Punkte umfaßt, denn thom Camp hat 1 1/ 3 Seiten freigelassen, um die noch beschlossenen Bestimmungen einzutragen. 81 So erfahren wir nur die Strafen für Fehlende. Bereits am 8. Mai 1559 heißt es wieder: „ Eyn frydage na middage sal men byeynander komen to 2 uren, um tho handelen van unße byeynkumpst ordentlick tho holden. Dit sal Everdt den oldesten anseggen, dat se komen.“ Die Sitzung ist auch gehalten worden am 12. Mai, aber die 1 3/ 4 Seiten, die thom Camp für die Niederschrift des Verhandlungsergebnisses freigelassen hat, sind wieder unausgefüllt. In seinem Buch hat er auch ein Register anlegen wollen, um darin die verhängten Strafen einzutragen; auf der letzten Seite steht: „ De penen (= Strafen) de nicht tho tyden komen na luedt der ordinantie vp der ander zydt beschreuen. D. Gellius Faber, D. Arnoldus Velman, D(...).“ Zu Weiterem ist er nicht gekommen, weder hat er das Register vervollständigt, das offenbar die Prediger und Ältesten umfassen sollte, noch hat er die Ordinanz mitgeteilt, auf die man sich für die Verhängung der Strafen beziehen sollte. Im Anschluß an das Protokoll der Sitzung vom 11. Januar 1563 hat eine selten auftauchende Hand festgestellt: „ Am XI. Augusti is besloten dat de predicanten vnd oldesten alle Maendaege tho ener vren vor de stunde solen in de vor- 304 Zehntes Kapitel 81 Die Beschlüsse sind in Sondersitzungen gefaßt worden; der 3. Dezember 1557 war ein Freitag, der 7. August 1558 ein Sonntag. Über die Münzwerte siehe die Polizeiverordnung der Gräfin Anna bei Brenneysen II, 206; Jahrbuch VIII/1, 89ff., IX/2, 96f., X, 122f. 26. November 1565: Ein Vierdup Roggen ( ein Hohlmaß, das etwa 35 Pfd. umfassen mag) kostet 22 Schaf; Stadt Emdens Kornvorrat soll das Maß an die Armen für 12 Schaf abgeben. sammelingerschenen pena ein brabantsch stuiver, idt sy dan dat men rechtmetige vnschulth vnd orsaken ores uuthbliuendes vorbringen.“ Einerlei, wie man sich das Rätsel erklärt, daß zwischen dem 11. und 19. Januar ein Beschluß vom 11. August eingetragen wird, so wird hier der Sitzungsbeginn auf 1 Uhr festgesetzt und das unentschuldigte Fernbleiben unter Strafe gestellt. Im Register des 2. Bandes wird unter O auf die Ordinantie der „ vorsamlinge“ auf Seite 123 verwiesen; dort hat Cooltuin eingetragen unter dem 4. Dezember 1564: „ Up thokumstyge vrydach scolen wy tho ein uren thohoop kamen, um tho handelen van den, de nicht thom denste Gades sick laten seen.“ Mit dem „ denst Gades“ meint er nicht den Gottesdienst, so daß es sich um Zuchtmaßnahmen gegen Versäumnisse des Gottesdienstes gehandelt hätte, sondern er denkt an die Beteiligung an den Sitzungen des Kirchenrates. Es muß im Jahre 1564 eine Ordnung erstellt sein; denn am 8. August 1573 wird beschlossen: „ Is wedderum êendrechtichlick van den broederen voer nuÿt unde noedich angesien, um de lafferdicheit der byêenkumst in unsse vorsamlinge tho vorbeteren, dat men wedderum de olde ordinantie, anno 64 gemaket, myt de broeke in’t werck stellen mothen: als dat de nha 2 uuyren sunden billike orsaken unde unschult kumt, dat de in ein syfert verbreken sall; de nha 3 uuyren kumt, ein 1/ 2 sch( aep) sall geven; oeverst de alhêel niet kumt, ein schap, so he nene billike unschult doeyt. Alles thut der armen besthen.“ Wenn auch die Eintragung sich nur auf die Strafbestimmungen bezieht, so braucht das nicht auszuschließen, daß die Ordinanz von 1564 weitere Bestimmungen enthalten hat. Lassen wir die Vermutung über eine Tätigkeitsordnung vom 3. Dezember 1557 außer acht, dann ergibt sich, daß der Kirchenrat sich am 7. August 1558, am 12. Mai 1559, am 11. August 1563 und am 8. Dezember 1564 mit einer Ordinanz befaßt hat. Was wir bisher erfahren, dreht sich im wesentlichen um die Strafbestimmungen. Aber die Form der Niederschriften, insbesondere die Lücken thom Camps, doch wohl auch der schon von thom Camp gebrauchte Ausdruck Ordinanz scheinen die Behauptung zu rechtfertigen, daß die Ordnung mehr enthalten hat als nur ein Bücherregister. Was läßt sich nun feststellen? 1. Der Sitzungsbeginn: 1558, 2 Uhr zur Sommerszeit, 1 Uhr im Winter. 2. Der Vorsitz: Einer der Prediger führt den Vorsitz, und zwar wechselt der Vorsitz jede Woche. 3. Die Entschuldigungspflicht für solche, die der Sitzung nicht beiwohnen können. 4. Die Strafen für unentschuldigt Fehlende: a) Wer nach Eröffnung der Sitzung erscheint, zahlt einen Syffert; b) Wer mit einer Stunde Verspätung kommt, zahlt 1/ 2 Schaf; c) Wer ausbleibt, zahlt 3 Syffert. Eine Änderung führt der Beschluß vom 11. August 1563 herbei: er setzt den Sitzungsbeginn auch für den Sommer um 1 Uhr fest und straft die Ausbleibenden mit der Zahlung eines brabantischen Stüvers. 1564 hat man nur die Strafe für die überhaupt nicht Erscheinenden ( 4c) um einen Syffert erhöht: Wer nicht kommt, zahlt einen Schaf. Sonst blieb alles bei den Bestimmungen vom 7. August 1558, auch der Sitzungsbeginn zur Sommerszeit ist wie vorher entgegen dem Beschluß von 1563 2 Uhr. Am 8. Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 305 August1573 wird die Ordnung von 1564 nur erneut in Kraft gesetzt, aber nichts Neues beschlossen. Über weitere Bestimmungen lassen die bisherigen Protokollnotizen nichts erkennen, wohl aber vermuten, daß die Strafbestimmungen und Zeitansätze nur Teile der ganzen Ordnung gewesen sind. Weitere Aufschlüsse geben zwei Eintragungen aus dem Dezember 1576. 17. Dezember: „ Noch is besloten, dat man op toekompstige fridach eendrachtich toesamen koemen sal, om censuram morum toe holden, sick ondereinander toe vermanen und avermaels sick den geschrevenen legibus onderwerpen.“ Hieraus geht hervor, daß eine geschriebene Tätigkeitsordnung vorhanden war, die nicht nur Strafbestimmungen enthielt, sondern die Arbeit des Kirchenrates überhaupt regelte. Die zweite Eintragung lautet: „ Deße vorgeschrevene censura morum iß up den 21. Decembris christlich unde lofflick geholden, unde wort, off Godt wÿll, erhe frucht unde nutticheit hienamals gespoeret unde erkant worden. Ock iß besloten bÿ den broederen, dat men alle halve jhar alsulcke censuram morum soele holden unde niet alle dre manten, whe de tafel vormeldet.“ Danach hat man am 21. Dezember 1576 an einem Punkt die auf einer Tafel in der Konsistorienstube hängende Ordnung verändert, insofern als man die brüderliche Zucht nicht alle drei Monate, wie die Ordnung vorsieht, sondern alle halbe Jahr üben will. Von dieser Tafel spricht noch eine Eintragung vom 28. April 1617: „ Is wederom mit einhelligen stemmen vernÿet, dat alle degene, so daer comen na gedaene gebedt eerst up it consistorium, it sÿ prediger ofte oldeste, ofte de daer uÿtblÿven sonder sich tho laten unschuldigen, solen aen gelt tho der armen besten gestraffet werden volgens de geschrevene order und gesetten, in consistorio hangende. Wel daer vorbeurt, sol eine der oldesten anteickenen, und alle maent tegen dat nachtmael invorderen und dan einen anderen oldesten de last, um sulckes tho verrichten, overgeven, dewÿle dit bÿ beurten sal ummegaen.“ Aus den Eintragungen von 1576 und 1617 geht schlüssig hervor, daß die Ordnung zu den Strafbestimmungen mindestens auch noch die Regelung der brüderlichen Zucht enthielt; da liegt die Folgerung nicht fern, daß auch weitere Sätze über die Tätigkeit des Kirchenrates nicht gefehlt haben, wenn auch die Protokolle weiteres nicht mitteilen. Nur über die Strafen findet sich in der Zwischenzeit noch die kurze Bemerkung, daß jeder, der ein Viertel nach 1 Uhr käme, „ sol tor straffe geven 3 sestlinge; praeses sol dubbelt geven, idt si dan, dat einer orsacke, praesidi sufficiens, furwende“ ( 12. Oktober 1607). Welchen Münzwert drei Sechslinge haben, weiß ich nicht, Münzsorten und Münzkurse wechselten nicht nur zu unseren Zeiten. Ob also frühere Bestimmungen nur einer neuen gangbaren Münze angepaßt, oder ob eine alte Bestimmung verschärft werden sollte, kann ich nicht sagen. Wohl aber ist aufschlußreich, daß die alte Bestimmung von 1558 noch in Kraft ist, wonach der Prediger, dessen Woche ist, über die Entschuldigungsgründe eines Fehlenden befinden soll; so heißt es auch hier, daß die Gründe „ praesidi sufficient“ sein müssen. 306 Zehntes Kapitel Inden Papieren des Kirchenrates habe ich eine entsprechende Ordnung bisher nicht finden können; doch stieß ich im Consistorialarchiv zu Aurich auf die Abschrift einer „ Ordnung des Consistorii in Emden von einer sehr alten und fast 200jährigen Copey abgeschrieben, daß Zeile auf Zeile und Blatt auf Blatt accordieren. 6. Februarii 1733“82.Sie umfaßt 19 Artikel und lautet folgendermaßen: „Ordnunge der Vorsamlinge der Predicanten vnd Olderlingen, so alhy vnderholden wertt. 1. Erstlick sollen alle predicanten vnd olderlingen des mandages nha den Middach tho Eine Vhren hyr ein bykumst vnderholden, vmb ordinarlick Kercken saken tot vpbouwinge der gantzen Gemeente tho verhandlen, von welcker vorsammlinge nemant sich sal lichtuerdichlicken absenteeren, sondern syn beröpinge truwelick praesenteren. 2. De anfanck sal praeses mit einem Christlick Gebett int getal van vyff edder seß bröderen een quartier nha Een beginnen, woll dan na jdt Gebett komt een Zyfert poena, de nha twee kompt ein half schap, he gants vthblyuet een schap, he hebbe denn göde gewichtige orsaken praesidi sufficiant, praeses betalet dübbelde poena. 3. Ein des Praesidis olderlingen sal de weke desses kamers denst verwaren. 4. Nha idt Gebett sal de boeckverwarer van ein jden syn beuolen Commission, so Em vpgelecht, erst wederom affordern. 5. De commissionen afgelecht synde, sal praeses nach der ordnunge vmme fragen, wat ein jede tot der Gemeine Kercken stiftunge hebbe vorthobrengen, dar van sall Praeses dan ordentlick vorstellen, vmb ein jeder syngödmeyninge dar vp tho verklaren. 6. Folgents sal der Praeses vor erst ordentlick vorgeuen van wat saken men vp dat mahll denke tho handlen vmb dar vth de nothwendichsten vnd de lichtesten tho nemen de andern vp negestkompstige byeenkompste vthstellen, vp dat sich ein jeder dartegen wyder vnd beter beraden mach. 7. Ock sal men in der ghantzen handlingen stillicheit vnd ernst bewysen vnd gebruycken ane priuate vnderredingen inreden edder anderer vnnödige woorden. 8. In lichten vnd geringen saken ist vnnödich gantzlick by der ryge vmme tho fragen. Sonder is genoch twe edder dre stemmen tho hören vnd darnha int gemein tho fragen wat de dartho edder aff begeren gedhan tho hebben. 9. De meeste stemmen sollen de besten geachtet werden. Idt sy dan, dat de weinichsten vth krafft van ehren redenen dar by geuöget den bröderen best bedunken tho syn. 10. Der Praeses sal flytigen acht hebben vp idt getal der stemmen vnd darvth ein gemein besluth maken vnd dan int gemein fragen off nicht de meninge also sy. Wat also beschloten wert, sal tho boecke gestellet werden. Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 307 82 Cons. Aur. Archivalia, Nr. 37. 11.Nemant sal sich weigerich stellen enige saken an tho nemen dem idt der praeses vp erlecht, idt geschehe den vth wichtigen vnd düchtigen orsaken. 12. Vth deser vorsamlinge mach nemant henwech nha huyß gahn vnde blyuen ane verloff vnd consent des praesidis. 13. Alle dre manden goede vndersökinge Censuram morum ouer de predicanten vnd olderlingen ehrer lher leuent vnd ommegang tho holden, vnd so midler tyt quästie tusschen bröder vnd bröder sick erheuen deselue so mochelick weer wechthonemen so nicht praesidi anthoseggen. 14. Wat in de versamlinge deser ordninge nach gesproken oder gehandlet werden mochte, dat sall vnder den bröderen vorblyuen. 15. In verhandlingen der Ergerliken saken, sal der praeses alleyne dat wort fören, doch mit vorgandem Rath der andern Brödern pronunciren. 16. Als er datt Gebett sal gesproken vnd de brödern sick scheiden werden, sal praeses van dem boeckholder wat vp der tytt van ergernisse gescheet is, eisschen vnd dat sal den brödern vorgelesen vnd van se ausculteret werden vmb alle nhareden tho euiteren. 17. Praeses mit syn bygeuögeden oldesten sollen in ehr tyt by der diaconen wekelicke vnd maentlicke handelinge syn vmb mede thom nüttesten helpen tho raden in ehrer schwaricheit. 18. Desse vorsamlinge sal ock mit ein kort vnd christlick gebett beschloten werden, halff wech seß Vhr, vp dat ein jeder tegen seßen tho huyß syn kan. 19. Desse vorgh. articulen nha gelegenheit der Circumstantien mit verwillinge der brödern ane jemants praejudicio tho veranderen.“ Wann ist diese Ordnung erstellt worden? Die Strafen, die in Artikel 2 festgesetzt werden, sind den Sätzen gleich, die am 8. August 1573 als die Strafen mitgeteilt werden, die im Dezember 1564 beschlossen worden sind und die bereits z. T. 1558 in Kraft gesetzt wurden. Daß man aber nicht über das Jahr 1564 zurückgehen darf auf die nicht weiter bekannten Artikel von 1558, glaube ich aus der Zeitangabe für den Sitzungsbeginn schließen zu müssen. 1558 wird zwischen Beginn im Sommer und Winter unterschieden, während der Beginn am 11. August 1563 auf 1 Uhr gelegt wird. Diese Regelung ist in die Ordinanz aufgenommen. Doch hat die Stunde des Beginns geschwankt. 1559 wird auf Freitag, den 12. Mai eine Sitzung um 2 Uhr, dagegen auf Freitag, den 3. Juli eine solche um 1 Uhr gehalten. Als man am 8. August 1573 die Strafbestimmungen von 1564 wieder hervorholt, wird die kleinste Strafe dem angedroht, der nach 2 Uhr kommt. Ob diese Zeitangabe auch 1564 in die Strafordnung aufgenommen worden ist, kann zwar vermutet, aber nicht mit Sicherheit behauptet werden; möglich ist auch, daß man 1573 im Sommer einfach der alten Regel von 1558 folgt und um 2 Uhr beginnen will, wodurch auch die Zeitbestimmung vom 11. August 1563 wieder fallengelassen wird, die den Beginn auf 1 Uhr setzte. Sollte aber 1573 die ganze Bestimmung von 1564 in Kraft gesetzt sein, einschließlich der Zeitbe- 308 Zehntes Kapitel stimmung,dann könnte Artikel 2 der Ordinanz wohl kaum 1564 so gefaßt sein, wie es der Fall ist, es sei denn, man hätte nur den Beginn zur Winterszeit in Artikel 2 festgestellt oder den Beschluß von 1563 aufgenommen, wäre aber in der Praxis bei der alten Gewohnheit beblieben und hätte im Sommer die Sitzung um 2 Uhr beginnen lassen. Die Sitzung für die Erstellung der Ordinanz von 1564 muß am 8. Dezember gehalten sein, also im Winter. In den 9 Jahren bis 1573 kann sehr wohl die eine oder andere Veränderung vorgenommen sein, zumal offenbar die Ordinanz von 1564 in Vergessenheit geraten oder weniger genau beachtet worden ist. Die Verschiedenheit in der Zeitangabe von 1573 ( 1564 ?) und des Artikels 2 braucht es nicht unmöglich zu machen, daß die Ordinanz 1564 erstellt ist. Soweit ich sehe, ist über den Sitzungsbeginn nur noch am 11. Mai 1604 verfügt worden: „ Dewile de bröderen und lidtmaten deses consistorii ehtwan trage und sumhafftich ein tidt lang sick ertöget, dat se nicht so vlitich up de benömede stunde alhier up dem consistorio erschinen, alse idt sick geburede, so sindt durch den praesidem de samptliche brödere tho mehrerem vlit ernstlich vormahnet wurden. Und dewile idt allen nicht gelegen, tho einer uhren tho kamen, so iss beslaten, dat men tho 2 uhren nah middage stricte sub arbitraria poena up dem consistorio sick vinden laten soll.“ Danach ist 1 Uhr die „ benömede stunde“, aber weil es nicht allen paßt, wird der Beginn auf 2 Uhr verschoben. Der Ausdruck „ benömede Stunde“ läßt auf eine festgelegte Ordnung schließen, die wir in der Ordinanz vor uns haben. Aus den Zeitangaben über den Sitzungsbeginn läßt sich nicht schlüssig beweisen, daß die Ordinanz, die wir besitzen, mit der am 8. Dezember 1564 gleichzusetzen ist, aber die Schwierigkeiten sind nicht so groß, um sie deswegen einer anderen Zeit zuzuweisen. Gibt es andere Hinweise, die einen Entscheid ermöglichen? Der „ boeckverwarer“, der in Artikel 4 genannt wird, taucht zwar in den Protokollen erst in der Todesnachricht des Rektors Martinus Berner am 10. Oktober 1575 auf; er führte seit dem 27. Dezember 1564 fast ununterbrochen das Protokoll. Aber 1575 ist der Titel schon da, den gerade die Ordnung sehr gut als Bezeichnung für „ dat ampt tho scriuende“, wie Cooltuin es am 11. Juli 1563 nennt, geschaffen haben kann. Daß er die Berichte über erledigte Aufträge einfordert, steht im Widerspruch mit der Kirchenordnung von 1594, wo dem Praeses diese Aufgabe zugeschrieben wird. 83 Die Artikel, immer vorausgesetzt, daß sie aus dem Jahre 1564 stammen, hätten dann die Erinnerung an einen anderen, früheren Zustand bewahrt. Was in Artikel 5 bis 11 über die Verfahrensweise bei der Erledigung der anfallenden Aufgaben gesagt wird, stimmt durchaus schon zu den Protokollen des ersten und zweiten Buches ( 1557- 1568). Die Umfrage ( Artikel 5) dient dazu, um die weiteren Geschäfte in der Versammlung vorzubringen. Ich nehme das Pro- Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 309 83 EKO, 156. tokollder Sitzung vom 12. Juli 1563: „ Hinrick Wilting heft ingebracht (...). Willem Vischer heft vorgegeven (...). Hinrick Wilting heft vorgegeven (...). Arnoldus heft vorgestelt (...). Arnoldus heft ingebracht (...). Willem Wischer (!) heft vorgegeven (...). Dar ÿs vorgegeven (...).“ Nach Artikel 6 sollen schwierigere Sachen verschoben werden. Am 14. Mai 1565 soll eine Anklage gegen die Gemeinde eine Woche später verhandelt werden, „ als de gemene mit de diaconen stharcker moegen byeenkomen“. Sehr häufig können Zuchtsachen nicht weiter verhandelt werden, weil erst genauere Auskünfte eingeholt werden müssen. Die stärkste Stütze erhält die Verlegung der Abfassung auf den 8. Dezember 1564 durch die Eintragungen vom Dezember 1576. Da wird von geschriebenen Gesetzen gesprochen und die brüderliche Zensur entgegen den Bestimmungen der Tafel anstatt alle drei Monate halbjährlich vorgesehen. Nach Artikel 13 soll die Zensur alle drei Monate stattfinden. Die Protokolle bringen zwar fortlaufend Notizen über stattgefundene Zensursitzungen, aber keineswegs regelmäßig, so daß sich nicht sagen läßt, ob die jeweiligen Bestimmungen innegehalten sind. Am 13. Januar 1608 wird beschlossen, daß „ alle 3 maente censura morum under predigern und oldesten wedderumme geholden werde“. Man kehrt also zu einer früheren Ordnung wieder zurück, es kann durchaus die von 1564 sein, denn in der Zwischenzeit wird nirgendwo eine Neufassung der geschriebenen Gesetze, auf die man sich 1576 berief, mitgeteilt. Doch erscheint es nicht als ausgeschlossen, daß die Artikel erst nach 1576 so gefaßt worden sind, wie sie in der mitgeteilten Ordinanz dastehen. Als schwierig für 1564 empfinde ich die Verwendung des Wortes „ praeses“ für den Vorsitzenden. Diese Benennung kommt ein paar Mal nach 1576 in den Protokollen vor, während 1558 noch von dem gesprochen wird, „ de syn weke ist“. Die Sache, die mit dem Wort Praeses gemeint ist, ist schon vorhanden, nur das Wort taucht nicht auf, wie ja auch die Bezeichnung des Protokollführers als „ Boeckverwahrer“ erst erscheint, als die Sache schon lange vorhanden war. Dagegen fehlt das Wort Konsistorium; in Artikel 1 spricht die Ordinanz von einer „ bykumst“. Daß auch der Ort der Zusammenkunft nicht näher bezeichnet wird, sondern nur von einer Versammlung „ hyr“ ( Art. 1) oder „ alhyr“ ( Überschrift) und von „ desses kamers denst“ ( Art. 3) gesprochen wird, scheint auf eine Zeit zu gehen, in der die Konsistorienstube schon benutzt wurde. Das war bereits 1564 durchaus möglich, wenn es auch erst 1568 bezeugt wird. Eine weitere Schwierigkeit meine ich zu sehen in der ebenfalls bis 1564 nicht sicher bezeugten Zuweisung bestimmter Ältester an je einen Prediger. Artikel 3 spricht von „ des praesidis olderlingen“. Jedem Prediger waren Älteste zugeteilt, die ihn in seiner Amtstätigkeit, besonders in der Zuchtübung, unterstützten. Das kann aber nur mit der bereits am 15. November 1557 bezeugten Einteilung der Stadt in Seelsorgebezirke zusammenhängen. „ De predicanten solen eyn yder in syn kluft (= Bezirk, von klauben) ummehergaen.“ Eine genaue Klufteinteilung mit Angabe der Ältesten, die sie betreuen und beaufsichtigen sollen, steht unter dem 310 Zehntes Kapitel 3.Juli 1573, eine weitere unter dem 17. Februar 1576 verzeichnet; im letzten Falle sind neben den Ältesten auch die Prediger angegeben, denen je zwei Älteste beigegeben werden. Auch hier also kann die Sache durchaus schon 1564 vorhanden gewesen sein, denn 1557 wird von der Einteilung als von etwas schon Bestehendem gesprochen, und wenn Prediger ihren Bezirk haben, können ihnen auch Älteste beigegeben sein. Die Sprache der Ordinanz ist stärker niederländisch als sassisch gefärbt, ihre Formulierung stammt von einem Flüchtling. Da das Original nicht vorliegt, können aus dem Schriftstück keine Schlüsse auf den Schreiber und seine Zeit gezogen werden. Woher Coldewey, der Abschreiber, schließt, daß die ihm vorliegende Kopie fast zweihundert Jahre alt sei, weiß ich nicht, aber als Archivarius dürfen wir ihm schon zutrauen, daß seine Bemerkung nicht bloß eine Vermutung aufs Geratewohl ist, sondern in dem Zustand und Aussehen des Dokuments und der Schrift begründet gewesen sein wird. Was 1733 fast zweihundert Jahre alt erscheint, kann nicht gut nach 1600 entstanden sein. 84 Will man die Wahrscheinlichkeitsgründe für die Erstellung der Ordnung am 8. Dezember 1564 nicht gelten lassen, dann wüßte ich keinen Zeitpunkt anzugeben, auf den die Niederschrift zu verlegen wäre. Wohl verraten die Artikel durchgebildete und auf reicher Erfahrung beruhende Arbeitsverhältnisse, wohl sind auch bereits fest gewordene technische Ausdrücke für Titel verwandt, aber alles, worauf sie sich beziehen, ist schon 1564 vorhanden. Ein Jahrzehnt, wie das von 1554 bis 1564, in dem Pfarrwahlen und Ältestenwahlen geordnet werden mußten, war durchaus fähig, auch die Geschäftsordnung in die vorliegende Form zu bringen. Es mögen noch einige Gesichtspunkte hervorgehoben werden, die besonders beachtet zu werden verdienen. Die Wichtigkeit der Arbeit im Kirchenrat wird durch eine Reihe von Artikeln unterstrichen ( Art. 1. 2. 7. 11. 12). Fleißige Teilnahme an den Sitzungen und an der Tätigkeit des Kirchenrates wird gefordert. Als Ziel der Arbeit wird in Artikel 1 die Erbauung der Gemeinde angegeben. Die Tätigkeit ist auf die Gemeinde bezogen. Würdige Haltung ist von allen Mitgliedern zu fordern ( Art. 7). Unbedingt nötig ist die Unterwerfung unter die brüderliche Zucht; sie dient der Gewissensschärfung und der Klarheit in den persönlichen Beziehungen ( Art. 13). Übertragene Aufgaben sind für den Beauftragten verbindlich; sie dürfen ohne wichtige Gründe nicht abgelehnt werden ( Art. 11). Durch solche Bestimmungen sucht die Ordnung die notwendigen persönlichen Voraussetzungen für ein gedeihliches Arbeiten des Kirchenrates zu schaffen. Es wird von den Ältesten erwartet, daß sie sich zu der von ihnen geforderten Haltung erziehen lassen. Der ihnen befohlene Dienst kann nur dann den Anforderungen gewachsen sein, wenn die Diener selbst die Voraussetzungen und Anfor- Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 311 84 Coldewey hat das Dokument beglaubigt: „ Pro vera et accuratissima antiquissimae copiae copta E.G.Coldewey Dr. Fürstl. Ostfriesl. Rath vnd Archivarius manuppria.“ derungenzu erfüllen suchen. Pünktlichkeit, Pflichttreue, Sachlichkeit, Brüderlichkeit, wo dies Verhalten fehlt, wird die Arbeit gefährdet. Neben diesen Bestimmungen über das persönliche Verhalten stehen sehr wichtige und aufschlußreiche, die sich mit der eigentlichen Geschäftsordnung befassen. Es sind zuerst die Artikel, die sich mit dem Zustandekommen einwandfreier und bindender Beschlüsse beschäftigen ( Art. 5- 10). Die Tagesordnung entsteht aus mündlichen Eingaben der Ältesten ( Art. 5). Die Möglichkeit der Erledigung wird geprüft; Punkte, die nicht sogleich bearbeitet und erledigt werden können, bleiben lebendig ( Art. 6). Zur Beschlußbildung wird wie bei der Aufstellung der Tagesordnung das Verfahren der Umfrage benutzt ( Art. 5). Über den Verhandlungsgegenstand wird die Meinung jedes Anwesenden erfragt. Dazu wird verfügt, daß bei leichteren, einfach liegenden Fällen ohne großes Gewicht nicht alle gefragt zu werden brauchen; es genügt, zwei oder drei zu fragen und dann die andern dazu Stellung nehmen zu lassen ( Art. 8). Es soll durch die Bestimmungen ermöglicht werden, daß sich eine Meinung herausbildet, es wird nicht verfügt, sondern beschlossen; dem dient die Aussprache. Die Ordnung sieht für das Zustandekommen eines bindenden Beschlusses den Grundsatz der Stimmenmehrheit vor, jedoch mit der wichtigen Einschränkung, daß die Stimmen nicht gezählt, sondern gewogen werden sollen. Der Wert der jeweiligen Urteilsbegründung, die die Minderheit abgibt, ist sorgfältig in Betracht zu ziehen (Art.9). Daß damit der Grundsatz der Stimmenmehrheit nicht durchbrochen wird, zeigt der Zusatz, daß es der Minderheit gelingen muß, durch das Gewicht ihrer Gründe die Mehrheit von ihrer besseren Einsicht zu überzeugen und diese zum Aufgeben ihrer Ansicht zu bringen, so daß die Mehrheit nicht auf ihrer Auffassung besteht. Es ist Sache des Praeses, aus den Stimmen und den Begründungen der Stellungnahmen einen Beschluß zu formulieren und darüber abstimmen zu lassen. Es braucht dabei nicht an eine Abstimmung mit Ja und Nein gedacht zu werden, sondern an die Herbeiführung einer allgemeinen Übereinstimmung mit dem zu protokollierenden Beschluß (Art.10). In Artikel 14 wird festgestellt, daß die Sitzungen vertraulich sind, den Brüdern wird Stillschweigen über die Verhandlungen auferlegt. Große Erfahrung verraten die Bestimmungen über die Verhandlungen in Zuchtsachen. Da hier häufig mit geladenen Gemeindegliedern verhandelt werden mußte, soll der Praeses in solchen Verhandlungen allein das Wort führen. Doch soll vor Eintritt in die Verhandlung mit dem Geladenen die Stellungnahme der Brüder zu dem Zuchtfall herbeigeführt werden. Das festgelegte Ergebnis muß vor Schluß der Sitzung den Brüdern vorgelegt werden, damit alle Nachreden vermieden werden und jeder genau unterrichtet ist über das Beschlossene. Man müßte ganze Protokollseiten abschreiben, ganze Sitzungen oder Reihen von Sitzungen darbieten und besprechen, um zu zeigen, daß diese Ordnung keine tote Anweisung blieb, die nur auf dem Papier stand; nach dieser Ordnung ist ver- 312 Zehntes Kapitel fahrenworden. Wie diese Anweisungen das Ergebnis von Erfahrungen waren, die man in der Arbeit machte, so sind sie auch eine der Voraussetzungen für die Wirkung und den Erfolg gewesen, die die Tätigkeit des Kirchenrates begleiteten. Es ist überraschend zu sehen, wie weit sich bereits die Einzelbestimmungen erstrecken. Besonders die Bestimmungen über das Beschlußverfahren wollen aufmerksam beachtet sein; denn sie werfen noch einmal ein Licht auf die Amtsauffassung des Kirchenrates. Es ist ein Kreis von Brüdern, der hier arbeitet und beschließt. Die Meinung des Einzelnen, der Mehrheit und der Minderheit werden gegeneinander abgewogen und miteinander in Beziehung gebracht, um die Gemeinschaft nicht Schaden leiden zu lassen. Aus der Tatsache, daß eine Bruderschaft, eben die Gemeinde, hier handelt, wird nüchtern die Folgerung gezogen, daß es ohne Mehrheitsbildung nicht abgeht, aber die Übernahme von Begriffen aus der Demokratie und dem Parlamentarismus würde den hier sichtbar werdenden Tatbestand nicht sachgemäß wiedergeben. Es sind „ bröderen“, die hier beieinander sind; die verantwortliche Stellung unter dem Haupt der Gemeinde und das Bleiben in der Leitung des Geistes kommen auch in dieser Ordnung zum Ausdruck, ohne daß diese Zusammenhänge berührt werden. Und doch wird hier auch regiert, die Bestimmungen der Artikel 14 bis 16 deuten es an. Das Ganze umgibt sich nicht mit dem Schein starrer Gesetzlichkeit. Wie der Kirchenrat in der Ordnung der Bestellung zu den Diensten der Gemeinde mehrfach Bestimmungen traf, die „ ane praejuditium“ einmalig oder vorläufig sein sollten, so wird im letzten Artikel der Tätigkeitsordnung ausdrücklich erklärt, daß auch ihre Bestimmungen veränderlich sein sollen. Aber ebenso läßt es keinen Raum für schwärmerische oder unordentliche Ungebundenheit der Maßnahmen und des Vorgehens. Bedenkt man die Stellung des Emder Kirchenrates, dann spiegelt diese Urkunde etwas von den Kräften und Anschauungen wider, die diese Körperschaft und die von ihr vertretene und regierte Gemeinde bewegen. Die Amtsauffassung und Tätigkeitsordnung des Kirchenrates 313 ElftesKapitel Die theologische Anschauung von der Kirche nach der in Emden geltenden Lehre mit besonderer Berücksichtigung der Kirchenordnung als eines Wesenszuges der Kirche Die in diesem Kapitel zu behandelnde Frage zielt nicht auf eine vollständige systematische Behandlung des Kirchenproblems. Der Kirchenbegriff soll vielmehr unter einem Leitgedanken entwickelt werden, der sich aus der Absicht der ganzen Arbeit ergibt. Es geht um eine einzelne deutsche reformierte Gemeinde; ihre Ordnung soll anschaulich gemacht werden. Die in ihr wirksamen Grundsätze und verwirklichten Gestaltungen von kirchenrechtlichem Gehalt sind der Gegenstand, auf den hin die sich darbietenden Quellen befragt werden sollen. In das Licht dieses Versuches tritt auch die Gemeinde. Wie dachten die Männer, die in Emden tätig waren, über die Kirche, deren Leben sie zu ordnen hatten? Bestimmter: Wie dachten sie über die Kirche als den Beziehungspunkt des Ordnungslebens und der kirchenrechtlichen Formen und Grundsätze? Bringt sie ihre Ordnung selbst hervor, oder ist sie Gegenstand einer ordnenden und anordnenden Gewalt, die ihr gegenüber, außerhalb ihrer selbst steht? So fragen soll nicht heißen, Antworten vorwegnehmen, sondern die Richtung anzeigen, in der hier gefragt werden soll. Die Bestellungsordnung für die Träger der Dienste konnte nicht dargestellt werden, ohne auf die Gemeinde hinzuweisen. Die Gemeinde erscheint mit allem, was zu ihrem Aufbau und für ihr geordnetes Leben nötig ist, als ein Beziehungspunkt für die Tätigkeit des Kirchenrates; Kirchenrat und Gemeinde sind einander zugeordnet. Die Frage ist nur: in welchem Sinne? Da der Kirchenrat aus der Einsicht a Lascos in die Lebensnotwendigkeiten der Gemeinde entstand, so kann es nicht ausbleiben, daß sich die Frage nach der Anschauung von der Gemeinde im gleichen Augenblick und mit gleicher Dringlichkeit stellt, als der Kirchenrat in der Gemeinde und aus der Gemeinde entsteht. Was ist das für eine Gemeinschaft, die dieses Organ in ihrer Mitte und an ihrer Spitze hat? Wenn Kuyper, ein Grundanliegen seiner eigenen Lebensarbeit vorwegnehmend, in den Thesen zu seinem Vergleich des Kirchenbegriffes bei Calvin und a Lasco fordert: „ Das Dogma von der unsichtbaren Kirche ist zu verwerfen!“, dann ist das aus der Gedankenwelt a Lascos heraus gesprochen. 1 Redet a Lasco von 1 Kuyper, Disquisitio historico-theologica exhibens J. Calvini et J. a Lasco de ecclesia sententiarum inter se compositionem, 1862, These 11. derKirche, dann denkt er an Menschen, die durch das Evangelium zusammengebracht worden sind, und im Emder Katechismus von 1546 enthalten die Fragen über die Kirche nichts, was dazu nötigt, die dogmatischen Begriffe „ unsichtbare Kirche“ oder „ Prädestination“ heranzuziehen, um den in ihnen verwendeten Kirchenbegriff näher zu bestimmen. Sicher dürfen daraus keine voreiligen und zu weit gehenden Schlüsse gezogen werden. Wichtig ist in unserem Zusammenhang die Frage, ob der so beschriebene Tatbestand Kirche fähig ist, den Beziehungspunkt für die Begründung und Entwicklung der kirchlichen Rechtsordnung herzugeben. Um darauf zu antworten, ist es nötig, über a Lasco hinaus die für seine kirchenordnenden Maßnahmen wichtig gewordenen Lehraussagen des Katechismus von 1546 heranzuziehen. Dabei wird es sich besonders darum handeln, auf das Eindringen von Begriffen und Vorstellungen zu achten, die als besonders reformierte bezeichnet werden. Das heißt aber danach fragen, ob die Prädestinationslehre in die Emder Lehre eingedrungen ist, ob die Begriffspaare „ unsichtbar – sichtbar“ und „ Anstalt – Genossenschaft“ sich auch in der Emder Theologie und kirchenordnenden Betätigung bemerkbar machen. Damit ist die Frage verbunden, wo die Ansatzpunkte für die Kirchenordnung in der Anschauung von der Kirche liegen. Der Große Katechismus legt das Bekenntnis zu der einen heiligen allgemeinen christlichen Kirche in sechs Fragen aus; dabei wird die Gemeinschaft der Heiligen ohne weiteres als zugehörig zu der Aussage über die Kirche behandelt. „ 1. Vraghe. Wat volchter meer? Antwoorde. Ick ghelooue een heylighe Christlijcke kercke, ghemeenschap der Heylighen. 2. Vraghe. Wat is dat? Antwoorde. Ick ghelooue ende bekenne een vergaderinghe der Christen geloouighen op aerden, van Adams tijden aen, tot nu ende noch tot den eynde des weerelts durende, gheheylicht door den heylighen Gheest ende als lidtmaten in een lichaem onder een hooft te samen gheuoecht, tot harder opbouwinge int ghelooue ende alle goede wercken. Alle dinck met Christo ende alle gauen Gods onder den anderen door de liefde ghemeyn hebbende. 3. Vraghe. Hoe gheschiet dese verghaderinghe ende opbouwinghe der Christelijcker kercken? Antwoorde. Door de reine leere ende belydinge des naems Christi, door rechte ghebruyck der Sacramenten, ende andere kerckstichtinge ende regiment, daer sy oock by een worden ghehouden ende van ander secten onderscheiden wordt dat mense opentlijcke vinden ende sien mach. 4. Vraghe. Sijnse dan alle gheloouich, heylich, ende rechtuaerdich die also tot dese Ghemeinte gedaen ende vergadert worden? Antwoorde. Neen se trouwen. Want daer veel boose ende gheueinsde onder sijn, de welcke nochtans so lange se den name Christi ende de artikelen des gheloofs met den monde bekennen, de Sacramenten mede ghebruycken, de Christelijcke straffe ende vermaninghe lijdsaemlijck dragen, voor lidtmaten der Christelijcker Ghemeinten ende des lichaems Christi te houden sijn.“ 316 Elftes Kapitel Diebeiden folgenden Fragen behandeln die Kirchenzucht. 2 Die Gemeinde heißt hier die Versammlung der Christgläubigen. In dem Genfer Katechismus, den Calvin ein Jahr früher den ostfriesischen Predigern gewidmet hatte, lautet die Formulierung anders: Was ist die Kirche? Der Leib und die Gemeinschaft der Gläubigen, die Gott zum ewigen Leben vorherbestimmt hat. 3 Da der Glaube die Wirkung der Erwählung ist, so wird sie zum Grunde für die Vereinigung der Gläubigen zur Kirche. „ Hiermit meint aber Calvin keine äußere Vereinigung von Menschen, sondern die Gemeinschaft derer, die von Gott auserwählt sind und durch dieses unsichtbare Band zusammengefaßt werden. Er behandelt die Frage im Rahmen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Für das Kirchenrecht kommt daher diese Stelle nicht in Betracht.“ 4 So urteilt Bredt. Nach seiner Meinung enthält eine mit der Prädestinationslehre arbeitende Entfaltung des Kirchenbegriffs darum keinen Ansatzpunkt für das Kirchenrecht, weil die Prädestination ein Vorgang in Gott ist und die Zugehörigkeit zur Kirche in das Urteil Gottes zurückverweist. Das ist ein Kurzschluß. Calvin hat in einer späteren Frage ausdrücklich gesagt, daß die Kirche an bestimmten Zeichen erkannt werden kann. „Es ist zwar die Kirche Gottes auch sichtbar, welche er uns nach bestimmten Anzeichen und Merkmalen beschrieben hat. Aber hier handelt es sich eigentlich nur um die Sammlung derer, die er durch seine geheime Wahl zum Heil bestimmt hat. Diese kann aber weder jemals mit den Augen ausgemacht noch an Zeichen erkannt werden.“ 5 „ Hier“ – das geht auf die Kirche des dritten Artikels; im dritten Artikel ist nach Calvin nur von der Kirche der ewigen Wahl die Rede, und diese bleibt dem Erkenntnisvermögen unfaßbar. Aber diese gleiche Kirche – er spricht von Kirche Gottes – ist in bestimmter Hinsicht auch sichtbar an bestimmten Merkmalen. Calvin lehrt also bei aller Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche doch eine Einheit beider. Sie decken sich nicht völlig, fallen aber auch keineswegs bis zur völligen Verschiedenheit auseinander. Wie Calvin die Beziehung der beiden Wirklichkeiten des kirchlichen Seins zueinander denkt, kann hier auf sich beruhen. 6 Aber ein Kirchenrecht, das seine Sätze oder seine Forderungen an die kirchlichen Ordnungsformen nicht vor der Tatsache verantworten will, daß die Kirche nicht nur sichtbare Gemeinschaft von Menschen ist, und damit keineswegs nur eine Aufgabe, für die die Gesellschaftslehre die Bildungsgesetze vorschreibt, sondern daß die Kirche auch in ihrer Sichtbarkeit und in ihrem Verfaßtsein in bestimmter Beziehung zu der Kirche der ewigen Wahl steht, ein solches Kirchenrecht läuft Gefahr, den Beziehungspunkt preiszugeben, an dem es sich ständig ausrichten lassen muß. Die Kirche als Kirche, Die theologische Anschauung von der Kirche 317 2 A Lasco II, 436f. Kuyper zählt die Fragen als Nr. 168-173. 3 Müller, Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, 1903, 125. 4 Bredt, Verfassung, 15; vgl. Holstein, Grundlagen des ev. Kirchenrechts, 210-228 die Auseinandersetzung mit Sohm. 5 Müller, a.a.O,126. 6 Institutio IV,1,7f.;Schüle, 54ff. wiesie kraft ihrer Vorherbestimmung vor Gott steht, braucht an sich kein Kirchenrecht, dieses verstanden als Zusammenhang ordnender und anordnender Sätze. Aber dieses „ An- sich- sein“ der Kirche in ihrer Unsichtbarkeit hat nicht statt. Denn diese Kirche der Wahl schneidet, da ihre Glieder in der Zeit und Welt einen Teil ihres Seins vor Gott zubringen, die Linie der Zeitlichkeit und Weltlichkeit, und an diesen Schnittpunkten entsteht das Kirchenrecht als notwendige Aufgabe. Nicht umsonst hat Calvin ein Kapitel seiner Erwählungslehre überschrieben: „ Daß die Erwählung durch die Berufung Gottes festgestellt werde.“ 7 Und die Berufung in das Glaubens- und Gehorsamsverhältnis ist das, was ich den Beziehungspunkt für das Kirchenrecht nenne. Das Kirchenrecht soll ja gerade im Rahmen des in Zeit und Welt Nötigen und Möglichen die Berufung in ihrem Ergehen und in ihrer Auswirkung ordnen. Hier hat die Lehre von den Kennzeichen der sichtbaren Kirche ihren Platz. Sie sind der Verbindungspunkt der unsichtbaren mit der sichtbaren Kirche. Vor ihnen hat sich das Kirchenrecht in der Wirklichkeit seiner einzelnen Sätze zu verantworten. Wenn allerdings ein Kirchenrecht aus einem für sich stehenden Rechtsprinzip entwickelt werden soll, ist die Gefahr groß, daß der gegebene Ansatzpunkt verleugnet wird. Daß es um die Berufung geht, läßt sich aus den Kennzeichen der Kirche, die bei Calvin nur die Verkündigung und Sakramentsverwaltungsind8, ablesen; diese Berufung, näher, die ihr dienenden, sie ermöglichenden und verwirklichenden Merkmale der sichtbaren Kirche, geben allem Kirchenrecht seine Form als Kirchenordnung, seinen Inhalt als Anweisung zum Dienst am Wort der Berufung. Wenn auch a Lasco den Prädestinationsgedanken nicht aufgenommen hat, um seine Lehre von der Kirche zu gestalten, so führen doch seine Aussagen auf dieselben Zusammenhänge. Er hat die Kirche verstanden als die Versammlung der Christgläubigen auf Erden von Anbeginn der Welt her, und aus diesem Verständnis heraus ist seine Kirchenordnung gewachsen. Die calvinischen Begriffe kehren alle wieder, aber eben in der Abwandlung, die das Fehlen der Prädestinationslehre bedingt. 9 Calvin redet von der Sammlung der Erwählten, der zum Heil Bestimmten, a Lasco von der Sammlung der Christgläubigen; auch Calvin gebraucht den Ausdruck „ Leib“, der bei a Lasco ebenfalls benutzt ist, und hier treffen sich beide; denn Calvin nennt die Kirche den Leib der Gläubigen, wie a Lasco von den Gliedern an einem Leibe unter einem Haupte spricht. Warum soll diese Kirche nicht für die Ausbildung einer Kirchenordnung in Betracht kommen? Weil sie als Versammlung der Gläubigen selbst im Glauben ihrer Glieder lebt? Wieder ist zu sagen, daß die Glieder des Leibes Christi in ihrer Beziehung zum Haupte der 318 Elftes Kapitel 7 Institutio III,24. 8 Institutio IV, 1,9. 9 Über a Lascos Verhältnis zur Prädestinationslehre: Reformierte Kirchenzeitung, 1870, 131ff.186ff.:Kontroverse Bartels – Locher. Zeitund Welt nicht entnommen sind, sie sind als Glaubende durchaus noch in Zeit und Welt gefangen und können die Ordnung ihres Lebens im Glauben nicht entbehren. Denn das Gliedsein gibt es nur in einer bestimmten Ordnung. Darum wird kein neuer Kirchenbegriff sichtbar, nicht einmal eine wesentliche Abwandlung, wenn in der nächsten Frage die Versammlung und Erbauung dieser von Adams Zeiten bis ans Ende der Welt auf Erden versammelten Kirche der Gläubigen näher beschrieben wird. Wie geschieht die Versammlung der Kirche, die ich in ihrem Ereignis glaube und bekenne? Dem Wort Versammlung haftet nicht einfach der Begriff des bereits Vollendeten an, sondern hier soll ein Vorgang ausgesagt werden. Die Kirche wird versammelt und aufgebaut. Darum wäre es nicht im Sinne des Katechismus, wenn die nun folgende Antwort von den drei Kennzeichen nur auf die Größe „ Kirche“ bezogen würde. Sie meinen als Kennzeichen der Kirche den Vorgang der Sammlung und des Aufbaus. Dieser Vorgang wird erkennbar, wenn die reine Lehre und das Bekenntnis des Namens Christi, der rechte Gebrauch der Sakramente und die Kirchenregierung geordnet werden. Denn diese Kennzeichen beschreiben die Bildungskräfte der Kirche auf der Ebene der Zeitlichkeit und Weltlichkeit. Mit ihrem Wirksamwerden ist die kirchliche Ordnung gegeben, und damit Anlaß und Inhalt des Kirchenrechts. Damit ist aber dieses selbst unmittelbar bezogen auf den dogmatischen Gehalt des Kirchenbegriffs, der in diesen Fragen zum Ausdruck kommt. Die Kirche selbst ist nur dem Glauben wirklich, sie bleibt auch in Zeit und Welt dem Glauben allein erkennbar; nimmt man aber ihre Ordnung richtig als einen Vorgang und läßt diese Ordnung nicht zu einer Zustandsmumie eintrocknen, dann bekommt die Lehre von den Kennzeichen ihren tiefen und guten Sinn: sie bewirken als Kennzeichen der Kirche, daß „ mense opentlijcke vinden ende sien mach“, eben weil sie Vorgänge, Geschehnisse, Tatsachen beschreiben, die in ihrem Ereignis auf die Glaubenswirklichkeit „ Kirche“ hinweisen. Wenn der Kirchenrat eine Pfarrwahl oder Ältestenbestellung vornimmt, dann ordnet er die Kirche; wenn er die Schritte festlegt, die dabei zu tun sind, um einen Pastoren oder Ältesten ins Amt zu bekommen, dann schafft er Kirchenrecht, er beschreibt dann das Gesetz der Ordnung. Es dürfte noch eines zu beachten sein an den Bestimmungen, die den Kirchenbegriff des Katechismus formen. Das biblische Bild des Leibes unter einem Haupte, an dem die Gläubigen Glieder sind, ergibt sich ohne Umweg über die Prädestination aus dem Begriff der Sammlung aller Christgläubigen zur Kirche. Das führt auf den in der zweiten angeführten Frage ausgesprochenen Gedanken der Gemeinschaft, in der man teilhat an allen Dingen mit dem Haupte Christus und an allen Gaben Gottes untereinander durch die Liebe. Gerade diese Wendung des Gemeinschaftsgedankens prägt den Kirchenbegriff. Die Gemeinschaft der Kirche erhält das Gemeinschaftsbildende nicht aus Wesen und Anlage der in ihr Vereinigten; also nicht aus dem Gemeinschaftstrieb des Menschen heraus kommt es zur Kirchenbildung; es ist vielmehr das Zusammensein im Namen des Die theologische Anschauung von der Kirche 319 Herrnund das Teilhaben an den Gaben Gottes in Christo, das aus den Zweien und Dreien Kirche macht. Das bedeutet aber wieder, daß das kirchliche Recht in seinem Ansatz im Begriff der Kirche mitgesetzt ist. Denn als Gemeinschaft an Christus und seinen Gaben empfängt die Kirche auch die Ordnung, durch die allein das Teilhaben an den Gütern des Hauses Gottes vermittelt wird. Ist die Kirche Gemeinschaft der Christgläubigen und Gliedschaft am Leibe Christi zum Teilhaben an den in Christo gewährten Gaben Gottes, dann muß die Sammlung und das Teilhaben sich in einer Ordnung vollziehen, die in dem Willen Gottes zur Sammlung ihren Grund und in der Zeitlichkeit und Weltlichkeit der Glieder ihre Form hat. Beides ist berücksichtigt in den Bestimmungen über die Mittel, die zur Sammlung der Kirche und dem gliedlichen Teilhaben an den Gaben Gottes in Christo dienen. Die Kennzeichen der Kirche weisen notwendig auf die Ordnung der Gemeinschaft mit Gott und dem Nächsten hin. Will die Kirchenordnung diesen Quellort ihrer Sätze nicht anerkennen, oder verleugnet sie die Bedingungen, die ihr aus dem Grund und der Form der Kennzeichen gesetzt sind, dann wird sie, weil aus mehr oder weniger kirchenfremden Zusammenhängen heraus gestaltet, der Kirche nicht dienen, sondern sie nur beherrschen und dadurch verwüsten können. Die Ordnung, die dem Begriff von der Kirche als Gemeinschaft entspricht, wirkt nicht nur nach innen, sondern zeichnet die Kirche in der Besonderheit ihres Entstehens und Lebens auch nach außen hin aus. Sie hält nicht nur die Gesammelten durch die reine Lehre, die Sakramente und die Zucht zusammen, sie scheidet die Kirche auch von den Sekten. Der Gang der Lehre, der Gebrauch der Sakramente und die Anwendung der Zucht sind kirchenordnende Vorgänge, die die Kirche erkennbar und sichtbar machen; in ihnen ist die Öffentlichkeit der Kirche gegeben. Im Vollzug ihrer Ordnung wird die Kirche sichtbar; dabei dürfte genauer zu sagen sein: Was sichtbar wird, sind die ordnenden Vorgänge, die Kennzeichen. Die Sichtbarkeit der Kirche ist für a Lasco einfach das Ergebnis der Tatsache, daß sie ohne Ordnung in Zeit und Welt nicht Kirche sein kann. Dieses Sichtbarwerden der ordnenden Vorgänge verhindert nicht, daß diese in Zeit und Welt durch die in den drei Merkmalen geforderten Betätigungsweisen rechtens geordnete Kirche im Vollsinne Kirche ist. Von Kirche im eigentlichen oder uneigentlichen Sinne darf hier nicht geredet werden, die Unterscheidung zwischen Wesenskirche und Rechtskirche wäre wohl kaum im Sinne a Lascos. Anders als in der Sammlung der Christgläubigen ist die Kirche nicht da, anders als durch die Betätigung der drei Merkmale entsteht sie nicht. Das ist die Auffassung a Lascos von der Kirche, und in dieser Form wird der Kirchenbegriff für die Kirchenordnung grundlegend. A Lasco meint weiter, daß für das Sein der Kirche in der Welt die Entscheidung über die Gläubigkeit und Heiligkeit der Glieder nicht in der Macht der Kirche liege. In der vierten Frage wird die Meinung ausdrücklich abgewehrt, als entsprächen alle Glieder ihrer Berufung. Es sind Böse und Heuchler in ihrer Mitte. 320 Elftes Kapitel Geradean dieser Stelle wird die Beziehung der Ordnung zum Kirchenbegriff sehr deutlich. Solange die Ordnung der Kirche diese Bösen und Heuchler bei dem Leibe Christi festhält, sind sie für Glieder zu halten. Entscheidend für die Zugehörigkeit eines Menschen zur Kirche ist die Tatsache, ob die Ordnung, begriffen als die das Leben der Kirche und ihrer Glieder ordnenden Vorgänge, das Verhalten des Gliedes beeinflußt. Man möchte allerdings fragen, ob nicht die Bezeichnung „ Christgläubige“ dazu zu führen scheint, daß der Kirchenbegriff doch erweitert werden muß in der Richtung calvinischer Gedankengänge. Wie kommt denn letztlich die wahre Kirchlichkeit zum Vorschein, wie tritt eine echte Scheidung der kirchlichen und unkirchlichen Glieder der Kirche ein? A Lasco hat sich nicht genötigt gesehen, diesen Kirchenbegriff nach dieser Richtung hin zu ergänzen. Er hat nur diese Seite an der Kirche sehen wollen, die die Weltlichkeit und Zeitlichkeit der Kirche ausmacht und durch die Beziehung zur Ordnung der Kirche geprägt ist. Die Geltung der Ordnung ist in jedem Falle, dem der „ echten“ und „ unechten“ Kirchlichkeit, das kennzeichnende Merkmal. Dem Prädestinationsgedanken ist a Lasco nicht nur 1546 aus dem Wege gegangen. Als er ein paar Jahre später seine Gedanken über die Kirchengliedschaft weiter ausgreifen ließ, beschrieb er die Kirche als die Gemeinschaft der ihrer Gliedschaft in der Gemeinde Gottes Gewissen. „ Hoe sydy in v herte versekert dat ghy een lidtmaet der gemeynte Christi sijt?“, fragt er in der kurzen Untersuchung des Glaubens für die, die sich zur Gemeinde begeben wollen, und er antwortet darauf: „ Wt dien dat de heylighe Gheest tot mynen gheest ghetuyght, dat ick een kindt Gods des Vaders sy (...).“ 10 Heilsgewißheit beweist auf der Seite des Menschen die Zugehörigkeit zur Kirche. Auch durch diesen Satz, daß die Gliedschaft in der Kirche durch das innere Zeugnis des heiligen Geistes bestätigt werde, ist die Aufnahme des Erwählungsgedankens nicht unmöglich gemacht, aber doch umgangen; auf die Frage: Wer gehört zur Kirche? wird geantwortet: Die ihres Heils Gewissen, und nicht: Die Erwählten. Aber er hat doch die Heilsgewißheit nicht zum Kennzeichen der Kirche in ihrem Bestehen in Zeit und Welt gemacht, sondern ist auch in diesem Katechismus bei den drei Merkmalen geblieben. 11 In einer gleichzeitigen Schrift hat er seinen Kirchenbegriff einfach erhoben aus der Deutung des Wortes „ ecclesia“. Ecclesia ist die Herausgerufene. „ Daerom de Kercke of Ghemeynte Gods is de vergaderinghe der gener, die wt de gantsche menichte aller menschen door de stemme Gods, hem tot een eyghen Volck geroepen wert.“ 12 Er bleibt also dabei, und durch die an dieser Stelle folgenden Ausführungen über den Unterschied zwischen der wahren und falschen Kirche wird das noch unterstrichen, daß es sich in der Kirche um das Zusammenbringen von Menschen durch das Wort handelt; Gott sammelt sich aus der Menschheit ein Volk des Eigentums. Die theologische Anschauung von der Kirche 321 10 A Lasco II, 479. 11 A Lasco II, 487. 12 A Lasco II, 295. Damitist aber nur aus dem Zusammenhang der Katechismussätze der Gedanke der Sammlung mit besonderer Berücksichtigung des ersten Kennzeichens, eben der kirchlichen Lehrtätigkeit, herausgehoben; denn die Stimme Gottes ergeht, wie a Lasco weiter ausführt, „ door de Enghelen, de Propheten, ende Christum den Heere, als der eerster aller Regeerder, ende syne Apostelen, in een vergaderinghe ende Volck, dat hem eyghen is“13.Damit steht die Kirche vor der Schrift und im Fortgang mit der Schriftlehre vor der Aufgabe der schriftgemäßen Verkündigung. Denn es ist der Diener Amt, „ dat zij het reyne woort Gods, openbaerlick, ghetrouwelick, ende neerstelick leeren ende prediken“14.Nirgendwo geht a Lasco in seinen Äußerungen hinaus über seinen Satz, daß die Berufung zum Glauben Kirche schafft, und daß die Gewißheit, Glieder eines Leibes zu sein, die Zugehörigkeit zur Kirche bestätigt; a Lasco läßt das Ereignis des Kirchewerdens in dem Ruf Gottes und der Antwort des Menschen bestehen. Will man es scharf zugespitzt sagen, dann darf formuliert werden: Kirchesein ist für a Lasco kein Zustand, sondern ein Vorgang, in dem Gottes Wort und des Menschen Antwort einander entsprechen. Durch den Ruf Gottes und den Glauben des Gerufenen, der mit allen, „ so vele als wy in der Ghemeynte zijn, ontwijuelick geloouen, ons lidtmaten eens Lichaems te wesen“, ist die Kirche da und wird sie doch ständig neu erst verwirklicht. 15 Diese Kirche der Gerufenen und Glaubenden ist selbst Gegenstand des Glaubens und Bekennens ( 2. Frage). Gläubigkeit als Zustand und Haltung, Zugehörigkeitsgewißheit als Grund und Inhalt der Gliedschaft bleiben dem Zugriff des prüfenden Urteils entzogen. A Lasco setzt die Kirche in Zeit und Welt nicht einfach gleich mit der Kirche der Wiedergeborenen und Heilsgewissen. Man mag die vierte Frage als Abwehr täuferischer Vorwürfe werten, aber auch ohne diese Frontstellung hat die Angabe, daß sich in der Kirche, die durch die kirchenordnenden Vorgänge versammelt wird, Böse und Heuchler befinden, ihren Wert. Wird die Bosheit offenbar, so ist das Mittel der Zucht anzuwenden, um den Bösen zu beschämen und, wenn möglich, wiederzugewinnen, und um die Gemeinde vor dem Schein zu bewahren, als willige sie in die Sünde, und damit sie nicht durch der Bösen Beispiel beschmutzt werde, was nur zur Lästerung des Namens Gottes dienen würde. 16 So verständlich das nun auch ist, weil es die Lage der Kirche in Zeit und Welt berücksichtigt, so nahe liegt der Einwand, daß damit der eigentliche Kirchenbegriff verleugnet werde, weil dies Rechnen mit der Möglichkeit, Böse und Heuchler unter den Gliedern der Kirche zu haben, doch den Satz aufhebe, die Kirche sei 322 Elftes Kapitel 13 A Lasco II, 297. 14 A Lasco II, 329. 15 A Lasco II, 327. Das mehrfach auch im Katechismus gebrauchte Wort „vergaderinghe“ meint meint nicht so sehr eine statische Größe wie Calvins „societas electorum“, sondern bedeutet Sammlung, also einen Vorgang. 16 A Lasco II, 437. dieVersammlung der Christgläubigen. Diesen Einwand haben die Wiedertäufer der Reformationszeit erhoben. Sie haben damit auch der Emder Kirche viel zu schaffen gemacht. Aber trotzdem hat die Lehre der Emder Kirche dem verführerischen Gedanken nicht nachgegeben, die Ordnung der Kirche auf eine Gemeinde auszurichten, die sichtlich die Kirche der Heiligen und Wiedergeborenen sei. Sie hat ihren Widerspruch gegen die täuferische Auffassung von der Kirche festgehalten mit dem ständig wiederholten Hinweis darauf, daß das Urteil über die Zugehörigkeit zur Kirche bei Gott stehe, weil Gerechtigkeit und Heiligkeit in Vergebung der Sünden und Zurechnung der Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi bestehe. Der Katechismus von 1546 hat die Frontstellung gegen die Täufer nicht besonders sichtbar gemacht. Wohl aber tut dies Faber in seiner Schrift gegen die Täufer, die damit für die Erfassung des Kirchenbegriffs dieses bedeutenden Predigers der Emder Gemeinde wichtig wird. Er setzt sich mit dem Einwand auseinander, „ dat wy nicht leren/ holden/ hebben/ eine gemene Gades/ gelick de Patriarchen/ Propheten/ Moyse/ Christus/ vnde syne Apostolen/ gehadt/ vnde geholden hebben/ Vnde als de schrifft leret/ De schrifft leret ( seggen se [= die Täufer]) ein gemene ein vorgaderinge der gelöuigen/ eine gemene sunder runtzeln/ ein hillich vnstrafflick volck etc. Ephe. 5“. Sie schließen deshalb: Kein Christ darf in einer unheiligen Gemeinde Gottes Wort hören; eure Gemeinde ist nicht heilig; darum darf keiner in eurer Gemeinde Gottes Wort hören. Faber antwortet darauf: Der erste Satz ist falsch; denn dann hätten die Heiligen in Korinth usw., die Paulus wegen ihrer Sünden straft, in den Gemeinden das Wort nicht hören dürfen. Auch Zacharias, Elisabeth, Maria, Simeon und Hannah hätten im Judenvolke das Wort nicht hören dürfen, da unter diesem Volke die Mörder Jesu waren. Auch die Prophetenschüler haben sich nicht von den Gemeinden geschieden, in denen die Mörder der Propheten waren. Die Zugehörigkeit der Bösen und Heuchler, wie es der Katechismus ausdrückte, macht den Titel Kirche für diese Gemeinschaft nicht unmöglich. Um darüber Klarheit zu schaffen, nimmt Faber die Begriffe „ sichtbar“ und „ unsichtbar“ auf, ja er führt auch den Gedanken der Erwählung in seine Aussagen über die Kirche ein und zeigt dadurch, daß er Butzer und Calvin gelesen hat, und daß solche Gedanken der Verkündigung trotz a Lascos zurückhaltender Lehrweise nicht fremd gewesen sind. Die Täufer müssen die Gemeinde in zweierlei Weise ansehen. „ Thom ersten/ alse se sichtlick/ vnde vör vnsen ogen de gemene Gades vnnde Christi ys.“ 17 Und zwar ist sie sichtbare Kirche im Sinne der Lehre von den drei Merkmalen, die er wie a Lasco beschreibt. 18 Öffentliche Versammlung, Hören, Annehmen Die theologische Anschauung von der Kirche 323 17 Faber, Bogen H iiij. 18 A. a. O.: „ Thom ersten/ alse se sichtlick/ vnde vör vnsen ogen de gemeine Gades vnde Christi ys/welcker öpentlike vorsammlinge helt/dat wordt hört/annimpt/vnde prediget/de Sacramente/ mit öpentliker bekenntenisse vnde anropinge des hilligen Gödtliken namens vth delet/ vnde bruket/vnde de ergelike groue mißdeders vnde halsstarrige sunders bannet.“ undPredigen des Wortes, Austeilung und Gebrauch der Sakramente mit öffentlichem Bekenntnis und Anrufung des göttlichen Namens und die Anwendung des Bannes gegen ärgerliche, grobe Missetäter und halsstarrige Sünder, das macht die Kirche zur Kirche Gottes und Christi. Er lehnt es also ab, die Kirche in Zeit und Welt durch die Heiligkeit und Gläubigkeit ihrer Glieder gekennzeichnet und begründet sein zu lassen. Nun aber die andere Weise, von der Gemeinde zu reden! 19 „ Thom andern/ also se (= die Gemeinde) ( zu ergänzen: nicht oder in neenerley wyse) 20 vor minschen oghen ( de int herte nicht sehen können) vnnde allene vor Gades oghen vnd gerichte de ware Kercke Gades vnde Christi ys/ welcker de üterlike edder sichtlike Kercke21dat ys/ im getalle der geescheden edder beropenen (= der Geforderten oder Berufenen) gefunden wert“. Der Text ist an dieser Stelle nicht vollständig gedruckt; so wird nicht ganz deutlich, was Faber wirklich hat sagen wollen. Aber ganz klar ist, daß er unterscheidet zwischen sichtbarer, äußerlicher und unsichtbarer, wahrer Kirche. Die wahre Kirche steht als ruhende abgeschlossene Größe vor Gottes Augen und Gericht da und wird in der Zahl der Erwählten und ( wirksam) Berufenen gefunden, „ na dem Godt dorch de predige synes hilligen Evangelions/ vnde gebruck syner hilligen sacramenten/ krefftigen darinne wercket/ vnd vüste alle tydt velen thom ewigen leuende weddertelet/ de van em allene de de synen kennt/ vnde den minschen allene int herte süth/ erkent werden/ vnde de rechte brudt Christi sindt/ in welckerem (= Christo) se dorch den gelouen gehilliget/ eine herlike gemene syn/ ane befleckinge edder krakelen/ ein gudt landt/ de dat Wort in einem guden fynen herten bewaren/ vnde bringen frucht in gedult/ ya de vtherwelden/ de leuesten Gades/ de gehilligeden in Christo Jesu/ vnd gesegenden hilligen/ vmme weckerer willen/ de gemeine tho Rhom/ tho Corinthen/ tho Epheso etc. Item de frömdelinge hyr vnde dar in Ponto/ Galatia/ Cappadocia/ Asia/ Bithynia / van Paulo/ vnde Petro de hilligen vnde vtherwelden genömet werden/ wente de Kercke nimpt er benöminge/ van dem besten deel/ dat se Gades edder Christi Kercke het/ hillich/ rein vnstrafflick etc. wo ydt mit einem groten hupen kaffs (= Spreu) thogeyt/ vp einer dorschedele (= Dreschdiele)/ dar weinich korns vnder ys/ vann welckerer men nicht fraget wath kaff/ sunder wat korn dat dar licht wente ydt nimpt ane alle weddersprekent syn benöminge van dem besten deel.“ 22 Es ist klar, daß die Frontstellung gegen die Täufer auch die Aussagen in ihrer Zielrichtung und in ihrem Gehalt bedingt; denn es muß Faber daran liegen, für seine Gemeinde die Aussage der Heiligkeit zu behaupten. Er tut es nicht durch den Hinweis auf die Gläubigkeit und die Heilsgewißheit der Glieder, sondern 324 Elftes Kapitel 19 Leider ist der Text an dieser Stelle hoffnungslos verderbt. 20 Das „allene“ in der Antithese fordert eine Verneinungspartikel, die im Text fehlt. 21 Der unverständliche Text läßt noch erkennen, daß Faber eine Beziehung zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Kirche hat herstellen wollen. Am Rande hat er auf Matth. 13 und Römer 8 hingewiesen. 22 Faber, Bogen J ij. durchden Anspruch an die Heiligkeit Christi, da „ de ware hillicheit der Kercken/ mher in gemeinschop der hillicheit Christi dorch den gelouen/ also in eghener hillicheit ( de in vnd in dessen leuende vnuullenkamen ys) gelegen ys“. „ Darumme blifft by vnser gemene de name der kercken/ vnde synt in vnser gemene ware ledtmaten der Kercken/ vmme welcker willen/ se wol recht de hillige kercke heth.“ 23 Angesichts der Mängel, die die Kirche äußerlich aufweist, müssen sich die wenigen Glieder daran halten, daß Gott immer einen Schemen der evangelischen Lehre und der Sakramente erhält. Was bei Faber auffällt, ist die starke Betonung der Verbindung, die zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Kirche besteht. Unter der Menge der Geforderten oder Berufenen befindet sich die Zahl der Erwählten, der im Glauben Geheiligten; diese sind die rechte Braut Christi, die Liebsten Gottes, und daß sie da sind, gezeugt durch die Predigt des Evangeliums und den Gebrauch der Sakramente, gibt der Gemeinschaft der Berufenen das Recht auf die Bezeichnung „ Kirche“. Für Faber ist es wichtig, beide Aussagen über die Kirche, nach denen sie nicht nur die Schar der Erwählten ist, sondern auch die Gemeinde der Geforderten und Berufenen, nicht so zu fassen, daß eine unüberbrückbare Kluft zwischen beiden entsteht; in der Gemeinde sind wahre Glieder der Kirche, und das Bild vom Weizen und von der Spreu drückt seine Meinung anschaulich aus. Die Aussagen sind nach dem Begriff von der Kirche im weiteren und engeren Sinne geformt. Bedeutsam sind auch seine Sätze über die Mittel, die Gott benutzt, um sein Ziel zu erreichen. Für ihn sind die kirchenordnenden Vorgänge der Wortverkündigung und des Sakramentsgebrauchs Mittel zur Wiedergeburt ( weddertelet); die so zur Kirche Gesammelten sind der beste Teil der Kirche, der dem Ganzen seinen Namen verleiht. Auch bei Faber gilt die Ansicht, daß die Merkmale der Kirche den Punkt bezeichnen, an dem die feste Verbindung beider Weisen, von der Kirche zu reden, erscheint. Die Merkmale beschreiben den Radius der beiden Kreise, die sich um den Mittelpunkt Christus bilden. Trotz der Einführung der Spannungsbegriffe „ sichtbar“ und „ unsichtbar“ und „ Erwählte“ und „ Berufene“ verläßt Faber doch nicht die Anschauungswelt des Katechismus und die grundsätzliche Begrifflichkeit, die in ihr lebt. Besonders die Ordnung der Kirche läßt er so geschehen, wie es den Sätzen des Katechismus entspricht, und das Gesetz der Ordnung wie die kirchenrechtlichen Sätze haben bei ihm den gleichen Ansatzpunkt. An der Stelle, wo die unsichtbare Kirche sichtbar wird und wo die Berufung Erwählung bezeugt und für den Berufenen in der Zeit verwirklicht, wird gepredigt, getauft, Abendmahl gehalten und Kirchenzucht geübt. Die Gedanken Fabers sind das Mittelglied zu den Formulierungen des Kleinen Katechismus von 1554, der sich in der Lehre von der Kirche als ein Versuch Die theologische Anschauung von der Kirche 325 23 Faber, Bogen K. erweist,die Meinungen a Lascos und Fabers miteinander auszugleichen. 24 Dieser Katechismus bringt die Lehre von der Kirche in den Fragen 45 bis 47, 51 und 75; dazu darf man die Fragen 70 bis 74 rechnen, die von der Kirchenzucht handeln. 25 In diesem Zusammenhang genügt es, auf die Fragen 45, 51 und 75 hinzuweisen. Frage 45. „ Wat geloovestu in dem nhavolgenden Artikel, Ein hillige Christlicke Kercke edder Gemeene? Ick geloove dat myn Here Jesus Christus, uth disser verdorven boose Werldt, dorch den hilligen Geist, unde stemme des hilligen Evangeliums, sick van anbeginne der Werldt, ein ewige hillige, blyvende Kercke edder Gemene der utherweelden hefft versamlet, unde erholdt, van welckerer Gemene ick my ein lidtmate tho syn bekenne.“ Frage 51. „ Mach ock de rechte ware Gemene Christi wol uterlick bekant werden, effte se schoon in der gantzen werlt verstrouwet is? Godt de Here hefft in syner Kercken einen sekeren denst verordent, alse de reyne predige des hilligen Godtlicken Woordes, den rechten gebrück der hilligen Sacramenten, unde de uterlicken Kercken tucht. Welcken denst de ware Christlicke Gemene stedes underholdet, so verne alse se den recht unde reyn hebben unde averkamen kan, unde wert dorch densulven van allen Godtlosen versamlingen aff gesundert.“ Frage 75. „ Sindt idt wol alle Kinder Gades de sick tho disser utherlicken Gemene Christi voegen, effte der sulvigen Lidtmate gerekent werden? Nenerley wyse. Wente dar sint wol vele Huchelers manck. Averst dat sint allene Kinder Gades unde levendige Lidtmaten der Gemene Christi, de sick in den vorgedachten stucken mit geloovigen herten oeven, tuchtich holden, unde Godt den heeren dachlickes umme vermehringe der Godtsalicheit bidden.“ In diesen Fragen sind die entscheidenden Bestandteile der Lehre alle zusammengefügt. Christus hat sich in der Zeit eine Gemeinde der Auserwählten gesammelt und erhält sie. Kirche und Gemeinde werden hier als gleichwertige Wechselbegriffe gebraucht. Daß Christus sich die Gemeinde versammelt hat, entspricht dem Satz a Lascos, daß die Gemeinde die Versammlung der Christgläubigen ist. Wenn gesagt wird, daß es sich um die Sammlung der Auserwählten handele, so läßt diese Aussage erkennen, daß Faber an der Fassung beteiligt ist, und über Faber kommen Butzer und Calvin zu Wort. A Lascos Stimme hören wir, wenn gesagt wird, daß das Bekenntnis zur Kirche die Gewißheit einschließt, ein Glied der Kirche zu sein. Denn a Lasco hatte die Gliedschaftsgewißheit des Menschen an der Stelle im Kirchenbegriff erscheinen lassen, wo bei Calvin die Erwählung steht. 26 Unter Vermeidung des Begriffes der Sichtbarkeit wird in Frage 51 davon 326 Elftes Kapitel 24 Bei a Lascos Abneigung gegen die Prädestinationslehre Calvins, die Calvin ihm übelnahm (CR 15, 388), dürfte in den Fragen über die Kirche Fabers Einfluß auf die Formulierungen zu vermuten sein. 25 Müller, a.a.O.,674f.678f. 26 Siehe S. 321 dieser Arbeit. gesprochen,ob die wahre, rechte Gemeinde Christi auch wohl äußerlich bekannt, und das im Sinne von „ kenntlich“, werden mag, obwohl sie über die ganze Welt verstreut ist. In völliger Übereinstimmung mit den allgemeinen Formulierungen, auf die in Emden gehört wurde, wird auch hier die Lehre von den Kennzeichen der Kirche vorgetragen. Die drei Kennzeichen beschreiben nach dem Ausdruck des Katechismus einen Dienst, den Gott in seiner Kirche angeordnet hat. Es ist ein sicherer, bestimmter Dienst, dessen Formen durch nichts anderes ersetzt werden können. Die Gemeinde hat sich die Gestalt ihrer Erkennbarkeit nicht zu wählen, sondern muß sie sich gesetzt sein lassen. Durch die Betätigung der Merkmale kommt es zur Sammlung und damit zur Sonderung der Gemeinde. So liegt auch hier alles, was sich auf die Kirchenordnung beziehen könnte, in den Merkmalen der Kirche vor. Es wird dann in Frage 75 festgestellt, daß die äußerliche Kirche, die Kirche im weiteren Sinne, auch Heuchler umfaßt. Die Anschauung von der Spannungseinheit eines äußeren und inneren Kreises von Heuchlern und lebendigen Gliedern ist auch hier festgehalten. Vierzig Jahre nach der Abfassung des Katechismus erschien das Bekenntnis der Emder Prediger unter dem Titel: „ Korte Bekenntenisse der Christlicken Lehre/ so in der Gemeine Gades tho Embden/ vth synem Worde gelöuet/ gelehret/ vnd geprediget werdt.“ 27 In Artikel 23 wird hier die Lehre von der Kirche entwickelt. 28 Die Lehraussagen sind klar durchdacht und geordnet, so daß die Dogmatik in ihnen ihre Leitsätze zu finden vermag. Christus hat den Auserwählten Gottes, seinen Schafen, nicht allein eine ewige Wohnung nach diesem Leben bereitet, sondern auch ein Haus in dieser Welt eingerichtet und mit allem, was zur Seligkeit nötig ist, versehen, „ welckes ist syne Gemeinde“. Diese Gemeinde oder Kirche Christi ist, „ eigentlick tho reden“, eine Versammlung der Kinder Gottes, dann aber auch die äußerliche, sichtbare Gemeinde und Kirche, die Bekehrte und Unbekehrte enthält. Außerhalb dieser Kirche ist kein Heil. Die Kirche hat zweierlei Kennzeichen: äußere, nämlich die drei Merkmale, und innere, „ alse de gemeinschop Christi/ vnd synes Geistes/ den wahren Gelouen/ vnd vprichtige Leue/ vnd Hope/ etc.“. Weil sie einen sichtbaren äußerlichen Dienst hat, heißt sie die sichtbare; wegen der innerlichen, Gott allein bekannten Gaben, aber auch wegen der noch fortdauernden fleischlichen Sicherheit, der Verführung und harten Verfolgung, die die wahre Kirche vor unseren Augen verbergen, „ werdt se vnsichtbar genöhmet/ vnd doch tho syn gelöuet“. Die äußeren Kennzeichen können ohne die inneren nicht recht zur Seligkeit gebraucht werden. Wo Christus allein als Haupt und Grund der Kirche gepredigt wird und die Kennzeichen recht und unverfälscht gebraucht werden, da ist zweifellos Christus gegenwärtig, da hat er seine Auserwählten. Wie jeder Artikel wird auch der von der Kirche durch eine Reihe von Verwerfungen falscher Lehren beschlossen. Die theologische Anschauung von der Kirche 327 27 1594 mit der Emder Kirchenordnung bei Berend Peterß in Bremen gedruckt. 28 A.a.O.,88-92 nach der Lehre von der Gnadenwahl. Essind die äußeren Kennzeichen, die die Sichtbarkeit der Kirche ausmachen. Die Sichtbarkeit bezieht sich eigentlich nur auf die Merkmale, in ihnen und durch ihre Betätigung wird die Kirche aufweisbar. Unsichtbar heißt die Kirche nicht wegen der Unzulänglichkeit der sie begründenden Erwählung, sondern wegen der innerlichen Gaben; Christusgemeinschaft, Glaube, Liebe, Hoffnung gewinnen keine Gestalt, die sie als Kennzeichen der Kirchlichkeit unverwechselbar ausweisen; die inneren Kennzeichen sind verborgen unter Zuständen, die der menschlichen Geschichtlichkeit eignen: „ ankleuende Fleischlicke sekerheit der Werlt/ vorföringe/ vnd harde verfolging.“ Die Unsichtbarkeit wird damit einmal nicht beschrieben als Ausdruck für die Glaubenswirklichkeit der Erwählung, sondern wendet sich auf die Gaben, die nicht rein vor unseren Augen erscheinen können. Bedenklicher möchte es klingen, daß hier die inneren und äußeren Kennzeichen der Kirche in einer Weise aufeinander bezogen werden, daß es den Anschein hat, als würden die inneren den äußeren vorgeordnet. Das Bekenntnis sagt, daß allein die Hausgenossen Gottes die inneren Kennzeichen empfangen und empfinden; sie sind es allein, die „ mit den herlicken Tytelen der Kercken Gades/ eigentlick tho reden/ getzyret werden: Dewyle de vtherlicke Kenteken ohne de jnnerlicken nicht recht/ vnd thor Salicheit können gebruket werden“. Kommt es denn ohne die äußeren Kennzeichen, und das heißt abgesehen von ihrer Betätigung, zur Gemeinschaft mit Christus, zum Glauben, zur Liebe, zur Hoffnung? Schlägt hier der mystische Spiritualismus der Anfangsjahre wieder durch, der gerade Alting nicht fremd war? 29 Die Christlichkeit des Menschen, die sich in der Gemeinschaft mit Christus und dem Geiste, in Glaube, Liebe und Hoffnung zeigt, hat als Spannungspol die immer wieder durchschlagende Weltlichkeit des Christen neben sich. So möchte auch die Entsprechung der äußerlichen und innerlichen Kennzeichen zu fassen sein. Denn das Bekenntnis sagt selbst, daß in der äußerlichen sichtbaren Kirche „ vele rechtgelöuigen thom ewigen Leuende ernyert“ werden, weil in dieser sichtbaren Kirche gepredigt, die Sakramente verwaltet und Kirchenzucht geübt wird. Damit dürfte dem, was die Ordnung der Kirche durch die Betätigung ihrer Kennzeichen zu nennen ist, auch nach dem Bekenntnis von 1594 seine Stelle angewiesen sein. Wie verschieden auch das Begriffspaar „ sichtbar – unsichtbar“ in den verschiedenen Lehrdokumenten gebraucht wird, immer findet das Hinübergehen aus dem einen in den anderen Begriffsbereich doch nur auf dem Wege der Ordnung statt. Für die Sichtbarkeit der unsichtbaren Kirche ist die Wirksamkeit der Kennzeichen entscheidend; und die unsichtbare Kirche geht in die Sichtbarkeit nur ein, wenn die Erwählten ihrer Berufung folgen. Aber auch die sichtbare Kirche ist auf die unsichtbare nur bezogen, sofern die Ordnung beide miteinander verbindet. Denn „ tho disser ( sichtbaren) Gemeine sick tho begeun/ sind alle Menschen/ de Godt dorch syn Wordt 328 Elftes Kapitel 29 Siehe Art. 5-11 der Summa bei Müller, Bekenntnisschriften, 930f. Die Summa stammt aus dem Jahre 1528. beröpetnothwendich vorplichtet“. Es gibt keine Christusgemeinschaft, keinen Glauben, keine Liebe und keine Hoffnung, wo nicht die Gemeinschaft durch die sichtbaren Kennzeichen geschaffen und erhalten wird. Indem sie ihre Ordnung betätigt, wird die Kirche sichtbar. Die Ordnung als Vorgang ermöglicht es, „ de gebuwte der Kercken“ zu „ vorvaten“, oder „ de geuallen policie der Kercken wedder“ zu „ richten“30.Die theologische Prägung der drei Männer, denen die Emder Kirche ihre dauernde Ordnung und deren Begründung verdankt, ist sicherlich in der Formung der Gedanken verschieden, aber im Grundsätzlichen innerlich verwandt und im Ergebnis für die Gemeinde und ihr Ordnungsleben den gleichen Zielen dienstbar. Was Eilshemius in seinen Katechismusauslegungen über die Kirche sagt, liegt bei aller dogmatischen Vertiefung und Entfaltung des Stoffes in der gleichen Linie. 31 Ist es nach den Lehraussagen der Gemeinde deutlich, daß die Lehre von der Kirche einen Kirchenbegriff entwickelt, zu dem eine bestimmte Anschauung von der kirchlichen Ordnung gehört, so bedeutet das nicht, daß damit auch schon über die Einzelheiten der rechtlichen Verhältnisse alles gesagt sei. Wohl aber sind die Linien vorgezeichnet, die zu den Ansätzen alles Kirchenrechts gehören, wenn einmal ausgesprochen ist, daß die Kirche eine Gemeinschaft ist, die zu ihrer Bildung und Erhaltung einer bestimmten Ordnung bedarf. Diese Ordnung fordert die Ausgestaltung durch Einrichtungen, die dem Wesen der Ordnung entsprechen. Die Verkündigung des Evangeliums, die Bedienung der Sakramente und die Ausübung der Zucht geschehen durch das Amt, das der Gemeinde zugeordnet ist. Der Katechismus von 1554 nennt das in Frage 51 „ einen sekeren denst“, den die Gemeinde nach Möglichkeit ständig unterhält. Den bestimmten Dienst haben die Prediger und Ältesten wahrzunehmen. Denn die Gemeinde kann sich eine andere Ordnung ihres Lebens nicht wählen. Sie ist an diese Ordnung gebunden. Sie bringt, wenn sie diesen Dienst unterhält, göttliches Recht zur Geltung. Es gibt keine Kirche ohne die Ordnung des Dienstes in Predigt, Sakramentsverwaltung und Zucht, und diese kann auf die Kirche als den Ort des Dienstes nicht verzichten. Es wäre abwegig zu fragen, was eher da sei, die Kirche oder das Amt. Auch in dieser Beziehung, die zwischen Gemeinde und Dienst besteht, bewährt sich die Anschauung von der Spannungseinheit; in beiden Wirklichkeiten, die sich gegenseitig bedingen und stützen, offenbart sich der Ordnung schaffende und damit Recht setzende Wille des Herrn der Kirche. Die Diener der Gemeinde haben die Aufgaben wahrzunehmen, die die kirchliche Ordnung in ihrem Ereignis und Vorgang fordert. Diese Forderung ist der Ausfluß eines Willens, dem die Gemeinde ihr Sein verdankt. Die Gemeinde kann sich die Form ihres Sichtbarwerdens nicht wählen; damit ist sie auch ihrer Ordnung gegenüber nicht frei in der Wahl der Ordnung schaffenden und Recht set- Die theologische Anschauung von der Kirche 329 30 Faber, Bogen K. 31 Eilshemius, Handtboeck, 189ff.; Klenodt, 609ff. zendenMittel. Sie ist an die mit ihrem Entstehen und Leben gesetzte Ordnung gebunden; es muß bei der Predigt, der Sakramentsverwaltung und Zucht als der ordnenden Ereignisse bleiben. Damit wird eine weitere Spannungseinheit sichtbar; es ist die von Anstalt und Gemeinschaft. 32 Kirche als Anstalt, das ist die Einrichtung, die allem menschlichen Planen und Wollen, allem Wählen und Sich- Entscheiden, allem Heilssuchen und aller Gnadenverachtung vorauslaufende Veranstaltung Gottes unter den Menschen. Als Anstalt ist die Kirche eine Einrichtung des Herrn, um seine Ziele mit der Menschheit zu erreichen. Die Kirche ist nicht nur Genossenschaft der Christgläubigen, der Heilsgewissen oder Erwählten, sondern auch Anstalt, Veranstaltung des Hauptes der Kirche, das sich nach Frage 45 des Kleinen Katechismus eine ewige, bleibende Gemeinde gesammelt hat und noch erhält. Dadurch, daß das Haupt sammelt und erhält, ist die Kirche mehr als die Summe ihrer Glieder und, so sehr gerade die Kirche begriffen wird als die Gemeinschaft mit dem erhöhten Haupt und als Teilnehmerschaft an seinen Gütern und Gaben, doch auch mehr als nur Genossenschaft. Zu diesem Willen Christi, die Sammlung seiner Gläubigen zu veranstalten, erhält die Ordnung der Kirche eine ganz natürliche und ihrer Zielsetzung angemessene Beziehung. Wie soll die Sammlung geschehen, wenn nicht durch den Dienst, den Gott nach Frage 51 eingesetzt hat, um die Kirche zusammenzubringen und von allen falschen Versammlungen abzusondern? Also auch, wenn an der Lehre von der Kirche besonders auf die Spannung von Anstalt und Genossenschaft geachtet wird, ist der Ansatzpunkt für die Kirchenordnung nicht verschüttet, sondern mitgegeben. Ausführendes Organ der Kirchenordnung ist in Emden der Kirchenrat, der durch Prediger und Älteste Predigt, Sakramentsverwaltung und Zucht wahrzunehmen hat. Und wenn schon die Sichtbarkeit der Kirche durch seine Tätigkeit bewirkt wird und die unsichtbare Kirche durch die Betätigung der Ordnung der sichtbaren verbunden wird, weil eben durch den Dienst am Wort usw. die Christgläubigen gesammelt bzw. die Ungläubigen zum Glauben berufen werden, so bekommt der Kirchenrat auch in der Spannungseinheit von Anstalt und Genossenschaft eine bestimmte Stellung. Man ist versucht, sie darin zu sehen, daß der Kirchenrat das Anstaltliche an der Kirche vertritt und wahrnimmt. Denn die Aufgabe des Amtes gründet darin, daß in allen Gemeinden, wo das Evangelium und der Herr nicht ganz verworfen sind und der Gebrauch der Sakramente nicht gar verlästert wird wie unter Mahomets Regiment, „ blyfft noch de name der hilligen Kercken vnde dar syndt alletydt yo etlicke Ledematen/ etlicke swacken/ de man waren/ etlicke krancken de man heben/ etlicke vorwundeden de man vorbinden/ etlicke vorbijsterden/ de man wedderhalen/ vnde etlicke vorlarnen/ de man söken moth/ vmme welcker willen Godt truwe deners vnde herden ( herders, 330 Elftes Kapitel 32 Rieker, Grundsätze, 69ff.; Lang, Reformation und Gegenwart, Detmold 1918, 159ff.; Kuyper, Disquisitio (siehe Anm. 1), 113. Druckfehler?)erwecket tho allen tyden/ de de geuallen policie der Kercken wedder richten/ de lere vnde gebruck der hilligen Sacramenten wedder reinigen/ vnde de vorlarnen/ edder jrrige schapkens/ tho rechte bringen/ vnde de gebuwte der Kercken voruaten“33. In diesen Sätzen ist das Anstaltliche gesehen, und der Dienst des Amtes zur Herstellung der Genossenschaft des Glaubens wird hier beschrieben als eine Veranstaltung Gottes. Sieht man auf das Anstaltliche an der Kirche, dann sieht man diesen Dienst, dessen Inhalt und Ordnungsbedeutung bleibt, auch wenn seine Träger wechseln. Von hier aus fällt auch ein weiteres Licht auf die im vorhergehenden Kapitel näher beschriebene Selbstbezeichnung des Kirchenrates. 34 Er nannte sich gerne, so sahen wir, „ de gemene“ oder „ de broderen“. Das klingt ganz, als wollte er nichts sein als die Gemeinschaft der Gemeinde im ausgezeichneten Sinne. Aber man gewinnt bei näherem Zusehen doch den Eindruck, als hätte der Kirchenrat in seiner Entwicklungsgeschichte die frühkirchliche Entwicklung des bischöflichen Amtes wiederholt. Es ist besonders Cyprian gewesen, der die Kirche als Heilsanstalt sah, wenn er behauptete, daß die Kirche im Bischof da sei. 35 Genauso, darf man vielleicht sagen, ist der Vertretungsgedanke in der Selbstbezeichnung des Kirchenrates aufzufassen. Die Gemeinde ist im Kirchenrat da. Er darf sich darum die Gemeinde oder die Brüder nennen, weil das Sammeln zur Gemeinde und das Bewahren bei der Gemeinde durch die von ihm wahrgenommene Ordnung geschieht. Das Anstaltliche liegt gerade in der Gemeinschaft, die die Ordnung meint und um derentwillen die Ordnung unterhalten wird. Und es ist geradezu das Wesen der Gemeinschaft, daß sie als Anstalt der Ordnung erscheinen muß, um in dieser Spannung recht Kirche sein zu können. Daß die Sache, die die Spannungseinheit von Anstalt und Genossenschaft bezeichnet, in Emden lebendig war, zeigt weiter das Bemühen der Gemeinde, in der Stadt keinen anderen Gottesdienst aufkommen zu lassen als den der Großen und Gasthauskirche. Der erste Artikel des Delfzyler Vertrages legt ausdrücklich fest, daß in Emden mit seinen Vorstädten keine andere Religion öffentlich gelehrt, ausgeübt noch gelitten werden soll, als eben die in den beiden Kirchen getriebene. 36 Das hängt mit der Auffassung von der Lehre zusammen, die einheitlich zu sein hatte, weil die Zulassung verschiedener Lehrformen in der Öffentlich- Die theologische Anschauung von der Kirche 331 33 Faber, Bogen K. Die ganze Aufzählung der verschiedenen „Klassen“ unter den Betreuten stammt unmittelbar aus Butzers Von der waren Seelsorge, Straßburg 1538. 34 Siehe S. 288-299 dieser Arbeit. 35 De cath. eccl. unitate 4,5 bei Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums (...), 4. Aufl., 30: „Unde scire debes episcopum in ecclesia esse et ecclesiam in episcopo et si quis cum episcopo non sit in ecclesia non esse.“ 36 Brenneysen, II, 49. Das in diesem Artikel berührte Problem der Toleranz und Gewissensfreiheit (siehe S. 332.335 dieser Arbeit) ist für ein Territorium, Hessen, behandelt von Walter Sohm, Territorium und Reformation in der hessischen Geschichte 1526-1555, Marburg 1915. keitsich mit der Behauptung von der Eindeutigkeit der Wahrheit nicht vertrug. Es konnte nicht mehrere gleichgeltende Verkündigungen nebeneinander geben. Der Gemeinde ist die Lehre als das Heilsmittel anvertraut, sie hat in der Lehre das wichtigste Kennzeichen ihres sichtbaren Daseins, und gerade die Lehre ist dem freien Setzen des einzelnen und der Gemeinde durchaus entnommen, sie ist in ihrer Gegebenheit ein Hinweis auf das Anstaltliche an der Kirche. Sehr bezeichnend ist nun aber, daß in dem gleichen Vertragsartikel ausdrücklich jeder Gewissenszwang abgelehnt und auch jede Form von Glaubensinquisition untersagt wird. Die Genossenschaft will als Veranstaltung Christi durch das Wort eindeutig dastehen, aber sie will durchaus Genossenschaft der Berufenen bleiben. So sehr sie in der Lehre und in ihrer Ordnung wie deren Verwalter und Träger, dem Kirchenrat, Unterlagen und Formen für die Kirche als Anstalt hat, weil das Gegebenheiten sind, die keiner vertraglichen Vereinbarung unterliegen, sondern der Berufung des einzelnen und seinem Hinzutreten zur Gemeinde voraufgehen, so sehr bleibt auch der andere Pol in dieser Spannungseinheit in seinem Recht und in seiner Wichtigkeit vollauf bestehen. Die Kirche ist Gemeinschaft von Menschen, die in der Kirche und durch sie Anteil haben an dem Haupt und seinen Gaben. Und wie sie in der Sichtbarkeit ihres Ordnungslebens nicht aufhört, um der Unsichtbarkeit ihrer innerlichen Kennzeichen willen Kirche des Glaubens zu sein, so hört die Gemeinschaft der Berufenen nicht auf, eine Veranstaltung ihres Herrn zu sein. Die dadurch entstehenden Spannungen gehören zum Wesen der Kirche, sie lösen zu wollen heißt, die Kirche der Anschauungsweisen berauben, deren sie zur Erfassung und Beschreibung ihres Wesens bedarf. Es ist gezeigt worden, daß es sich bei den Begriffspaaren „ äußerliche“ und „ innerliche Kennzeichen“, „ sichtbare“ und „ unsichtbare Kirche“, „ Anstalt“ und „ Genossenschaft“ nicht um ausschließende Bezeichnungen für die Kirche handelt, die ein „ Entweder – Oder“ fordern, sondern um Spannungseinheiten. Das gleiche wäre zu sagen von der hier nicht wieder behandelten Bezeichnung Christi als des alleinigen Hauptes der Kirche und der Stellung der Diener in der Gemeinde. 37 Es ist im neunten Kapitel genügend aufmerksam gemacht auf die Beziehung, die zwischen Christusherrschaft und Dienst der Menschen besteht, und welche Bedeutung für die rechte Auffassung von der hier vorliegenden Spannung die Berufung zum Dienst hat. Die Ordnung der Kirche ist damit gegeben, daß die eine Seite an der Kirche ständig in die andere übergeht. Die Kirche der Christgläubigen oder der ihres Heils Gewissen wäre im Sinne a Lascos kein geeigneter Beziehungspunkt für die Kirchenordnung der drei Merkmale, wenn sie nicht danach strebte, Kirche der in der und durch die Ordnung Berufenen zu sein. Denn in ihrer Ordnung erscheint die Kirche, darin lebt sie auf der Ebene von Zeit und Welt. Das geordnete Leben der Kirche verläuft in der Verkündigung des Wortes, in der Verwaltung der Sakra- 332 Elftes Kapitel 37 Rieker, Grundsätze, 103-129 über das Materialprinzip der ref. Kirchenverfassung. menteund in der Ausübung der Zucht. Auf diesem Wege hat die Kirche allein Anteil an dem Haupt und seinen Gaben, so daß das einzelne Glied an diese Ordnung gewiesen ist; in ihr bewährt es seine Gliedschaft, seinen Glauben, seine Erwählung. Nur als Glied der Kirche hat es die nötigen Erkenntnisse, nur so kann es Glied am Leibe Christi sein. In diesem Verhältnis des einzelnen zur Kirche vollzieht sich das ständige Hinübergehen des Anstaltlichen zum Genossenschaftlichen; die Kirche ist die Größe, zu der der Mensch hinzugetan werden und doch auch selbst hinzutreten muß, um seines Glaubens gewiß zu sein und zu leben. Denkt man sich allerdings das Genossenschaftliche an der Kirche so, daß die Kirche ein Zusammenschluß der Gläubigen, die ihren Glauben vielleicht auch noch außerhalb der Ordnung gewonnen haben, zu einem Verbandist38,und daß „ sich kein systematisch notwendiger Zusammenhang zwischen ihr und der lediglich durch Gottes Machtwillen gesetzten Summe der Erwählten auffinden“läßt39,dann wird damit die Kirchenbildung in den Willen des einzelnen gelegt. Damit würde dann die so zustande gekommene Gemeinde sich ihre Ordnung selbst setzen. Praktisch käme das darauf hinaus, daß die Organe der Ordnung nichts anderes wären als Vollstrecker des Willens, der ihnen in der Gemeinde begegnet. Aus der Kirche würde ein Verein, aus ihrer Ordnung ein vertragliches Übereinkommen, aus den Amtsträgern Beauftragte des Gemeindewillens. Den modernen reformierten Kirchenordnungen mit ihren weitreichenden Ausstrahlungen in das kirchliche Leben unserer Tage hat man den immer wiederholten Vorwurf gemacht, nichts weiter zu sein als Ergebnis dieser Ansatzpunkte. 40 Dahin kann es nur kommen, wenn das Genossenschaftliche an der Kirche so gut wie völlig gelöst ist vom Anstaltlichen. Die Beziehung zwischen beiden Seiten ist aber fast völlig zerschnitten, und beide stehen unverbunden nebeneinander und gewinnen in entgegengesetzten Ordnungsformen der kirchlichen Ämter ihre Gestalt, wenn übersehen wird, daß in ihrer Verbundenheit das Geheimnis der begrifflichen Angemessenheit und der tatsächlichen Wirkungskraft ihres Ansatzes liegt. Eine Kirche aus dem Begriff der Anstalt endet, wenn sie ihren Ansatzpunkt folgerecht ausgestaltet, notwendig beim unfehlbaren Papst, diesen als den Stellvertreter Christi gedacht; die Kirche, die nichts anderes von sich zu sagen weiß, als daß sie Genossenschaft ist, wird aus ihren Amtsträgern Vertreter des Massenwillens machen, und ihre Lehre wird die Summe oder der Auszug aus den von den Mitgliedern vertretenen Anschauungen und Bekenntnissen sein. Das heißt aber, daß eine Gemeinde aus der mit ihr gesetzten Ordnung jeweils das macht, was dem wechselnden Verständnis ihres Ansatzpunktes entspricht. Die theologische Anschauung von der Kirche 333 38 Smidt, Sind in der Verfassung der ev.-ref.Landeskirche der Provinz Hannover vom 24.IX.1922die reformierten Kirchen-Verfassungsgrundsätze (...) zum Ausdruck gekommen? Quakenbrück 1926, 14f. 39 Rieker, Grundsätze, 72. 40 Rieker, a.a.O.,130-173.Rieker hat den Vergleich der modernen Presbyterien und Synoden mit den altreformierten durchgeführt und ihre Unterschiede herausgestellt. Esist die Kirche der Erwählten, der Christgläubigen, es ist die „ unsichtbare“ Kirche, die Kirche als Anstalt, die die Ordnung der drei Kennzeichen benötigt, um die Kirche der Berufenen, die Kirche der Glieder eines Leibes, die „ sichtbare“ Kirche, die Kirche als Genossenschaft zu verwirklichen. Und gerade dieser Sitz der Ordnung im Gefüge der Kirche ergibt den „ systematisch notwendigen Zusammenhang“ zwischen Anstalt und Genossenschaft. Wie die Gemeinde selbst in ihrem Ursprung mehr ist als ein Verband selbsttätig Zusammengetretener, so ist ihre Ordnung in ihrem Ansatz etwas anderes als ein Programm, das aus dem bloßen Ordnungswillen der Gemeinschaft geflossen ist. Nicht nur Faber hat in seiner Schrift gegen die Täufer seiner Überzeugung beredte Worte geliehen, daß seine Gemeinde Kirche im Sinne des dritten Artikels sei, auch in der Tätigkeit des Kirchenrates ergab sich die Gelegenheit, nicht den Blick auf die Tatsache zu verbauen, daß schon in der Anfangszeit für die Bildung reformierter Kirchenordnung Gedanken herangezogen sind, die aus der Auffassung vom Wesen der Kirche als Anstalt – Genossenschaft fließen. Die Auffassungen über das Ursprüngliche und später Eingedrungene oder Systemfremde sind darum auch sehr verschieden, ja gegensätzlich. Smidt läßt sich die genossenschaftliche Anschauung, die nach seiner Ansicht ein fremdes Gewächs auf dem Boden des Calvinismus ist, „ im Laufe der Zeit“ entwickeln. „ Die Anschauung ( nämlich: Kirche ist Genossenschaft) ist mithin wohl als eine geschichtlich-, nicht aber als genuin- reformierte zu bezeichnen.“ 41 Lang dagegen bezeichnet die Verbindung beider Anschauungen als den Fortschritt, den Calvin über Luther hinaus in Sachen des einzig evangelischen Kirchenbegriffs vollzogen habe. 42 Er weist Riekers Ansicht, das Genossenschaftliche habe im Laufe der Zeit das Anstaltliche aufgesogen, zurück, wie auch Sohms Behauptung, daß gerade in der Anschauung von der Genossenschaft Aufklärungsgedanken in der reformierten Kirchenverfassung wirksam geworden seien. Eine Gefährdung der ursprünglichen Ansätze sieht er erst mit dem Eindringen des Independentismus heraufkommen. 43 Eine einheitliche Auffassung über die der Kirchenordnung zuzuordnende Anschauung von der Kirche ist noch keineswegs erreicht. In diesen Behauptungen sind auf allen Seiten sicherlich Beobachtungen verwertet, die durch die Geschichte gestützt werden. Und darum ist es müßig, ursprünglich- reformierte und geschichtlich- reformierte Grundsätze einander entgegenzusetzen. Denn mit Berufungen auf ein Vorbild, das aus Grundsätzen gebaut ist, die man aus den Gedankenbildungen gewinnt, ist die Geschichte nicht zu meistern, zumal diese Grundsätze häufig nicht nach ihrer geschichtlichen Erscheinung, sondern unter der Einwirkung von jeweils modernen Anschauungen geformt werden, wie Rieker das an der Begeisterung Hundeshagens für die Kir- 334 Elftes Kapitel 41 Smidt (siehe Anm. 38), 14. 42 Lang (siehe Anm. 32), 161. 43 Lang, 162. chenordnungder reformierten Freikirchen nachweist. 44 Daß sich in der Geschichte Anschauungen und Grundsätze verwirklichen, wird niemand bestreiten; daß aber die Geschichte nach vorgegebenen Grundsätzen verlaufe, oder daß behauptete Anschauungen sich in der Geschichte rein verwirklichen, darf niemand zur Rettung seiner Aufstellungen fordern. Die Sätze der kirchenrechtlichen Literatur sind nicht immer die Inhalte der Kirchenrechtsgeschichte. Es hat reformierte Freikirchen gegeben, reformierte freie Gemeinden, reformierte Staatskirchen wie in der Schweiz, einschließlich in Genf; und es hat unter dem allen auch ein reformiertes Emden gegeben, das von allem etwas hatte und doch weder Freikirche noch Staatskirche war. Es hatte zwar einen Kirchenrat, war aber weder synodal noch konsistorial mit anderen Gemeinden zusammengefaßt. Dem Grundsatz: „ Wes das Land, des der Glaube“ hatte es sich nicht gebeugt, sondern durch eine Revolution entzogen und zugleich doch Lehreinheit für die öffentlichen kirchlichen Rechtsverhältnisse erzwungen unter Ausrufung von Gewissensfreiheit und Ablehnung von Glaubenszwang, wodurch Täufern, Juden, Lutheranern und auch wohl Römischen praktisch der Aufenthalt in der Stadt ermöglicht wurde. Den Emder Theologen war die Ordnung in den Kennzeichen der Kirche gegeben, aber für das Ordnungsrecht und seine Einzelheiten berief man sich gerne auf alte Gewohnheiten und gewordene Rechtsgrundsätze, ohne wiederum zu vergessen, daß sich die Rechtsformen vor der Ordnung der Kirche zu verantworten haben. Man hatte seine sehr bestimmten Ansichten über das Verhältnis von Staat und Kirche, die alle darauf hinausliefen, die Kirche vom staatlichen Einfluß möglichst unabhängig zu halten, aber man machte doch gelegentlich mit den obrigkeitlichen Gewalten Geschäfte, die nicht immer den Ansichten entsprachen. Der Kirchenrat hat zeitweise darum gerungen, der Gemeinde im Ganzen des Bestellungsrechtes der Amtsträger bestimmte Aufgaben und Rechte zuzuweisen, obwohl nach Smidt die Mitwirkung der Gemeinde keineswegs zu den ursprünglichen Rechten einer reformierten Gemeindeordnung gehört. 45 Der Kirchenrat hat versucht, die Amtszeit der Ältesten auf eine bestimmte Zeitspanne zu beschränken; er nennt den Wahlkörper, der sich herausgebildet hatte, 1623 Großes Konsistorium; Rieker, der die Emder Verhältnisse nicht kennt, sieht in solchen oder ähnlichen Vorgängen, wie hier in der Bemessung der Amtsdauer oder der Bildung einer Gemeindevertretung, Zeichen für das Hinüberwechseln auf grundsatzfremden Boden. 46 Diese Zusammenstellung einiger Züge des Bildes, das uns die Emder Kirche darbietet, soll nur den Gedanken unterstreichen, daß das geschichtliche Leben schon am Anfang reicher gewesen ist, als es die Erfassung der leitenden gedanklichen Grundsätze zuzulassen scheint. Doch soll damit der Hinweis Riekers nicht Die theologische Anschauung von der Kirche 335 44 Rieker, Die rechtliche Stellung der ev. Kirche Deutschlands, 1893, 368f. 45 Smidt, a.a.O.,20. 46 Rieker, Grundsätze, 144. bestrittenwerden, daß zwischen altreformierter und modern- reformierter Begründung kirchenrechtlicher Ordnungsformen unterschieden werden muß, was sich aus der Verschiedenheit des Kirchenbegriffs zu einem großen Teil erklärt. Der Unterschied liegt darin, daß die alte Kirchenordnung auch in Emden in der Gemeinde eine Gemeinschaft sah, der das einigende Band schon gegeben war, während die moderne Begründung der kirchlichen Verfassung die Gemeinde und ihre Organe vom Genossenschaftsgedanken her als eine sich selbst setzende Vereinigung behandelt. Aber auch wenn das zugegeben werden müßte, dann besteht doch die Beobachtung zu Recht, daß das Bild der grundlegenden Gedanken und der wirklichen Tatsachen reicher wird, je mehr rechtsgeschichtlicher Stoff aus der Lebensgeschichte deutscher und anderer reformierter Kirchen erhoben und nach den in ihnen wirkenden Grundsätzen untersucht wird. Es fällt auf, wenn man die „ Grundsätze reformierter Kirchenverfassung“ studiert, wieviel Rieker gedanklich aus Calvin holt und wieviel ihm zum Beweis für die Geltung der Grundsätze ausgerechnet moderne Kirchenverfassungen puritanischer Geisteshaltung und presbyterianischer [bzw.,d. Hrsg.] kongregationalistischer Form aus England und Amerika darbieten. Die Grenzen zur modernen Zeit reformierter Kirchlichkeit dürften durch solches Achten auf noch unerhobenen Stoff anders bestimmt werden müssen, als es bei Rieker geschieht. Die Verschiebungen, die auf dem Gebiet der Auffassung von der Kirche und ihrer Ordnung eintreten, hängen nicht so sehr an veränderten Begriffen von der Kirche, sondern bezeugen, daß es nicht gelungen ist, das Verhältnis von Kirche und Recht im Sinne reformatorischer Auffassung anzusehen. Das Kirchenrecht speiste sich in seiner konkreten Gestaltung doch bald wieder aus den geschichtlich gewordenen Verhältnissen des staatlichen Kirchenregiments, den Überresten mittelalterlichen Kirchenrechts und naturrechtlichen Gedanken. Das ist gegen Ende des behandelten Zeitraumes auch in Emden zu bemerken. Alting verzichtete in den Kämpfen mit dem Grafen nicht darauf, das naturrechtlich gesehene Vereinigungsrecht anzurufen; 47 er beruft sich in einem Schreiben an den Rat während seines Kampfes um Wiedererstattung entfremdeten Vermögens auf „ geysten weltlicken rechten“ und die „ natuerlycken billicheit“. Die eindringenden naturrechtlichen Anschauungen fanden am Ende des 16. Jahrhunderts in dem Kirchenbegriff, der die Anschauung von der Gemeinschaft in sich barg, einen fruchtbaren Boden und haben sich auf ihm angebaut. Was in der Emder Revolution und überhaupt in den Streitereien der ostfriesischen Stände mit dem Grafenhaus an Gedanken lebte, war bereits naturrechtlich durchsetzt, und das Staatswesen Ostfrieslands, auf immer feiner und genauer durchgearbeiteten Verträgen des Herrschers mit seinen Untertanen aufgebaut, ist in sich selbst ein überwältigender Beweis für die zündende Schlagkraft der 336 Elftes Kapitel 47 Es wäre zu verweisen auf den Brief des Kirchenrates an den Grafen vom 8. März 1595 in Emder Apologie, Beilagen, 62-69 und auf die Akten über die Vermögensstreitigkeiten. neuenoder erneuerten Gedanken vom Herrschafts- oder Gesellschaftsvertrag. Die Männer der Kirche haben ihren Anteil daran, wenn auch Althusius erst 1617 Ältester wurde. Es wäre ja merkwürdig, wenn ein Mann, der „ den Gedanken, daß alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrage der Verbundenen beruht, zum konstruktiven Princip seines politischen und socialen Systems“ 48 erhebt, ohne Eindruck auf die Theoretiker und Praktiker des Kirchenrechts geblieben wäre. Dazu kommt Ubbo Emmius, der Groninger Professor, mit seiner eindrucksvollen Geschichtsdarstellung, die die „ friesischen Freiheiten“ als Leitbild benutzt und für die Festlegung politischer Ziele der Stände, besonders des dritten Standes, sehr wichtig geworden ist. 49 Die Männer der Kirche haben durch sie vor allem gelernt, die Kirche als Gemeinschaft anzusehen, die die Gesetze ihres Lebens nicht von außen her empfängt, sondern in sich selbst trägt. Das mit der Kirche geborene Recht lag ihnen besonders am Herzen. Sie vertrauten je länger je mehr nicht einfach der Einsicht und dem guten Willen besonders der staatlichen Machtträger, sondern versuchten, die kirchliche Ordnung durch Satzungen und Abmachungen zu sichern. Versucht man, sich in die Zeit selbst hineinzuversetzen, dann bekommen die hierher gehörigen Maßnahmen bis zu dem Wahlregulativ von 1623 nicht das Aussehen von Ergebnissen voraufgehender rechtsdogmatischer Besinnung, sondern sind aus einfachen Notwendigkeiten der geschichtlichen Verhältnisse hergeflossen. Und die Anfänge sind weder in neue Anschauungen noch in neue Formen hinein einfach aufgelöst, sondern wirken noch lange durch ihre ursprünglichen Absichten kräftig nach. Das Denken über die Kirche verläuft, wie die Lehraussagen ausweisen, in der Begrifflichkeit von Spannungseinheiten. „ Unsichtbar – sichtbar“, „ äußere – innere Kennzeichen“, „ Anstalt – Genossenschaft“, „ triumphierende – streitende Kirche“, in diesen Gedankengegensätzen, die nach Ansicht der Emder Theologen die Wirklichkeit der einen Kirche aussagen, gewinnt die Lehre von der Kirche ihre Gestalt. Die Unterschiede unter den Männern, die die Theologie der Emder Kirche wesentlich vergegenwärtigen, a Lasco, Faber, Alting und Eilshemius, sind nicht unerheblich; die drei letzten heben sich gegen a Lasco wegen ihrer Beeinflussung durch Butzer und Calvin in ihrem dogmatischen Kirchenbegiff durchaus ab. Aber es bleibt doch im Grunde bei den Katechismusgedanken, die im Bekenntnis von 1594 vermehrt und im Zuge der theologischen Zeitströmung in der reformierten Welt erläutert werden durch eine genauere Fassung der Prädestinationslehre, die erst mit Alting und Eilshemius, dem Vertreter Emdens auf der Dordrechter Synode, Heimatrecht in der Emder Kirche erhält. Die „ Umspannstelle“ ist für alle die Ordnung der Kirche. Für das Begriffspaar „ sichtbar – unsichtbar“ sagt das der Kleine Katechismus selbst: Durch die Betäti- Die theologische Anschauung von der Kirche 337 48 Gierke, 99.217f. 49 Boer, Ubbo Emmius en Oostfriesland, Groningen 1935, 114: „De staatkundige theorie van Emmius.“ gungihrer Kennzeichen wird Kirche sichtbar, von Anbeginn der Welt bis ans Ende, über die ganze Erde zerstreut; denn Zeitlichkeit und Weltlichkeit bilden die Ebene, da Ordnung der Gemeinde geschieht. Und wenn Kirche Veranstaltung Gottes ist und Gemeinschaft Christi und seines Geistes und darin Gemeinschaft untereinander, ist es nicht anders. Und diese Ordnung drängt auf ihr Gesetz; kein starres, mit der Ordnung in den Einzelheiten schon gegebenes, vielmehr ein immer neu zu suchendes, an dem Vorgang der Ordnung zu prüfendes, „ane praeiuditium“ zu formulierendes Gesetz, wie der Kirchenrat zu sagen pflegte, wenn er einem Vorgang die Dauer der Wiederholbarkeit geben mußte. Seine Geschäftsordnung, seine Ordnung der Predigerwahl sind uns als Zeugnisse dieses Suchens neben so manchen anderen, die noch keine feste Form fanden, begegnet; doch auch die letzten, und sie vielleicht am stärksten, haben ihr Leben aus der geschehenden Ordnung der Kirche Gottes. Erst losgelöst von der Kirche, diese bekannt als die Glaubenswirklichkeit der Vergegenwärtigung Christi, wird das Gesetz der Ordnung zum gespenstischen Wiedergänger des Kirchenrechts, das sich zum Herrn der Kirche macht. Im Sinne dessen, was hier als Anschauung von der Kirche und ihrer Ordnung darzustellen war, wäre es zu sagen, daß die Ordnung der Kirche ein Stück Bekenntnis ist, mit dem die Kirche die ihr widerfahrende Herrschaft Christi bezeugt, und daß alles Kirchenrecht, wie a Lasco es im Beginn seiner Kirchenordnung einmal ausdrückt, „aus dem Sinne des Wortes Gottes“ sein muß, um in Kraft stehen zu können. 50 338 Elftes Kapitel 50 A Lasco II, 7: „Quae vero in priscis Ecclesiae ritibus verbo Dei consentanea habentur, in iis sane amplectendis, non tam ipsam Ecclesiae consuetudinem (quantumvis receptam ac speciosam) quam potius verbum Dei sequimur, cui ritus illos inniti videmus; et quidem hactenus, quatenus illos ad Ecclesiae aedificationem pro temporum ratione facere constet.“ ZwölftesKapitel Die Gemeindegliedschaft Das geltende evangelische Kirchenrecht ist weithin als eine Antwort auf zwei Fragen zu begreifen: Wer entscheidet, d. h. wie ist die Kirchengewalt zu ordnen? Und: Was ist zu entscheiden, d. h. worauf bezieht sich die Kirchengewalt? Die Frage aber: Wie wird man Glied der Kirche? wird in den neueren Verfassungen „ nur gelegentlich bei den Festsetzungen über das Wahlrecht bei kirchlichen Gemeindewahlen“ berührt. 1 Auch Bredt stellt gelegentlich fest, daß Bestimmungen über die Mitgliedschaft „ eigentlich an den Anfang der ganzen Verfassungsgesetze gehören, denn auf ihnen beruht überhaupt der ganze Bestand der Kirche“2.Die Kirchenverfassung, die für die Gemeinde Emden augenblicklich gilt, stellt fest: „ Gemeindeglieder sind alle Evangelisch-Reformierte, die in der Kirchengemeinde ihren Wohnsitz haben, sowie alle anderen Evangelischen, die ihr nach bisherigem Recht angehören.“ 3 Aber die Frage, wie man evangelisch- reformiert wird, läßt die Verfassung unbeantwortet. Es wird offenbar vorausgesetzt, daß über die Mitgliedschaft, ihren Erwerb insbesondere, keine Bestimmung nötig sei. Als man 1881 eine erste Verfassung für die reformierten Gemeinden Hannovers beriet, regte ein Synodaler an, die Frage zu beantworten, „ wer als Gemeindemitglied anzusehen sei“; die Verfassungskommission lehnte eine Beantwortung „ als zur Aufnahme in die Kirchengemeinde- und Synodalordnung nicht opportun“ ab. 4 So unterblieb eine Bestimmung darüber, und es dürfte schwer sein, aus dem geltenden Kirchenrecht genauere Angaben über die Kirchenmitgliedschaft herzuleiten. Kirchenrechtlich wird der Zustand so zu beschreiben sein, daß man sich auf das Gewohnheitsrecht beruft, wonach Taufe und Konfirmation oder anstelle der Konfirmation eine sonstige Handlung, die den Willen zur Zugehörigkeit zur Kirche ausdrückt, wie die Teilnahme am Abendmahl, die Mitgliedschaft begründen. Sicher gibt es in Kirchenrechtsbestimmungen anderer Kirchen vereinzelte Hinweise, die es erlauben, die Kirchengliedschaft kirchenrechtlich zu behandeln, aber grundsätzlich angesehen enthält das evangelische Kirchenrecht in seiner gegenwärtigen Gestalt an dieser Stelle Lücken. 5 Das meiste, was auf diesem Gebiete geschah, erfolgte durch das Staatskirchenrecht der Austrittsgesetzgebung. Von diesem kümmerlichen 1 Köhler, Kirchenrecht, 39. 2 Bredt, Kirchenrecht, Band 2, 415. 3 Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt für die ev.- ref. Landeskirche der Provinz Hannover, Band V, 406, § 4. 4 Giese, 5. 5 Bredt, Kirchenrecht, Band 2, 399-469; Köhler, Kirchenrecht, 38-48. Bestandlebt das Mitgliedschaftsrecht der evangelischen Kirchen auch heute noch weithin. Wenn Bredt meint, daß infolge der Entwicklung der letzten 80 Jahre „ die Materie selbst (...) vollkommen reif für eine Kodifizierung“ sei, dann dürfte das im Blick auf die kirchlichen Ereignisse der letzten anderthalb Jahrzehnte nur bedingt richtig sein. Bredt meint selbst: „ Es fehlt aber sogar noch an einer einheitlichen wissenschaftlichen Darstellung.“ 6 Die Kirche wird in der wissenschaftlichen Behandlung der Mitgliedschaftsfrage eine ihr unausweichlich gestellte theologische Aufgabe sehen müssen. Man braucht nur an die Verhandlungen über Sinn, Wesen und Durchführung der Konfirmation zu erinnern, um die Wichtigkeit der Mitgliedschaftsfrage anzudeuten. Zu der geforderten wissenschaftlichen Behandlung wird die Frage an die geschichtliche Entwicklung gehören, die nicht das letzte Wort hat, aber doch zu einer vertieften Einsicht in die nicht gewöhnlichen Schwierigkeiten gerade dieses Abschnittes der Kirchenordnung verhelfen kann. Das in diesem letzten Kapitel Gebotene erhebt nicht den Anspruch, auch nur für die Vergangenheit einer einzelnen Gemeinde ein endgültiges Ergebnis herauszustellen, sondern muß sich noch mehr als in den vorhergehenden Abschnitten damit begnügen, den hierher gehörenden Stoff unter einigen einschlagenden Gesichtspunkten zu ordnen. Die geschichtliche Forschung bietet für die Aufstellung leitender Richtlinien der Stoffindung und - darstellung, soweit ich weiß, nur einen Versuch, an den sich eine Schilderung dieses Kapitels reformierter Kirchenordnung anlehnen kann. Es ist der Abschnitt „ Die kirchliche Mitgliedschaft“ in v. Hoffmanns Kirchenverfassungsrecht der niederländischen Reformierten bis zum Beginne der Dordrechter Nationalsynode von 1618/ 19. Was in diesem Buche auf 14 Seiten geboten wird, ist allerdings so stark rechtlich behandelt, daß man nicht ganz überzeugt wird, daß der geschichtliche Stoff theologisch völlig genügend ausgeschöpft ist. 7 v. Hoffmann geht davon aus, daß die Lehre von der Mitgliedschaft „ deren Erwerb und Verlust und die aus ihr entspringenden Pflichten und Rechte zu behandeln“ habe. 8 Bredt wünscht „ drei Seiten der Frage“ auseinandergehalten zu wissen, „ nämlich die Voraussetzungen, die Betätigung und die Folgen der Mitgliedschaft“ 9.In seiner Darstellung der Verfassung der reformierten Kirche in Cleve- Jülich- Berg- Mark hat Bredt die Mitgliedschaft nicht gesondert behandelt, sondern das zu Sagende in dem Kapitel über die Sakramente untergebracht, das er mit dem Satz einleitet: „ In dieser rechtsgeschichtlichen Arbeit kann es sich (...) nur handeln um die kirchenrechtliche Bedeutung der Sakramente, über die mancherlei zu sagen ist.“ 10 Ohne die Gewissensfrage stellen zu wollen, ob Bredt sich der methodischen Bedeutsamkeit dieser Behandlung unserer Frage voll bewußt 340 Zwölftes Kapitel 6 Bredt, a.a.O.,411. 7 v. Hoffmann, 69- 83. 8 v. Hoffmann, a. a. O., 69f. 9 Bredt, a.a.O.,411. 10 Bredt, a.a.O.,238-259. gewesenist, darf doch gesagt werden, daß damit der entscheidende Gesichtspunkt angegeben ist, der für die Ordnung der Mitgliedschaft in Betracht kommt. Es soll ausgegangen werden von der Frage, ob der Kirchenrat zwischen Gliedern und nicht zur Gemeinde Gehörigen einen Unterschied machte. Am 12. Juli 1563 trägt Cooltuin ins Protokoll ein: „ Willem Wischer(!) heft vorgegeven van ein boock, dar men alle namen der gemene inscriven, dar de broderen in bewillÿget hebben. Unde ein ieder broder scal in syn nabuurscap se inbringen, de he dar kan vinden.“ Und am 28. Februar 1569 wird vermerkt: „ Is ock voer gudt angesien, dat men de namen der gemene in de olde boken byeensoechte.“ Weiter am 23. Mai 1569: „ Noch ys voer noedich angesien, dat D. Doctor ( Hardenberg) voer’t nachtmaal des sondages van den stoell aff voerstelle van de namen van de gansse gemene wedder angetekent tho werden de weeke lanck, ein yder by synen dener in syn kluft.“ Eine weitere Eintragung vom 31. Oktober 1586 lautet: „ Van Fie Jacobs is ingebracht, dat sie noch unordentlick leeve. Darover besloten, nachdem sie man einmael thom nachtmal unseres wetens gekömen und nicht bewisen kan, dat sie van jemandes examineret und geadmitteret is geworden, ehre nhame oeck in protocollo nicht gevonden wertt und daerumb geachtet wert alse sick sulvest ingedrongen tho hebben, dat man sie derhalven nicht voer ein lidtmate erkennen oder achten sall.“ Diese Bemühungen um ein Gemeinderegister beweisen, daß der Kirchenrat es für nötig hielt, um der Zucht willen, wie die letzte Eintragung beweist, die Namen der Gemeindeglieder protokollarisch festzulegen. Daß es sich nicht um eine Art von Kartei im modernen Sinne gehandelt haben kann, das auch die Getauften umfaßte, sondern nur um die zum Abendmahl Zugelassenen, scheint mir wiederum die letzte Eintragung zu beweisen. Jeder Bruder soll die Namen einbringen, die er aus seiner Nachbarschaft kennt; die Gemeindeglieder sollen sich während einer Woche lang bei dem Bezirkspastoren melden; Fie Jacobs’ Name wird im Protokoll nicht gefunden. Dies Protokoll ist nicht das Kirchenratsprotokoll, sondern ein Register gewesen, in das man die Geprüften und Zugelassenen eintrug, denn in den Sitzungsprotokollen finden sich an keiner Stelle Listen von Gemeindegliedern. Aus diesen Beschlüssen geht hervor, daß man ein deutliches Bewußtsein für die unterschiedliche Stellung des einzelnen zur Gemeinde hatte. Es sind nicht einfach alle Bewohner der Stadt auch Glieder der Gemeinde. 11 Daß im Mai 1569 die Anmeldung vor dem Abendmahl vorgenommen werden soll, scheint den Schluß zu erlauben, daß das Register und seine Führung gerade mit dem Abendmahl zusammenhängt. Man will vermeiden, daß Nichtzugelassene sich zum Abendmahl drängen, wie ja der Frau diese selbstherrliche Eindrängung vorgeworfen wird, während der Kirchenrat sie nicht für ein Glied halten will. Die Gemeindegliedschaft 341 11 Solche Listen haben sich unter den Akten des Kirchenrates nicht gefunden. Die Konfirmationsregister beginnen erst 1772. Daßman Unterschiede zwischen den Stadtbewohnern und den Gemeindegliedern macht, zeigen auch andere Eintragungen. Ein Mann, der nach seiner Meinung von der Diakonie nicht ordentlich bedient worden ist, hat im Unmut gesagt: „ De gemente muchte sick vor sick holden, he wolde sick voer sick holden und bliven, waer he weer“ ( 24. Februar 1558). Es ist also das Bewußtsein vorhanden, daß man sich von der Gemeinde getrennt halten kann. Am 31. Oktober 1569 beschließt der Kirchenrat, der Gemeinde zu eröffnen: „Js myt erenst erwogen, dat men negestkumstige nachtmal eetzwat modt voerstellen van den broederen, de anhe billike orsake hoer van den nachtmall untholden so lange tyt, dat se edder hoer wedder binnen ein seker tyt wedder vorsoenen, edder, dat men hoer opentlick myt namen modt voerklaren, niet mheer under unsse soerge tho sthande.“ Diese Männer stehen nicht wegen irgendeines Vergehens unter Kirchenzucht, aber sie nehmen das ihnen zugesprochene Recht der Teilnahme am Abendmahl nicht wahr; dadurch scheiden sie sich von der Gemeinde; ändern sie ihr Verhalten nicht, dann muß der Kirchenrat unter Namensnennung erklären, daß er sie als außerhalb der Gemeinde stehend ansehen muß. Denn Gemeindegliedschaft verwirklicht sich darin, daß sie sich in die Ordnung der Gemeinde hineinstellen. Das geschieht dadurch, daß sie sich im Sinne der drei Kennzeichen der Kirche verhalten, d. h. am Gottesdienst teilnehmen, die Sakramente gebrauchen und sich der Kirchenzucht unterstellen. Geschieht das nicht, dann hört die Sorgepflicht des Kirchenrates auf. Mit ähnlichen Ausdrücken erklärt der Kirchenrat am 7. Oktober 1597 einem Buchhändler, daß er ihm „ ihm Nhamen Jesu Christi de bröderschaft und gemeenschaft der christlicken gemhene op- und affgesacht“ habe und daß „ de bröderen siner gene rekenschaft willen mher geven“. Auch er wird als außerhalb der Gemeinde stehend betrachtet. Daß es bei den Exkommunizierten ebenso angesehen wurde, ist selbstverständlich. Man befiehlt sie, wie den Buchhändler, der Gnade Gottes, erklärt aber die Sorgepflicht des Kirchenrates für erloschen infolge der ablehnenden Haltung des Betreffenden. Wenn nun auch diese Fälle den Kirchenrat von der Sorge bewegt erscheinen lassen, tragbare und den notwendigen Anforderungen der Gemeinde gemäße Gliedschaftsverhältnisse herzustellen, so gibt es eine Reihe von Eintragungen, die zu erkennen geben, daß der Kirchenrat Stadtbewohner kannte, die außerhalb der Gemeinde standen. Am 16. Juli 1557 wird gefragt, ob sich die Diakonen vor Gott für entschuldigt wissen dürfen, wenn sie denen, „ de buten sint“, die Unterstützung verweigern, weil ihre Gelder nur für die „ huesgenoten“ reichen. „ Darby ys ock besloten, dat men de voer de van der gemene nicht holden sal, de nicht arbeyden wyllen, noch de mit oren denst ock den krancken ane oren schaden, wen het noet ys, nicht bystaen wyllen, wen se koenen. Ock solen se den nicht geven, den se merken, de van der gemene sick nicht from holden noch flydich im denste Godes syn.“ Diese Regelung soll für die Bedienung durch die Diakonen gelten, es werden Maßstäbe für die Unterstützungswürdigkeit aufgestellt. Denen, die draußen sind, sollen gleichgeachtet werden [ die] Glieder der Gemeinde, deren 342 Zwölftes Kapitel Verhaltender Gemeinde unwürdig ist und als christlich nicht gelten kann. Am 15. November 1557 berät der Kirchenrat über ein Waisenkind, dessen Eltern „lithmaten“ waren, waren, und am 22. November ist die Rede von den „ huesgenoten des gelovens“. Am 27. Dezember 1557 nimmt Sipke Mennens zu seiner Berufung zum Diakonen „ voer de ledematen Christi und huesgenoten des gelovens“ Stellung. Noch am 13. Juni 1608 wird beschlossen, daß die Prediger mindestens zweimal im Jahre „ alle lidtmaten, armen und ricken“ besuchen sollen. Die Unterscheidung zwischen Gliedern und Nichtgliedern steht also während des ganzen Zeitraumes in Kraft. Am 19. November 1565 wird von einer Frau, die Glied der Gemeinde ist, gesagt, daß ihr Mann „ de buten de gemene ys“. Am 16. September 1606 unterscheidet der Kirchenrat, als er die Stimmung der Bevölkerung in einer Pfarrwahl erforscht, zwischen „ alle broder der gemene“ und der „ borgerie“, die, weil ja die Verkündigung allen gilt, mit ihrer Meinung über den Berufenen durchaus beachtet werden. Auch die an der Pfarrwahl vom 30. November 1596 beteiligten „ borgeren und broederen“ halte ich für zwei unterschiedene Gruppen. Diese beiden Eintragungen zeigen, daß der Kirchenrat, mit einem moderneren Ausdruck bezeichnet, den Unterschied von „ Eingepfarrten und Gemeindegliedern“ kennt. 12 Die Gemeinde war völlig in die Stellung der „ Landeskirche“ der Stadt hineingewachsen. Als Gemeinde werden die im Raum der Gemeinde Wohnenden allerdings an keiner Stelle bezeichnet. Ganz abgesehen davon, welche Bedeutung die Eintragungen an ihrem Orte etwa für eine Behandlung der diakonischen Ordnung oder der Kirchenzucht haben mögen, so stellen sie deutlich ans Licht, daß der Kirchenrat zwischen Gemeindegliedern im eigentlichen Sinne und anderen unterscheidet, die zu der Gemeinde bestenfalls in einem losen Verhältnis stehen, ohne schon Gemeindeglieder oder noch der Gemeinde zugehörig zu sein. Wenn der Kirchenrat diese Unterschiede macht, dann zeigt das deutlich, daß die Gliedschaft nach dem Kirchenbegriff bestimmt wird, der die Kirche als eine Gemeinschaft an den Gaben Christi als den Heilsgütern beschreibt. Die eigentlichen Glieder sind „ Hausgenossen des Glaubens“ oder „ Gliedmaße“. Daß diese Gemeinschaft als eine Verbindung zu einem Leben in der kirchlichen Ordnung verstanden wird, zeigt in einer Verhandlung eine Täuferin durch ihre abwehrende Bemerkung, daß sie „ heft wal frede yn Christo myt de gemene tho hebben, dan geen gemenschop, begeret“ 13.Gerade die verschiedene Stellung der außerhalb dieses engeren Kreises Stehenden zeigt nun aber, daß diese Gemeinschaft keine starre, geschlossene, sondern eine in ständiger Bewegung befindliche offene, in ihrem Bestand fließende ist. Denn der Kirchenrat kennt solche, die als völlig außerhalb der Gemeinde Befindliche anzusehen sind, weiter solche, die er aus seiner Sorge hat entlassen müssen, bei denen aber die Hoffnung nicht aufgegeben ist, daß sich ihre Stel- Die Gemeindegliedschaft 343 12 Bredt, Kirchenrecht, Band 2, 409 aus der Rheinisch-Westf.Kirchenordnung von 1835. 13 27. Mai 1560. lungzur Gemeinde ändert. Daneben gibt es auch andere Bürger der Stadt, die als auf den Anschluß an die Gemeinde hin sich Bewegende anzusprechen sind. Sie sind von der Erwartung umgeben, daß sie in die volle Lebens- und Ordnungsgemeinschaft eintreten werden, daß sie nicht nur Gottesdienstbesucher bleiben, die als solche an der Bestellung der Prediger persönlichen Anteil nehmen, sondern auch eines Tages um Zulassung zum Abendmahl nachsuchen und sich der Aufsicht des Kirchenrates unterstellen. Diese Erwartung umgibt die ganze noch in gestaltloser Unentschiedenheit verharrende Masse; denn das Bekenntnis von 1594 sagt: „Tho disser Gemeine sick tho begeuen sindt alle Menschen/de Godt dorch syn Wordt beröpet nothwendich vorplichtet/dewyle buten der wahren algemeinen Christlicken Kercken nene Thosage/neen Vorbond/nene Salicheit/neen Christus/noch ware erkentnisse Gades is: ock neen Kindt Gades sich buten synes Vaders Huß holdet/ vnd van der gemeinschop syner Güder affsondert.“ 14 Diese Verpflichtung, sich der Gemeinde anzuschließen, ist mit dem Menschsein, also mit der Geburt, gegeben; aber damit ist sie nicht verwirklicht. Die Gemeinde kennt nur eine Verwirklichung der Gemeindegliedschaft, nämlich die sakramentale. Auf die Sakramente ist die Gliedschaft bezogen, durch die Ordnung der Sakramentsverwaltung wird sie verwirklicht. Damit wird die Lehre von den Sakramenten für die Erfassung des Gliedschaftsgedankens und für die zutreffende Beschreibung der Gliedschaftsordnung wichtig. In der Lehre von der Taufe nennt der Katechismus von 1546 als dritte Ursache der Taufe: „ Dat hi ( dat doopsel) allen den genen, die tot des Heeren verbont behooren, te samen in een lijf vergadere, ende haer met haren sade van allen Joden, heidenen ende secten affscheide, ende also ander den Heeren Christo in sijnen eenighen Gods dienst onderhoude.“ Die Taufe ist das Mittel der Sammlung der Bundesgenossen, sie werden durch die Taufe in einen Leib versammelt. Zugleich ist sie das Unterscheidungszeichen gegenüber den Juden, Heiden und Sekten. Gesammelt werden die, die zu des Herrn Bund gehören. Wer ist das? Darauf antwortet die nächste Frage: „ Wie coemt den Doep toe? Antwoorde. Allen den genen die dat verbondt Gods en de de leere des heyligen Euangeliums, door den Apostelen ghepredict, toe coemt. Want dat teeken moet het ghene dat betekent wordt, welck in deser saken het sonderlijcxte is, ende den segel de beloeftenisse volghen. Als door exempelen van tbeginsel af, in de heylighe kercke te mercken is.“ 15 Mit Vorbedacht läßt der Katechismus anders als die Täuferlehre die Taufe allen denen zukommen, denen der Bund Gottes und die Lehre des Evangeliums zukommt. Der Katechismus begibt sich damit bewußt in einen Zirkel hinein, er bezieht den Geltungsbereich der Taufe auf den des Evangeliums. Fragt man weiter, wem denn der Bund und das Evangelium zukomme, so darf zur Ant- 344 Zwölftes Kapitel 14 EKO, 89f. 15 A Lasco II, 465. wortauf die Doppeldeutigkeit des Wortes „ zukommen“ hingewiesen werden, das ja auch ein Erreichtwerden vom Worte aussagen kann: Das Evangelium kommt allen denen zu, zu denen es kommt. Da nun die Taufe den Bund Gottes bezeichnet, so besteht die Notwendigkeit, getauft zu werden, für jeden, der in den Bund Gottes gerufen wird und den die Lehre des Evangeliums erreicht. Das Zeichen ( die Taufe) folgt dem Bezeichneten ( dem Bund und dem Evangelium) und das Siegel dem Versprechen. Da nun aber der Geltungsbereich des Wortes mit den Grenzen der Menschen zusammenfällt, so folgt die Taufe dem Worte auf seinem Gange unmittelbar. Im Evangelium wie in der Taufe legt der Herr seine Hand auf alle. Es soll ja die Taufe nach der ersten mitgeteilten Frage alle Bundesgenossen nicht nur sammeln, von Juden, Heiden und Sekten unterscheiden, sondern auch unter dem Herrn Christus in seinem einzig rechten Gottesdienst erhalten. Es ist also nicht nur Sammlungs- und Unterscheidungszeichen, es ist auch Verpflichtungszeichen. Die Taufe ist damit das Zeichen, das die Erwartung eines Lebens mit der Gemeinde einem jeden auf seinen Weg mitgibt. Dabei hat die Gemeinde an der Kindertaufe als dem Regelfall festgehalten, obwohl der Katechismus selbst fragt, wie man an der Kindertaufe festhalten kann angesichts dessen, daß der Gebrauch der Taufe Glauben und Gehorsam fordert, davon die Kinder nichts wissen. Er begründet die Kindertaufe wie üblich mit dem Vorbild der Beschneidung, mit dem Hinweis, daß auch die Kinder in den Bund Gottes gehören, mit dem Beispiel der apostolischen Kirche und mit der Lehre, daß die Kinder das ihnen Fehlende in Christo haben, dessen Glauben und Gehorsam ihnen zugerechnet wird. Der Sinn der Taufe ist in jedem Falle, auch dem der Kindertaufe, daß „ haer door den dienst der kercken betuycht worde, dat se des Heeren Christi lidtmaten sijn. Want dat hoort der kercken Christi toe, dat se des Heeren lidtmaten van de lidtmaten des duyuels met haren dienst ter glorie Gods onderscheyden.“ 16 Wenn das das letzte Wort über die Taufe ist, dann heißt das, daß die Taufe eine bereits bestehende Gliedschaft bezeugt. Als Glied Christi wird der Mensch getauft, damit er ein Zeugnis seiner Gliedschaft habe und damit er zur Gemeinschaft der Glieder versammelt werde und in der Unterschiedenheit von den Juden, Heiden und Sekten im Dienst Gottes bezeuge, was er nach dem Zeugnis der Taufe ist: nämlich ein Glied des Herrn. Der Dienst der Kirche geschieht durch die Predigt, die Sakramentsverwaltung und die Kirchenzucht, also durch die Wahrnehmung der drei Kennzeichen, darin die Gemeinde ihre Ordnung betätigt. Durch diese Betätigung wird die von Christus gewollte Gliedschaft bezeugt. Die Emder Kirche kennt nach dem Katechismus von 1546 – bei den anderen Lehrdokumenten ist das nicht anders – eine Taufgliedschaft. Sie hält gegenüber den Täufern daran fest, daß die Taufgliedschaft alle, die das Wort erreichen kann, in die Gemeinschaft Christi und seiner Gemeinde hineinstellt; sie haben Die Gemeindegliedschaft 345 16 A Lasco II, 469. sichalle eingliedern zu lassen. Die von ihr festgehaltene Kindertaufe macht diese umfassende Bedeutung der Taufgliedschaft deutlich. Faber hatte sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, daß die Emder Kirche die Unbußfertigen, Ungläubigen, Ungehorsamen und Ununterwiesenen taufe; „ ich verwundere mich“, setzt er bissig hinzu, „ daß die Täufer nicht behaupten, wir tauften die Verdammten, denn das ist doch die Folge ihrer Behauptung“17.Er begründet darauf zuerst die Kindertaufe. Auch er stellt wie der Katechismus fest, daß die Verheißung des Evangeliums und der Taufe allen zukommt; denn es ist eine Kirche und ein Glaube von Adams Zeiten bis ans Ende der Welt. Er stellt fest: „ So ysset apenbar/ dat Godt ock in den kinderken der Kercken na erer mathe dorch synen hilligen Geist wercket/ vnde kreftig ys/ vnde de döpe der kinderken beyde beuell vnde thosage hefft.“ Er schließt: „ Wat der ganzen kercken thokumpt/ dat moth ock allen ledematen der Kercken thokamen. De Döpe kumpt der gantzen Kercken tho dat ys den olden vnde jungen. Derhaluen moth de döpe allen ledtmathen der Kercken thokamen.“ Die ganze Kirche wird „ in ein lyff ane vnderscheidt der ledemathen/ oldt edder junck thosamende gedofft“18.Doch wird ein Unterschied in der Ordnung gehandhabt, wenn es sich um Junge oder Alte handelt. Man gibt den Alten „ de vorsegelinge des gelouens an Christum nicht ane vorghande lere vnde bekentenisse des gelouens an Christum“. Doch die Kinder tauft man auf die vorhergehende Zusage hin. Ob aber die Unterweisung der Taufe vorhergeht oder nachfolgt, ist nicht entscheidend für die Bedeutung, die die Taufe für die Gliedschaft in der Kirche hat. Die Taufe bezeugt den Herrschaftsanspruch Christi auf alle. Ihr kann sich keiner ohne Gefährdung seiner Seligkeit entziehen. In der Kindertaufe handelt die Kirche als Heilsveranstaltung Gottes an solchen, die ihren Willen zum Beitritt nicht kundtun können. Ganz ohne Widerstand konnte die Taufgliedschaft vom Kirchenrate allerdings nicht behauptet werden. Ein mit der Londoner Gemeinde nach Emden gekommener Niederländer, Peter van Uphaer, wird am 2. Mai 1558 gefragt: „ Wat he up der gemeente hadde, um dat he nicht tom nachtmael kome, noch syn kindt nicht dopen late.“ Darauf antwortet er: „ Voernemlick, dat men de kinder, de buten der gemeente syn, doepen in der gemente, welck he holt, dat geen gebruck in der apostolischen kercken gewest ys.“ Der Kirchenrat erwidert darauf: „ Dewyle unße kercke und de olde kerke eyn ys, wy in hoer stamme ingepotet (= eingeleibet), als nu de olde kerke Godes volck heten alßo nu ock, als men de kinder besneden heft, de dat volck Godes heten, alßo nu ock, ßo bekennen wy, dat unser ungeloevigen kinder doch kinder der kerken und Godes heten, und tho doepen syn.“ Der Kirchenrat wünscht die Taufe so angesehen zu haben wie die Beschneidung der alten Kirche, in deren Stamm die Gemeinde von heute eingepfropft ist. Die Kinder 346 Zwölftes Kapitel 17 Die Zitate aus Faber, Bogen D ii-G ii. 18 Faber, a. a. O. deralten Kirche hießen Volk Gottes; das kommt auch unseren Kindern zu, sie sind Kinder der Kirche und Gottes. Es gibt für den Kirchenrat eine Gliedschaft in der Kirche, die in der Taufe bezeugt wird, „ nhademale wy alle de thom lyve hooren, ahne underscheidt der Lidtmaten, in ein Lyff gedoofft werden, unde Christus syne Gemene gelevet hefft, unde is ock vor de Kinder der Gemene gestorven. So mach men se van der Doope nicht mehr alse de vulwassene wehren“19. Auch den Erwachsenen versiegelt die Taufe die Gliedschaft. Am 12. Juni 1573 wurde im Kirchenrat die Ehefrau des Stadtsekretärs Hinricus Paulinus im Beisein ihres Gatten und seiner Mutter getauft und „ myt de doepe in de gemene ingelyvet, myt bekentetnisse hoeres gelovens unde beloefthen van navolgende communicatie in’t nachtmall negestfolgende, unde vordhan stedichlick in de gehorsamheit by de kercke tho erholden“. Diese Frau wird auf ihr Glaubensbekenntnis hin getauft, um ihr die Gliedschaft zu versiegeln. Diese Form der Taufe konnte den Täufern und den täuferisch Gesinnten in der Gemeinde gefallen. Auch Menso Alting selbst hat Bedenken gegen die unterschiedslose Taufgliedschaft nicht unterdrücken können. Er schreibt an Beza: „ Da viele allerorts abgetrieben sind, die in der Kindheit getauft sind und der Kirche eingepflanzt wurden, herangewachsen aber für die Kirche Schand- und Schmutzflecken sind und zum heiligen Tisch niemals kommen, keine Zucht dulden, so fragt es sich, was man mit ihnen tun soll? (...) Zuletzt: Gehören die Kinder derartiger Eltern zur Kirche? Da wir aus diesen Schwierigkeiten aus eigener Kraft nicht herausfinden können, erbitten wir die Hilfe deiner Frömmigkeit zu besserer Regel.“ 20 Da an den Getauften keine Zucht geübt wurde, es sei denn, sie waren zum Abendmahl zugelassen, so wurde die Kirche mit der hier berührten Frage nicht fertig, wenn sie an den Voraussetzungen festhielt, die nach ihrer Ansicht die Taufgliedschaft begründeten. Die Taufe war das Siegel einer Gliedschaft, die den Tod Christi zum Grund und Inhalt des Glaubens macht. Die Kirche tritt bei der Taufe als Heilsanstalt in Erscheinung mit dem Ziel, die Heilsgemeinschaft herzustellen. Die täuferischen Neigungen in der Gemeinde selbst haben es dem Kirchenrat nicht leicht gemacht, seine dogmatischen Grundsätze gerade in der Taufpraxis zu betätigen. Die Gemeinde der Gläubigen, der Heiligen und Bußfertigen schwebte vielen vor, wenn sie je und dann gegen die unterschiedslose Taufe Einspruch erhoben. Here Slemender enthält sich des Abendmahls, weil er mit der Tauf- und Abendmahlspraxis der Gemeinde nicht einverstanden ist. Er sieht, „ dat wy wyllen den rumen (= breiten) wech, he den engen wech“. „ Ock heft desse Here Slemender begert eyn underrychtynge, warumme [ wy] de gotlose older kynderen doepen. Darup Gellius hem eyn underrychtinge belovet.“ 21 So bleibt auch Wilhelm Galliart über ein Jahr aus dem Gottesdienst, weil er gegen die Gemein- Die Gemeindegliedschaft 347 19 A Lasco II, 527f. aus dem Katechismus von 1554; vgl. Müller, Bekenntnisschriften, 677. 20 De Vries de Hekelingen, Band I, 228. 21 26. Februar 1560. dewegen der Taufe von Unbußfertigen eingenommen ist. 22 Am 28. Dezember 1570 muß sogar eine außerordentliche Sitzung abgehalten werden „ van etlike besweringe in der gemene, de dagelykes mher unde mheer schade geven, alse, voer eersthen, dat vust alle menschen doerch de doepe in de gemene Christi ingelyvet synde, darnha niet weigriger [ richtig: weiniger] als[ dan] darup denct, dan mher van Christo affgefromdet, yummertho in godlosycheit vortvaren. So ys’t voer’t besthe angesien, dat D. Doctor myt de ander predicanten hyrover under ander stucken mher tho radesslagen soelen.“ Was Alting acht Jahre später Beza vorträgt, bewegt also den Kirchenrat schon lange. Er will zwar an der Taufgliedschaft festhalten, ohne den Ansatz seiner Taufpraxis preiszugeben, muß sich aber gefallen lassen, daß in der Gemeinde starke Strömungen lebendig bleiben, die unüberwundene Bedenken ans Licht bringen. Einmal beschwert sich ein Gemeindeglied, daß Gellius gepredigt habe, „ dat de kynderen, under papisten gedoepet, solden wedderdoepet syn, dat de doepe gene doepe ys“23.Der Beschwerdeführer will offenbar die Gültigkeit der papistischen Taufe nicht anerkennen; er hält die Wiedertaufe erst für eine rechte Taufe, sicherlich weil erst in der zweiten Taufe die Voraussetzungen einer gültigen Taufe erfüllt sind; das kann nur im täuferischen Sinne gedacht sein. Gellius sucht den Grundsatz festzuhalten, daß die christliche Taufe, einmalig vollzogen, gültig ist. Das entspricht der Anschauung von der Taufe, die in den Bekenntnissen niedergelegt ist. Daß aber auch dieser Grundsatz angefochten wird, zeigt, daß die Voraussetzungen strittig sind und daß der Kirchenrat mit starken täuferischen Neigungen zu rechnen hatte. Denn alle Bedenken, auch dies letzte, gehen davon aus, daß der Taufe der Glaube und die bekennende Entscheidung für Christus vorausgehen müssen, daß deshalb die Kirche die Taufe von dem Glauben und Bekenntnis abhängig machen müsse oder doch nur Kinder gläubiger Eltern taufen dürfe. Denn darüber war kein Streit, daß die Taufe notwendig sei. 1568 werden unter dem 19. Januar zwei Mädchen erwähnt, die in ihrer Jugend durch Schuld des Vaters ungetauft geblieben sind, „ nhu in hoer harten unde conscientie geslagen synt unde bekummert“. Die Frage erhebt sich, „ho dat se moegen am bequamsten in de gemene mit de doepe upgenomen werden sunder grote argernisse, dar se noch ser swack tegen synnen. So ys der broederen radt, dat D. doctor mit hoer sulde up’t alderscerpste handelen, dat se Gode sullen de ere geven, den se so lange tyt mÿt hoere sunde hadden vortornet, unde laten hoer in’t openbar myt grote stichtinge (=Erbauung) der der gemene doepen. So niet in de grote kercke, thom weinichsten in’t gasthuus na de predike, na verlopp der mherer part, in’t bywesent der oeldesten unde ander mheer, oefthe in’t kor na de examinatie voer’t nachtmall, oefthe, so men yo nicht anders kunde by hoer erlangen umme hoer swacheit halven, dar men hoer 348 Zwölftes Kapitel 22 4. April 1558. 23 29. Juli 1560. nichtgerne konde vordarven lathen, so must men hoer noch sulckes nhageven, dat men hoer in unsse consistorii- kamer sall doepen in der broederen bywesent.“ Am 23. Januar kann eingetragen werden: „ Sinnen de twe dochteren unde gesusteren, nhu yarych, up den vrydach in de grote kercke myt veler luyden vorfrouwinge gedoepet.“ Von vorheriger Unterweisung oder einem Glaubensbekenntnis ist nicht die Rede, vielleicht kam eine Zulassung zum Abendmahl noch nicht in Frage. Aber das Verlangen nach der Taufe war vorhanden, und Ungetauftsein ist ein sündiger Zustand. Die Taufbewerberinnen scheinen Bedenken gegen die öffentliche Taufe gehabt zu haben, die aber von Hardenberg überwunden wurden; sie wurden in aller Öffentlichkeit in einer Wochenpredigt getauft. Ein anderer Fall wurde im Jahre 1573 ähnlich geregelt, doch sollte hier zuerst das Bekenntnis abgelegt werden. 24 Jedoch wurde die Taufe dann doch in der Konsistorienstube vollzogen. Wieder anders liegt der Fall bei einer Frau: „ Marycke Rolof Buthers suster sal dorch Dominum Hermannum vnd Jan Lienarts worden angesproken vmme neger tho vernemen of sie gedoopt is (...). Dewyle Maricke van ohrer doop niet gewis is vnd daervan gene versekertheit by andern can vernemen, waerover sie in ehren herten gantz ongerüstet is, wert veraffscheidet, dat men sie verner sal vnderwysen vnd also thor dope helpen, welckes Hermannus doen sal.“ Die Unruhe der Frau soll durch die Taufe behoben werden, obwohl man nicht weiß, ob sie nicht schon getauft ist. Man nimmt lieber eine Wiederholung der Taufe in Kauf, als daß man den seelsorgerlichen Dienst verweigert. Daß man die Taufe nicht an Bedingungen knüpfen wollte, sondern ihre unterschiedslose Notwendigkeit behauptete, zeigt in einem ganz anders gelagerten Falle, wie man mit einem vom Abendmahle ausgeschlossenen Vater verfuhr, dessen acht Monate altes Kind noch nicht getauft ist, „ umme dat wy hem van’t nachtmal um der muynte- handel hadden affgewesen, so duycht hem, dat syn kint de doepe thoqueme. So sall Jaspar hem anseggen, dat he negestkumstige mandach by uns kome, umme rekinge tho geven van de vortoechringe der doepe synes kindes (...).“ 25 Der Vater ist selbst überzeugt, daß sein Kind getauft werden müsse. Seine Abhaltung vom Abendmahl kann eine Taufversagung nicht begründen. Deutlicher kann der Kirchenrat es nicht machen, daß er die Taufe nicht an Voraussetzungen im Menschen, hier in dem Zustand oder Verhalten des Vaters, binden will. Obwohl die Taufe notwendig ist, hat die Gemeinde die Nottaufe abgelehnt. Am 28. März 1614 wird von einer Hebamme berichtet, daß sie ein Kind getauft habe. Sie wird vorgefordert „ vnd is hart bestraffet, dat sie de palen ehrer beropinge hadde te buyten gaen dopende ein kint op aenholdent einiger vrouwen. Vnd is ehr aengewesen mit wat sonden sie sich hyrin hadde verlopen“. Ihr wird im Wiederholungsfalle harte Strafe angedroht. Die Taufe soll nach der Ordnung bedient werden, die berufenen Diener haben sie zu spenden. Die Gemeindegliedschaft 349 24 2. Februar; 4. Mai 1573. 25 19. Januar 1568. ImSinne der Anschauung, nach der die Gemeinde die Taufe verwaltet, würde es nicht sein, wenn man im Blick auf die Erwachsenentaufe sagen wollte, daß die vorhergehende Unterweisung und die Ablegung des Glaubensbekenntnisses mehr sei als die Bedingung ihres Vollzuges; ihre Wirkung und Gültigkeit hängt nicht daran. Die Taufe hat ihre Wirkung und Gültigkeit in der Tat Christi, in dem Willen Gottes, seine Bundesgenossen zu sammeln. Hätte die Gemeinde der täuferischen Forderung nachgegeben, dann hätte sie den Kirchenbegriff ändern müssen, auf den die Taufgliedschaft bezogen war. Ist der Glaube und das Bekenntnis Bedingung der Gültigkeit und Wirkung, dann hört die Kirche auf, die dem Glauben des einzelnen voraufgehende Heilsveranstaltung Gottes zu sein; sie wird notwendig zu einer Vereinigung gläubiger und heiliger Menschen; ihre Kennzeichen werden dann die Gläubigkeit und Heiligkeit ihrer Glieder sein und nicht die Merkmale des Katechismus, die in der Spannungseinheit von Anstalt und Genossenschaft die umspannende Mitte sind. Gegen diese Verschiebung des Ansatzpunktes im Kirchenbegriff hat sich der Kirchenrat gewehrt, wenn er an der unterschiedslosen Taufgliedschaft festhielt. Damit hat er deutlich gemacht, daß er die Kirche nicht in einen Verein, in eine vereinsmäßige Gemeinschaft frommer Menschen, aufzulösen gedachte oder diesem Gedanken den entscheidenden Einfluß auf die Prägung des Kirchenbegriffes und die Gestaltung der Ordnung einräumen wollte. Darin ist er so weit gegangen, daß es ihm während der ganzen Zeit gleichgültig war, wer die Kinder zur Taufe brachte. Am 4. Juni 1576 wird von dem Mißbrauch gesprochen, der dadurch entstehe, daß viele Leute ihre Kinder durch „ ongheschickte personen“ zur Taufe bringen lassen; eben darüber beklagt man sich am 10. November 1617: Die Taufkinder werden oft von kindischen Jugendlichen zur Taufe gebracht. Beide Male wird beschlossen, dem zu wehren, aber nichts verlautet, daß man etwa die Eltern verpflichtet, selbst mit dem Kinde zur Taufe zu kommen. Erst am 1. Dezember 1617 wird folgender inhaltsreicher Beschluß gefaßt: „ Men hefft avermals gespraken wegen der kinder doepe, so ahne underscheit geschuet, umb solckes tho remedieren. Iß averst noch vor ein tidt lang upthoschuven rathsamb geachtet worden, und twar in besonders wegen der uneinigheit in der religion in Hollant.“ Wenn auch die arminianischen Streitigkeiten herhalten müssen, um den Beschluß zu einer gründlichen Änderung der Taufordnung noch auszusetzen, so ist deutlich, daß der Kirchenrat gegen Schluß unseres Zeitabschnittes die fühlbaren Spannungen langer Jahrzehnte in seiner Mitte ausgleichen und bereinigen will. Daß ein grundsätzlicher Vorstoß gegen die Kindertaufe geplant ist, vermute ich nicht, wohl aber wird der Kirchenrat sich Gedanken gemacht haben über die Not, die aus der unterschiedslosen Behandlung aller Täuflinge immer wieder entstehen mußte. In welcher Richtung seine Erwägungen lagen, zeigen zwei Beschlüsse. Am 8. Dezember 1617 heißt es: „ Nene olde personen solen henferner gedofft werden, idt sÿ den[ n] mit vorweten und beleven des gantzen consistorii.“ Damit dürfte angedeutet sein, daß 350 Zwölftes Kapitel dieErwachsenentaufe nicht „ nebenbei“ abgemacht werden soll, wozu sonst leicht Anlaß gegeben war; es sollen vielmehr die als Kinder zumeist täuferischer Eltern ungetauft gebliebenen Taufbewerber stärker in die Gesamtordnung der Gliedschaft hineingestellt werden. Die Taufe wird wichtiger genommen und das Verfahren früherer Jahrzehnte wieder hervorgeholt, von dem wir einige Beispiele oben mitgeteilt haben. Eine weitere Wandlung zu einer besseren Ordnung brachte der Beschluß vom 20. Januar 1623: „ Von der H. Tauff ist beschlossen, daß die Kindsvätter, oder ( so dern einer nit mehr bey leben sein solte) Blutsfreunde, sich bey der Prediger einem, so ihnen belieben möchte, anmelden sollen; vnnd so dieselben keine gliedmaßen vnserer gemeine werden, auf fürgestelte fragen antwort zu geben schuldig sein; alle aber sollen von dem Prediger Zettel nehmen, vnnd dieselben nachmals durch die Frauen, so die kinder zur Taufe tragen, dem Prediger, so den actum verrichtet, einhändigen. Damit also folgends, die Zettel, ins tauffbuch ordentlich eingezeichnet werden können.“ Ob der Beschluß vom 1. Dezember 1617 genau in diese Richtung gezielt hat, muß unentschieden bleiben; wenn es so gedacht war, wie es nun beschlossen wurde, dann hat man auch 1617 schon nichts Entscheidendes gegen die Kinder ungläubiger Eltern mehr vorzunehmen geplant. Zwei Maßnahmen werden hier sichtbar: 1. die Einrichtung einesTaufbuches26, das man bislang nicht für nötig gehalten hat; 2. die Einführung einer ordentlichen Anmeldung durch die Väter, mit der Verpflichtung derer, die nicht Glieder der Gemeinde sind, d. h. nicht zum Abendmahle zugelassen sind, Fragen zu beantworten. Der Beschluß sieht offenbar nicht vor, daß die Väter die ihnen gestellten Fragen bei der Taufe selbst beantworten; denn es wird als selbstverständlich angesehen, daß weiterhin Fremde die Kinder zur Taufe halten. Danach müssen die Fragen bei der Anmeldung gestellt worden sein. Den Wortlaut der Fragen habe ich bisher in zeitgenössischen Dokumenten nicht finden können. Erst in einem Katechismusdruck aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und dann noch in einer deutschen Übersetzung des Katechismus von 1854 stehen auf der Rückseite des Titelblattes folgende Fragen: „ Vragen dewelke in d’Embder Kerk, aen d’Ouderen en Getuygen, die Kinderen ten Doope presenteeren, worden vorgestellt.“ Deutsch: „ Fragen, welche in der Emder Kirche Eltern und Zeugen, die ein Kind zur Taufe halten, vorgelegt werden.“ Die Gemeindegliedschaft 351 26 Die Taufbücher beginnen 1623. „ 1. Vrage. Bekend gy voor Godt en deese H. Gemeente/ dat uw Kind van wegen d’erffsonde de toorn Godts en de verdoemenisse onderworpen is/ en daarom van nooden heeft om aan Godt/ volgens „1.Frage. Bekennest du vor Gott und dieser heiligen Gemeinde, daß dieß Kind in Sünde empfangen und in Ungerechtigkeit geboren ist und darum nöthig hat, Gotte nach dem Bunde der Gnade Daßdies der Fragentext von 1623 sei, wage ich nicht zu behaupten; aber es spricht vieles dafür, daß die niederländische Fassung die ursprünglich niederdeutsch gefaßten Fragen ziemlich unverändert wiedergibt, denn trotz aller Anklänge an die Form, die die Fragen im niederländischen Taufformularhaben27,sind die Emder Fragen eigentümlich genug, um ihnen eine gewisse Selbständigkeit zuzuerkennen. Bereits 1738 waren sie üblich. 28 Aber während der Beschluß von 1623 sie an die anmeldenden Väter gerichtet sein läßt, werden sie 1738 bereits an die Personen gerichtet, die die Kinder zur Taufe halten, also während der Taufhandlung selbst gestellt. Schwierig ist der Gedanke, daß diese Fragen an Väter gestellt wurden, die noch nicht zum Abendmahl zugelassen waren. Die Gemeinde läßt sich bestätigen, daß 352 Zwölftes Kapitel 27 Wolf/Albertz, Kirchenbuch, München 1941, 164. Hier die Fragen in der Urform, die aus Frankenthal (Dathenus) stammt. 28 Meiners II, 639. het verbond der genade opgedragen to worden tot vergevinge en dodinge syner sonde? Antw.: Ja. 2. Vrage. Verklaerd gy hier voor Godt en syne H. Gemeente/ dat gy uw kind van herten aen Godt in den Doop opdraagt/ om uyt enkele genade/ om de verdiensten Christi geregtveerdigt/ en door syn Geest geheylicht te worden? Antw.: Ja. 3. Vrage. Bekend gy ook voor Godt en dese H. Gemeente/ dat de leere/ in’t Oude en Nieuwe Testament begrepen/ is de eenige volkomene leere ter Zaligheyd? Beloft gy uw Kind/ tot zyn verstand gekomen/ in dese leere t’onderwysen/ en te doen ondersysen? Belooft gy ook voor dat Kind yverig te bidden en het selve met een heyligh exempel voor te gaan/ op dat het syn Doop heylighlijk beleve? Antw.: Ja.“ dargebracht zu werden zur Vergebung und Reinigung der Sünde? Antw.: Ja. 2. Frage. Erklärest du hier vor Gott und seiner heiligen Gemeinde, daß du dieß Kind von Herzen in der Taufe Gott darbringest, um aus lauter Gnade um der Verdienste Christi willen gerechtfertiget und durch seinen Geist geheiliget zu werden? Antw.: Ja. 3. Frage. Bekennest du vor Gott und dieser heiligen Gemeinde, daß die Lehre, enthalten im alten und neuen Testamente, die einige vollkommene Lehre zur Seligkeit ist? Erkennest du es für deine Pflicht und dein Recht, dieß Kind, wenn es zu Verstand wird gekommen sein, mit Gottes Hülfe in dieser Lehre zu unterrichten oder unterrichten zu lassen; so wie für dasselbe eifrig zu beten und mit einem heiligen Beispiele voranzuleuchten, daß es seiner Taufe heiliglich nachlebe? Antw.: Ja.“ einsolcher Vater die Notwendigkeit der Taufe bekennt; sie läßt sich erklären, daß es ihm ein Herzensanliegen ist, sein Kind taufen zu lassen, und läßt weiter bekennen, daß der Vater die Lehre der Schrift für die einige, vollkommene Lehre zur Seligkeit hält. Und dann läßt sie sich ein dreifaches Versprechen geben: das der Erziehung, der Fürbitte und des vorbildlichen Lebens. Nun ist es ja eine ständig offene Frage, ob die Kirche das, was sie in den Fragen bei der Taufe, der Konfirmation und beim Abendmahl an Erkenntnissen und Haltung voraussetzt, auch wirklich erwarten darf. Der Gedanke bei diesen Tauffragen dürfte sein, das Mindestmaß des zu Fordernden auszusprechen und dem die Taufe seines Kindes verlangenden Vater auch abzufragen. Sie binden die Gültigkeit der Taufe nicht an die Tiefe der Erkenntnis und nicht an die Vollkommenheit des Verhaltens, wohl aber soll der Vollzug an ein Mindestmaß sachentsprechender Einsicht und Haltung geknüpft werden, um zu verhindern, daß eine wirkliche Eingliederung des Täuflings in die Gemeinde ohne tragende Voraussetzung bleibt. Die Gemeinde meint voraussetzen zu müssen, daß eine Erkenntnis und ein Verhalten vorhanden sein muß, das den Vollzug der Taufe sinnvoll macht und das Ärgernis einer Taufe von Kindern ungläubiger Eltern wegnimmt. Bei der Taufe von Kindern, deren Eltern zum Abendmahl zugelassen waren, konnte man die Einsicht und Haltung ohne weiteres voraussetzen. Grundsätzlich wollte der Kirchenrat daran festhalten, daß Glieder alle die sind, „ den de thosage thokamen/ dat ys den gelöuigen vnde erem saedt“29.Um nun die Väter, die selbst lediglich Taufglieder waren, als solche Glieder ansprechen zu können, schlug man diesen Weg ein, sich von ihnen die auf die Taufe bezogenen Erkenntnisse und von der Taufe geforderte Haltung bezeugen und versprechen zu lassen. Als der Kirchenrat diese Ordnung festlegte, war die täuferische Gefährdung schon nicht mehr groß, aber die Anfechtung aus den Angriffen der Täufer noch stark genug, um auf diesen Ausweg zu verfallen. Die Ordnung der aus der Schrift herausgelesenen Tauflehre war damit gerettet, die Taufgliedschaft war weiterhin auf die Eingliederung aller ausgerichtet, die um des Verdienstes Christi willen der Heilsgemeinschaft teilhaftig sind. Bis auf die Einordnung der Tauffragen in die Taufhandlung vor versammelter Gemeinde und die Befragung aller Taufeltern und Zeugen, die bislang noch nicht erwähnt werden, ist damit die Form gefunden, die die Taufe aus der ursprünglichen Tauflehre heraus empfängt. Die Taufgliedschaft ist damit dauernder Besitz der Gemeinde geworden, ihre Freiwilligkeit ist praktisch nicht gegeben, denn sie gründet in dem Anspruch Christi auf alle von ihm Erlösten, und diese Voraussetzung wird bei allen im Wirkungsbereich der Gemeinde Geborenen gemacht; ausdrücklich bemerkt Meiners 1738, daß auch die Kinder von Eltern, die halsstarrig sind und den Ermahnungen kein Gehör geben, „ als een zoon of dochter van de Kercke“ getauft werden. 30 Auch die Taufen Erwachsener sind trotz Unter- Die Gemeindegliedschaft 353 29 Faber, Bogen D ij. 30 Meiners II, 639. weisungund Bekenntnis eigentlich nur nachgeholte Taufen. Die Ordnung der Taufe kennzeichnet die unterschiedslose Taufgliedschaft als Gnadenmittelgemeinschaft. Sie wächst damit aus dem Ansatz aller Ordnung in den Kennzeichen der Kirche, nach denen neben der Verkündigung in der Predigt auch die Sakramentsverwaltung das Leben der Gemeinde in Zeit und Welt ordnet. Es ist die Heilsveranstaltung Gottes, die auf die Heilsgemeinschaft der mit Christus Verbundenen zielt. Die Erwachsenentaufe war meistens mit der Zulassung zum Abendmahl verbunden. Das mußte bei der Kindertaufe wegfallen, obwohl die Kirchenordnung von 1594 sagt: Die Kinder sollen, weil Gott sie „ mit ehren Olderen tho Bundesgenaten angenahmen/ sick ehnen thom Vader gegeuen/ vnde se syne Kinder nöhmet: der Sohne Gades vor se gestoruen/ vnd ehnen dat ewige Leuendt vth Gnaden thogesecht hefft: der Hillige Geist/ ehnen so wol/ alse ehren Olderen vorheten: vnde se van Godt vnder synem Volck gerekent werden: so schöllen se ock dorch de Hillige Dope/ der Christlicken Gemein alse dersüluen Lidtmaten/ sichtbarlick ingelyuet: der Woldaden Christi vorsegelt: vnd van allen Kinderen der Vngelöuigen/ buten dem Vorbunde Gades vnderscheiden werden/ als im olden Testament/ dorch de besnydinge/ an welcker stede/ wy de Hillige Döpe entfangen hebben/ geschehen.“ 31 Die Getauften sind Glieder der Gemeinde. Die ganze Fülle des Heils ist ihnen verheißen und steht ihnen zu, die Taufe unterscheidet sie von den Kindern der Ungläubigen, die außerhalb des Bundes Gottes bleiben. Trotz dieser Behauptung und Voraussetzung, daß man es mit Kindern Gottes und der Gläubigen zu tun habe, stand ihnen der Weg zum Abendmahl nicht offen. Was die Ordnung angeht, so hat die Gemeinde die Taufe anders behandelt als das Abendmahl. Der unterschiedslosen Taufgliedschaft stand die freiwillige Abendmahlsgliedschaft gegenüber. Zwischen der Taufgliedschaft und Abendmahlsgliedschaft ist ein Graben, über den die Brücke der Unterweisung und des Bekenntnisses führt. Die Ordnung der Abendmahlsgliedschaft gehört zu den ältesten und am festesten eingewurzelten Teilen der kirchlichen Ordnung überhaupt. Schon vor dem zweiten Aufenthalt a Lascos ( 1553- 1555) ist eine Zulassungsordnung erstellt worden, die die ganze weitere Entwicklung bestimmt hat. 1594 hat sie folgende Form: „ Vnde dewyle de Orenbichte/ alse ein Papistischer fundt/ dardorch men der Lüden hemelickheiden erkündiget/ vnd ehnen de Bichtpenninge/ vnde andere Gauen affgetagen/ vor langest affgeschaffet is ahn der Stadt ein richtig Examen/ edder vndersöckinge derern/ so sick erstmals thom Disch des Heren begeuen wöllen/ folgender gestaldt angestellet: Dat se erstlick den Dener der Kluft/ darjnne se wahnen/ edder sonst enen andern/ in gegenwordicheit eines edder twen bekandten Getügen vnde Ledemathen der Kercken/ de van ehrem vorigen Leuendt vnde Wandel gude kundtschop geuen könen/ in syner Behusinge anspreken/ vp dat men se 354 Zwölftes Kapitel 31 EKO, 141. inder Lehre/ vnd Proue thom Hilligen Auendtmahl deßtho bether vndersöcken vnde berichten könne. Vnde wenn se darjnne so befonden/ dat se mit guder Conscientien tho dem Disch des Heren mögen thogelahten werden/ schryuet der Prediger ehre/ vnde der Getügen Nahmen vp/ vnde brenget desülue des vorgahnden Frydages tho dem Consistorio/ edder wekentlicke Vorsammelinge der Prediger vnde Oldesten/ vp dat man sick van eines jeden gelegenheit deßtho beter erkündigen/ vnde ock so vele mögelick vorkamen möge/ dat dat Hillige Auendtmahl van nemandt vnwerdich/ tho synes süluest/ vnd der gantzen Gemein nhadeel vnde ergernisse/ gebrucket werde. Dardan nene mangel angetöget werden/ darvmme solcke billick affthoholden/ komen se des folgenden Saterdages vor dem Middach/ in der Kercken thosamen/ vnde doen vor der Gemeine ock öpentlicke Bekendtenisse ehres Gelouens/ vnd der Böte/ vnd werden de/ so den Catechismum gelehret/ vnd sonst de frymödicheit hebben/ vth dem Catechismo gefraget/ van den vornemsten stücken Christlicker Lehr/ mit korter erklerunge der tein Gebaden/ vnd der Artyckel Christlickes Gelouens. Wenn dat Examen vollendiget/ fraget der Dener vor der Gemeine/ effte se de Lehre der Kercken im Catechismo vorfatet/ vor recht erkennen/ vnd darby/ vormittelst Godtlicker gnade/ vorhapen tho blyuen: Vnd im fall se mangelhafftigh im Gelöuen vnd Wandel möchten werden/ effte se sick ock Christlicken Vormaningen/ Disciplyn vnd Ordnunge vnderwerpen wollen? Vnd wenn se solckes vor Godt vnd syner Gemeine bekennen vnde annehmen/ werden ehre Nahmen/ nha dem Gebedt/ darvan ock dat Examen angefangen/ öpentlick vpgeschreuen/ vnd de Gemeine dimitteret vnde tho der Nhamiddagespredige wedder tho erschynen/ vormahnet.“ 32 Nach der Nachmittagspredigt „ werden vor dem Gebedt/ de Nahmen der nyen Communicanten der Gemeine vorgelesen/ mit begeren/ so jemandt einige rechtmetige hindernisse wüste/ darvmme solcke Lüde nicht thogelahten/ he desülue einem Prediger/ edder oldesten/ noch anderen wolde/ darmit Ergenisse vormeden werden. Im fall auerst nene mangel vorhanden/ dat de Gemeine dann henferner vor se Bröderlicke sorge dragen/ Godt ehrenthaluen dancken/ vnd vmme wydere Gnade bidden/ de Bröderlicke Leue an se bewysen/ vnd tho dem guden se stedes anreitzen/ vnde vormahnen wolde.“ 33 Gegenüber dem verwandten London zur Zeit a Lascos kennt die Emder Gemeinde keine Zulassung der Kinder zum Abendmahl. In London wurden die Kinder mit etwa vierzehn Jahren zum Abendmahl zugelassen, nachdem sie eine Prüfung in den Hauptstücken des Katechismus abgelegt und auf zwei Fragen geantwortet haben. Die Fragen sind nach der Form von Bekenntnis und Gelübde gestaltet. 34 Wer von den Getauften bis zum 18. oder 20. Lebensjahr sich nicht unter die Gäste hat aufnehmen lassen, sondern seinen Weg abseits von der Gemeinde sucht, wird in Zucht genommen und von der Gemeinde abgeschnitten. Beides Die Gemeindegliedschaft 355 32 EKO, 143-145. 33 EKO, 145. 34 LKO, fol. 38v. fehlteder Emder Gemeinde; sie nahm keine Kinder an, obwohl sie sie unterwies, und sie übte keine Kirchenzucht an den Getauften, sie seien denn zum Abendmahl zugelassen. Die Taufe blieb zwar die unumgängliche Vorbedingung für die Zulassung zum Abendmahl, aber das Fehlen der Taufzucht mußte zur Folge haben, daß die Taufe für das Bewußtsein der Gemeinde mehr oder weniger unverbunden neben dem Abendmahl stand. Wo das Londoner Vorbild wirkte, zog die unterschiedslose Taufgliedschaft die Massenkonfirmation nach sich, und je mehr die Sitte der Kirche die kirchliche Ordnung innehalten hieß und nicht mehr die lebendige Bewegung aus der Ergriffenheit durchs Wort vorherrschte, desto wichtiger mußte, wenn der Ansatz der Gliedschaftsordnung bewahrt werden sollte, die Zuchtübung bleiben. Ihr Wegfall löste die ganze Gliedschaftsordnung trotz aller gedanklichen und in den liturgischen Fragstücken festgehaltenen Bezugnahmen auf die einzelnen Teile in eine Reihe voneinander getrennter Handlungen auf, bis zu der in Emden auch heute noch nicht behobenen Not, daß die Zulassung zum Abendmahl in der seit 1820 geübten Massenkonfirmation zwar ausgesprochen, aber von den allermeisten Zugelassenen nicht benutzt wird. Die Londoner Ordnung sah auch eine Zulassung von Erwachsenen vor, wie sie in Emden bereits vor dem zweiten Aufenthalt a Lascos geübt wurde. Auch diese Zulassung sah eine Prüfung an Hand der 45 Fragen der Kurzen Untersuchung des Glaubens und die Beantwortung von drei Fragen vor, die ebenfalls Bekenntnis und Gelübde enthalten. 35 In der Form war diese Zulassung von der Zulassung der Kinder nicht verschieden, aber die Zulassung der Erwachsenen konnte deutlicher als die der Kinder zeigen, daß die Teilnahme auf einer freiwillig vollzogenen Entscheidung beruhte. In dieser Form allein hat die Emder Gemeinde ihre Abendmahlsgliedschaft geordnet. Während die Taufe an allen vollzogen wurde, denen die Verheißungen Gottes zukommen, antwortet der Katechismus von 1546 auf die Frage, wem das Abendmahl zukomme: „ Allen boetuerdigen ende gheloouighe Christenen, die in der waerheyt tot dem lichame Christi behooren, ende in warachtighe gehoorsaemheyt en vreese des Heeren, in warachtighe liefde haers naesten leuen. Ooc die bereyt staet de leere des heylighen Euangeliums midden int cruyce des noodts en doots te behouden, belijden ende beschermen. Daerto dan hem een yeghelijc prouen sal.“ Die das Abendmahl mit der Gemeinde Christi nicht halten, obwohl sie es nach der Ordnung des Herrn bekommen können, „ die behooren den lichame Christi nyet toe“, wenn sie es aus Verachtung oder Hartnäckigkeit unterlassen. 36 Wie die Kirche die Gemeinschaft der Christgläubigen ist, so steht auch das Abendmahl den bußfertigen und gläubigen Christen zu. Auf diesen Glauben und diese Bußfertigkeit hin hat sich jeder zu prüfen, Leidenswilligkeit und Bekenntnisfreudigkeit müssen von einem Gast erwartet werden können. 356 Zwölftes Kapitel 35 LKO, fol. 54v.-66v.;a Lasco II, 126-136.479-492;siehe Band I, XCIX. Daß es drei Fragen sind, läßt a Lascos Beschreibung der Ordnung deutlich erkennen. 36 A Lasco II, 473, Fragen 247 und 248. Nachdiesen Aussagen verweist die Gemeinde die Entscheidung über die rechten Voraussetzungen zur Abendmahlsgliedschaft an den Abendmahlsbewerber. Sie behaftet ihn bei diesen Voraussetzungen, indem sie ihn auf seine Erkenntnisse hin prüft, von ihm ein Glaubensbekenntnis vor der Gemeinde fordert und ihn der brüderlichen Zucht unterstellt. Sie beurteilt sein Wissen in seiner Beziehung zu dem Katechismus, der die Kirchenlehre enthält, verlangt eine Zustimmung zu der Lehre und ein Versprechen, bei dieser Lehre zu bleiben, und läßt sich bestätigen, daß er willig ist, sich die Zucht des Kirchenrates gefallen zu lassen. Die Gemeinde hat wie bei den Dienern ein Einspruchsrecht bei der Zulassung; schon am 6. März 1559 stellt der Kirchenrat fest, daß „ wy eyn yder fragen van de, [ de] examinert werden, ofte emant wat van den weet, warumme dat men se neet solde tom nachtmael laten“. Der ganze Vorgang heißt mehrfach Examen und Admission. 37 Von denen, die um die Zulassung nachsuchen, spricht man als solchen, „ die sick thoe der gemene geven willen“38.Trotz ihrer Taufe stehen sie mit der Gemeinde erst in der rechten Gemeinschaft, wenn sie zum Abendmahl zugelassen sind. Die Zulassung verlieh das Recht, am Abendmahl teilzunehmen. Es wurde erwartet, daß dies Recht auch ausgeübt wurde; in der ersten Zeit konnte es durch Nichtausübung verloren gehen. Die Ursachen dieses Verlustes waren sehr verschieden. So heißt es am 10. März 1559: „ Hinderick Kuper ys voer 5 edder 6 yaren unse litmate gewesen under(!) darna van eyn wederdoeper vorvoret, doch gaff sick neet an de wederdoeperien, sunder heft vaken up der gemeente gelastert, welck hem alles leet ys, wyl sick gerne tot der gemeente weder begeven. Darup besloten, dat he morgen syn belydinge sal doen, und dan sal he bekennen, dat he vorvorit(!) ys gewest und de gemeente wol [ richtig: voel] gelastert, welck hem leet ys.“ Hier waren wiedertäuferische Meinungen im Spiel, die aber eine Wiederholung des Bekenntnisses nötig machen, obwohl ein wirklicher Übertritt nicht stattgefunden hat. Ein anderer Fall: „ D. Menso heft ingebracht van einen wantscherer, Johan Kempen van Amsterdam, dat he vormals tho Amsterdam in der gemhene geweßen zÿ und, hÿr gekomen, oick thom nachtmal des Heren gegangen, overst 5 oder 6 jaren sick ontholden. Is darin besloten, dat he sick nÿes laten examineren und alsoe weder tho komen.“ 39 Auch hier soll festgestellt werden, ob die einst bezeugte Übereinstimmung in der Lehre noch besteht. Solche Maßregeln zeigen, daß der Kirchenrat nur in der fortdauernden Betätigung der Ordnung das Fortbestehen der Voraussetzungen gewährleistet sah; die häufigen Ermahnungen solcher, die vom Abendmahl fernbleiben, bestätigen das. Damit verbindet sich die Beobachtung, daß der Kirchenrat nicht nur alle Zugelassenen am Abendmahlstisch erwartet, sondern auch die Gemeindeglieder unter- Die Gemeindegliedschaft 357 37 Z.B.12. August 1569; 31. Oktober 1586. 38 4. April 1558; 27. Dezember 1559. 39 8. Februar 1580. weisenläßt über die unbedingte Notwendigkeit, zum Abendmahl zu kommen. Schon der Katechismus von 1546 erklärte die halsstarrigen Verächter des Abendmahls als nicht zugehörig zum Leibe Christi. Nicht gerade im Blick auf den Abendmahlsbesuch, sondern ganz allgemein heißt es: „ Ock sal Gellius Hinrick Meiners anspreken, hem syn vordoemeniße vorthostellen, solange he uth der gemene Christi ys.“ 40 Peter van Uphaer ist gar nicht damit einverstanden, „ dat de predicanten ßo dringhen up dat nachtmael tho holden, und darto eyn yederen ßo drungen“41.Wurde auch ein Zwang nicht ausgeübt, sondern stellte die beobachtete Ordnung es in das Belieben und die Entscheidung des einzelnen getauften Gliedes, ob und wann es um die Zulassung einkommen wollte, so belehrte man doch die Gemeinde in Predigt und Seelsorge, daß es ohne Abendmahlsgliedschaft keine Gemeindegliedschaft gebe. Nur mußte die Ordnung dabei innegehalten werden; ohne Prüfung wurde keiner angenommen. Entdeckte man solche, die ohne Prüfung zum Tisch kamen, so wurde das gerügt. „ Dair ÿs eÿner tho nachtmael gegan sunder bekentenisse, datwelke Fischer geseen heft. So heft de gemene geducht, dat Wyllem Fischer schal densulften anspreken und seggen, dewyle he gen bekentenisse opentlike gedaen heft, he erste ene van den predicanten anspreke.“ 42 Und am 20. September 1568: „ Ock ys D. Hinrico unde mÿ upgelecht, mÿt secretario tho spreken, als dat he thon nachtmall sy gekomen sunder emans darvan anthospreken.“ Solche Eintragungen verdeutlichen die Mühe, die der Kirchenrat hatte, um die Ordnung in das Leben und das Verhalten der Gemeinde einzubauen. So sehr er darauf drängte, daß das Abendmahl seine bedeutsame Stelle im Gemeindeleben erhielt, wo es seine gemeindebildende Kraft beweisen konnte, so sehr hielt er darauf, daß das in der Ordnung geschehe, die die Kennzeichen der Kirche in ihrem Zusammenhang forderten. Er konnte es nicht dem einzelnen Gliede überlassen, die Bedingungen zu setzen und vorzuschreiben, die den Weg zum Abendmahl öffneten. Er hatte seine Aufgabe darin empfangen, die gegebene Ordnung zu handhaben, die die Teilnahme ermöglichte. Wenn Lehre, Sakramentsverwaltung und Zucht die Gemeinde sichtbar machten und den Gang des Gemeindelebens prägten, dann war auch das Gesetz der Ordnung für das einzelne Glied bindend. Diese Auffassung hat der Kirchenrat insbesondere einer Erscheinung gegenüber bestätigt, die als Abendmahlsscheu bekannt ist. Diese Erscheinung läßt sich bis heute im kirchlichen Leben der Emder Gemeinde beobachten, wenn festgestellt werden muß, daß sich unter 8.000 – 9.000 Taufgliedern und unter 5.000 – 6.000 Zugelassenen ( Konfirmierten) allerhöchstens 200 befinden, die am Abendmahl mehr oder weniger häufig teilnehmen; ganz regelmäßig stellen sich zum Abendmahl vielleicht 120- 150 Glieder ein. Dabei beträgt der Kirchenbe- 358 Zwölftes Kapitel 40 5. August 1560. 41 2. Mai 1558. 42 16. März 1562. suchimmer noch 10% der Konfirmierten. Die Gründe der Abendmahlsscheu wechseln und haben zu den verschiedenen Zeiten verschieden stark gewirkt. Für den behandelten Zeitabschnitt kommen, soweit ich sehe, vier in Betracht. Am 28. Dezember 1562 wird darüber beraten, ob man die Zulassungsordnung nicht ändern könne, da sich viele nicht „ tho de gemene geven und ydth gebruck des nachtmaels“. Der Grund ist, daß „ dat erste constitutie schÿnet mestelik tho strack und strenge“. Sie mag geändert werden, denn „ de karken ÿs frÿ, desulveste ( die Constitutio) na gelegenheyt aller ummestendichheÿt tho voranderen und aftostellen“. Die Einzelheiten der Zulassungsordnung haben sehr gewechselt, und man ist immer nur für eine kürzere oder längere Zeit mit den Schwierigkeiten einer entsprechenden Form zurechtgekommen. Der Hauptanstoß ist in diesem Augenblick die Forderung, sich vor der Gemeinde zu prüfen und den Katechismus abfragen zu lassen. Das schreckte viele ab, die sonst wohl bereit waren, zum Abendmahl zu kommen. Solange die Massenkonfirmation nicht geübt wurde, mußte die Ordnung in sich selbst schon wie ein Sieb wirken. Der Kirchenrat hat hier immer mehr nachgebend bis an die Grenze des Möglichen die Ordnung vereinfacht und die Erfüllung des Zulassungsbegehrens erleichtert. Die letzte überhaupt noch denkbare Vereinfachung war die Einführung eben der Massenkonfirmation, die an die Stelle der Anmeldung und des persönlichen Glaubensbekenntnisses als des Zeichens einer persönlichen Entscheidung die Herrschaft der kirchlichen Sitte setzte. Aber konnte der Kirchenrat anders handeln, wenn er das Beiseitestehen als gefährlich ansah, das das Taufglied in die Masse der Verdammten hineinbringen konnte? Mußte er nicht von seiner Seite alles tun, um Hindernisse der Ordnung aus dem Wege zu räumen, die die Voraussetzungen der Teilnahme dem einzelnen erschwerten, ohne daß in den Augen des Kirchenrates durch solche Vereinfachung die Sache selbst bedroht wurde? Er hatte dafür zu sorgen, daß die Kirche durch die rechte Verwaltung der Sakramente geordnet wurde und das einzelne Glied keinen Grund zur Entschuldigung hatte, wenn ihm nahegelegt wurde, um seiner Seligkeit und seiner rechten Gliedschaft willen zum Abendmahl zu kommen. Allerdings war die äußerste Grenze der Bestand der Prüfung, des Bekenntnisses und des Gelübdes; sie konnte der Kirchenrat nicht hingeben für die unterschiedslose Zulassung. Weiter hatte der Kirchenrat zu tun mit der Abendmahlsscheu in der Form des Selbstausschlusses. Zwei Eintragungen mögen zeigen, in welcher Richtung die Ursachen solcher Haltung zu suchen sind. 26. Februar 1560: „ Peter Slachter ÿs vormanet, warum he syck van nachtmael afholdet. Dartho heft he geantwerdet, dat syn biropynge so ÿs, dat he nÿcht kan werdeliken thon nachtmael gan yn sulcken biropynge. Darup ÿs hem geantwerdt, so he nycht hoert de stemme des Soenes Goedes, so schal he vordomet werden, und de nycht werdich ys, nachtmael tho holden, ys ock nycht werdich des hemmelryckes. Hÿrup ÿs he hengegan, um hem beter tho underrychten.“ Der Kirchenrat führt das Bedenken dieses Metzgers, der in seinem Beruf ein Hindernis für eine angemessene, würdige Die Gemeindegliedschaft 359 Teilnahmeam Abendmahl sieht, auf den Grund zurück, der den Abendmahlsgast trägt: Er ist als Berufener Gast am Tische des Herrn. Die Stimme des Sohnes Gottes weist ihm seinen Platz an, und sich selbst nicht für würdig halten, heißt die Gaben des Himmelreiches ausschlagen. Auf dem Grunde der Berufung zur Teilnahme an den Schätzen des Himmelreiches mußte solch ein Einwand gegen die Teilnahme kraftlos werden, und so ernst der Kirchenrat solche Begründung des Selbstausschlusses seelsorgerlich nahm, so bekämpfte er die Abendmahlsscheu gerade in dieser Form aufs schärfste, indem er die Verbindlichkeit der Berufung jedem vorhielt. Er mußte diese Form der Abendmahlsscheu bekämpfen, wenn er die kirchenbildende Kraft des Abendmahles, seinen kirchenordnenden Verkündigungsinhalt deutlich machen wollte. Hier hatte es der Kirchenrat mit dem allgemeinen Gefühl der Unwürdigkeit zu tun, das aus der Ansicht stammt, das irdische Leben in seiner Wirklichkeit und mit seinen Forderungen mache eine angemessene Würdigkeit unmöglich. Diesem Gefühl schwebte das Bild eines Vollchristen vor, das durch das Leben nicht erreicht wird. Anders liegt der Grund bei Johan Amelinck, der wegen Wegbleibens vom Abendmahl ermahnt werden muß. Von ihm wird im Kirchenrat berichtet, „ dat he syck wyl vorsonen myt de, daer he mede vyentschop hadde, und wyl syck schicken vordar(!) als eyn christen“43.Der Kirchenrat erlebt es häufiger, daß er auf irgendeine Unregelmäßigkeit stößt, wenn er einem Fernbleibenden nachgeht; beim Nachforschen stellt sich meistens heraus, daß etwas vorliegt, wodurch das Wegbleiben vom Abendmahl begründet wird. In diesen Fällen hatte die Zucht einzusetzen. Die Gemeinde weiß es, daß es Zustände und Verhaltungsweisen gibt, die vom Abendmahlstische scheiden. Sie bringt dies Wissen durch Selbstausschluß zum Ausdruck. Setzt nun die Zucht aus, bleibt also das Gemeindeglied sich selbst überlassen, dann wird auch das Urteil über die Würdigkeit entweder ungerichtet in sich selbst ruhen, d. h. es kommt durch den Wegfall der Zucht zu keinem verändernden, erneuernden Einfluß des Evangeliums mehr, da ja die Gliedschaft nicht mehr durch die Zucht geordnet wird, oder die Selbstverurteilung erstarrt zu einer Haltung, die den Ausweg nicht mehr findet, der gerade im Abendmahl als dem Mahl brüderlicher Gemeinschaft geöffnet ist. Somit zeigt auch die Selbstausschließung, wie die Kennzeichen der Kirche die Heilsdarbietung in die Gemeinschaft überführen. Die Gefahr einer spannungslosen Teilnahme oder Entfremdung mußte um sich greifen, wenn die Abendmahlsgliedschaft vernachlässigt wurde. Gefährlich mußte der Abendmahlsgemeinschaft auch ein dritter Grund werden, dem der Kirchenrat oft begegnete. Er machte die Erfahrung, daß der eine oder andere wegblieb, weil ihm die Abendmahlsgäste nicht recht waren. So ärgert sich Johan Schoelmester über die Kleidung der Abendmahlsgäste und kommt deshalb nicht zum Abendmahl. 44 Wessel van Bergen kommt nicht, weil „ he etlyke 360 Zwölftes Kapitel 43 23. September 1560. 44 9. August 1557. luedendarto suth gaen, dat he eyn gruwel heft, mit den tom nachtmael tho gaen“45.Am 12. August 1580 wird eingetragen: „ Is erschenen op der brodern fordernt Egbert Speldemacker und over sÿne latfeerdicheit ( Lauheit) – beide, im gehoer Gottlickes Woordes und gebruick deß H( illigen) Avontmals – vormanet, und iß ehm affgefraget, wat ehm dartho bewegede. Heft he geantwortet, dat he noch niet gantslick van onß affgeweecken, noch den wederdopern in allen thostendich, sunder he where woll enichsins geargert an sommigen in der gemhene, dat tusschen ohnen und denen buiten der gemhene weinich onderscheits im levende zÿ; item dat he in de kinderdoepe oeck besweringe hadde und sunderlinge ehn bewoegen, die platzen der H( illigen) Schrift, daer idt geloeve gefoerdert wort Marc. 16, etc.“ Die Aussprache führt dann dazu, daß er „ fruntlick van onß gegangen“ ist. Am 6. September 1585 muß ein Glied ermahnt werden, „ dat he anderer lude mangel halven vam Disch des Hern nicht solle blyven, vele weniger die gemeine mit synem affblyven verdammen und ergern, die Christus gehilliget hefft“. Nach diesen Eintragungen blieben Glieder vom Abendmahl fern, weil sie zu sehen meinten, daß andere Abendmahlsgäste hinter den Ansprüchen zurückblieben, die sie an die Teilnehmer glaubten stellen zu müssen. Dahinter stand die Anschauung, daß die Ablegung des Bekenntnisses nicht genüge; man wünschte dies Bekenntnis in einer bestimmten Lebenshaltung verwirklicht zu sehen. In solchen Fällen ging es um die Gewinnung sicherer und anwendbarer Maßstäbe, die es ermöglichten, die Würdigkeit in bezug auf das Leben festzustellen. Obwohl hier das Feld der Zucht und Seelsorge sich öffnete, wünschte der Kirchenrat als den Grundsatz der Kirchengliedschaft festzuhalten, daß die Heiligkeit des einzelnen eine in der Heiligkeit der Gemeinde mitgesetzte ist. Christus hat die Gemeinde geheiligt; wer sich selbst vom Abendmahl ausschließt, verdammt die Gemeinde. Das Anliegen, das in solchen Stimmen laut wurde, konnte der Kirchenrat nicht einfach beiseite setzen und tat es auch nicht, wie ja die Zuchtübung zeigt, die auf das Abendmahl bezogen war; aber er konnte ihm auch nicht einfach bedingungslos nachgeben, weil er dann die Anschauung von der Kirche preisgeben mußte, auf die sich die Ordnung der Gliedschaft bezog. Er mußte der Gemeinde den Weg zwischen einem falschen Unwürdigkeitsgefühl und einem Pharisäismus mitten hindurch zeigen, wenn er den Ansatz seiner Gliedschaftsordnung in den drei Kennzeichen nicht verleugnen wollte. Endlich hatte der Kirchenrat mit einer Stimmung zu tun, die das Sakrament überhaupt abwertete zugunsten eines behaupteten inneren Besitzes. Als Johan Lussinck wegen seines Fernbleiben von Gellius vermahnt wird, gibt er zur Antwort: „ Daer were weynich tho halen, und het weren alle gheen hilligen, de ton nachtmael gyngen.“46Willumvan Meppen muß angesprochen werden, daß „ dat he het Die Gemeindegliedschaft 361 45 8. Juli 1558. 46 22. Mai 1559. aventmalmuchte grotter achten“47.Der Kirchenrat konnte nicht tatenlos zusehen, wenn die Christusgemeinschaft verflüchtigt wurde zu einem lediglich inneren Vorgang, der des Gnadenmittels nicht bedurfte. Darum vermahnt er David Kystemaker, der es nicht begreifen kann, „ dat dat gebruck des nachtmaels so hoch to achten sÿ, als wÿ daervan leren. Und dat he, um ydt sacrament des nachtmaels tho gebruken, syck noch swarliken befynden laten.“ 48 Der Kirchenrat ist durchaus nicht einverstanden mit Jacob Scoenmaker, der den Abendmahlsbesuch wie das Predigthören für eine „ vrye sake“ hält und zur Kirche kommen will, wenn es ihm paßt; „ sus anders konde he den bibel sulvest wol lesen“49. In der Selbstausschließung, der Abendmahlsscheu im engeren Sinne und in der Verachtung der Gnadenmittel kamen sehr verschiedene, ja entgegengesetzte Gründe für die Enthaltung zum Vorschein. Aber sie haben das eine gemeinsam, daß sie sich als eine Kritik oder zum mindesten als ein Mißverstehen des Kirchenbegriffes begreifen lassen, auf den sich die Ordnung der Abendmahlsgliedschaft bezieht. Da wird die Kirche verstanden als die Gemeinschaft von Menschen, die ihre Heiligkeit unter Beweis zu stellen haben, um rechte Mitglieder zu sein, und die Würdigkeit wird in der Darstellung eines bestimmten Ideals des christlichen Lebens gesehen. Einerlei, ob die Forderung, einem solchen Ideal zu entsprechen, an andere gerichtet ist, oder ob der Fernbleibende sie an sich selbst stellt, so ist doch die Kirche gefährdet, die ihre Wirklichkeit nicht in der Heiligkeit und Würdigkeitsgewißheit des einzelnen findet, sondern in der Betätigung der drei Merkmale, der Predigt, der Sakramentsverwaltung und der Zucht. Auf der anderen Seite wird durch die Abwertung der Gnadenmittelgemeinschaft die Selbstgenügsamkeit des einzelnen der Kirche entgegengesetzt. Dieser Haltung tritt die Kirche entgegen, indem sie auch dieser so ganz anders sich gebenden Verachtung der Gemeinschaft an den Gnadenmitteln die Veranstaltung Gottes vorhält, die in der Handhabung der kirchlichen Ordnung sichtbar wird. Das heißt aber zuletzt nichts anderes, als daß die Kirche es dem einzelnen nicht frei stellen kann, unter welchen Bedingungen und in welchen Formen er seine Gliedschaft ausüben will. Obwohl sie keinen Zwang ausübt, läßt sie doch keinen Zweifel daran, daß ihr die Bedingungen und Formen gesetzt sind, die ihr Kirchesein in Zeit und Welt bestimmen und die damit auch die Gliedschaftsordnung des einzelnen gültig und bindend umschreiben. Sie wird nicht zu einem Verein, dem gegenüber jeder Bedingung und Form seiner Gliedschaft sich vorbehält; die Kirche ist vielmehr Anstalt und Gemeinschaft in der unauflöslichen Spannung, die jedem verpflichtend sagt, wie er dabei sein kann, weil ihr selbst im Worte gesagt ist, was sie ist. 362 Zwölftes Kapitel 47 12. August 1560. 48 27. Januar 1561. 49 14. Februar 1564. Schluß Wenn die dargestellten Teilerscheinungen aus dem Gebiete der Kirchenordnung einer reformierten Kirche einigermaßen zutreffend aufgefaßt sind, scheinen sich mir für die Systemgeschichte des reformierten Kirchenrechts zwei Gesichtspunkte zu ergeben, die Beachtung verdienen. Zuerst: Der Begriff des Körperschaftsrechts ist nicht geeignet, die Rechtsverhältnisse dieser Zeit völlig zutreffend zu beschreiben. Wir haben es nicht einfach mit einem Verband zu tun, der seine öffentlichen Verhältnisse selbst ordnet. Der in den Vorgängen und Gedanken lebenden Auffassung dürfte es eher entsprechen, von einem Recht der die Kirche ordnenden Vorgänge zu sprechen. Das ordnende Handeln ist bezogen auf eine Ordnung, die unabhängig von zu findenden Rechtssätzen in den drei Kennzeichen gesetzt ist. Damit hängt ein Zweites zusammen: Die viel verhandelte Frage, ob reformiertes Kirchenrecht sich als göttliches Recht ( ius divinum) verstehe, ist nicht mit einem eindeutigen „ Ja“ zu beantworten. Göttliches Recht ist die Ordnung der drei Kennzeichen. Lehre, Sakramentsverwaltung und Zucht sind als Einsetzungen Christi aufgefaßt, die alle Ordnungsvorgänge und - zustände bestimmten. Aber das Gesetz der Ordnung, wie es oben an verschiedenen Stellen bezeichnet wurde, die „ constitutie“, also die Ordnungsverfassung, ist eine ständig gestellte Aufgabe der Kirche, die nach Einsicht und Umständen zu lösen ist. Der Zweck der Ordnungsverfassung ist Dienst; er ergibt sich nicht aus der Verfassung, dem Gesetz, der Constitutio, sondern aus der gegebenen Ordnung, die die Kirche sichtbar macht und durch die Gott die Sammlung, also die Gemeinschaft der Kirche, veranstaltet. Insofern ist dann aber auch das Kirchenrecht als auf die gegebene Ordnung bezogenes Recht der Kirche wesentlich notwendig. Quellenund Literatur Handschriftliches Material 1) Die Archivalien des Archivs der Großen Kirche zu Emden, insbesondere die Protokolle des Kirchenrates und die Briefsammlungen. Die Protokolle des Emder Kirchenrates: Überall, wo im Text oder den Anmerkungen bloße Datumsangaben bei den Zitaten erscheinen, bilden die Protokolle die Quelle. Archivalien des Archivs der Großen Kirche zu Emden: Sie sind zitiert nach dem Registrator Scipio Nellner, der 1793 eine erste Registratur aufstellte. Verwandt sind im wesentlichen die Brieffaszikel unter der Nr. 320. Dazu kommen Rechnungsbücher und Einzeldokumente. Die Urkunden vor 1500 sind benutzt nach: Ernst Friedländer, Ostfriesisches Urkundenbuch. 2 Bände, Emden 1878/1881 (zitiert: (zitiert: Friedländer I bzw. II). Die Auswertung weiterer Archivalien, besonders der Rechnungsbücher und der Archivalien der Diakonie, die von denen des Kirchenrates getrennt sind, wurde durch die Sicherungsmaßnahmen im Verlauf des Krieges unmöglich. Die Archivalien sind 1793 durch den Stadtsekretär Scipio Nellner geordnet und inventarisiert. Für das 19. Jahrhundert ist eine neue, recht umfangreiche Registratur angelegt, während die Akten seit etwa 1900 der Ordnung noch entbehren. 2) Die sehr spärlichen Reste des Konsistorialarchivs, die dem Staatsarchiv als Depositum übergeben sind. Eine systematische Erforschung des Staatsarchivs selbst für die Zwecke meiner Arbeit machte der Krieg ebenfalls unmöglich. 3) Eine Sammlung von Briefen aus den Züricher (Simlerschen) Sammlungen, die mir durch Herrn Professor Ritter, Emden, zur Verfügung gestellt wurde. Sie umfaßt besonders die Briefe des Oldersumer Predigers Hermann Aquilomontanus und des späteren Ältesten Gerhard thom Camp, dazu Briefe anderer, die auf Ostfriesland Bezug haben. 4) Archivalien des Consistoriums zu Aurich, jetzt Depositum des Staatsarchivs zu Aurich, sind als solche kenntlich gemacht. Die Durcharbeitung des Emder Ratsarchivs wird sicherlich für die ausführliche Darstellung der Emder Kirchenordnung manchen Aufschluß zu bringen vermögen. Auch diese Aufgabe harrt noch der Lösung. Gedruckte Quellen und Literatur Die zeitgenössischen Quellen, soweit sie gedruckt sind, werden unter der Literatur mit aufgeführt. DieWerke sind zumeist mit dem Stichwort angeführt, unter dem sie in dem Text und den Anmerkungen erscheinen. Acta Synodi: Acta Synodi nationalis Dortrechti habitae a. 1618 et 1619, Dordrecht 1620 (J.Canin). Abendmahlsbericht: Historischer Warhafftiger Bericht vnd Lehre Göttliches Worts von dem gantzen Streit vnd handel des heiligen Abendmals (...). Durch die Prediger der Christlichen Gemeine zu Embden. Mit beygefügter Vorrede Christophori Pezelij (...). Erstlich (...) in Sächsischer Sprache ausgangen. Nun aber (...) in Hochteutsche sprach vbersetzt vnd in truck verfertiget, o. O. 1610 ( frühere Ausgaben von 1591, zwei Ausgaben von 1592 in verschiedenem Format). 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Neue Funde und Anmerkungen zur Entstehung der Deux-aes-Bibel, in: Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis N.S.31 (1940), 105-122 (auch in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a.a.O.,50-67). – Die Verantwortung des Glaubens. Predigt über 1. Petr. 3,15b. 16, gehalten am 15. August 1940 in der Großen Kirche zu Emden, in: Sonntagsblatt für ev.- ref. Gemeinden 1940, 113f.; 117f.; 121f. ( auch als Sonderdruck). – Eine Einladung zur Emder Synode, in: ZKG 60 (1941), 469-474 (auch in: in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a.a.O.,68-75). – Formular für die Zulassung zum Hl. Abendmahl, in: W. Rott ( Hrsg.), Konfirmation. Ein Studienbuch zur Frage ihrer rechten Gestaltung, Berlin 1941, 167- 170. – Ordnung für Lesegottesdienste in der ev.- ref. Landeskirche der Provinz Hannover, in: Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt für die ev.-ref.Landeskirche der Provinz Hannover 1943, 227-232. – Kirchenbuch für die ev.-ref.Landeskirche der Provinz Hannover, Entwurf 1946 (Mitarbeit von Weerda). – Die große Probe. Die Emder Gemeinde und das Interim 1549-1550, in: Sonntagsblatt für ev.-ref.Gemeinden 1950, 372f.; 378f. –Abgenötigte Berichtigung, in: RKZ 91 (1950), 443-448. – Geschichtsschreibung im Zeichen des Konfessionalismus, in: RKZ 93 (1952), 8-12. – Die älteste Geschäftsordnung eines deutschen Presbyteriums, in: RKZ 93 (1952), 363-365. – Bultmanniania II. Gedanken zu R. Bultmann, Glauben und Verstehen, Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1952, in: ZRGG 5 (1953), 277-280. – Das Evangelium und die Kirchen. Zu D. Wilhelm Niesels Lehrbuch der Symbolik, Neukirchen 1953, in: RKZ 94 (1953), 531-534. – Art. Alting, Menso, in: NDB, Bd. I, 225. – Art. Sozialethik bei Calvin, in: Evangelisches Soziallexikon, Stuttgart 1954, 207-212/41963,41963,233-237. – Art. Sozialethik des Calvinismus, in: Evangelisches Soziallexikon, Stuttgart 1954, 933-938/41963,41963,1119-1123. – ... wegen einiger zwanzigtausend Reformierter ..., in: RKZ 96 (1955), 74- 77; 90-92. – Reformierte Stimmen zur Union, in: RKZ 96 (1955), 195-197; 210-213. – Wilhelm Zepper und die Anfänge reformierter Kirchenrechtswissenschaft in Deutschland, in: ZevKR 4 (1955), 265-291 (auch in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a.a.O.,162-189). – Der Augsburger Religionsfriede von 1555 und die Reformierten, in: RKZ 96 (1955), 402-405. – Holbein und Calvin. Ein Bildfund, Neukirchen 1955. – Civis academicus – animal sociale, in: Umschau in der Arbeit der deutschen Studentenwerke, Heft 18, März 1956, 1-4. – Calvin schreibt nach Emden, in: Sonntagsblatt für ev.- ref. Gemeinden 1956, 7f. (Karl Barth zum 70. Geburtstag). – Das christliche Abendland – eine verpflichtende oder vergangene Größe?, in: RKZ 97 (1956), 212-218. –Entstehung und Entwicklung der Gottesdienstordnungen der reformierten Gemeinde zu Emden. Eine Studie zur Geschichte der reformierten Liturgie in Deutschland, in: W. Hollweg ( Hrsg.), Wir grüßen die Brüder. Zur Tagung des Reformierten Weltbundes ( Östliche Sektion) vom 16. bis 21. August 1956 in Emden, Emden 1956, 17- 47 ( auch in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a. a. O., 11- 49). – Das ostfriesische Experiment. Zur Entstehung des Nebeneinanders lutherischer und reformierter Gemeinden in der ostfriesischen Territorialkirche, in: ZevKR 5 ( 1956), 159- 196 ( auch in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a. a. O., 76- 117). – Der freie Christ in der Gesellschaft, in: Ostfriesisches Schulblatt 77 ( 1956), Nr. 12; 78 ( 1957), Nr. 1- 3. – Art. Althusius, Johannes, in:RGG3,Bd. I ( 1957), 294 ( auch in: NDB, Bd. I). 380 Matthias Freudenberg –Art. Alting, 1. Heinrich, 2. Jakob, 3. Menso, in:RGG3,Bd. I (1957), 294f. – Der nationale Gedanke und seine Funktion heute, in: EvTh 17 (1957), 33- 48. – Zum 12. April 1957, in: RKZ 98 (1957), 172-176. – Die Bilderfrage in der Geschichte und Theologie der Reformierten Kirche, in: Evangelischer Kirchbautag Erfurt 1954/ Karlsruhe 1956, 1957, 289- 322. – Bilderfrage und reformierte Kirche, in: Kunst und Kirche 20 (1957), 105- 107. – 75 Jahre Ev.-ref.Kirche in Nordwestdeutschland, in: Informationsblatt für die Gemeinden in den Niederdeutschen Lutherischen Landeskirchen 6 (1957), 323-328. – Art. Gnapheus, Wilhelm, in:RGG3,Bd. II (1958), 1647. – Art. Goudimel, Claude, in:RGG3,Bd. II (1958), 1813f. – ... Nicht durch stumme Götzen ..., in: Kunst und Kirche 21 (1958), 58- 60 (unvollständig in: Sonntagsblatt für ev.-ref.Gemeinden 1958, 2-4). – Unser ostfriesisches Dorf im Umbruch der Zeit. Vortrag gehalten am 19. April 1958 auf der Landesrechnungsversammlung der Ostfriesischen Landschaft zu Aurich, hrsg. zum 10. Mai 1958 von der Ostfriesischen Landschaft zu Aurich. – Patrologie. Einige Bemerkungen zu Berthold Altaner: Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg 1958, in: Theologische Literaturbeilage zu Nr. 16 der RKZ 99 (1958), 1; 4f. – Art. Presbyterialverfassung, in: EKL, Bd. III (1959), 304-309. – Art. Reformation, V. Schottland; VI. Niederlande, in: EKL, Bd. III (1959), 507-511. 507-511. – Die ersten drei Bände der RKZ. Ein Blick auf das reformierte konfessionelle Bewußtsein um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in: RKZ 100 ( 1959), 85- 91. – Ein Blick über den Zaun – Jubiläen, Jubiläen – diesmal bei den Reformierten, in: Sonntagsblatt für den ev.-luth.Kirchenbezirk Erlangen 2 (1959), Nr. 15 vom 12.4.1959. – Kirche und Diakonie in der Theologie Calvins, in: Die Innere Mission 49 (1959), 129-139 (auch in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a.a.O., 118-131). – Reformierte Gemeinden in Bayern, in: Bayernland 61 (1959), 170-173. – Johannes Calvin 1509-1559, in: Sonntagsblatt, hrsg. von H. Lilje, 1959, Nr. 28, 16f. – In São Paolo tagte der Reformierte Weltbund – keine konfessionelle Selbstgenügsamkeit, in: Sonntagsblatt, hrsg. von H. Lilje, 1959, Nr. 35, 35. – Der Herr ein Knecht – wir seine Knechte. Die 18. Versammlung des Reformierten Weltbundes, in: Ökumenische Rundschau 9 (1960), 28-31. – Theologie reformierter Bekenntnisschriften. Bemerkungen zu Paul Jacobs’ gleichnamigen Buch, in: RKZ 101 (1960), 120-124. Auswahlbibliographie 381 –Christliche Demokratie in Westeuropa 1820-1953.Bemerkungen zu dem Buch von M.P.Fogarty, in: RKZ 101 ( 1960), 140- 142. – Art. Mariologie, in:RGG3,Bd. IV (1960), 767-770. – Art. Moderator, in:RGG3,Bd. IV (1960), 1066f. – Ordnung zur Lehre. Zur Theologie der Kirchenordnung bei Calvin, in: Calvin- Studien 1959, Neukirchen-Vluyn 1960, 144-171 (auch in: Nach Gottes Wort reformierte Kirche, a.a.O.,132-161). – Philipp Melanchthon und Johannes Calvin – eine Reformatorenfreundschaft, in: Kirchenkalender der Ev.- ref. Kirchengemeinde zu Bielefeld 1961, 25-30. – Art. Reformierte Kirche, I. Konfessionskundlich, in:RGG3,Bd. 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Möhlmann, Quellen zur Geschichte Ostfrieslands, Bd. 9, Aurich 1975. – Schilling, Heinz (Hrsg.):Die Kirchenratsprotokolle der Reformierten Gemeinde Emden 1557-1620, Teil 1: 1557-1574/Teil 2: 1575-1620, bearbeitet v. H. Schilling/K.-D.Schreiber, Städteforschung Reihe C: Quellen, Bd. 3.1/3.2,Köln/Weimar/Wien 1989/1992. Auswahlbibliographie 383 –Theuerkauf, Gerhard: Ein Kirchenverzeichnis für den münsterischen Archidiakonat Friesland um 1500, in: Dona Westfalica. Georg Schreiber zum 80. Geburtstag dargebracht v. der Historischen Kommission Westfalens, Schriften der Historischen Kommission Westfalens, Bd. 4, Münster 1963, 354- 373. 4. Literatur zur Kirchengeschichte von Emden und Ostfriesland (Zeitraum 1949- 1998 in Auswahl) – Antholz, Heinz: Die politische Wirksamkeit des Johannes Althusius in Emden, Abhandlungen und Vorträge, Heft 32, Aurich 1955. – Aubin, Hermann: Das Schicksal der schweizerischen und der friesischen Freiheit, in: Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden 32 (1952), 21-42. – Barghorn, E.: Kirchliche Zeugnisse der ev.-ref.Gemeinde zu Emden 1562- 1886, in: Quellen und Forschungen zur ostfriesischen Familien- und Wappenkunde 13 (1964), 61-111. – Bartel, Oskar: Jan Laski. Leben und Werk des polnischen Reformators, Berlin 1964. – Behre, Karl-Ernst/Lengen, Hajo van: Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich21996. – Bernoulli, Wilhelm: Das Diakonenamt bei Johannes a Lasco, Greifensee 1951. – Bornhäuser, Christoph: Leben und Lehre des Menno Simons, BGLRK 35, Neukirchen-Vluyn 1973. – Brilling, Bernhard: Die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Emden (1570-1613), in: Westfalen, Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 51 (1973), 210-224. – Buhr, Hermann de: Die Entwicklung Emdens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Diss. phil. (Masch.)Hamburg 1967. – Bulicke, Inge: Zur Geschichte der Kirchensprache in Ostfriesland seit der Reformation, Leer 1979. – Busch, Eberhard/ Herrenbrück, Walter/ Rauhaus, Alfred/ Wiarda, Diddo: „... um die Kirche zu bewahren und zu schützen“. Beiträge zum Jubiläum des Coetus der evangelisch-reformierten Prediger und Predigerinnen in Ostfriesland 1544-1994, Bovenden 1995. – Dankbaar, Willem F.: Over de voorgeschiedenis van het ouderlingenambt, bepaaldelijk in Oost-Friesland, in: NAKG N.S.48, (1968), 166-181. – Deeterts, Walter: Geschichte der Stadt Emden von 1576- 1611, in: Ostfriesland im Schutz der Deiche, Bd. 10, hrsg. v. J. Ohling u. a., Leer 1994, 273- 336. – Delbanco, Werner: Die Quellen der „Chronica der Fresen“ des Eggerik Beninga, Abhandlungen und Vorträge, Heft 56, Aurich 1975. 384 Matthias Freudenberg –Doornkaat Koolman, Jan ten: De Anabaptisten in Oostfriesland ten tijde van Hermannus Aquilomontanus ( 1489- 1548), in: NAKG N. S. 46, ( 1963/ 64), 87- 99. – Engelbrecht, Jörg: Die reformierte Landgemeinde in Ostfriesland im 17. Jahrhundert. Studien zum Wandel sozialer und kirchlicher Strukturen einer ländlichen Gesellschaft, EHS Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 175, Frankfurt/M./Bern1982. – Falkenroth, Ulrich: Gestalt und Wesen der Kirche bei Johannes a Lasco, Diss. Göttingen (Masch.)1958. – Fritzschen, Günther: Die Entstehung des Emder Stadtrechts bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, Diss. iur. (Masch.)Göttingen 1958. – Fürbringer, Leo: Die Stadt Emden in Gegenwart und Vergangenheit, Emden 1892 (Neudruck Leer 1974). – Ginkel, Albertus van: De Ouderling. Der Kirchenälteste. The Elder. Oorsprong en ontwikkeling van het ambt van oudering en de functie daarvan in de gereformeerde Kerk der Nederlanden in de16een17eeeuw, Diss. theol. 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Studien zur Herrschaftsstruktur der ostfriesischen Residenzstadt 1470-1527, Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen 23, Hildesheim 1984. – Lengen, Hajo van: Stadtbildung in Ostfriesland im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: NSJ 52 (1980), 39-57. – Lengen, Hajo van: Geschichte Emdens von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters, in: Ostfriesland im Schutz der Deiche, Bd. 10, hrsg. v. J. Ohling u.a.,Leer 1994, 61-159. – Lengen, Hajo van ( Hrsg.): Collectanea Frisica. Beiträge zur historischen Landeskunde Ostfrieslands. W. Deeters zum 65. Geburtstag, Abhandlungen und Vorträge 74, Aurich 1995. – Lengen, Hajo van (Hrsg.):Die „Emder Revolution“ von 1595. Kolloquium der Ostfriesland-Stiftung am 17. März 1995 zu Emden, Aurich 1995. – Lomberg, Elwin (Hrsg.):1571 – Emder Synode – 1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum, Neukirchen-Vluyn 1973. – Mahrenholtz, Hans: Das Wappen des Propstes Enno von Emden, in: Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden 51/52 (1971/72), 132-137. – Nauta, Doede: Tien Jaren uit de geschiedenis van Emden als centrum van gereformeerde activiteit, in: GThT 57 (1957), 128-136. – Nauta, Doede/ Dooren, Jan Pieter van ( Hrsg.): De Synode van Emden October 1571, Kampen 1971. – Neuser, Wilhelm H.: Art. Hardenberg, Albert Rizaeus, in: TRE, Bd. 14 (1985), 442-444. – Nijenhuis, Willem: De Synode te Emden 1571, in: KeTh 23 (1972), 34- 54. – Nijenhuis, Willem: Die Bedeutung Ostfrieslands für die Reformation in den Niederlanden, in: Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden 62 (1982), 87-102. – Ohling, Gerhard D.: Kulturgeschichte des Krummhörn, in: Die Acht und ihre sieben Siele, hrsg. v. J. Ohling, Pewsum 1963, 19-288. – Pettegree, Andrew: The Exile Churches and the Churches „Under the Cross“. Antwerp and Emden during the Dutch Revolt, in: JEH 38 (1987), 187-209. 187-209. – Pettegree, Andrew: Emden and the Dutch Revolt. Exile and the Development of Reformed Protestantism, Oxford 1992. – Rabenau, Konrad von: Luthers Gedicht für Graf Enno II. von Ostfriesland, in: Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden 68 (1988), 65-77. 386 Matthias Freudenberg –Rauhaus, Alfred: Untersuchungen zu Entstehung, Gestaltung und Lehre des Kleinen Emder Katechismus von 1554, Diss. Göttingen ( Masch.) 1977. – Rauhaus, Alfred: Fürstentum Ostfriesland, in: Die Evangelisch- reformierte Kirche in Nordwestdeutschland. Beiträge zu ihrer Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. E. Lomberg/ G. Nordholt/ A. Rauhaus, Weener 1982, 158- 177. – Reeken, Erich von: Liste der Lehrer der Emder Lateinschule bzw. des Emder Gymnasiums von 1547-1892, in: Quellen und Forschungen zur ostfriesischen Familien- und Wappenkunde 25 (1976), 27-35. – Schilling, Heinz: Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte, SVRG 187, Gütersloh 1972. – Schilling, Heinz: Reformation und Bürgerfreiheit. Emdens Weg zur calvinistischen Stadtrepublik, in: B. Moeller (Hrsg.):Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert, SVRG 190, Gütersloh 1978, 128-161. – Schilling, Heinz: Die politische Elite nordwestdeutscher Städte in den religiösen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts, in: Stadtbürgertum und Adel in der Reformation, Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 5, hrsg. v. W.J.Mommsen, Stuttgart 1979. – Schilling, Heinz: Religion und Gesellschaft in der calvinistischen Republik der vereinigten Niederlande, in: Kirche und gesellschaftlicher Wandel in deutschen und niederländischen Städten der werdenden Neuzeit, hrsg. v. F. Petri, Städteforschung, Reihe A, Bd. 10, Köln/Wien 1980, 197-250. – Schilling, Heinz: Calvinistische Presbyterien in Städten der Frühneuzeit – eine kirchliche Alternativform zur bürgerlichen Repräsentation?, in: W. Ehbrecht ( Hrsg.): Städtische Führungsgruppen und Gemeinden in der werdenden Neuzeit, Städteforschung, Reihe A, Bd. 9, Köln/ Wien 1980, 385- 444. – Schilling, Heinz: Wandlungs- und Differenzierungsprozesse innerhalb der bürgerlichen Oberschichten West- und Nordwestdeutschlands im 16. und 17. Jahrhundert, in: M. Biskup/K.Zernack (Hrsg.):Schichtung und Entwicklung der Gesellschaft in Polen und Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert. Parallelen, Verknüpfungen, Vergleiche, in: VSWG Beiheft 74 (1983), 121-173. – Schilling, Heinz: Reformierte Kirchenzucht als Sozialdisziplinierung? Die Tätigkeit des Emder Presbyteriums in den Jahren 1557-1562, in: W. Ehbrecht/ H. Schilling (Hrsg.):Niedersachsen, Niederlande und Nordwestdeutschland. Studien zur Regional- und Stadtgeschichte Nordwestkontinentaleuropas im Mittelalter und in der Neuzeit, FS für F. Petri, Städteforschung, Reihe A, Bd. 15, Köln/Wien 1983, 261-327. – Schilling, Heinz: Sündenzucht und frühneuzeitliche Sozialdisziplinierung. Die calvinistische, presbyteriale Kirchenzucht in Emden vom 16. bis 19. Jahrhundert, in: G. Schmidt (Hrsg.):Stände und Gesellschaft im alten Reich, Stuttgart 1989, 265-302. Auswahlbibliographie 387 –Schilling, Heinz: Civic Calvinism in Northwest Germany and the Netherlands, Kirksville 1992. – Schilling, Heinz: Frühneuzeitliche Formierung und Disziplinierung von Ehe, Familie und Erziehung im Spiegel calvinistischer Kirchenratsprotokolle (Emden und Groningen), in: P. Prodi (Hrsg.):Glaubensbekenntnisse, Treueformeln und Sozialdisziplinierung zwischen Mittelalter und Neuzeit, Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 23 (1992), 199-235. – Schilling, Heinz (Hrsg.):Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 16, hrsg. v. J. Kunisch u.a.,Berlin 1994. – Schmidt, Heinrich: Reformation und Protestantismus als Problem des ostfriesischen Selbstverständnisses, in: Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden 48 (1968), 34-51. – Schmidt, Heinrich: Die Reformation in Ostfriesland. Grundzüge ihrer Entwicklung bis 1540, in: JGNKG 69 (1971), 7-31. – Schmidt, Heinrich: Grundzüge der Geschichte Ostfrieslands, in: Niedersachsen, hrsg. v. C. Haase, Göttingen 1971, 179-200. – Schmidt, Heinrich: Politische Geschichte Ostfrieslands, in: Ostfriesland im Schutz der Deiche, Bd. 5, hrsg. v. J. Ohling u. a., Pewsum 1975. – Schmidt, Heinrich: Geschichte der Stadt Emden von 1500-1575, in: Ostfriesland im Schutz der Deiche, Bd. 10, hrsg. v. J. Ohling u. a., Leer 1994, 162-269. – Schöningh, Wolfgang: Überblick über die Geschichte der Stadt Emden, Emden31974. – Smid, Menno: Zur Geschichte und Bedeutung des ostfriesischen Interessentenwahlrechts, in: JGNKG 68 (1970), 39-58. – Smid, Menno: Ostfriesische Kirchengeschichte, in: Ostfriesland im Schutz der Deiche, Bd. 4, hrsg. v. J. Ohling u. a., Pewsum 1974. – Smid, Menno: Kirche zwischen Burg und Rathaus. Ein Beitrag zur Emder Stadtgeschichte und zum Verhältnis von Staat und Kirche in Emden, in: Res Frisicae. Beiträge zur ostfriesischen Verfassungs-, Sozial- und Kulturgeschichte, Abhandlungen und Vorträge, Heft 49, Aurich 1978, 131-150. – Smid, Menno: Art. Laski, Jan, in: TRE, Bd. 20 (1990), 448-451. – Spijker, Willem van’t: Stromingen onder de reformatorisch gezinden te Emden, in: De Synode van Emden Oktober 1571, Kampen 1971. – Sprengler-Ruppenthal, Anneliese: Lutherische liturgische Formen in Ostfriesland am Ende des 16. Jahrhunderts, in: JGNKG 59 (1961), 1-25. – Sprengler-Ruppenthal, Anneliese: Zur reformatorischen Kirchenrechtsbildung in Ostfriesland, in: ZEvKR 10 (1963/64), 314-367. – Sprengler- Ruppenthal, Anneliese: Eine reformatorische Kirchenordnung zur Ablösung des bischöflichen Sendgerichts der Herrschaft Jever, in: ZSRG.K 88 (1971), 310-322. 388 Matthias Freudenberg –Sprengler- Ruppenthal, Anneliese: Bekenntnis und Territorium in Ostfriesland, in: Die territoriale Bindung der evangelischen Kirche in Geschichte und Gegenwart, in: JGNKG. 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Auswahlbibliographie 389 BiographischesNachwort von Matthias Freudenberg Im Zusammenhang der Edition von Weerdas zweibändigem Werk zum Emder Kirchenrat und seiner Gemeinde sollen einige biographische Hinweise dazu dienen, den Lebensweg des bedeutenden Erlanger reformierten Kirchenhistorikers aufzuhellen. Jan Remmers Weerda wurde am 17. November 1906 in Logumer Vorwerk/ Ostfriesland geboren und wuchs in Uttum/ Ostfriesland als Kind des Landwirts Gerhard Johan Weerda und Zwaantje Janssen Praal, geb. Remmers, auf. Aus seiner Ehe mit Margarethe, geb. Fauth, gingen vier Kinder hervor. Nach dem Besuch der Ulrichsgymnasiums in Norden Ostern 1919 bis Ostern 1926 nahm er 1926 das Studium der evangelischen Theologie in Tübingen auf, wo er drei Semester lang verweilte. Eine besondere Prägung erfuhr er dort durch Karl Heim. Im Jahr darauf wechselte er für zwei Semester nach Berlin, um sich schließlich 1928 nach Münster zu begeben. Dort lernte er Karl Barth als seinen theologischen Lehrer kennen und schätzen und erlebte diese Zeit als „ das größte Geschenk der Studienzeit“. Eine abschließende Station in Weerdas Studium war die Zeit 1929/ 30 an der Freien Fakultät in Montpellier, die er am 16. April 1931 mit dem Ersten theologischen Examen abschloß („ sehr gut“). Noch im April 1931 wurde er dem reformierten Predigerseminar Elberfeld zugeteilt und ein Jahr später am 1. April 1932 als Vikar zum reformierten Theologen Wilhelm August Langenohl in Düsseldorf und später in Rheydt entsandt. Außerdem übernahm er am 1. Mai 1933 Vakanzdienste in St. Georgiwold/ Ostfriesland. Nach dem Zweiten theologischen Examen am 4. Oktober 1933 („ gut“) setzte er seine Ausbildung am 23. Oktober 1933 als Hilfsprediger in Osnabrück fort, wo er am 18. November 1934 in der Bergkirche ordiniert wurde. Seit dem 19. Mai 1935 arbeitete Weerda als Pastor in Emden und wirkte von 1937 bis 1946 dort auch als Vorsitzender des Kirchenrates. Weerda war im Kirchenkampf in der Evangelisch- reformierten Landeskirche der Provinz Hannover daran interessiert, die kirchlichen Strukturen und ihre reformierte Prägung nicht durch offenen Widerstand, sondern durch behutsame Bewahrung der Institution integer zu halten. Bei Ablehnung der Kirchenpolitik der „ Deutschen Christen“ konzentrierte er sich vornehmlich auf die innerkirchlichen Belange, was ihn nicht davor bewahrte, mehrfach das Mißtrauen der nationalsozialistischen Verwaltung auf sich zu ziehen. Im Oktober 1942 plante die Kirchenleitung sogar seine Versetzung in die südniedersächsische Gemeinde Möllenbeck – ein Plan, der sich alsbald allerdings wieder zerschlug. Währenddes Krieges arbeitete Weerda an einer Ordnung für Lesegottesdienste, um dem Umstand zu begegnen, daß zahlreiche Pastoren zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Zugleich unternahm er intensive theologische Studien zur Emder Kirchengeschichte, deren Früchte die hier vorgelegten Bände seiner Promotion am 29. April 1944 bei Otto Weber in Göttingen zum Lic. theol. ( Emder Kirchenrat in der Zeit a Lascos 1540- 1555) und später seiner Habilitation im Fach Kirchengeschichte am 14. Juli 1948 in Münster ( Emder Kirchenrat in der Zeit bis 1620) waren. Die vielfältigen kirchlichen Aufgaben, aber auch die Kriegsereignisse im bombenzerstörten Emden, die Kapitulation und der Wiederaufbau nach 1945 unterbrachen Weerda immer wieder bei der Weiterarbeit an diesen Projekten. Erst wurde er durch die Engländer 1945 als Senator eingesetzt. Und dann amtierte er, von den Emder Bürgern gewählt, bis 1947 als Kulturreferent. Ferner berief ihn 1946 die reformierte Landeskirche in den theologischen Prüfungsausschuß und betraute ihn mit der Mitarbeit am Reformierten Kirchenbuch, einer Agende für die reformierten Gemeinden. Eine Grundsatzrede auf dem Landeskirchentag 1946 – es war die Tagung der Landessynode – zog die Entscheidung der Landeskirche nach sich, der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 den Rang einer Bekenntnisschrift zuzuerkennen. Nach Abschluß seiner Habilitation wurde Weerda zum 1. November 1949 auf Empfehlung Otto Webers hin als ordentlicher Professor für Reformierte Theologie nach Erlangen berufen. Diese Aufgabe übernahm er als Nachfolger des 1945 verstorbenen Paul Sprenger. Schon zuvor hielt er 1948/ 49 als Privatdozent an der Universität Münster Vorlesungen. Im Zentrum von Weerdas wissenschaftlichen Arbeiten standen vor allem kirchengeschichtliche und kirchenrechtliche Fragen. Immer wieder erinnerte er an die Bedeutung von Wilhelm Zepper ( 1550- 1607), der als der erste Systematiker der reformierten Kirchenrechtswissenschaft in Deutschland gilt. Im Blick auf die Presbyterialverfassung der reformierten Kirchen prägte er den Ausdruck „ Auftragsverfassung der kirchlichen Funktionengemeinschaft“ ( vgl. u. a. den Aufsatz: Ordnung zur Lehre. Zur Theologie der Kirchenordnung bei Calvin, in: Calvin- Studien 1959, Neukirchen- Vluyn 1960). Der Gestalt der Kirche und ihrer Ordnung widmete er – darin in klassischer reformierter Tradition stehend – ein großes Augenmerk und erkannte ihnen den Rang von kirchlichen Wesensfragen zu. Hinzu trat sein Interesse an praktischen Fragen der Ekklesiologie wie etwa der Gestalt des kirchlichen Predigtamtes und des universitären, der Kirche verpflichteten Lehramtes. In der Lehre überschritt Weerda bei weitem sein angestammtes Gebiet Kirchengeschichte und vertrat in Entsprechung zur Eigenart der zu jener Zeit extra facultatem angesiedelten Erlanger reformierten Professur praktisch alle theologischen Disziplinen. Er hielt mehrfach exegetische Kollegs ( u. a. Deuterojesaja; Philipperbrief; 1. Petrusbrief; Jakobusbrief; Abendmahl im Neuen Testament), las Dogmatik ( u. a. Dogmatik I und II; Hermeneutik; Christologie; Ekklesiologie) und unterrichtete Praktische Theologie ( u. a. Reformierte Liturgik). Der Schwerpunkt lag auf Vorlesungen über die 392 Matthias Freudenberg TheologieJohannes Calvins und des Calvinismus, Ulrich Zwinglis, der reformierten Bekenntnisschriften und Karl Barths. Hinzu traten Vorlesungen über Konfessionskunde und Ökumene sowie über die Geschichte der reformierten Kirchen, ihre Ordnungen und die Unionen des 19. Jahrhunderts. Auf diese Weise konnte er von außerhalb der Fakultät ein reformiertes Gegengewicht zur konfessionellen lutherischen Theologie von Paul Althaus, Werner Elert und Wilhelm Maurer setzen. Neben seinen universitären Aufgaben war Weerda viele Jahre lang Presbyter der Erlanger reformierten Gemeinde, predigte in ihrer Hugenottenkirche und nahm seelsorgerliche Aufgaben wahr. Als Mitglied der Synode der Ev.- ref. Kirche in Bayern erarbeitete er mit einer Kommission von 1956 bis 1958 die Kirchenordnung für die Ev.- ref. Kirche in Bayern und die 1964 veröffentlichte kirchliche Lebensordnung. Die Göttinger Fakultät würdigte am 20. Februar 1959 Weerdas wissenschaftliche Arbeit mit dem Ehrendoktorat. Zum Member of Scholar’s Choice ( korrespondierendes Mitglied) des Union Theological Seminary in Richmond/ Virginia wurde er 1960 ernannt. Im gleichen Jahr nahm er an der Hauptversammlung des Reformierten Weltbundes in São Paolo/ Brasilien teil. Früh verstarb Weerda am 19. Juli 1963 in Erlangen im Alter von nur 56 Jahren nach längerem schweren Leiden an einer Magenkrebserkrankung. Biographisches Nachwort 393