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LEXIKON
 
 

 

 

Bekennende Kirche

Die Bekennende Kirche (BK) entstand 1934 innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK). Sie wehrte sich gegen die nationalsozialistisch bestimmte Haltung der DEK und gegen die nationalsozialistisch orientierten Deutschen Christen, die von der DEK unterstützt wurden. Dabei trat die BK mit dem Anspruch auf, allein die DEK zu sein und zu vertreten.
Schon am 9. Mai 1933 forderte die Jungreformatorische Bewegung die Freiheit der Kirche „von aller politischer Beeinflussung“, sagte aber „Ja zum neuen deutschen Staat.“ Wenig später begann der Kirchenkampf, der die Kirchengeschichte im Dritten Reich (1933 bis 1945) kennzeichnete.
 
Kirchenkampf löst Bildung der Bekennenden Kirche aus
 
Kirchenkampf taucht zum ersten Mal als Begriff in einem Telegramm von sieben Oldenburger Pfarrern auf, die als Mitglieder der Deutschen Christen an die Reichsleitung der Deutschen Christen schrieben (31. Mai 1933). Sie sprachen sich „gegen die Entfesselung eines Kirchenkampfes um die Person des Reichbischofs“ aus. Damit hatte der Kirchenkampf den Aspekt der Abwehr einer Bedrohung des Propriums (lat.: die Aufgabe) der Kirche erhalten.
Die NS-Ideologie falsch einschätzend glaubten die Führer der Deutschen Christen, Hitlers Idealen zu entsprechen, wenn sie eine der Reichsreform gleichgeschaltete Reichskirche (ein Volk, ein Reich, ein Führer, eine Kirche) forderten. Adolf Hitler war Führer und Reichskanzler, Oberhaupt und Gesetzgeber. Damit hatte er die Macht, durch eine schleichende Revolution den Rechtsstaat in einen Weltanschauungsstaat umzuwandeln. Umstritten ist jedoch, ob Hitler ein durchdachtes kirchenpolitisches Konzept hatte. Die im Parteiprogramm genannte Bejahung „eines positiven Christentums“ religiös oder kirchlich zu interpretieren, vermied er. In seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 hatte er sich sogar gemäßigt geäußert: Die beiden christlichen Konfessionen seien „wichtige Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums“. Abgeschlossene Verträge würden respektiert, ihre Rechte nicht angetastet, hatte Hitler versprochen. Bis zum Kriegsende hielt er sich formal an die Reichskirchenverfassung und seine Neutralität.
Trotzdem wurde mit Hilfe von Partei und Polizei der Weltanschauungsstaat durchgesetzt durch Vertragsumdeutung, Vertragsaushöhlung und Vertragsverletzung. Der staatliche Griff nach der Kirche zeigte sich auch in dem hohen Wahlsieg der Deutschen Christen bei den Kirchenwahlen am 23. Juli 1933. Hitler hatte die Liste der Deutschen Christen unterstützt. Außerdem griff Hitler mit Hilfe des Reichsbischofs Ludwig Müller nach dem Kirchenregiment.
 
Pfarrernotbund richtete sich gegen staatliche Eingriffe in Kirche
 
Bald darauf formierte sich der Widerstand dagegen: Im Herbst des Jahres 1933 schlossen sich unter anderen Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer im Pfarrernotbund zusammen und bildeten die Opposition gegen das Kirchenregiment. In Bindung an Bibel und Bekenntnis wandte sich der Pfarrernotbund gegen staatliche Eingriffe in die Kirche, insbesondere gegen die Entlassung nichtarischer Pfarrer aufgrund der Übernahme von Teilen des „Arierparagraphen“ in die kirchlichen Gesetze.
 
Im Kampf um die Reichskirchenverfassung, den Reichsbischof und den Arierparagraphen traten die kirchlichen Gruppierungen des Kirchenkampfes hervor. Es entstanden freie Synoden, die sich mit den Landeskirchen Württemberg und Bayern zu einer Bekenntnisgemeinschaft zusammenschlossen. Diese erklärte, die einzig „rechtmäßige evangelische Kirche“ zu vertreten. Ihr Organ, der Nürnberger Ausschuss, berief eine Reichssynode ein.
 
Erste Bekenntnissynode beschließt Barmer Theologische Erklärung
 
Diese erste Bekenntnissynode der DEK fand in Barmen statt (29. bis 31. Mai 1934) und wandte sich in der Barmer Theologischen Erklärung nicht mehr nur gegen einzelne staatliche Eingriffe. Sie verurteilte die von den Deutschen Christen vertretene Lehre, dass die nationalsozialistische Parteiideologie des Staates für die Kirche verbindlich sei, als illegitime, fundamentale Vereinnahmung der Kirche. Außerdem erklärte die Synode das Kirchenregiment Bischof Müllers für unrechtmäßig. Aufgrund des von ihr proklamierten Notrechts rief sich die Synode als die einzig legale DEK aus und bestellte als ihr Exekutivorgan den Reichsbruderrat.
Auf der zweiten Bekenntnissynode der DEK (Oktober 1934) in Berlin-Dahlem wurde dieses Notrecht gegenüber der Reichsregierung bekräftigt. Außerdem rief die Synode zum Ungehorsam gegen das Regiment des Reichsbischofs auf, weil durch dieses „die Botschaft der Kirche an die Mächte dieser Welt ausgeliefert wird“. Der Reichsbruderrat berief aus seiner Mitte einen Rat der DEK ein, dem Präses Karl Koch, Hans Christian Asmussen, E. Fiedler, Karl Barth und Martin Niemöller angehörten.
Vor der dritten und vierten Synode der Bekennenden Kirche in Augsburg (Juni 1935) und in Oeynhausen (Februar 1936) traten Spannungen und Risse in der Bekennenden Kirche auf, die schließlich zum Bruch führten. Einerseits waren sie begründet in der verschiedene Lage der sogenannten zerstörten Kirchen (Altpreußische Union, Hessen-Nassau, Sachsen, u.a.) und den sogenannten intakten Kirchen (Bayern, Hannover, Württemberg), in denen das vorhandene Kirchenregiment bestehen blieb. Andererseits ergaben sie sich aus den verschiedenen Vorstellungen vom „Bekennen“ der Bekennenden Kirche. Man stritt über die Frage, ob Bekennen der Wahrung innerkirchlicher Eigenständigkeit diente oder ob es ein Christuskenntnis gegenüber den Mächtigen des Staates sein sollte. Dieser Streit machte deutlich, dass es gegensätzliche Beurteilungen der Frage der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und der politischen Einstellung gab.
 
Auch Mitglieder der Bekennenden Kirche leisten Eid auf Hitler
 
Gegenüber dem radikalen Dahlemer Flügel, dem Niemöller und Barth angehörten, schlossen sich die konservativen intakten Kirchen 1935 zusammen. Daraus ging ein Jahr später, 1936, der „Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche“ hervor. Allerdings gab es auch in ihm Kritik an einem gemäßigten Kurs.
Auch der Rat der DEK veränderte sich. Schon einen Monat nach der Dahlemer Synode wurde er durch eine „Vorläufige Leitung“ verdrängt, an deren Spitze Bischof August Marahrens, Hannover, stand. Marahrens jedoch kooperierte mit dem Reichskirchenausschuss, dem Nachfolgeorgan des Reichsbischofs. Deshalb gründete der Reichsbruderrat auf der Synode in Oeynhausen eine zweite Vorläufige Leitung.
Diese zweite Vorläufige Leitung schickte 1936 einen „Protest wider viel Unrecht“ an Hitler. Die intakten Kirchen distanzierten sich davon und von der Gebetsliturgie während der Tschechienkrise 1938. Als weite Teile der Bekennenden Kirche den Eid auf Hitler leisteten (1938), belastete das die Gemeinschaft sehr. Dennoch wirkte die Vorläufige Leitung auf vielfaches Drängen in der Stille weiter und arbeitete zusammen mit der Konferenz der Landesbruderräte. 1942 versuchte Bischof Theophil Wurm eine Einigung mit der kirchlichen Mitte zu erreichen. Die zwölfte preußische Bekenntnis-Synode im Oktober 1943 bekannte ein letztes mutiges Wort anhand der Zehn Gebote.
 
Veränderungen und Einflüsse
 
Die Bekennende Kirche hatte starken Rückhalt an der Basis der Gemeinden. Engagierte Laien beteiligten sich und hielten viele Bekenntnisversammlungen ab. Ihr Widerstand war getragen vom Ringen um eine Erneuerung der Kirche: In der Pfarrerausbildung organisierte sie eigene Wege (Kirchliche Hochschulen, Predigerseminare). Doch behinderte der Staat zunehmend ihr Bekennen. Es gab Rede-, Schreib-, Aufenthalts-, Druck-, Kommunikationsverbote und Inhaftierungen. Mit der Zeit verstießen fast alle kirchlichen Tätigkeiten gegen das Gesetz. Mitglieder der Bekennenden Kirche starben durch staatliche Gewaltausübung: F. Weißler, P. Schneider und W. Sylten wegen ihrer Hilfe für Juden, Dietrich Bonhoeffer, weil er in den politischen Widerstand gegangen war.
Der deutsche Kirchenkampf insgesamt hat eine Reihe von fundamentalen theologischen und kirchenrechtlichen Erkenntnissen als neue Fragen für die ganze Ökumene aufgeworfen, zum Beispiel das Verhältnis von Israel und Kirche und damit die ganze Rassenfrage, das Bekenntnis und Bekennen im Vollzug der Kirche, die Bekenntnisgebundenheit des Kirchenrechts, die Rechts- und Weltbezogenheit der christlich-kirchlichen Existenz. So ist der Nationalsozialismus unabsichtlich zum Reformator einer Kirche geworden, die ohne diesen Druck sich nicht selbst reformiert hätte.
 
Wirken nach Ende des Krieges
  
Nach Ende des Krieges waren es zunächst die Kräfte der Bekennenden Kirche, die zur Buße riefen. Schon im Oktober 1945 entstand die Stuttgarter Schulderklärung.
Im August 1945 übertrug der Reichsbruderrat seine Kirchenleitungsfunktionen dem Rat der werdenden Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und am 15. Juli 1948 erklärte er das kirchliche Notrecht für beendet. Der Rat der lutherischen Kirche führte zur Bildung der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Der Dahlemer Flügel der Bekennenden Kirche unter Martin Niemöller versuchte im Bruderrat der EKD die Inhalte der Bekennenden Kirche lebendig zu halten. Jedoch knüpfte die neue EKD eher an die kirchliche Entwicklung vor dem Krieg als an die Erkenntnisse der Bekennenden Kirche an. Eine Entwicklung, die in die damalige kirchliche und gesellschaftliche Restauration passte.
Allerdings ist die vertiefende Wirkung, die die Bekennende Kirche nach dem Krieg auf die ökumenische Bewegung nimmt, ein Zeichen dafür, dass sie über den zeitbedingte Anlass ihres Bekennens im Nationalsozialismus hinaus einen Neuaufbruch zu einer vom alleingültigen Wort Gottes her der Welt Zeugnis gebenden Kirche war und darum von gesamtchristlicher Bedeutung ist.

Frauke Brauns, Bielefeld

 

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