STARTSEITE    ADRESSEN    INHALT  IMPRESSUM/ÜBER UNS 
 

 
 
LEXIKON
 
 

 

 

Praetorius, Anton

Der evangelische Pfarrer Anton Praetorius
Mit der Bibel gegen Folter und Hexenprozesse



In einer Zeit, in der die Hexenverfolgung ihren grausamen Höhepunkt erreichte, fand ein reformierter Pfarrer den Mut, öffentlich Folter und Hexenprozesse anzuprangern. Die Rede ist von Anton Praetorius. Vor 400 Jahren gab er 1602 das Buch "Gründlicher Bericht über Zauberey und Zauberer" heraus. Pfarrer Anton Praetorius war einer der ersten Bekämpfer der Hexenverfolgung. Zu Unrecht ist dieser mutige reformierte Prediger, der schon 30 Jahre vor dem bekannten katholischen Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld öffentlich gegen Folter und Hexenprozesse eintrat, fast in Vergessenheit geraten. Man kann ihn als Vorläufer von "amnesty international" bezeichnen. Schonungslos kritisierte er die menschenunwürdigen Prozesse und Gefängnisse seiner Zeit.
 
Berühmte Protestanten wie Martin Luther oder Johannes Calvin forderten die gerichtliche Verfolgung von Zauberern und Hexen gemäß der Aussage des Alten Testaments ´Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen` (2.Mose 22,17). Doch es gab damals auch innerhalb der Kirche kritische Stimmen und engagierte Gegner der grausamen Folter und Verbrennung der unglücklichen Frauen und Männer, die als "Hexen" beschuldigt wurden, der Teufelssekte anzugehören.
 
Anton Praetorius wurde 1560 als Sohn von Matthes Schultze in Westfalen in Lippstadt geboren. Schon als Jugendlicher erlebte er Hexenprozesse mit, die mit Folterungen und Hexenverbrennungen einhergingen. Seine Ausbildung zum Lehrer veranlasste ihn, seinen Namen in die damalige Weltsprache Latein zu setzen. Fortan nannte er sich Anton Praetorius. 1586 wurde er Rektor der Lateinschule in Kamen, dann Diakon in Worms und zweiter Pfarrer in Oppenheim. In Dittelsheim und Offenbach/Main gehörte er zur Avantgarde der reformierten Bewegung.
 
Als Hofprediger wirkte Praetorius in Birstein im heutigen Hessen. Um "die reine Verehrung Gottes" im reformierten Sinn voranzubringen, verfasste er einen Katechismus und ein Hausbuch für die christliche Familie. Auch Kirchenlieder dichtete er. Dann kam die Wende seines Lebens. Am 4. Mai 1597 wurde er vom Grafen Wolfgang Ernst von Ysenburg-Büdingen zum Mitglied des Gerichtes in Birstein gegen vier Frauen berufen, die der Hexerei angeklagt waren. Das Gericht ließ die Frauen foltern, um ein Geständnis zu erzwingen. Pfarrer Anton Praetorius, der gerade seine dritte Ehefrau durch die Pest verloren hatte, hielt nach drei Prozessen die Schreie und das sinnlose Sterben der gequälten Frauen nicht länger aus. Er war Christ, und sein Maßstab war die Bibel. Der Pfarrer wetterte derart gegen die Folter, dass der Prozess beendet und die noch lebende Gefangene freigelassen wurde. Dies ist der einzige überlieferte Fall, dass ein Geistlicher während eines Hexenprozesses die Beendigung der unmenschlichen Folter verlangte - und Erfolg hatte. Der Schreiber der gräflichen Kanzlei hielt diesen ungewöhnlichen Vorfall fest: "Weil der Pfarrer alhie heftig dawieder gewesen, als man die Weiber peinigte, also ist es diesmal deßhalben unterlassen worden."


Abbildung: Textauszug aus dem Protokoll des Hexenprozesses in Birstein

Der Graf entließ seinen Hofprediger umgehend. Praetorius hatte Glück, dass ihm nicht ein Prozess als "Hexenbuhle" (Hexenfreund) gemacht wurde. Praetorius fand in Laudenbach/ Bergstrasse in der Nähe von Heidelberg eine neue Pfarrstelle. Hier in der Kurpfalz wurden von der Obrigkeit keine Hexenprozesse durchgeführt. Dort veröffentlichte Praetorius ein Buch gegen die unchristlichen Hexenprozesse: "Gründlicher Bericht über Zauberey und Zauberer". Mit Hilfe der Bibel legte er dar, dass zunächst Männer als "Zauberer" bezeichnet wurden und erst später Frauen. Er widerlegte von der Heiligen Schrift und von der Vernunft her alle Vorwürfe gegen Zauberei (= Hexerei). Heftig forderte er mit Argumenten aus der Bibel, dass das Vergebungshandeln Christi auch für Angeklagte in Hexenprozessen gelten müsse und verlangte, mit der ungesetzliche Anwendung der Folter aufzuhören.
 
Schonungslos attackierte er in seiner schlichten, bibelfesten Frömmigkeit Hexenrichter und ihre Obrigkeiten: "Oder denket ihr Menschenkinder, die ihr richtet, daß ihr dem Urteil Gottes entrinnen werdet? - O nein, o nein, liebe Herren, das wird euch nicht durchgehen..." "O Ihr Richter, was macht Ihr doch? dass Ihr schuldig seid an dem schrecklichen Tod Eurer Gefangenen? Ihr seid Totschläger!"
Die Fürsten bekommen zu hören: "Liebe Herren, wie lange soll die Ehre Gottes unter euch also geschändet werden?"

 

Abbildung: Titelseite des Berichtes über Zauberey von Anton Praetorius, 1602

Er beschrieb die unmenschlichen Haftbedingungen und Foltermethoden, die zum Teil heute noch in vielen Ländern der Welt angewendet werden. Deswegen ist er als Vorläufer von amnesty international bezeichnet worden. "Peinliches Verhör und Folter sind schändlich und tyrannisch, weil sie vieler und grosser Lügen Mutter ist, weil sie so oft den Menschen am Leib beschädigt und sie umkommen: heute gefoltert, morgen tot." Nachdem sein Buch gegen Hexenprozesse 1598 zunächst unter einem Pseudonym erschienen war, veröffentlichte Praetorius es 1602 und 1613 unter seinem eigenen Namen. Am 6.12.1613 starb er in Laudenbach.

Gerade der evangelische Pfarrer Anton Praetorius verdient ein besonderes Gedenken, wie Zitate aus der Literatur zeigen:

" Unter den verdienstvollen Männern, die im 16. und 17. Jahrhundert der damals in Deutschland so schrecklich wütenden Hexenverfolgung mutig entgegentraten, gebührt eine Ehrenstelle dem wackeren Anton Praetorius."
(Paulus, Nikolaus: Hexenwahn und Hexenprozess vornehmlich im 16. Jahrhundert, Freiburg im Breisgau 1910, 183 ff); zitiert von Dr. Otto Schnettler in: Heimatblätter, Organ des Heimatbundes für den Kreis Lippstadt, 20.7.1927

" Diese Schrift gehört zu den wenigen, welche dem 17.Jahrhundert zur Ehre gereichen."
" Da dieser edle Menschenfreund sehr wenig bekannt ist, so dürfte es angebracht sein, die Erinnerung an seine ziemlich vergessenen Verdienste wieder aufzurichten."
(Janssen, Johannes, Pastor Ludwig: Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters. Bd. VIII, Freiburg 1924, S.629f)

" Es würde "selbstverständlich der Stadt Alzey gleichermaßen zur Ehre gereichen, wenn sie eine solche Persönlichkeit als Alzeyer Bürger und Pfarrer zu ihrem historischen Erbbestand zählen dürfte." "Der Name der Stadt würde zudem auch mit einem der engagiertesten und exponiertesten publizistischen Gegner der Hexenverfolgungen in Verbindung gebracht werden dürfen." "Anton Praetorius als Verfechter der Menschenrechte in Zeiten des Hexenwahns... begründet in christlicher Barmherzigkeit und Nächstenliebe, gegen alle Formen staatlich- religiösen Terrors mit den Mitteln der Folter und Haft".
(Karneth, Rainer: Stadtarchivar von Alzey, "Hexen, Hexenverfolgung und ein vermeintlicher Alzeyer Kritiker: Antonius Praetorius", Alzeyer Geschichtsblätter 30 (1997), S.63f)

Im Lauf der Jahrhunderte ist sein Wirken in Vergessenheit geraten. Obwohl er es in seinem Leben nicht leicht gehabt hatte, hat Praetorius das bewiesen, was wir heute immer wieder fordern sollten: Glauben und Zivilcourage.

Hartmut Hegeler, Sedanstr. 37, 59427 Unna, Tel. 02303 53051.

Literaturhinweis: Hegeler: Anton Praetorius. Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter, Unna Eigenverlag 2002; Hartmut.Hegeler@web.de
ISBN 3000 9225-0
Internet: http://www.anton-praetorius.de

 

 AKTUELL   WELTWEIT   RWB   BIBLIOTHEK   WEITERBILDUNG   LEXIKON   
 
nach oben

Copyright © 2011 reformiert online
Reformierter Bund in Deutschland
Knochenhauerstr. 42, 30159 Hannover, Deutschland
Telefon: +49 (0) 511 473 99 374
Internet: http://www.reformiert-online.net
Email: info@reformierter-bund.de
nach oben