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4. Grafschaft Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg
Die Grafschaft Tecklenburg wird 1541 unter Konrad von Tecklenburg lutherisch.
Nach dessen Tod fällt die Grafschaft Tecklenburg 1557 an das Haus
Bentheim, das auch die Grafschaft Steinfurt besitzt, wo die lutherische
Reformation 1544 eingeführt worden war.
Als der evangelische Graf Arnold 1553 stirbt, wird sein Nachfolger sein
kirchlich eher distanzierter Sohn Everwin III.. Er stirbt schon 26-jährig
1562. An Stelle seines Sohnes Arnold übernimmt seine Frau Gräfin
Anna von Tecklenburg für ihren Sohn die Regentschaft; Gräfin
Anna ist lutherisch. Arnold heiratet 1573 die reformierte Magdalena von
Neuenahr und übernimmt 1577 die Herrschaft in Bentheim und Tecklenburg.
Spätestens 1576 (wahrscheinlich aber schon 1573) kann die junge
gräfliche Familie als reformiert gelten. Auch in anderen Orten der
Grafschaft Bentheim ist die reformierte evangelische Prägung zu
erkennen. Im Herbst 1587 lädt Graf Arnold II. reformierte Prediger
aus der Grafschaft und einige andere nach Tecklenburg ein, um eine neue
reformierte Kirchenordnung (nach dem Vorbild der reformierten Kirchenordnung
aus Moers / Niederrhein) zu beraten. Diese wird beschlossen und 1588
offiziell in Tecklenburg und in der Grafschaft Bentheim eingeführt,
ab 1591 gilt sie auch für Steinfurt. Sie beinhaltet u.a. die Abschaffung
der Bilder und Altäre aus den Kirchen, die Abschaffung der Nottaufe
und die Verwendung von Weißbrot statt Oblaten beim Abendmahl. Das
Abendmahl wird künftig an Tischen gehalten. In den folgenden Jahren
sind die Altäre in den Kirchen nach und nach entfernt worden. Ab
1588 setzt sich also in Bentheim und Tecklenburg ein allmählicher
Wechsel von der lutherischen hin zur reformierten Richtung durch. Zum
Teil wartet man einige Zeit ab, um die Gemeinden besser auf die Änderungen
vorzubereiten, abgeschlossen ist der Konfessionswechsel etwa 1598. Ebenfalls
1588 gründet Arnold II. in Schüttorf eine Lateinschule, die
er 1591 nach Steinfurt verlegt und dann zur Hohen Schule mit juristischer,
theologischer, philosophischer und (ab 1607) medizinischer Fakultät
ausbaut. An ihr wirken u.a. Conrad Vorstius, Johannes Althusius und Johann
Heinrich Heidegger.
Nach dem Tode Arnolds II. 1606 wird dessen Sohn Arnold Jobst Bentheimer
Graf. Er führt 1613 den Oberkirchenrat als geistliche Aufsichtsbehörde
ein, der ihm direkt unterstellt ist. Der Oberkirchenrat besteht aus dem
(vorsitzenden) Theologen, einem Juristen und zwei Verwaltungsbeamten.
Im gleichen Jahr wird mit den "Zwölf Artikeln" ein eigenes
kurzes Bekenntnis der reformierten Bentheimer Kirche erstellt, das knapp
die orthodoxe reformierte Lehre zusammenfaßt.
Aus dem Bentheimer Bekenntnis von 1613
VIII. Die Wirksamkeit des Verdienstes Christi
Ob du glaubst, daß außer Christus kein Heil zu haben
und festzuhalten ist; ebenso wie die Väter im Alten Testament
nicht weniger durch den Glauben an den kommenden Christus damals
gerechtfertigt und gerettet wurden, so werden auch wir im Neuen
Testament durch den Glauben an den dargebrachten Christus jetzt
gerechtfertigt und gerettet.
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Fragen zur Weiterarbeit
1. Wird das Alte Testament gegenüber dem Neuen Testament
abgewertet oder negativ gesehen?
2. Gibt es Heil nur für die Christen?
3. In welcher Beziehung steht Christus zum Alten Testament?
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Im Jahre 1668 tritt Graf Ernst Wilhelm, Sohn und Nachfolger Arnold Jobsts,
zum römischen Katholizismus über, nachdem er immer mehr vom
Münsteraner Bischof Bernhard von Galen beeinflußt worden war.
Daraufhin gerät die Kirche in der Grafschaft in eine schwere Krise,
weil heftige gegenreformatorische Bemühungen einsetzen (u.a. Ersetzung
des Hofpredigers, Vertreibung von Pastoren, Vorenthaltung von Geldern).
Erst aufgrund von Verhandlungen im Zusammenhang mit der Erbfolge nach
dem Tode Ernst Wilhelms 1693 kommt es zu einer Revision: 1701 wird die
Grafschaft Bentheim wieder reformiert. Der Landesherr Moritz Wilhelm,
ein Neffe Ernst Wilhelms, bleibt aber römisch-katholisch, so daß die
reformierte Kirche eine römisch-katholische Obrigkeit hat.
Schon 1709 wird eine neue "Bentheimer Kirchenordnung" erlassen
(Vorbild ist die Kirchenordnung der Grafschaft Lingen von 1678), die
bis ins Jahr 1971 offiziell Bestand hat. In ihr werden Hinweise zur Lehre
und zum Leben der Gemeinden beschrieben. Davon haben der vorgeschriebene
Hausbesuch zum Teil bis in die Gegenwart und der Katechismusgottesdienst
bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein Bestand
gehabt.
Die reformierten Gemeinden in der Grafschaft Bentheim bilden heute einen
Synodalverband innerhalb der "Evangelisch-reformierten Kirche. Synode
ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland".
Im 19. Jahrhundert entstanden vor allem als Gegenbewegung zur (von holländischen
Theologen geprägten) rationalistischen Theologie in der Grafschaft
Bentheim eigene freie reformierte Gemeinden, die sich die "Abgeschiedenen" oder
auch "Altreformierte" nennen (in den Niederlanden gibt es eine
umfangreicher stattfindende Parallelentwicklung). 1838 wird deren erste
Gemeinde in Uelsen gegründet, weitere entstehen. Diese Entwicklung
führt zu heftigen Spannungen, Auseinandersetzungen und Problemen,
die sich erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts auflösen, weil sich
die Kirchen aufeinander zubewegen. Die aus insgesamt 14 Gemeinden bestehende "Evangelisch-altreformierte
Kirche" hat ihren zahlenmäßigen Schwerpunkt in der Grafschaft
Bentheim, wo acht Gemeinden existieren. Fünf altreformierte Gemeinden
gibt es in Ostfriesland und eine in Wuppertal.
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