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      Lektion 9: Die Deuteropaulinen 
      Nicht 
        von Paulus und doch von Paulus? 
        Der zweite Thessalonicherbrief 
        Der Kolosserbrief  
        Der Epheserbrief  
        Die Pastoralbriefe  
        Exkurs: Gnosis 
       
        
       Der Epheserbrief 
       Verfasserfrage, Zeit und Ort: 
       Der Epheserbrief gibt sich als ein Schreiben des Apostels 
        Paulus aus, stammt aber wahrscheinlich nicht von ihm. Schon der spätneutestamentliche 
        Wortschatz und die außergewöhnlich langen Satzgebilde mit Häufung 
        substantivischer Kettenbildungen sprechen gegen Paulus als Verfasser, 
        vor allem aber theologische Abweichungen: Es finden sich nur mehr schwache 
        Anklänge an die Rechtfertigungslehre von Röm 3, vor allem aber 
        an die Gesetzesthematik, die Kreuzestheologie tritt zurück zugunsten 
        einer Theologie, die um Auferweckung, Erhöhung und himmlische Inthronisation 
        Christi kreist; in der Eschatologie treten zeitliche zugunsten räumlicher 
        Kategorien zurück, die „Kirche“ wird nur mehr als Gesamtkirche 
        thematisiert, nicht mehr als Einzelgemeinde; das Bild des „Leibes 
        Christi“ verliert seine paulinische paränetische Funktion. 
        Vor allem wird nunmehr das Apostolat des Paulus selbst als Fundament verstanden 
        (Eph 2,20; anders 1 Kor 3,11); vergessen ist die Auseinandersetzung des 
        Paulus um seine Anerkennung als Apostel in Gal 2,1-10; seine Position 
        ist bereits ein kirchengeschichtliches, theologisch bedeutsames Faktum. 
        Datiert wird der Brief zumeist auf die Jahre um 80-90 n. Chr. Der Ort 
        der Entstehung ist unbekannt. 
       Literarkritische Fragen: 
       Der Brief wird literarkritisch (mit Ausnahme von möglichen 
        Glossen in Eph 2,5.8.9) als Einheit beurteilt. Er ist vermutlich in partieller 
        Abhängigkeit vom Kolosserbrief entstanden. Vgl. Eph 1,7 mit Kol 1,14; 
        Eph 1,13 mit Kol 1,5; Eph 1,15 mit Kol 1,4; Eph 1,19f. mit Kol 2,12, Eph 
        3,1-13 mit Kol. 1,23-28, Eph 4,16 mit Kol 2,19, Eph 6,21f. mit Kol 4,7. 
        Auch die „Haustafel“ Eph 5,22-6,9 setzt Kol 3,18-4,1 voraus. 
        Doch gibt es auch wichtige Elemente des Kolosserbriefes, die der Epheserbrief 
        nicht enthält, u.a. das Motiv aus Kol 1,24, daß die Leiden 
        des Apostels ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt, sodann 
        die Auseinandersetzung um die sog. kolossische Philosophie (Einzelne Elemente 
        in Eph 1,19f.; 2,1 zeigen jedoch, daß der Verfasser des Epheserbriefes 
        auch dieses Stück des Kolosserbriefes kannte) sowie die an Gal 3,28 
        erinnernde Liste Kol 3,11. Ferner tritt gegenüber dem Kolosserbrief 
        die Missionsterminologie zurück; Mission und Kirche treten auseinander. 
        Literatur zur Weiterarbeit: F. Hahn, Das Verständnis der Mission 
        im Neuen Testament, WMANT 13, Neukirchen 1963, 2. Aufl. 1965. 
        Wahrscheinlich waren dem Verfasser des Epheserbriefes auch einige echte 
        Paulusbriefe bekannt (1 Kor, möglicherweise auch 2 Kor und Röm). 
        Über andere hinter einzelnen Textstücken (z.B. hinter Eph 1,3-14; 
        1,20-23; 2,14-16) vermutete Vorlagen hat sich kein Konsens gebildet. 
       Religionsgeschichtliche Fragen:  
       Vor allem Christologie und Ekklesiologie und ihre Begrifflichkeit 
        wurden nicht selten auf gnostischem Hintergrund gedeutet. Begriffe wie 
        pleroma (Eph 3,19; 4,13; in Eph 1,23 für die Kirche gebraucht) u.a. 
        laden dazu ein, ebenso die Vorstellung des Leibes Christi als himmlischer 
        Bau oder die präsentische Eschatologie (Eph 1,20-23; 2,6.8; 5,14). 
        Zu beachten sind aber ebenso Parallelen aus dem hellenistischen Judentum 
        (zu den kosmologischen Aussagen vgl. die bei U. Schnelle, Einleitung, 
        359 genannten Parallelen aus Philo) und aus Qumran (vgl. hier vor allem 
        zu Eph 2,19-22), wie die Aufnahme einzelner Motive aus den Paulusbriefen 
        sowie aus dem Kolosserbrief. 
       Grobgliederung 
       1,1f. Präskript 
        1,3-14 Eulogie 
        1,15-23 Danksagung 
        2,1-3,21 Die Heilswirklichkeit 
        4,1-6,20 Die in der Heilswirklichkeit gründende Ermahnung 
        6,21-24 Mitteilungen und Schlußgrüße 
        
      
  
 
       
      
      Feingliederung 
       1,1f. Präskript 
         Textkritisch umstritten ist, ob das Präskript die Angabe 
        „in Ephesus“ enthalten hat. Die Angabe fehlt in wichtigen 
        alten Zeugen; Marcion bzw. seine Überlieferung kennt den Brief als 
        Brief an die Laodicener (vgl. Kol 4,16 - diese Stelle hat später 
        tatsächlich zu einem vom Epheserbrief unterschiedenen Laodicenerbrief 
        geführt). Vielleicht war der Brief tatsächlich ein Schreiben 
        an mehrere Gemeinden, die sich in paulinischer Tradition stehend wußten, 
        aber nicht an eine Einzelgemeinde. Von daher wäre auch erklärbar, 
        daß ein unmittelbarer Situationsbezug (abgesehen von 2,11-22) kaum 
        sichtbar wird. 
        Das Präskript ist kurz gehalten, intoniert aber schon Wesentliches: 
        Paulus ist Apostel nach dem Willen Gottes; seiner Verkündigung des 
        Heilsmysteriums (vgl. Eph 3,1-13) kommt von daher Autorität zu; die 
        Adressaten werden als „Heilige“ angesprochen (vgl. 1 Kor 1,2; 
        Eph 2,21), was einen Gott wohlgefälligen Lebenswandel nach sich ziehen 
        soll (Eph 5,3). Als Absender fungiert Paulus allein (wie später in 
        den Pastoralbriefen), nicht mehr wie in Kol 1,1 zusätzlich Timotheus. 
         
        1,3-14 Eulogie 
         Die Eulogie, traditionell Lobpreis Gottes für eigenes Erleben, 
        benennt zentrale theologische Motive des Briefes: Erwählung schon 
        vor Anbeginn der Welt zur Heiligkeit (1,4; vgl. Eph 2,21; 5,3), Vorherbestimmung 
        zur Sohnschaft um Christi willen, Vergebung unserer Sünden (1,7, 
        vgl. Eph 2,1-7), Erkenntnis seines Mysteriums (1,9, vgl. Eph 3,1-7) und 
        seiner Macht der Selbstdurchsetzung (1,10, vgl. Eph 1,20-22), gottgewollte 
        Zweckbestimmung der Gemeinde, ihn zu verherrlichen (1,11f.; vgl. für 
        die Engel in Qumran 4Q400-403). Schließlich wird den Angeredeten 
        gesagt, daß in ihrer Hinwendung zum Christentum Gottes erlösende 
        Heilsmacht auch an ihnen wirksam geworden ist (1,13f.). 
         
         1,15-23 Danksagung und Fürbitte 
         Die Danksagung und Fürbitte, traditionell der Versuch, 
        die Empfänger durch Lob und Bitte für das Anliegen des Briefschreibers 
        empfänglich zu machen, gibt der Hoffnung Ausdruck, daß auch 
        die Angeredeten ihr Sein als Christen unter den in der vorangegangenen 
        Eulogie explizierten Kategorien begreifen, daß es ihnen von Gott 
        gegeben werde, zu erkennen, was die Hoffnung ist, die aus dem Ruf Gottes 
        entspringt, was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes unter den Heiligen 
        ist, woran sie jetzt schon partizipieren (vgl. Eph 2,4-7), nämlich 
        der ungehinderte Zugang zum Vater (Eph 2,18) und die Erbschaft im Reich 
        Christi und Gottes (Eph 5,5), und was die Kraft Gottes an ihnen und gegenüber 
        den Mächten der Welt ist, nämlich die Macht zur Durchsetzung 
        seines Willens, sich seine Gemeinde zu schaffen und Christus über 
        die Weltmächte zu erhöhen (Eph 1,22, vgl. schon Eph 1,10). Er 
        ist das Haupt der Kirche, sie ist sein Leib. 
        Das Weltbild des Epheserbriefes kennt nicht die übliche Dreiergliederung 
        Himmel - Erde - Unterwelt, sondern eine Gliederung Oberer Himmel als Raum 
        Gottes - unterer Luftraum als Raum der widergöttlichen Mächte 
        - Erde als Ort des von diesen Mächten angegriffenen Menschen (- Unterwelt?). 
        Die Ansiedlung der widergöttlichen Mächte in den unteren Luftraum 
        soll wohl ihre Gefährlichkeit für den Menschen demonstrieren, 
        während von dem Hades als dem Ort der gespenster- und schattenhaften 
        Seelen keine wirkliche Gefahr für den Menschen auf der Erde ausgeht. 
         
         2,1-10 Der Heilsstand der Epheser ist durch Gottes Gnade gegründet 
         
         Der Heilsstand der Epheser wird zunächst hinsichtlich der 
        Bedeutsamkeit der Lebenswende für den einzelnen beschrieben. Die 
        Gegenüberstellung von einst und jetzt erinnert die Leser an ihre 
        Taufe (Erwachsenentaufe!). Das bisherige Sein der Angeredeten im Heidentum 
        wird als Sein unter der Herrschaft der widergöttlichen Mächte 
        des unteren Luftraumes vorgestellt (2,2), die in der Herrschaft der Begierden 
        über den Menschen konkret erfahrbar wird (daß der Mensch sich 
        von den Begierden beherrschen läßt, war allerdings auch nach 
        griechisch-philosophischer Anschauung verpönt).  
        Der eschatologische Vorbehalt von Röm 6,8 scheint in Eph 2,5f. reduziert. 
        V. 6 sagt bereits für die Gegenwart die Auferweckung mit Christus 
        zu (vgl. Kol 3,1). Die Deutung von Eph 2,7 ist umstritten. 
        Die Heilsverwirklichung an uns zielt auf unseren Wandel in guten Werken 
        (2,10, vgl. dann 4,1; 5,2.15, als Abgrenzung von den heidnischen Werken 
        Eph 4,17), die Gott zuvor bereitet, d.h. zu deren Verwirklichung er uns 
        mit dem Heiligen Geist ausgerüstet hat. 
         
         2,11-22 Die neue Gemeinschaft 
         Die Vergangenheit der Adressaten kommt hinsichtlich des Abstandes 
        der Heiden zu der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel in den Blick. 
        Dieser positive Verweis auf Gottes Geschichte mit Israel kann sich dem 
        Anliegen verdanken, jeglicher Form der Überheblichkeit der Heidenchristen 
        gegenüber den Judenchristen den Boden zu entziehen. 
        Gottes Heilstat in Christi Kreuzestod beseitigt den genannten Abstand; 
        Ergebnis ist die eine Kirche aus Juden- und Heidenchristen. Die Deutung 
        der niedergerissenen Scheidewand ist strittig: Diskutiert werden u.a. 
        die Schranke zwischen Himmel und Erde (Lindemann für die s.E. hinter 
        Eph 2,14-16 stehende Vorlage, unter Verweis auf gnostische Parallelen), 
        aber auch die Thora als Schranke zwischen Juden und Heiden (so die meisten). 
         
        Der unterschiedslos gleiche Zugang zum Vater (V. 18) wird in V. 19 in 
        einem auch für Heiden eingängigen Bild beschrieben: Fremde und 
        Beisassen hatten nicht das volle Bürgerrecht in dem jeweiligen Gemeinwesen. 
        Die Apostel und die (wohl christlichen, nicht alttestamentlichen) Propheten 
        sind Fundament (Eph 2,20); ihre Verkündigung wird zur Norm auch für 
        spätere Generationen, auch für die eigene Zeit, auch für 
        die Verkündigung des Verfassers des Epheserbriefes. Das Bild des 
        Ecksteins, des wichtigsten Steines im Fundament, stammt wohl aus Jes 28,16. 
        Parallelen zu der Vorstellung, die Gemeinde sei der eschatologische Tempel, 
        finden sich vornehmlich in Qumran: 1QH 8,4-10 (dort auch die Bilder vom 
        Eckstein und von den Fundamenten); 1QS 9,5bf.. Die Bilder vom Bauen und 
        Wachsen durchdringen sich gegenseitig auch in 1 Kor 3,9-15.16f.; 1 Pt 
        2,1-10.  
         
         3,1-13 Das Mysterium 
         Der Text nimmt paulinische Selbstaussagen teilweise variierend 
        auf (zum Motiv der Offenbarung vgl. Gal 1,15; zum Motiv des Dienstes des 
        Paulus an den Heiden vgl. Gal 1,16; Röm 15,16; zum Motiv des Geringsten 
        unter den Heiligen vgl. 1 Kor 15,9) und begreift das Wirken des Apostels 
        als Teil göttlichen Handelns, durch das Revelationsschema (vgl. Kol 
        1,26-28; Röm 16,25f.; vgl. daneben 1 Kor 2,6-10, 2 Tim 1,9f.; Tit 
        1,2f.; 1 Pt 1,20) in Worte gefaßt: Vor Grundlegung der Welt hat 
        Gott beschlossen, ab einem bestimmten Zeitpunkt in Christus Jesus durch 
        die Verkündigung des Evangeliums auch die Heiden in das Heil einzubeziehen; 
        dieses Geheimnis, früheren Generationen verborgen, wird nunmehr offenbart 
        und auch den Adressaten der jeweiligen Schrift kundgemacht. Vom Geheimnis 
        (vgl. Dan 2,19.44; äthHen 13,8; 4 Esr 14,3.5) sprach auch Paulus: 
        Das Geheimnis ist in Röm 11 die endliche Errettung Israels, in Eph 
        2 der Einbezug der Heidenchristen. Warum der Verfasser des Epheserbriefes 
        nicht auf Jes 42,6; 49,6 o,ä. rekurriert (vgl. Lk 2,32 u.ö.), 
        mag man fragen. 
        Durch die Kirche erfahren auch die widergöttlichen Mächte und 
        Gewalten von der Weisheit Gottes; sie verlieren ihre Herrschaft über 
        die Heiden, die zu Christus finden. 
         
         3,14-23 Fürbittgebet des Verfassers 
         Zur Metapher vom Inneren Menschen vgl. Röm 7,22. Das Bild 
        der Einwohnung Christi in den Herzen der Menschen bezeichnet das völlige 
        Bestimmtsein ihres Handelns durch die Heilswirklichkeit. 
        Die Wendung „Breite und Länge und Höhe und Tiefe“ 
        (V. 18) greift eine wohl kosmologische Formel aus, die sich auf die Ausdehnung 
        des Weltalls bezieht und u.a. in Zaubertexten begegnet; sie soll hier 
        die Erkenntnis der in Christus geschenkten Heilswirklichkeit bezeichnen. 
         
        Die Gewißheit der Gebetserhörung (V. 20) leitet die Doxologie 
        am Ende des Gebetes ein (V. 21). Die Doppelung „in der Kirche und 
        in Christus Jesus“ hat schon den alten Abschreibern Kopfzerbrechen 
        bereitet. Vielleicht liegt lediglich eine Häufung liturgischer Formeln 
        vor. 
         
         4,1-6,20 Die in der Heilswirklichkeit gründende Ermahnung 
         
        4 ,1-6 Die geforderte Einheit der Gemeinde 
         Zum Thema „Wandel, welcher der Berufung würdig ist“, 
        vgl. schon 1 Thess 2,12; zum Stichwort „Berufung“ vgl. Eph 
        1,18 sowie ausführlich Eph 2,1-22. So sind die Aussagen von Eph 4,1-6,20 
        in den Aussagen über das Heilshandeln Gottes (und in den Gebeten) 
        verankert. Allein die durch gemeinschaftsförderndes Verhalten wie 
        Demut, Geduld, Liebe etc. zu wahrende Einheit der Gemeinde entspricht 
        ihrer vorgegebenen Einheit des Geistes, der Einheit Gottes, des Glaubens, 
        der Taufe. Die Forderung der Demut ist uns als christliche Tugend selbstverständlich; 
        in der Pagangräzität konnte man diese vornehmlich an Sklaven 
        gerichtete Forderung (Euripides, Andr 164f.; Aristoteles, Pol 1295b) als 
        Zumutung empfinden. 
         
         4,7-16 Die Funktion der Ämter in der Kirche, bezogen auf 
        das Globalziel kirchlichen Lebens 
         Ps 68,29 paßt dem Verfasser des Epheserbriefes als Schriftzitat, 
        weil es die Erhöhung Christi (vgl. Eph 1,20) und die Mitteilung der 
        Gaben (Eph 4,11) in sich bereits verbunden hat. Eph 4,10 wird in der neueren 
        Forschung nicht mehr auf das Motiv der Höllenfahrt Christi gedeutet 
        (zu dem Motiv vgl. 1 Pt 3,18f.), sondern meint die Erniedrigung Christi 
        während seines Erdenweges. Nach diesem Exkurs konkretisiert der Verfasser 
        die in Eph 4,7 angesprochene Mitteilung der Gaben. Im Vergleich zu Paulus 
        ist eine Konzentration auf die wortbezogenen Ämter sichtbar, vielleicht 
        im Hinblick auf die in Eph 4,14 angesprochene Problematik zu begründen. 
        Diese Ämter sind von Christus der Kirche gegeben, und ihnen eignet 
        insofern göttliche Dignität, sie haben aber ihr Daseinsrecht 
        nur im Bezug auf den Dienst an den Heiligen: damit sie „zugerüstet 
        würden zum Werk des Dienstes, zur Erbauung des Leibes Christi“. 
        Ein funktionales Amtsverständnis ist auch für Eph 4,7-12 prägend. 
        Als Gesamtziel der Kirche gilt in Eph 4,13-16 das Wachsen hin auf Christus. 
        Der bilderreiche Abschnitt wird in V. 13f. konkret: Die Problematik geistlicher 
        Unreife, d.h. mangelnder Urteilsfähigkeit ist angedeutet, ebenso 
        die Gefahr einer Verwirrung durch falsche Lehren; konkrete antihäretische 
        Polemik fehlt allerdings, anders als in Kol 2,8-23. Das Wachstum jedes 
        einzelnen ist wohl als Fortschreiten in der die Fragen praktischer Lebensführung 
        einschließenden (!; vgl. Eph 4,17-6,17) Erkenntnis zu denken.  
         
         4,17-24 Der alte und der neue Mensch 
         In Eph 4,17-19 wird der geforderte christliche generell vom 
        heidnischen Lebenswandel abgegrenzt (vgl. 1 Thess 4,1-8): Vergeblichkeit 
        des Sinnes, Verfinsterung der Gedanken, Unkenntnis Gottes, Ausschweifung 
        und Unreinheit sind dessen Hauptkennzeichen. Daß der Mensch auch 
        durch heidnische Philosophen in ähnlicher Weise vor einer verkehrten 
        Lebenshaltung gewarnt wird, bleibt außer Betracht. Insofern ist 
        der Stil dieser Verse für uns heute nicht nachzuahmen. 
        Eph 4,20-24 zeigt die gewichtige ethische Komponente in der „Belehrung 
        über Christus“, sei es in der (organisatorisch für uns 
        nicht näher faßbaren) Unterweisung der Taufbewerber, sei es 
        in der Annahme der Missionspredigt. Die Forderung den alten Menschen aus- 
        und den neuen anzuziehen, ist von Kol 3,9f. übernommen. Jesus ist 
        weniger als Vorbild, wohl aber als begründende Norm angesehen. Die 
        Einweisung in die christliche, dem Heidentum entgegengesetzte Lebensführung 
        wird nicht als allgemeine, sondern als christlich begründete Ethik 
        begriffen. Die Ebenbildlichkeit des Menschen fungiert nicht als Voraussetzung 
        des Menschseins schlechthin, sondern als dessen nur im Bereich der Kirche 
        Christi zu erfüllende Zielvorgabe. 
         
         4,25-5,20 einzelne Mahnungen 
         Die Anordnung ist im Groben gesehen gegenüber Kol 3,5-15 
        umgestellt: Standen dort die negativen Beispiele voran, so hier die Mahnungen 
        zum rechten Verhalten gegeneinander (Eph 4,25-32).  
        Die Schriftzitate in Eph 4,25.26 sind gegenüber Kol 3,8f. neu. In 
        Eph 4,32 gilt Gottes Heilstat in Christus als Vorbild (vgl. schon Kol 
        3,13b), ähnlich im folgenden Text Eph 5,1f. Zu Eph 5,5 vgl. 1 Kor 
        6,9-11. Die Gleichsetzung Heidentum = Torheit (Eph 5,15; vgl. Eph 4,17-19) 
        galt schon im frühen Judentum (EpArist 139-142) und bei Paulus (1 
        Thess 4,3f.; Röm 1,18-32). Daß die Christen, einer geistigen 
        Elite vergleichbar, als Weise wandeln, ist hier noch Forderung an die 
        Christen (Eph 5,15), noch nicht Selbstaussage gegenüber den Heiden 
        (Diogn 6,1). 
         
        5,21-6,9 die sog. Haustafel 
         
        5,21-33 Mahnung an die Frauen und die Männer 
         
        5,21-24 Die Unterordnung der Frau 
         Eph 5,23f. sind Zusatz gegenüber Kol 3,18 und vergleichen 
        unter modifizierendem Rückgriff auf 1 Kor 11,3 die Unterordnung der 
        Frau unter den Mann mit der Unterordnung der Kirche unter Christus. 
         
         5,25-33 Die liebende Selbsthingabe des Mannes 
         Begnügt sich Kol 3,19 mit der Forderung der agape des Mannes 
        gegenüber seiner Frau, so veranlaßt dieses Stichwort den Verfasser 
        des Epheserbriefes zu einer weit ausgreifenden Begründung dieser 
        Forderung in dem Vorbild der Selbstaufopferung Christi. V. 26f. gibt die 
        Zweckbestimmung seines Handelns an: die Heiligung der Gemeinde, wodurch 
        sie allererst liebenswert wird, wie eine strahlend reine und schöne 
        Braut. Die geforderte Liebe des Mannes ist somit die ganz auf das Heil 
        und das Wohl der Frau bedachte Hingabe. In V. 28a ist der Schluß 
        Sinnbild für das Höchstmaß der vom Mann geforderten Liebe. 
        28b ist, wie aus 29b hervorgeht, nicht nur reine Nützlichkeitserwägung. 
        In V. 29 ist der Begriff „Fleisch“ schon im Hinblick auf das 
        Genesis-Zitat gewählt und steht hier für „sich selbst“. 
        V. 30: Christliche Eheleute sind auch als Eheleute in den Heilsbereich 
        einbezogen. Das Bestimmtsein durch die Heilstat Christi ergibt Konsequenzen 
        bis in die Eheführung hinein. Gen 2,24 ist auf das Verhältnis 
        Christus – Kirche anwendbar, weil die Ehe das Verhältnis Christus 
        - Kirche abbildlich darstellt, das als Urbild und Vorbild einer vollkommenen 
        Ehe begriffen wird.  
         
         6,1f. Mahnung an die Kinder 
         Die Mahnung wird (neu gegenüber Kol 3,20) mit dem einschlägigen 
        Gebot aus dem Dekalog begründet.  
         
         6,4 Mahnung an die Väter 
         Die Mahnung ist nicht nur im Christentum verbreitet, vgl. Plutarch, 
        de liberis educandis 12. 
         
         6,5-8 Mahnung an die Sklaven  
         Neu gegenüber Kol 3,1 ist der unmittelbare Vergleich: der 
        Sklave soll dem seinem irdischen Herrn wie Christus gehorchen. 
         
         6,9 Mahnung an die Herren 
         Die Mahnung wird zweifach begründet: 1. Der eigentliche 
        Herr über die Sklaven, aber auch über die irdischen Herren ist 
        Gott im Himmel; 2. (im jetzigen Kontext neu gegenüber Kol 4,1, von 
        Kol 3,25 übernommen) vor ihm gibt es kein Ansehen der Person. 
         
         6,10-17 Warnung davor, die Gefahr der Versuchung zu unterschätzen 
         Die Wahl der militärischen Metaphorik sowie die Mythifizierung 
        der Gegner in Eph 6,12 (vgl. schon Eph 2,2) soll die Gefährlichkeit 
        des Kampfes für den Christen dartun.  
         
        6,18-20 Mahnung zum Gebet und zur Fürbitte für „Paulus“ 
         
        6,21f. Die Sendung des Tychikus 
         
        6,23f. Schlußgruß  
       Theologische Grundgedanken des Epheserbriefes: 
       Der Epheserbrief will den Adressaten die Großartigkeit 
        und existenzbestimmende Bedeutsamkeit ihres Heilsstandes vor Augen führen 
        und sie zu einem ihrer Berufung entsprechenden Verhalten ermahnen (Eph 
        1,18f.; 3,17-19). Die theologischen Grundgedanken des Epheserbriefes sollen 
        angesichts der Bedeutung des Themas „Kirche“ in dem Dreischritt 
        Soteriologie – Eschatologie – Ethik zusammengefasst werden. 
       Soteriologie 
       Heil heißt, zum Gott der Christen zu finden. 
        Was dem einzelnen Heidenchristen als individuelle Lebenswende vor Augen 
        steht, deutet ihm der Epheserbrief als Einbezogensein in einen Plan Gottes, 
        der eben diese Einbeziehung schon von Anbeginn der Welt an vorsah, der 
        aber früheren Generationen unbekannt blieb und erst jetzt durch die 
        Apostel und christlichen Propheten verkündigt wurde (Eph 3,1-6). 
        Gnade ist es, daß dem Menschen eine Abkehr von der heidnischen Unreinheit 
        überhaupt möglich ist. 
       Ekklesiologie 
       Unter Voraussetzung der Adresse „in Ephesus“ 
        hatte schon Hieronymus (PL 26, 470 C – 472 A) auf die machtvolle 
        Allgegenwart heidnischer Religiosität in der Metropole der Provinz 
        Asia als Hintergrund für den Epheserbrief verwiesen. Die Aussagen 
        des Epheserbriefes, die Kirche betreffend, wirken dann noch überschwänglicher, 
        wenn man sich vor Augen hält, daß sich die Christen nicht in 
        prächtigen Kirchenbauten, sondern nur in dem kleinen bis mittelgroßen 
        triclinium eines antiken Hauses versammeln konnten <Abbildung eines 
        entsprechenden tricliniums von Ephesus>.  
        Während Paulus den Begriff ekklesia sowohl auf die eine „Kirche 
        Gottes“ (Gal 1,13; 1 Kor 15,9) als auch auf die einzelnen „Kirchen“ 
        in Galatien (Gal 1,2), in der Provinz Asia (1Kor 16,19) und in Makedonien 
        (2 Kor 8,1) anwandte, bezeichnet der Begriff im Epheserbrief nie eine 
        einzelne Gemeinde, sondern stets die weltweite Kirche (Eph 1,22; 3,10.21; 
        5,23-33). Sie ist der Leib Christi (Eph 1,23; 4,12.15f.; 5,30), Christus 
        ist ihr Haupt. (Eph 1,22; 4,15; 5,22); beide gehören unzertrennlich 
        zusammen. Kirche ist der den Machtbereich der widergöttlichen Mächte 
        schon jetzt einschränkende Wirkungsraum Gottes und seines Heiles 
        inmitten dieser Welt.  
        An Ämtern benennt Eph 4,11 Evangelisten, Hirten, Lehrer als Größen 
        der Gegenwart. Die Apostel sind zusammen mit den Propheten als Größen 
        der Vergangenheit (Eph 4,11) Traditionsnorm (Eph 2,20; Paulus selbst hatte 
        Christus als Fundament bezeichnet 1 Kor 3,11). 
       Die christliche Ethik 
       Das Leben des Christen soll der Heilstat Gottes an 
        ihm entsprechen, nämlich der Berufung in die Gemeinde der „Heiligen“ 
        (Eph 4,1 in Verbindung mit Eph 1,4.11.18); so sind die Aussagen von Eph 
        4,1-6,20 in den Aussagen über das Heilshandeln Gottes verankert. 
        Aber auch im einzelnen wird die ethische Mahnung im Heilshandeln Gottes 
        und Christi (5,2) oder in der in ihm gesetzten Norm (4,20f.) oder in seinem 
        Vorbild (4,32; 5,1; 5,25-33!) begründet und in den Horizont des göttlichen 
        Gerichtes gestellt (5,6f.; 6,8f.) und somit als spezifisch christliche 
        Ethik begriffen. Das undifferenzierte Bild des Heidentums u.a. als unvernünftige 
        Selbstauslieferung an die Begierden gerade im sexuellen Bereich (Eph 2,1-3; 
        4,17-19; vgl. schon bei Paulus 1 Thess 4,3-5; Röm 1,18-32, aber auch, 
        ohne Bezug auf heidnisches Sexualverhalten Phil 4,8) ist typisch für 
        die sog. postbaptismale Paränese, für die Mahnung, die an die 
        in der Taufe erfolgte entscheidende Lebenswende erinnern und die Christen 
        auf ihr neues Leben ansprechen soll, führt aber zugleich frühjüdische 
        Abgrenzungsstrategien weiter.  
       
      
       
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