Lektion 7: Die sieben echten Paulusbriefe

Der erste Thessalonicherbrief
Der erste Korintherbrief
Der zweite Korintherbrief
Der Galaterbrief
Der Philipperbrief
Der Philemonbrief
Der Römerbrief

Der zweite Korintherbrief

Situation und literarkritische Problematik

Ein geschichtliches Verstehen des Zweiten Korintherbriefes setzt die Erschließung der Kommunikationssituation zwischen Paulus und den Korinthern voraus, diese hat von folgenden Daten auszugehen:
Ursprüngliche Reisepläne des Paulus nach 1 Kor 16: (Ephesus) - Makedonien - Korinth.
Geänderter Plan nach 2 Kor 1,15f.: (Ephesus) - Korinth - Makedonien - Korinth.
Umstritten ist jedoch, wie viel von dem Reiseplan 2 Kor 1,15f. Paulus verwirklicht hat.
2 Kor 2,1 setzt einen zweiten, unerfreulichen Besuch voraus, 2 Kor 13,1 kündigt einen dritten Besuch an. Alle Teile des 2 Kor sind zwischen dem 2. und dem 3. Besuch des Paulus in Korinth entstanden.

Briefteilungshypothesen

Reimund Bieringer, Teilungshypothesen zum 2. Korintherbrief. Ein Forschungsüberblick, in: ders., J. Lambrecht, Studies on 2 Corinthians, BEThL 112, Leuven 1994, 67-105.
Zweifellos ist der zweite Korintherbrief derjenige Brief, bei dem die sog. Briefteilungshypothesen am ehesten eine gewissenhafte Prüfung verdienen, denen gemäß der jetzige zweite Korintherbrief mehrere (fragmentarische?) Schreiben des Apostels in sich schließt. Die Probleme, den Brief als eine Einheit zu verstehen, wirken massiv; die Forschung ist in den Hauptlinien überschaubar. Es geht fast immer um die selben Textsegmente, die gegeneinander neu gruppiert werden: 10-13; 2,14-7,4; 6,14-7,1; 8; 9. Anlaß zu Teilungshypothesen sind i.w. der auffallend wechselnde Tonfall zwischen 2 Kor 1 - 9 einerseits und dem „Vivace furioso“ 2 Kor 10 - 13 andererseits, die harten Übergänge bei 2,13f. und 7,4f. sowie die thematische Divergenz von 2 Kor 2,14-7,4 gegenüber dem Kontext, ferner die eigentümliche Diktion in 2 Kor 6,14-7,1. Sollte der in 2,4 erwähnte „Tränenbrief“ verloren sein? In den Kollektenkapiteln werden in 8,1 die Makedonier (Thessaloniki) den Korinthern gegenüber als Vorbild hingestellt, in 9,1 Achaia den Makedoniern gegenüber. So hat man 2 Kor 10 - 13 als frühestes (Hausrath) oder als spätestes (Krenkel, Windisch) Schreiben betrachtet und zusätzlich in 2,14-7,1 ein eigenes Schreiben identifiziert (Halmel), das dann zeitlich vor (D. Georgi; G. Bornkamm) oder nach 2 Kor 10 - 13 eingeordnet (A. Halmel) oder zu ihm geschlagen (J. Weiß; R. Bultmann) werden konnte. Auch die Kollektenkapitel wurden von den anderen Kapiteln abgetrennt und teilweise als (ein oder zwei) separate Schreiben behandelt, teilweise einem der bisher genannten Brieffragmente zugewiesen.
Allerdings kann auch (in neuerer Zeit zunehmend) zugunsten der literarkritischen Einheitlichkeit des zweiten Korintherbriefes argumentiert werden: 2,14ff. greift terminologisch auf 1 Kor 1,1-2,13 zurück, der Zusammenhang zwischen 7,4 und 7,5 ist nicht zu zerreißen. Warum sollen 2,14-7,4 und 6,14-7,1 gerade in ihrer Weise in ihre jetzigen Kontexte eingestellt worden sein? Wer sollte Präskripte und Briefschlüsse getilgt haben? Der verschiedene Tonfall zwischen Kap. 1-9 und 10-13 läßt sich auf eine Unsicherheit des Apostels hinsichtlich der von ihm in 2 Kor 1 - 9 gegebenen Beurteilung der Lage (Guthrie) oder auf neue Nachrichten aus Korinth zurückführen. Speziell die Gleichsetzung von 2 Kor 10 - 13 mit dem Tränenbrief begegnet Bedenken: Der Anlaß des Tränenbriefes, der lupäsas von 2,5 = adikäsas von 7,12, wird in 2 Kor 10 - 13 nicht genannt. Dieser ist Gemeindeglied, während die Gegner in 10-13 von außen eindringen; ihm wird vergeben, den Gegnern nicht. Ferner: Stellt erst ein Redaktor 2 Kor 10 -13 ans Ende der Korintherkorrespondenz, so erweckt er den Eindruck, Paulus sei in Korinth gescheitert.

Die Gegner des Paulus nach dem 2. Korintherbrief
Wahrnehmbar ist: Sie sind von außen eingedrungen (11,4) und bringen Empfehlungsbriefe mit (3,1), sind wohl ihrer Herkunft nach Juden (11,22), fordern aber nicht, daß die Korinther sich beschneiden lassen, und sind darum von den Judaisten in Galatien zu unterscheiden. Vermutlich (vgl. 11,5f.) haben sie sich besonderer Erkenntnis gerühmt und diese dem Paulus abgesprochen, vielleicht (vgl. 12,11f.) warfen sie dem Paulus vor, seiner Tätigkeit fehlten die entsprechenden Zeichen des Apostels. Ferner: Sie nahmen das apostolische Unterhaltsrecht für sich in Anspruch. Selbstbezeichnung wohl: „Diener Christi“.
Umstritten ist der religionsgeschichtliche Horizont: Sind es Judenchristen oder Gnostiker, oder Wandermissionare, die von spätantiker Religionspropaganda beeinflußt sind?

Grobgliederung

1 - 7 Paulus und die Korinther - Apologie seines Dienstes
8 -9 Die Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem
10 - 13 Selbstverteidigung des Paulus

Feingliederung

1,1f. Präskript.
Die Autorität des Paulus, auf Gott zurückgeführt, wird betont gegen die Überapostel in 2 Kor 11,15.

1,3-11 Eulogie.
Paulus dankt für Selbsterlebtes; hinsichtlich des geistlichen Zustandes der Korinther gab es vielleicht nichts zu danken. Daß der allgemeine Glaube an die Totenauferweckung nicht nur wie in 1 Thess 4,14 generell die Macht Gottes über unseren Tod hinaus bezeugt, sondern auch im Bedenken des eigenen Schicksals wirklich trägt (1,9), das mußte selbst Paulus lernen.

1,12-24 Die Lauterkeit des Apostels
Wozu muß in einer Erörterung der Reisepläne der Satz fallen: In Christus ist auf alle Verheißungen das Ja? Zur Antwort vgl. V. 19: Die Christuskonformität des Apostels begründet selbst sein Verhalten hinsichtlich seiner Reisepläne. Der Inhalt der Botschaft soll auch die Form ihrer Verkündigung und die Existenz ihrer Verkündiger prägen (V. 23f.).

2,1-4 Der Tränenbrief
Paulus hatte befürchtet, daß sich bei einem erneuten Besuch Trauer statt Freude ereignet, und deshalb den Tränenbrief geschrieben.

2,5-11 Die Beleidigung gegen Paulus
Der lypesas ist nicht mit dem Blutschänder aus 1 Kor 5 identisch: dort befiehlt Paulus die Übergabe der sark an den Satan (1 Kor 5,5), d.h. wohl die Exkommunikation; hier ruft er zur Milde auf.

2,12f. Die Sorge des Paulus um die Korinther
Die Verse sind nicht unterbrochener Reisebericht, sondern das letzte Argument in der Aufgabe, die Vorwürfe angesichts der nicht eingehaltenen Reisepläne zu widerlegen.

2,14-7,4 Apologie des paulinischen Apostolates

2,14-3,6 Die Größe des Aposteldienstes und die Eignung dazu.
Der Apostel vermittelt die von Gott kommende, lebenschenkende Erkenntnis Gottes, die Anerkenntnis seines Heilswerkes. 2,15.16a beschreiben das zu erwartende eschatologische Geschick und sind nicht prädestinatianisch gemeint. Indifferenz der Verkündigung gegenüber gibt es nicht. Der Satz „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig“ (3,6) meint keine liberal-protestantische Bevorzugung der Selbstverantwortlichkeit des denkenden Christen gegenüber der bloßen Orientierung am geschriebenen Buchstaben, sondern ist von 3,9 her zu verstehen: Das Gesetz tötet, wenn oder weil es nicht erfüllt wird.

2 Kor 3,7-18 Der Dienst des Apostels und der Dienst Moses
Der Abschnitt wird oft irreführenderweise als Midrasch gekennzeichnet, obwohl er keinem (zumindest) der späteren Midraschim in der Durchführung ähnelt: Dort sind Bibeltexte explizit zitiert und innerhalb der Auslegung klar durch Einleitungsformeln als Bibeltexte bezeichnet. Doch bestehen unverkennbar intertextuelle Beziehungen zwischen 2 Kor 3,7-18 und Ex 34,29-35.
3,7-11 enthält eine dreimalige conclusio a minore ad maius. Paulus gebraucht diese Redeform in theologischen Zusammenhängen, um von geschehenen Taten Gottes auf seine zukünftig zu erwartenden zu schließen. Gott bleibt sich treu, doch er überbietet sich.
3,12-18 Vom Inhalt der Botschaft ist die Art ihrer Verkündigung geprägt: Die göttliche Herrlichkeit und göttliche Herkunft verlangt nach Verkündigung in Freimut den Menschen gegenüber. Paulus wertet, vielleicht in Auseinandersetzung mit dem Mosebild seiner Gegner (vgl. Sap 10,16; Philo, Vita Mosis 2,27) die Stelle Ex 34,29-35 maliziös um mit Hilfe des von ihm neu eingetragenen Stichwortes katargein = vergehen: Die Decke (vgl. Ex 34,33) sollte vor den aufmerksamen Augen der Israeliten verbergen, daß Moses Herrlichkeit verschwindet. Bibelkundlich erwähnenswert ist die Wendung „der Alte Bund“ 2 Kor 3,14; vgl. Hebr 8,13 „der Neue Bund“.

4,1-6 Botschaft und Verkündigung
Die Herrlichkeit des Dienstes verlangt nach einer Verkündigung, die sich gegenüber dem Gewissen jedes Menschen vor Gott verantworten kann. Wenn jemand das Evangelium nicht annehmen kann, dann, so Paulus, hat ihm der Gott dieses Äons die Sinne verblendet. Paulus lehrt nicht den Gedanken der Prädestination (das könnte ja den Verkündiger entlasten), sondern fordert eine Verkündigung, die keine falschen und unnötigen Hindernisse, etwa uns selbst (4,5) aufbaut, sondern die Menschen so vor Gott stellt, daß nicht mehr die Frage der Erkenntnis, sondern der Anerkenntnis gestellt ist.

4,7-15 Die Leiden des Apostels
Die Leiden des Apostels sind evangeliumsgemäß, und das Wirken des Apostels geschieht um der anvertrauten Menschen willen. Der Peristasenkatalog 4,8-9 thematisiert nicht die unerschütterliche Ruhe des Weisen, sondern die Hilfe Gottes, die ihm eine Durch- und Weiterführung seines Dienstes ermöglicht. In 4,10f. wird das Todesleiden Jesu nicht als theologische Basis der eigenen Existenz i. S. des stellvertretenden Sühnetodes, aber auch nicht als zur Demut verpflichtendes Vorbild angesprochen, sondern als Prägung der eigenen apostolischen Existenz. So wirkt der Tod in den Leiden des Apostels, das Leben in der Bewährung der Korinther (4,13). Die Gewißheit der Auferweckung der Toten wird in 2 Kor 4,14 wie in 1 Thess 4,14; 1 Kor 15,6,14; Röm 8,11) aus der Auferweckung Jesu gefolgert. 2 Kor 4,15 benennt als das eigentliche Ziel der apostolischen Arbeit die Danksagung vieler, die zur Verherrlichung Gottes dient, ihm die gebührende Ehre gibt.

4,16-5,10 Die christliche Hoffnung
Trotz dieser Nöte verzagt Paulus nicht, weil der ständigen Bedrohung durch Todesgefahren die Gabe des pneuma und die Gewißheit der Auferweckung gegenüberstehen (4,16-18).
Zu 2 Kor 5,1-10 seien die drei wichtigsten Interpretationsmodelle genannt:
1. Paulus spricht in V. 1 von der Zuversicht angesichts des Todes, in V. 2-4 von der Furcht vor einem Zwischenzustand der Nacktheit, in V. 6-8 bevorzugt er dann doch den Tod vor der Parusie als die bessere Möglichkeit, weil er dann schon im Zwischenzustand bei dem Herrn sei (Bachmann; Lietzmann).
2. Paulus klammert den Gedanken an die Parusie aus, weil er sich, bedingt durch das in 2 Kor 1,8-10 genannte Widerfahrnis, mit dem Gedanken auseinandersetzen mußte, die Parusie nicht mehr zu erleben, und hofft auf ein Sein bei Christus sofort nach dem Tode. Doch kennt Paulus auch noch nach der Abfassung von 2 Kor 5 die Vorstellung der zukünftigen Verwandlung und Auferweckung (Röm 8,11-17).
3. Das in 5,1-10 ersehnte Ereignis ist nichts anderes als die Parusie, der Zustand der Nacktheit, vor dem sich Paulus fürchtet, ist nicht der Zwischenzustand, sondern der Zustand endgültiger Leiblosigkeit, wie ihn alle Nichtchristen haben werden. Von schweren Todesgefahren berichtet Paulus auch in 1 Kor 15,32, ohne seine Naherwartung zu modifizieren. Es liegt dann auch kein Bruch zwischen V. 2-4 und V. 9f. zwischen Hoffnungs- und Gerichtsaussage vor. Es gäbe keine Entwicklung in der paulinischen Eschatologie.

5,11-13 Das eschatologische Gericht als Kriterium für den Dienst des Apostels
Die Orientierung am Jüngsten Gericht schließt Unwahrhaftigkeit der Apostel aus, die Korinther sollen das erkennen und, so V. 12, den Anspruch des Paulus, in Orientierung an dem Jüngsten Gericht seinen Dienst zu tun, den Gegnern gegenüber bekunden.

5,14-21 Der Dienst der Versöhnung
Dienst in der Nachfolge Christi ist durch dessen Existenz bestimmt und bedeutet ein Zurücktreten der eigenen Person hinter dem Auftrag, die richtige Beurteilung der Person Jesu Christi (V. 16) die Umsetzung des Todes Christi im Dasein für andere. Für die Frage nach der Bekanntschaft des Paulus oder seiner Gegner mit dem irdischen Jesus gibt V. 16 nichts her.
Zum Motiv der „neuen Schöpfung“ V. 17 vgl. Jes 65,17; 66,22. Die Erwartung wird im frühen Judentum vornehmlich auf das Individuum bezogen. Neuschöpfung ist, wenn sich ein Heide bzw. eine Heidin zum Gott Israels wendet (JosAs 8,9) oder wenn jemand in den Bund von Qumran eintritt (1QH 3,21f.).
Gott selbst, nicht der Mensch, ist Subjekt der Versöhnung (5,18). Er rechnet die Sündenschuld nicht zu, d.h. schreibt sie nicht bis zum Endgericht fest (5,19). Paulus ist Gesandter und damit Bevollmächtigter seines Auftraggebers. „Wir bitten“ paßt nicht eigentlich dazu, ist aber paulinisch - sachlich notwendig: allein dies entspricht der Niedrigkeit des Kreuzes, die auch die Gestalt der Verkündigung entspricht (5,20). Vom stellvertretenden Sterben Jesu spricht 5,21: „zur Sünde gemacht“ heißt: die Folgen unserer Sünde auf ihn übertragen, die Folgen der Sündlosigkeit Jesu auf uns. 2 Kor 5,21 ist der älteste Beleg für die Vorstellung von der Sündlosigkeit Jesu. Die Wendung „Gerechtigkeit Gottes“ erscheint erstmals in den Paulinen
6,1-7,4 Aufforderung, die Gnade nicht vergeblich zu empfangen.
Paulus bittet darum, das Versöhnungwerk nun auch Wirklichkeit werden zu lassen, zumal angesichts seiner Bewährung im apostolischen Dienst, auch im Leiden (erneuter Peristasenkatalog in 6,4-10).

6,14-7,1 Die Heiligkeit der Gemeinde
Bei Unterschieden im einzelnen wird wie in 1 Kor 3,16f. Gemeinde als Tempel verstanden. Heiligkeit ist gefährdetes Gut. Hier liegt ein defensives Verständnis von Heiligkeit vor, das aber sachbedingt ist, wenn die Gemeinde als ganze am Jüngsten Tag vor Gott stehen und in ihrer Bewährung erkannt werden soll.

7,5-16 Die Reue der Korinther
Die Reue der Korinther ist von Gott gewirkt und so für den Apostel tröstlich.

8 - 9 Die Kollekte für Jerusalem.

8 Makedonien als Vorbild
Trotz großer Armut haben die maekdonischen Christen viel gegeben; ebenso sollen es die Korinther halten. Diese Bitte wird nicht nur mit der Verpflichtung zur innerchristlichen Solidarität und zum Tun des Guten motiviert, vielmehr wird auch darin die Gemeinde Christus konform: 2 Kor 8,9 ist Anspielung auf die Inkarnation, vgl. Phil 2,6f.
Was ist ein Apostel? 1.) ein Abgeordneter einer Gemeinde, so hier und Phil 2,25; 2.) nach Paulus einer, den der Auferstandene persönlich zum Dienst beauftragt hat; 3.) nach Lukas einer, der den irdischen Jesus gesehen hat. Paulus war für Lukas (bis auf Apg 14,4.14) nicht „Apostel“, so hoch er ihn sonst schätzt.

9 Korinth als Vorbild
Die Korinther waren den Mazedoniern ein Vorbild darin, die Kollekte anzufangen; nun sollen sie diese, wie die Mazedonier bereits getan haben, ebenfalls abschließen. An die eigene frühere Vorbildfunktion wird erinnert, um in der Gegenwart zu entsprechendem Handeln zu bewegen.

10 - 13 Apologie des Apostels

10,1-11 Verteidigung gegen persönliche Angriffe
Die Demut des Paulus ist in der Demut Christi begründet und wird von den Korinthern nur dann richtig verstanden, wenn sie selbst ebenfalls demütig sind.

10,12-18 Der Maßstab des Rühmens
Offensichtlich muß sich Paulus dagegen wehren, von der Gemeinde so angesehen zu werden, wie die Gegner sein Bild zeichnen: als schwächlich, ohne Mut, weil ohne ekousia. Er kann keine Probe des in ihm redenden Christus ablegen (13,3), er hat keine pneumatische dynamis - oder er soll es zeigen! So muß Paulus einerseits sagen: So wie die Gegner bin ich nicht; andererseits: ich bin den Gegnern überlegen.

11,1-6 Paulus bittet um Gehör

11,7-15 Der Verzicht auf das apostolische Unterhaltsrecht
Daran soll die Gemeinde nicht seine Schwäche, sondern die Lauterkeit seiner Verkündigung und die Liebe zu ihr erkennen.

11,16-12,10 Die sog. „Narrenrede“

11,16-33 Der Vergleich mit den Gegnern
Nach 11,17 ist das folgende nicht „im Herrn“ gesagt, sondern kata sarka, also nicht in Bestimmtheit durch seinen Geist, sondern als theologisch unadäquate Rede. Gleichwohl enthält sie Wahres und überführt gerade darum die Gegner. Rhetorisch wirkungsvoll verschwinden diese ab 11,23 aus der Argumentation - sie können bei den Leiden um Christi willen nicht mehr mithalten. Der Peristasenkatalog 11,24-29 dient dem Nachweis, daß Paulus Diener Christi ist.

12,1-10 Ekstatische Erfahrung und Krankheit des Paulus
Paulus redet von den eigenen ekstatischen Erfahrungen wie von den Erfahrungen eines anderen Menschen. Autoritätsansprüche werden nicht abgeleitet. „Seine Autorität soll nicht auf seinen Geheimnissen beruhen“ (Schlatter). Zwischen der ekstatischen Erfahrung und der Krankheit des Apostels besteht kein sachlicher Zusammenhang. Was der „Pfahl im Fleisch“ bedeutet, ist umstritten; Paulus teilt es uns nicht mit, weil die Sache Vorrang hat vor der Person und dem neugierigen Interesse an deren Individualität.
„Meine Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung“ (12,9): Die Kraft, die Menschen zum Glauben zu führen, realisiert sich gerade in der Schwachheit, im Leiden.

12,11-18 Klarstellungen hinsichtlich des apostolischen Dienstes
Paulus geht nun wieder zu direkter Argumentation über: Er hat die Zeichen eines Apostels getan, und der Verzicht auf das apostolische Unterhaltsrecht ist kein Unrecht gegenüber der Gemeinde.

12,19 -13,10 Erwartungen an die Gemeinde
Daß Christus in Paulus bzw. in den Korinthern ist, erweist sich nicht an der ekstatischen Erfahrung als solcher, sondern an ihrem sachlichen Gehalt wie an dem sachlichen Gehalt des jeweiligen Wortes. 13,4: An Christus sind Schwachheit und Kraft (vgl. 12,9) in ihrer sachlichen Zusammengehörigkeit sichtbar.

13,11f. Briefkorpusabschluß

13,13 Schlußgruß
Die Stelle ist einer der Belege, die später die Trinitätslehre biblisch begründen können, neben Mt 28,19; Joh 3; Röm 8.

 

Last changes: 2002-11-15 Vogler