Lektion 8: Paulus - eigener Versuch einer Gesamtdarstellung

Forschungsgeschichtlicher Überblick
Gott
Die Heilige Schrift
Der alte Äon
Der neue Äon
Soteriologie
Paulinische Ekklesiologie
Ethik

 

5. Soteriologie

5.1. In der Forschung unterscheidet man zwei Gruppen von Aussagen:

1. die sog. juristischen, juridischen Aussagen über den stellvertretenden Sühnetod Jesu und der Wirkung „für uns“.

2. die mystisch, ethisch, neuerdings partizipatorisch genannten Aussagen der Gemeinschaft, des Mitsterbens- und Mitleidens und Mitauferstehens des Glaubenden mit Christus.

Die Paulusauslegung dieses Jahrhunderts hat Paulus von der Rechtfertigungslehre des Gal und Röm her gedeutet und den Schwerpunkt der Soteriologie in den Termini der Rechtfertigung und des stellvertretenden Sühnetodes her gesehen, während Ed Parish Sanders 1977 wieder die mystisch-ethische, von ihm partiziationistisch genannte Gedankenreihe in den Vordergrund stellt. Nicht alle Bezugnahmen auf Christi Sterben sind, so Sanders, Hinweise auf seinen Opfertod für vergangene Sünden: 2 Kor 5,14f. formuliert in partizipationistischer Terminologie: „also sind alle gestorben“. „In Christus erlangt man nicht nur die Sühnung von Übertretungen - man stirbt vielmehr der Macht der Sünde“ (439), ähnlich in Gal 1,4. Auch Röm 6,3-11; 7,4; Gal 2,19f.; 5,24; 6,14; Phil 3,10f. zielen nicht auf eine Sühnetodtheologie, son-dern auf die Teilhabe an Christi Tod, durch die man der Macht der Sünde bzw. des alten Äons stirbt und infolgedessen Gott angehört. Der Übergang zu diesem neuen Leben ist ein Wechsel von einer Herrschaft zur anderen (443).

Partizipationistische Terminologie setzt auch ethisch die zentralen Perspektiven: „Nicht die Sünden als Sünden führen zum Ausschluß (als Strafe dafür), sondern die Tatsache, daß sie Gemeinschaften begründen, die mit der Christus-Gemeinschaft unvereinbar sind“ (481). Im Blick auch auf Röm 6 kann Sanders feststellen: „Pauli ‘juridische’ Sprache wird bisweilen seinen ’partizipationistischen’ Kategorien dienstbar gemacht, aber niemals umgekehrt“.

Ferner ist es für Sanders wahrscheinlich, „daß sich das Denken Pauli nicht von der Situation des Menschen zu ihrer Lösung hin bewegte, sondern eher von der Lösung hin zur Situation“ (416, ähnlich 449): Röm 7 beschreibt nicht die Frustrationen, die Paulus in seinem Leben als praktizierender Jude durchlebt haben soll; Phil 3 schließt solche Frustrationen aus; In Gal 2,21 ist der Grundsatz expliziert formuliert. So erschließt Sanders: „Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß Paulus die Notwendigkeit eines Weltenheilandes erkannte, ehe er zu der Überzeugung kam, daß Jesus ein solcher war“ (417).

Forschungsgeschichtlich gesehen stellt sich die sog. New Perspective in manchem als Wiederaufnahme von Paulusinterpretationen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts dar, erweitert um eine neue Sicht der Soteriologie im frühen Judentum und korrigiert durch die Intention sachgerechten Verstehens der jüdischen Religion. Richard Adalbert Lipsius, Die paulinische Rechtfertigungslehre, 1853, verstand Rechtfertigung zugleich als gerichtlichen forensischen Akt und als ethisches Geschehen. „Der Glaube ist ein sittlicher Lebenszustand, der innerlich Gerechtigkeit wirkt. Das Wirksame an der Erlösung ist die Todes- und Lebensgemeinschaft mit Christo. Sie vollzieht sich durch den Geist Gottes und Christi, der sich mit den Gläubigen vereint und ihre Persönlichkeit umschafft“ (Schweitzer, 15f.). Hermann Lüdemann konstatierte eine Entwicklung bei Paulus: In dem (früh zu datierenden) Galaterbrief herrsche noch der jüdische Gedankengang von Christi stellvertretendem Strafleiden und der Gerechtigkeit aus dem Glauben, in den Korintherbriefen zeigten sich schon die Grundbegriffe der hellenistisch geprägten ethisch-physischen Gedankenreihe. Im Römerbrief spreche sich in den ersten vier Kapiteln noch die alte Anschauung aus, in den Kapiteln fünf bis acht hingegen die neue Erkenntnis. Verbunden mit dieser Entwicklungstheorie ist Lüdemanns eigene Wertung: In der ethisch-physischen Erlösungsvorstellung sei die eigentliche Ansicht des Apostels niedergelegt. Hingegen haben nach Otto Pfleiderer beide Gedankenkreise, der jüdische juristische vom stellvertretenden Strafleiden und der ethisch-mystische von der Gemeinschaft mit Christus, von Anfang an gleichwertig im Bewußtsein des Apostels bestanden; seine Theologie sei nur unter Beachtung dieser Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit recht verständlich. Sanders’ Bundesnomismus (dazu vgl. Lektion 7, zu Röm 2,1-16) sowie seine Devise „From solution to plight“ sind bei Paul Wernle, Die Anfänge unserer Religion, Tübingen, Leipzig 1900, 2. Aufl. 1904, in Teilen vorweggenommen. „Weil Jesus allein der Erlöser und in seiner Gemeinschaft allein das Heil ist, darum muss die Menschheit ausser Christus so ganz verdorben und verloren sein, dass ihr jeder andere Rettungsweg abgeschnitten ist ausser dem Glauben an Christus. Nicht eine vorangehende Erkenntnis der Grösse der Sünde und der Ohnmacht des Menschen ist die Wurzel dieser Theorie, sondern der Glaube an Christus hat die pessimistischen Postulate als Voraussetzungen erfordert“ (P. Wernle, Die Anfänge unserer Religion, 164).

Literatur zur Weiterarbeit:
Lipsius, Richard Adelbert, Die paulinische Rechtfertigungslehre, 1853.
Lüdemann, Hermann, Die Anthropologie des Apostels Paulus, Kiel 1872.
Sanders, Ed Parish, Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstrukturen. Aus dem Amerikanischen von J. Wehnert, StUNT 17, Göttingen 1985. Hübner, Hans, Pauli Theologiae proprium, NTS 26, 1980, 445-473;
Lohse, Eduard, Theologie der Rechtfertigung im kritischen Disput - zu einigen neuen Perspektiven in der Interpreta-tion der Theologie des Apostels Paulus, GGA 249, 1997, 66-81.

Kritik an Sanders bezog sich auf seine Darstellung frühjüdischer Soteriologie ebenso wie auf seine Paulusdeutung: In Röm 4 sei der Gedanke der Nichtanrechnung der Sündentaten in Verbindung mit dem der Anrechnung der Gerechtigkeit konstitutiv (H. Hübner), und mit der These, Ethik sei nicht an die Rechtfertigungslehre zurückgebunden, sei Röm 6 völlig verkannt (E. Lohse). In Röm 6 sind keineswegs die juridischen Termini in den Dienst der partizipatorischen Kategorien gestellt, vielmehr wird in Röm 6,1ff. mit partizipatorischen Begriffen argumentiert, gerade um ein Mißverständnis juridischer Aussagen abzuwehren (H. Hübner)

Die Hauptfrage der Darstellung muß angesichts des gegenwärtigen Forschungsstandes sein: Wie verhalten sich juridische und partizipatorische Aussagen zueinander? Welchen sachlichen Sinn hat das Nebeneinander? Frühjüdische Freiheit im haggadischen Bereich erlaubt hier auch die Übernahme hellenistischer Vorstellungen, sofern die innere Bindung der impliziten Leser an Gott und an Christus damit gefördert wird.

Partizipatorische Aussagen begegnen noch nicht in 1 Thess. Die dortige Soteriologie ist beschrieben in den Termini der Ewählung (1,4), Berufung (2,12) und Errettung vor dem kommenden Zorn (5,9), in der Abkehr von der Verehrung toter Götzen, in dem Übergang von der Unkenntnis Gottes um Wissen um Gottes Willen (4,5), das einen des berufenden Gottes würdigen Wandel fordert (2,12). Daß hier christliche Soteriologie vorliegt, erkennt man überhaupt nur an 1,9f. und 5,9f., vor allem an letzterer Stelle, wo von dem Tod Christi „für uns“ die Rede ist. Kommt in der genannten Formel in 5,9 der Gedanke des stellvertretenden Sühnetodes in den Blick, so sind damit juristische Termini als die theologische Grundlage der Soteriologie auch für ihre partizipatorische Begrifflichkeit genannt.

Klar erkennbar liegt partizipatorische Terminologie in 1 Kor 1,9, wo die Berufung in die Gemeinschaft mit Christus gemäß Gottes Willen bezeugt wird. Gemeinschaft, koinonia, ist ein Terminus, der im AT nirgends, wohl aber bei Philo von Alexandrien auf das Verhältnis Gott - Mensch angewandt wird (VitMos I 158; Spec Leg I 221; I 131, ähnlich wie in hellenistischer Philosophie der Gedanke belegt ist, der vernünftige Mensch habe Gemeinschaft mit der Gottheit; Epiktet, Diss I 9,5), der aber ansonsten eher auf hellenistische Vorstellungen der Gemeinschaft der Menschen und Götter am Opfermahl verweist. Dem Griechen wohl verständlich ist daher 1 Kor 10,16f., der Verweis auf die Gemeinschaft der Christen mit Christus und untereinander beim Herrenmahl; der daraus folgende Exklusivcharakter, daß also die Gemeinschaft mit Christus die Gemeinschaft am Tisch der Dämonen ausschließt (1 Kor 10,20), ist freilich wiederum alttestamentlich-jüdisch empfunden, genau wie der andere Gedanke, daß die Gemeinschaft mit Christus den Gang zur Prostituierten ausschließt (1 Kor 6,15) – einem Griechen nicht unbedingt einleuchtend.

Schließlich ist noch auf eine Terminologie einzugehen, die im theologischen Sinn nur bei Paulus und in den von ihm abhängigen Schriften begegnet. Es handelt sich um die Verben synapothanein (mit-sterben; 2 Kor 7,3), syzen (mit-leben; 2 Kor 7,3), sympaschein (mit-leiden; 1 Kor 12,26; Röm 8,17) symmorfizesqzai (gleichgestaltet werden seinem Tode; Phil 3,10); systaurusquai (mit-gekreuzigt werden; Gal 2,19; Röm 6,6), synthaptesqhai (mit-begraben werden; Röm 6,4), syndoxazesqzai (mit-verherrlicht werden; Röm 8,17). Diese Terminologie betrifft zunächst in 1 Kor 12,26 das Verhältnis der Gemeindeglieder untereinander (sympaschein) und in 2 Kor 7,3 das herzliche Verhältnis zwischen Apostel und Gemeinde (synapothanein, syzen), wird in Gal 2,19; Phil 3,10 aber auch für die Konformität christlicher bzw. apostolischer Existenz mit dem Leiden und Gekreuzigtwerden Christi gebraucht, bis schließlich in Phil 3,10f. und Röm 8,17 sich folgende Konfiguration vollendet: Gemeinschaft mit Christus bedeutet, daß die gegenwärtig erlebte Teilhabe an der Niedrigkeitsphase in Form des Kreuzesleidens die Gewißheit gibt, auch an der Verherrlichung teilzuhaben. Christi Geschick als Transfer vom Tod zum Leben steht beispielhaft für den Transfer des Gläubigen vom Alten in den neuen Äon. Partizipatorische Terminologie dient hier dazu, die unumstößliche Gewißheit des apokalyptisch verstandenen Heils und seine ethische Verbindlichkeit herauszustellen. So läßt sich festhalten: Christliche Existenz wird durch das Heilsgeschehen in seinem „daß“ begründet, in seinem „wie“ normierend geprägt.

Wie steht es dann um die Bedeutung der Rechtfertigungslehre für Paulus? In ruhiger historischer Betrachtung stellt man folgendes fest: Von der impliziten Universalität des Heilswillens Gottes, der auch die Heiden beruft, geht es über die polemische Rechtfertigung der beschneidungsfreien Heidenmission im Galaterbrief zur prononcierten Universalität im Römerbrief. Die Bezeichnung diakonia tes katakriseos („Dienst der Verurteilung“) für den Dienst des Mose in 2 Kor 3,9 ist m.E. am ehesten in Analogie zu Röm 3,20 („durch die Thora kommt Erkenntnis der Sünde“) zu interpretieren, setzt damit aber die Grundzüge der paulinischen Rechtfertigungslehre ebenfalls voraus.

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5.2. Wie auch immer: Wer sich von der Evangeliumsverkündigung hat überzeugen lassen, der hat irgendwanneinmal um die Taufe nachgesucht.

Literatur zur Weiterarbeit: Barth, G., Die Taufe in frühchristlicher Zeit, BThSt 4, Neukirchen 1972.

Von der Wortgruppe baptizein (taufen) fehlen die Wörter baptismos (Taufe) und bapto (taufen) bei Paulus völlig; einmal erscheint baptisma (Taufe) in Röm 6,4, an 14 Stellen erscheint das Verbum baptizo (taufen), davon allein gehören 6 Belege der Stelle 1 Kor 1,13-17 an, wo Paulus sagt, dass er eigentlich nicht zum Taufen, sondern zur Verkündigung beauftragt sei. An der zentralen Bedeutung der Taufe für das christliche Leben nach Paulus lässt sich gleichwohl nicht zweifeln.

Taufe grenzt nach dem Verständnis des Paulus aus den bisher geltenden gesellschaftlichen Bezügen und Bedingungen aus und gliedert in den Lebensbereich Jesu Christi ein, in dem nun die Lebensordnung Jesu Christi gilt. Der Übereignungsgedanke begegnet in 1 Kor 1,12ff.; Gal 3,27; die Taufe wird als Herrschaftswechsel verstanden in Gal 4 und Röm 6: Die Glaubenden sind der Herrschaft der Sünde etc. entnommen (Röm 6,6ff.; der Weltelemente Gal 4,3.9) 77 und zur Freiheit berufen (Gal 5,1.13); diese Freiheit gibt es aber nur in der Unterstellung unter den neuen Herrn, Christus (Röm 6,12ff.). Für Paulus ist der Zusammenhang zwischen Taufe und Ethik konstitutiv. 72 Zwar kennt Paulus die Gefahr, daß Taufe und Herrenmahl als Garanten der Heilsanwartschaft mißverstanden werden, doch er denkt nicht daran, „der Taufe die Gabe des Geistes abzusprechen und ihre Bedeutung auf eine rein menschliche Bekenntnishandlung zu reduzieren“.

Diese Tauftheologie, Taufe im bewußten Zusammenhang mit dem neuen Wandel zu reflektieren, setzt natürlich die Erwachsenentaufe als Glaubenstaufe voraus, die Taufe aufgrund der bewußten Entscheidung des Täuflings, um die Aufnahme in die christliche Gemeinde nachzusuchen. Nächste Parallele im Judentum ist die Gemeinschaft von Qumran.

Wurden Kinder getauft? Man könnte auf die Formel verweisen, daß jemand das „Haus des XYZ“ getauft habe (1 Kor 1,16: Haus des Stephanas; Apg 16,15, Lydia und ihr Haus), doch umfaßte das Haus im griechischen wie im römischen Privatrecht wohl nur die rechtsfähigen Mitglieder. so braucht die genannte Formel Kinder nicht notwendig einzuschließen. Ein positiver Beweis läßt sich nicht führen, wenngleich die Taufe von Kindern auch nicht ausgeschlossen werden kann.

Zu beachten ist ferner: Die Erwachsenentaufe der von der paulinischen Mission angesprochenen Christen ist nicht nur in diesem ihren irdischen Leben eine gewichtige Zäsur, vielmehr werden sie in der Taufe des endzeitlich verheißenen Gottesgeistes teilhaftig und damit in den neuen Äon versetzt. Apokalyptik hat nicht nur eine universalgeschichtliche, sondern eine individualgeschichtliche Implikation: Der Christ lebt nach den Regeln des neuen Äon, auch wenn ihn äußerlich noch die Bedingungen des Alten Äons bestimmen. Fragt man, wie Paulus jenseits des uns empirisch Wahrnehmbaren von der prinzipiellen Sündlosigkeit des Getauften ausgehen kann, dann nur, weil er im neuen Äon an den Getauften die Verheißung der Gabe des Geistes Ez 36,27 realisiert sieht. Deshalb ist nunmehr die paulinische Vorstellung vom Heiligen Geist zu erörtern.

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5.3. Der Heilige Geist

Literatur zur Weiterarbeit: Horn, F. W., Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie 1992.

Bevor wir die paulinischen Aussagen zusammenstellen, ist eine religionsgeschichtliche Orientierung hilfreich. Der Hellenismus versteht pneuma als himmlische Substanz. Davon macht Paulus in 1 Kor 15,44 Gebrauch: das soma pneumatikon ist ein Leib aus pneumatischer Materie, im Gegensatz zum irdischen Leib, der aus sarx gebildet ist. Von weitaus größerer Bedeutung ist jedoch das alttestamentlich-frühjüdische Verständnis des Geistes als einer übernatürlichen Kraft, die zu außergewöhnlichen Taten befähigt, aber auch als der Kraft der Einsicht und des rechten Wandels. Daß erst Paulus den Geistbegriff ethisiert habe, ist ein im Hinblick auf das frühjüdische Vergleichsmaterial unhaltbare Überschätzung des Paulus auf Kosten des Judentums. Für das paulinische Geistverständnis wesentlich ist zunächst Ez 36,27, wo der Geist als eschatologische Heilsgabe benannt ist (s.o.). Dann sind für das religionsgeschichtliche Umfeld des Paulus einige Äußerungen aus der Qumranliteratur zu benennen, deren Parallelen zu Paulus ins Auge springen. Die Israeliten könnten genannt werden „die Gesalbten des Geistes der Heiligkeit 4Q270 Frg. 9 Kol ii. 14. Der von Gott gegebene Geist reinigt den Beter, daß er überhaupt würdig ist, unter den „Männern der vollkommenen Heiligkeit“ (eine der Selbstprädikationen der Qumrangemeinschaft) Gott zu dienen; er verleiht Gotteserkenntnis (1 QH 4,26) genauso wie Erkenntnis des rechten Wandels und auch die Bewährung (vgl. 1 QS III 6-9). Freilich ist er nicht einseitig als Gabe oder Ausstattung zu verstehen, sondern als gefährdetes Gut, so daß gewarnt wird: „mit irgendwelchem Besitz sollst du nicht vertauschen den Geist deiner Heiligmäßigkeit“.

Der eschatologische Horizont von Ez 36,26f. sowie der Verweis auf ihn sowohl beim getting in als auch beim staying in ist auch für das paulinische Verständnis des Heiligen Geistes bestimmend. Er wird bei der Taufe übermittelt (Gal 3,2.5); daß jemand getauft ist, aber den Heiligen Geist nicht hat, liegt jenseits dessen, was Paulus reflektiert.

Dem heiligen Geist schreibt der Apostel folgende Wirkungen zu:

Nach 1 Kor 12,3 ist das Bekenntnis zu Jesus als dem Herrn nur durch den Geist möglich, nach 1 Kor 2,6-16 wirkt er Erkenntnis Gottes 1 Kor 2,6-16, und zwar als des Gottes, der im Gekreuzigten auf dem Plan ist. Erkenntnis, daß mir in Christus das Heil geschenkt ist, ist geistgewirkt, ebenso die Freude inmitten aller Bedrängnis bei der Aufnahme des Wortes Gottes 1 Thess 1,6. Er bestätigt den Glaubenden die Gotteskindschaft (Röm 8,16). Er wirkt Erkenntnis dessen, was richtig ist, auch im Einzelfall (1 Kor 7,40).

Er wirkt den rechten Wandel, nicht in Unreinheit, sondern in Heiligung (1 Thess 4,7f.); er bestimmt das christlich-sittliche Leben (Röm 8,4f.13; Gal 5,16.25), er prägt den Dienst vor Gott (Phil 3,3) und das Beten (Röm 8,15.25f.); er ist das Unterpfand christlicher Hoffnung auf die zukünftige Auferweckung (2 Kor 1,22; 5,5; Gal 6,8; Röm 8,11.23).

Der Heilige Geist ist aber noch weitaus konkreter in der christlichen Gemeinde wirksam: Er wirkt die Geistesgaben;1 Kor 12; 14.

Doch ist de Heilige Geist keine magische Schutzmacht, weder vor Krankheiten noch vor der Sünde. Er ist, wie schon in der vorhin zitierten jüdischen Tradition, eine verletzliche Größe, deren Heiligkeit durch den Menschen bewahrt werden muß (1 Kor 3,16; 6,19).

Die Taufe führt den einzelnen in eine neue Lebensgemeinschaft hinein, in die Gemeinde. Sachgemäß schließt sich die Ekklesiologie an.

Freilich ist die Entscheidung näher zu begründen, daß die Ekklesiologie vor der Individualethik dargestellt wird (so auch Stuhlmacher und J. Dunn). Wir pflegen unsere Mitgliedschaft in der Kirche nicht als eine der anthropologischen Grundkonstituenten zu betrachten – bei Paulus ist das ein wenig anders. Am Beispiel des Blutschänders 1 Kor 5 wird deutlich, dass die Heiligkeit der Gemeinde als entscheidendes Argument expliziert wird, nicht nur der als selbstverständlich vorausgesetzte Umstand, daß der Sünder (zum Verbot der in 1 Kor 5 genannten Beziehungen in der Thora vgl. Lev 18) als Individuum dem göttlichen Gericht verfällt (Nach psychologischen Befindlichkeiten fragt Paulus ohnehin nicht). In die selbe Richtung weist der Umstand, dass sich Paulus für den Zustand seiner Gemeinden im Jüngsten Gericht haftbar weiß - eine Vorstellung, die nicht einmal biblische unabdingbar ist, vgl. Ez 3,19: „Hast du den Frevler verwarnt, und er steht nicht ab von seinem Frevel und seinem Wandel, so wird jener Frevler um seiner Schuld willen sterben, du aber hast deine Seele gerettet“.